New Work in die Praxis umsetzen

New Work hat viele Facetten – von wertschätzender Führung über mehr Eigenverantwortung bis hin zu zeit- und ortsflexiblem Arbeiten. Die AOK gibt konkrete Hilfe, welche Schritte notwendig sind, um erfolgreich eine neue und moderne Arbeitsweise im Unternehmen umzusetzen.

New Work in Handwerk und Büro

Für Büroarbeitende spielen mit Blick auf New Work Themen wie Homeoffice oder flexible Arbeitszeiten oft eine große Rolle. Das ist in vielen Handwerks-, Dienstleistungs- oder Pflegeberufen nicht oder nur eingeschränkt möglich. Hier können andere Maßnahmen wie die Übertragung von mehr Eigenverantwortung oder der Abbau von Hierarchien viel Positives bewirken. New Work ist immer ein Aushandlungsprozess zwischen dem, was den Beschäftigten hilft, ihre Arbeit gesund und gut zu erledigen und dem, was Arbeitgeber davon realisieren können und wollen.

In sechs Schritten zum Arbeitsplatz der Zukunft

Wie das Einführen von New Work-Prozessen in ganz unterschiedlichen Branchen in der Praxis aussehen kann, erklärt Professor Dr. Tobias Dauth anhand von sechs Schritten. Er ist Professor an der Handelshochschule Leipzig und einer von Deutschlands führenden New Work-Experten.

Schritt 1: Überblick verschaffen

Um zielgerichtete Maßnahmen für das eigene Unternehmen abzuleiten, verschafft man sich zunächst einen Überblick darüber, was New Work alles umfassen kann. Dafür eignen sich beispielsweise Fachpublikationen wie die kostenfrei verfügbare Broschüre „New Work“ des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation. Folgende Aspekte können unter anderem berücksichtigt werden:

Praxisbeispiel Büroangestellte:

KategorieHomeoffice ermöglichenErgonomisch eingerichtete ArbeitsplätzeTools zur virtuellen Zusammen­arbeitEinführung agiler Arbeitsformen
Flexiblere
Arbeitsorganisation
Gesündere
Arbeitsgestaltung
Bessere
Work-Life-Balance
Höherer Grad
an Selbstorganisation
Mehr
Eigenverant­wortung
Wertschätzender
Umgang
Besseres Zusammen­gehörigkeitsgefühl
Ortsunabhängiges Arbeiten

Praxisbeispiel Blue Collar Jobs (etwa Handwerk, Pflege oder Maschinenbedienende):

KategorieFlexiblere SchichtpläneMehr Handlungs­spielräume und MitspracheZiel- statt ZeitvorgabenAbbau von Hierarchien
Flexiblere
Arbeitsorganisation
Gesündere
Arbeitsgestaltung
Bessere
Work-Life-Balance
Höherer Grad an
Selbstorganisation
Mehr
Eigenverantwortung
Wertschätzender
Umgang
Besseres
Zusammengehörig­keitsgefühl
Ortsunabhängiges
Arbeiten

Schritt 2: Ist-Zustand analysieren

Die Grenzen zwischen den verschiedenen Aspekten von New Work sind mitunter fließend. Ein permanent hoher Krankenstand kann beispielsweise ein Hinweis darauf sein, dass mehr Wert auf die Betriebliche Gesundheitsförderung gelegt werden sollte. Daher ist der zweite Schritt, den die verantwortlichen Führungskräfte gehen, die Analyse des Ist-Zustands im Unternehmen für die oben genannten Kategorien.

Praxisbeispiele für Büroangestellte und Blue Collar Jobs

Folgende Fragen können bei der Analyse des Ist-Zustands hilfreich sein:

  • Wie werden Veränderungen, zum Beispiel durch die Coronapandemie, empfunden? 
  • Welche Lösungen haben sich bewährt? Wo gibt es Optimierungsbedarf?
  • Welches Verhältnis von Arbeiten vor Ort im Unternehmen und Homeoffice wird künftig angestrebt?
  • Wie wird der Teamzusammenhalt auch über große Entfernungen hinweg gestärkt? (Beispiele: regelmäßige Video-Meetings, virtuelle Kaffeepausen, Motto-Tage)
  • Wie werden Arbeitsaufträge vergeben?
  • Wie empfinden die Mitarbeitenden das Verhältnis von Lob und Kritik durch Vorgesetzte?

Schritt 3: Mitarbeitende beteiligen

New Work orientiert sich vor allem daran, was Mitarbeitende brauchen, um ihren Aufgaben möglichst optimal nachkommen zu können. Daher empfiehlt es sich, sie von Anfang an mit ins Boot zu holen und zu ermitteln, was Beschäftigte von einem Arbeitgeber erwarten. In einem immer stärkeren Wettbewerb um Talente lässt sich so auch die Attraktivität für Bewerber erhöhen.

Praxisbeispiele für Büroangestellte und Blue Collar Jobs

  • Mitarbeitendenbefragungen sind ein guter Gradmesser für die Stimmung in der Belegschaft. Sie sind aber nur sinnvoll, wenn daraus bei Bedarf auch konkrete Maßnahmen abgeleitet werden.
  • New Work-Lösungen sollten von Anfang an mit dem Betriebsrat erarbeitet werden. Gemeinsames Ziel ist gute und gesunde Arbeit.
  • Mitbestimmung muss aber nicht allein Sache eines Betriebsrates sein. Mitarbeitende sollten nach Möglichkeit auch in relevante Geschäftsentscheidungen einbezogen werden.
  • Mehr Mitbestimmung bedeutet auch mehr Eigenverantwortung. Etwa, indem Teams ihre Arbeit stärker selbstständig unter sich aufteilen und die Führungskraft in die Rolle eines Coaches schlüpft. Ein Beispiel sind Schichtpläne, die die Mitarbeitenden selbst ausarbeiten.
     

Schritt 4: Mit einem Steuerkreis an die Arbeit

Ist der Rahmen abgesteckt, empfiehlt sich die Bildung eines Steuerkreises oder einer Arbeitsgruppe, besetzt mit Vertretern aller Beteiligten. Dazu gehören die Geschäftsleitung, die Belegschaft und, sofern vorhanden, Mitarbeitende aus Betriebs- beziehungsweise Personalrat. Gemeinsam priorisieren sie Maßnahmen und fällen die Entscheidung, welche davon umgesetzt werden sollen. Nicht alles, was gefällt, ist auch möglich. Daher ist es Aufgabe des Gremiums, einen Ausgleich zu finden zwischen dem, was gewünscht wird und dem, was realistisch und sinnvoll umsetzbar ist.

Mögliche Ergebnisse für Büroangestellte

  • Abschluss einer Betriebsvereinbarung zum Homeoffice
  • Umgestaltung der Büroflächen mit weniger festen Arbeitsplätzen, aber mehr Räumen für Teammeetings oder konzentriertes Arbeiten 
  • Schulungen zu fachlichen oder organisatorischen Inhalten der Digitalisierung
  • Tandem- oder Mentorenprogramme für den unternehmensinternen Wissensaustausch

Mögliche Ergebnisse für Blue Collar Jobs

  • Regelmäßige, institutionalisierte Gespräche der Teams mit ihren Vorgesetzten
  • Mitarbeitende werden stärker in größere Zusammenhänge ihrer Arbeit eingebunden, beispielsweise mit Informationen zur Auftragslage oder zur Position im Wettbewerb
  • Einführung digitaler oder automatisierter Lösungen für sich wiederholende und ermüdende Tätigkeiten
  • Eigenständige Schichtplanerstellung und Urlaubsplanung durch die Mitarbeitenden
  • Mehr betriebliche Gesundheitsmaßnahmen, die auf die individuellen körperlichen Belastungen der Mitarbeitenden zielen

Schritt 5: Tipps für die Umsetzung

Mit der Einführung neuer Maßnahmen ist es nicht getan. Genauso wichtig ist es, ihre Umsetzung klar an die gesamte Belegschaft zu kommunizieren. Die Erfolgsaussichten steigen, wenn alle Mitarbeitenden die Ziele der Maßnahmen kennen und wissen, welche Vorteile sie ihnen im Einzelnen bringen. Unterstützend sind Fortbildungen für Führungskräfte und Mitarbeitende sinnvoll.

Arbeitgeber benötigen Geduld: Neue Konzepte greifen nicht von einem Tag auf den anderen. Vor allem in der Anfangsphase ist Beharrlichkeit gefragt, bis sich die neuen Prozesse eingespielt haben.

Praxisbeispiele Büroangestellte und Blue Collar Jobs

  • Es empfiehlt sich, einen regelmäßigen Austausch in der Steuerungsgruppe und/oder zwischen den Beteiligten zu etablieren.
  • Maßnahmen werden am besten priorisiert umgesetzt, um die Belegschaft nicht zu überfordern und regelmäßige Erfolgskontrollen durchzuführen.
  • Arbeitgeber sollten Rücksicht auf die unterschiedliche Veränderungsbereitschaft der Mitarbeitenden nehmen und dies in ihrer Kommunikationsstrategie berücksichtigen. Bei Älteren ist sie in der Regel weniger ausgeprägt als bei Jüngeren.
  • Der Einsatz neuer technischer Tools kann viele Arbeiten erleichtern. Vor ihrer Anschaffung sollten sie jedoch eingehend auf ihre Nutzerfreundlichkeit und Leistung geprüft werden.
  • Die Umgestaltung der Büro- und Arbeitsräume auf neue Arbeitsweisen kann Aufbruchstimmung vermitteln. Oftmals werden beispielsweise feste Arbeitsplätze reduziert und in freie Workstations umgewandelt. Der gewonnene Platz kann etwa für kreative Meetingräume genutzt werden.
  • Vertrauen spielt bei New Work eine große Rolle. Manche Arbeitgeber brauchen etwas Gewöhnungszeit, ihren Mitarbeitenden schrittweise mehr Freiheiten einzuräumen.

Schritt 6: Ergebnisse prüfen

Anders als etwa bei betriebswirtschaftlichen Maßnahmen lässt sich der Erfolg von New Work-Konzepten nicht allein in Zahlen messen. Es gilt durch regelmäßige Befragungen von Führungskräften und Mitarbeitenden aussagekräftige Informationen zu gewinnen, inwiefern die selbst gesetzten Ziele (siehe Schritt 4) tatsächlich erreicht werden.

Praxisbeispiele für Büroangestellte und Blue Collar Jobs

  • Der Soll-Zustand, die gesetzten Ziele, werden in regelmäßigen Abständen mit dem Ist-Zustand abgeglichen.
  • Mitarbeitende werden befragt, ob ihre Zufriedenheit gestiegen ist und sich ihr gesundheitliches Wohlbefinden verbessert hat.
  • Die Teamleitenden erstatten nach einiger Zeit bezüglich möglicher Produktivitätsveränderungen Bericht.
  • An Kennzahlen wie Fluktuation und Krankmeldungen, aber auch dem Eingang an Bewerbungen lässt sich auf mittlere und lange Sicht ablesen, ob sich Arbeitsfaktoren seit Einführung der Maßnahmen verbessert haben.
  • Muss gegebenenfalls nachjustiert, kann optimiert werden? Die Steuerungsgruppe ist ein geeignetes Gremium, um solche Fragen zu diskutieren und zu beantworten.

New Work ist eine dauerhafte Aufgabe

Arbeitgeber tun gut daran, New Work als einen andauernden Prozess zu begreifen. Eine hundertprozentige Umsetzung aller gewünschten Ziele ist kaum erreichbar. Das Augenmerk liegt vor allem darauf, die erfolgreichen Maßnahmen zu verstetigen und weiter zu begleiten. Damit ist in der Regel schon sehr viel erreicht, zumal die Mitarbeitenden erkennen, dass sie gehört und ihre Wünsche wertgeschätzt werden. Ausprobieren und Anpassen sind ebenso wichtig wie die Erfolgskontrolle.

Stand

Zuletzt aktualisiert: 25.06.2024

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