- | Begründungsstrang 1 (juris-Rz 67 ff., alle GmbH): Ein Vorsteuerabzug aus den Gutschriften scheide bereits deshalb aus, weil sich das FG nicht mit der notwendigen Gewissheit davon überzeugen konnte, dass die A-GmbH, M-GmbH, S-GmbH und T-GmbH tatsächlich die Lieferungen getätigt haben, die den streitigen Vorsteuerabzug begründen sollen. Der Abzug der in einer Rechnung oder Gutschrift ausgewiesenen Umsatzsteuer sei nur zulässig, wenn Rechnungsaussteller und leistender Unternehmer identisch seien. Die objektive Beweislast (Feststellungslast) trage der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer, d.h. der Kläger. |
- | Begründungsstrang 2 zur A-GmbH (juris-Rz 107 ff.): Ein Vorsteuerabzug aus angeblichen Lieferungen der A-GmbH sei zu versagen, weil nicht der vollständige Name des Leistenden angegeben worden sei. In den Gutschriften sei als Leistende eine "A, Inh. ..." angegeben. Beide Namen unterschieden sich erheblich sowohl im Hinblick auf die Firmenbezeichnung als auch auf die Rechtsform. Ob es das Einzelunternehmen A überhaupt gegeben habe, erschließe sich dem FG weder aus dem Vortrag der Beteiligten noch aus dem Akteninhalt. Jedenfalls sei der in den Gutschriften angegebene Name mehrdeutig und geeignet, Verwechselungen zu begünstigen. Zwar seien auch die vom Steuerpflichtigen beigebrachten zusätzlichen Informationen zu berücksichtigen. Allerdings habe der Kläger keine weiteren Informationen vorgelegt. Auch ergäben sich aus dem Inhalt der Akten keine weiteren Informationen. |
- | Begründungsstrang 3 (juris-Rz 112 ff., alle GmbH): Selbst wenn aber die A-GmbH, M-GmbH, S-GmbH und T-GmbH tatsächlich Edelmetall an den Kläger geliefert hätten, was das FG hilfsweise unterstelle, stehe dem Kläger das Recht auf Vorsteuerabzug auch nicht zu, da er hätte wissen müssen, dass die betreffenden Umsätze in die jeweilige durch die jeweiligen Verantwortlichen begangene Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen gewesen seien. Die Steuerverwaltung müsse zwar aufgrund objektiver Anhaltspunkte (und ohne vom Rechnungsempfänger ihm nicht obliegende Überprüfungen zu fordern) darlegen und ggf. beweisen, dass die betreffende Person wusste oder hätte wissen müssen, dass der zur Begründung des Rechts auf Vorsteuerabzug geltend gemachte Umsatz in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen sei. Das FG sei davon überzeugt, dass der Kläger von den Mehrwertsteuerhinterziehungen der A-GmbH, M-GmbH, S-GmbH und T-GmbH bei Leistungsbezug zumindest hätte wissen müssen. |
| - | M-GmbH (juris-Rz 137 ff.): Der Geschäftsführer der M-GmbH habe eine Steuerhinterziehung begangen, indem er die Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2010 nicht abgegeben habe. In den Umsatzsteuer-Voranmeldungen des Jahres 2010 (1. bis 4. Kalendervierteljahr 2010) seien zudem unzutreffend Vorsteuerbeträge aus Rechnungen einer weiteren Kapitalgesellschaft, der X-GmbH, enthalten, die allerdings kein Altgold an die M-GmbH geliefert habe. Auch habe die M-GmbH die Gutschriften des Klägers akzeptiert, ohne die darin enthaltenen Steuerbeträge zu erklären. Die M-GmbH habe zumindest die vermeintlichen Umsätze an den Kläger oder die in den Gutschriften des Klägers ausgewiesenen Steuerbeträge angeben müssen. Ein Vorsteuerabzug habe der M-GmbH mangels tatsächlichen Leistungsbezugs nicht zugestanden. Der Geschäftsführer der M-GmbH habe gewusst, dass er von dem Geschäftsführer der X-GmbH und einer weiteren Person nur dazu benutzt worden sei, um tatsächliche Edelmetall-Lieferungen zu verschleiern. |
- | Wissenmüssen des Klägers (juris-Rz 147 ff.): Das FG sei davon überzeugt, dass der Kläger nach den tatsächlichen Verhältnissen beim (unterstellten) Bezug der Lieferungen im Juli bis September des Streitjahres zumindest hätte wissen müssen, dass er mit diesen Eingangsumsätzen in die Mehrwertsteuerhinterziehungen der Verantwortlichen der A-GmbH, M-GmbH, S-GmbH und T-GmbH einbezogen wurde. Er habe aufgrund der Gesamtumstände jedenfalls grob fahrlässig gehandelt. Dem Kläger hätten angesichts von sehr hohen Umsatzsteigerungen Zweifel an seinen (vermeintlichen) Lieferanten aufkommen müssen. Die Betriebsstätten seiner (vorgeblichen) Lieferanten seien weit entfernt von seiner Geschäftsadresse gewesen. Ein sorgfältiger Unternehmer hätte bei dieser Sachlage gefragt, weshalb die Lieferanten in solcher exponentiellen Art und Weise auf ihn zukommen, ihn förmlich mit Altgoldlieferungen überrennen und dabei weite Anfahrten in Kauf nahmen, statt Scheideanstalten in ihrer räumlichen Nähe aufzusuchen. Deshalb habe der Kläger den Hintergrund dieser Angebote durchschaut. Die Erklärungen des Klägers halte das FG nicht für durchgreifend. Außerdem habe der Kläger aufgrund der negativen Bonität der Vorlieferanten weitere Nachfragen zu der Herkunft der Edelmetalle und den weiteren Umständen der Lieferungen stellen müssen. Zudem habe dem Kläger hinsichtlich der M-GmbH auffallen müssen, dass sie einen Mietwagen-, Kranken- und Rollstuhlfahrdienst betrieben habe. Der Umstand, dass ein Unternehmen mit diesem Gegenstand Altgold in erheblichem Umfang anliefert, hätte dem Kläger allein Anlass nicht nur für weitere Nachfragen bieten, sondern auch den Verzicht auf eine derartig dubiose Geschäftsbeziehung nahelegen müssen. Des Weiteren hätte der Kläger berücksichtigen müssen, dass diese Geschäftspartner ihm erhebliche Edelmetallmengen ohne jegliche Sicherheiten anlieferten. Nach seiner Darstellung habe es ihm allein oblegen, nach der Anlieferung jeweils die Scheideanstalt aufzusuchen und die Abrechnung sowie Zahlung über die Bank zu veranlassen. Dass seine Lieferanten ihm (einem im Wesentlichen mittellosen Unternehmer) einen derartigen Vertrauensvorschuss gewährt hätten, sei unüblich und weiche von den Usancen eines ordentlichen Geschäftsverkehrs deutlich ab. Erschwerend komme hinzu, dass keine dokumentierten Vertragsbeziehungen vorlägen. Wenn Wirtschaftsgüter im Wert von mehreren Millionen Euro gehandelt würden, entspreche es den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs, dass die vertraglichen Grundlagen nicht nur mündlich besprochen, sondern auch schriftlich gefasst werden. Auch habe der Kläger, als sich die Bank ab 20.08.2010 geweigert habe, von ihm Altgold anzukaufen, einen weiteren Vertriebskanal über M eröffnet. Der Kläger habe insoweit seine Augen vor der Realität verschlossen. Außerdem habe der Kläger versucht, sein Geschäftsmodell durch unrichtige Angaben gegenüber der Bank möglichst lange fortführen zu können. Als er von der Bank auf die erheblichen Umsatzsteigerungen seit Juli 2010 angesprochen worden sei, habe er wahrheitswidrig behauptet, er habe "zurzeit" Urlaub und deshalb den Umsatz aus dem Schmuckhandel steigern können. Er habe verschwiegen, dass er seine Anstellung bereits Anfang 2010 gekündigt habe, um seinen Handel in Vollzeit auszuüben. Auch habe er sein Gewerbe erst zum 01.11.2010 umgemeldet, als seine erklärten Umsätze schon wieder deutlich rückläufig gewesen seien. Dass die Scheideanstalt Lieferungen abgelehnt hätte, wenn ihr diese unmittelbar von den (vermeintlichen) Lieferanten des Klägers angeboten worden wären, entlaste den Kläger nicht, sondern belaste ihn zusätzlich, da diese in Fachkreisen (und damit auch aus der Sicht eines Unternehmers, der mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns handele) "verdächtig" gewesen seien. Der Staatsanwaltschaft sei die Zwischenschaltung des Klägers aus wirtschaftlicher Sicht gänzlich sinnlos erschienen. Dies spreche dafür, dass ihm seine Einbindung in ein Umsatzsteuerkarussell bewusst gewesen sein müsse. Des Weiteren habe sich der Markt für Edelmetalle nicht nur aufgrund der Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise, sondern auch aufgrund der sich abzeichnenden umsatzsteuerrechtlichen Änderung durch das Jahressteuergesetz 2010 zum 01.01.2011 exponentiell entwickelt. Dass sich vor Inkrafttreten der Umkehr der Steuerschuldnerschaft bei der Lieferung von Altgold windige Marktteilnehmer noch unter Nutzung der betrugsanfälligen Regelungen einen rechtswidrigen steuerlichen Vorteil verschaffen wollten, hätte dem Kläger aufgrund des für ihn geltenden Sorgfaltsmaßstabes ebenfalls nicht entgangen sein dürfen. |