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BAG 18.04.2024 - 4 AZB 22/23
BAG 18.04.2024 - 4 AZB 22/23 - Prozesskostenhilfe - Beiordnung eines Rechtsanwalts - notwendige Vertretungsbereitschaft
Normen
§ 121 Abs 2 ZPO, § 119 Abs 1 S 1 ZPO, § 11a Abs 1 ArbGG
Vorinstanz
vorgehend Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven, 23. Juni 2023, Az: 11 Ca 11209/22, Beschluss
vorgehend Landesarbeitsgericht Bremen, 25. September 2023, Az: 1 Ta 25/23, Beschluss
Tenor
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1. Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 25. September 2023 - 1 Ta 25/23 - wird zurückgewiesen.
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2. Der Kläger hat die Kosten der Rechtsbeschwerde zu tragen.
Gründe
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I. Der Kläger begehrt die Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten für ein Verfahren vor dem Arbeitsgericht. In diesem stritten die Parteien über einen Zahlungsanspruch und über die Erteilung und Herausgabe verschiedener Arbeitspapiere.
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Mit Klageschrift vom 13. Oktober 2022 beantragte der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten. Am 1. November 2022 erging gegen die Beklagte Versäumnisurteil. Der Kläger reichte innerhalb einer vom Arbeitsgericht nachgelassenen Frist am 2. November 2022 eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst verschiedener Belege sowie eine Vollmachtsurkunde seines Prozessbevollmächtigten bei Gericht ein. Diese lautet auszugsweise wie folgt:
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„Herrn Rechtsanwalt M B … wird hiermit … Vollmacht erteilt für die Beantragung von PKH/VKH in meiner o.b. Angelegenheit.
Der Auftrag umfasst lediglich das Antragsverfahren, nicht aber ein eventuelles PKH-/VKH-Überprüfungsverfahren nach Abschluss der Hauptsache.“
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Die Beklagte legte innerhalb der Einspruchsfrist keinen Einspruch gegen das ihr am 4. November 2022 zugestellte Versäumnisurteil ein.
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Das Arbeitsgericht wies mit Schreiben vom 7. November 2022 den Kläger und dessen Prozessbevollmächtigten darauf hin, dass erwogen werde, den Antrag auf Beiordnung zurückzuweisen. Die vorgelegte Prozessvollmacht umfasse lediglich das Antragsverfahren, nicht aber ein eventuelles Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren nach Abschluss der Hauptsache.
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Hierauf erwiderte der Prozessbevollmächtigte des Klägers, dass der Vorschrift des § 121 Abs. 2 ZPO keine gesetzliche Verpflichtung des beigeordneten Rechtsanwalts für das Überprüfungsverfahren zu entnehmen sei.
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Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf Beiordnung des Prozessbevollmächtigten zurückgewiesen. Der sofortigen Beschwerde des Klägers hat das Arbeitsgericht nicht abgeholfen. Das Landesarbeitsgericht hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter.
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II. Die statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässige (§ 575 ZPO) Beschwerde ist nicht begründet. Die Zurückweisung des Antrags auf Beiordnung des Prozessbevollmächtigten des Klägers erfolgte zu Recht.
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1. Gemäß § 11a Abs. 1 ArbGG gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe in Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen entsprechend. Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 ZPO).
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2. Die erforderliche Vertretungsbereitschaft eines Rechtsanwalts liegt - wie das Beschwerdegericht zutreffend entschieden hat - nur dann vor, wenn diese auch das Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren erfasst.
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a) Der Umfang einer Beiordnung erstreckt sich grundsätzlich auf den Rechtszug nach § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO (vgl. BGH 17. Januar 2018 - XII ZB 248/16 - Rn. 19, BGHZ 217, 206).
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aa) Der Begriff des Rechtszugs ist im Rahmen des § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO im kostenrechtlichen Sinne zu verstehen. Verursacht ein Verfahrensabschnitt keine besonderen Kosten, ist er Teil eines einheitlichen Rechtszugs (vgl. BGH 17. Januar 2018 - XII ZB 248/16 - Rn. 19, BGHZ 217, 206).
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bb) Danach ist das Prozesskostenhilfeverfahren, welches das Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren einschließt (BGH 8. Dezember 2010 - XII ZB 151/10 - Rn. 28), Teil des Rechtszugs (ebenso LAG Sachsen-Anhalt 10. August 2023 - 5 Ta 65/22 - unter B II 2.2 der Gründe; LAG Köln 25. Juli 2019 - 9 Ta 101/19 - unter II 2 a cc der Gründe).
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(1) Das Prozesskostenhilfeverfahren löst neben den Rechtsanwaltsgebühren für das Hauptsacheverfahren keine gesonderte Rechtsanwaltsvergütung aus. Nach § 15 Abs. 2 RVG kann der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern. Das Verfahren über die Prozesskostenhilfe und das Verfahren, für das die Prozesskostenhilfe beantragt worden ist, stellen hierbei eine Angelegenheit dar (§ 16 Nr. 2 RVG).
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Der Einwand des Beschwerdeführers, auch dem beauftragten Rechtsanwalt könne eine 1,0 Verfahrensgebühr nach Nr. 3335 VV RVG erwachsen, verfängt nicht. Diese Vorschrift regelt eine andere Fallgestaltung. Der Anwendungsbereich von Nr. 3335 VV RVG ist nur dann eröffnet, wenn der Rechtsanwalt nicht zugleich als Prozessbevollmächtigter beauftragt und in diesem Verfahren (noch) nicht tätig geworden ist (HK-RVG/Gierl 8. Aufl. RVG VV 3335 Rn. 5). Ist aber wie vorliegend ein Rechtsanwalt auch als Prozessbevollmächtigter beauftragt und tätig, können zusätzliche Gebühren nicht entstehen.
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(2) Weiterhin werden für das Prozesskostenhilfeverfahren keine gesonderten Gerichtsgebühren erhoben.
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cc) Etwas anderes folgt nicht aus dem Umstand, dass für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe selbst keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann (aA OLG Brandenburg 6. August 2021 - 15 WF 69/21 - unter II der Gründe). Dieser Grundsatz beruht darauf, dass das Prozesskostenhilfeverfahren den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen will (BVerfG 2. Juli 2012 - 2 BvR 2377/10 - Rn. 12). Er führt jedoch nicht dazu, dass in den Fällen, in denen die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Rechtsanwalts vorliegen, das Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren von der Beiordnung ausgenommen werden kann.
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b) Erfasst die Beiordnung daher grundsätzlich das Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren, muss sich die Vertretungsbereitschaft des Rechtsanwalts hierauf beziehen. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Beiordnung nach § 121 Abs. 2 ZPO nur auf Antrag der bedürftigen Partei zu erfolgen hat. Diese Sichtweise führt entgegen der Beschwerdebegründung nicht dazu, dass einer Partei, wenn eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben ist, ein Rechtsanwalt aufgedrängt wird. Zwar muss der Rechtsanwalt nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 BRAO die Vertretung einer Partei übernehmen, wenn er nach § 121 ZPO beigeordnet wird. Die Beiordnung selbst begründet aber noch keinen Vertrag oder ein Rechtsverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und der Partei, die vielmehr nach der Beiordnung selbst entscheiden kann, ob sie den beigeordneten Rechtsanwalt als Vertreter erhalten und behalten will. Sofern dies nicht bereits geschehen ist, muss die Partei also den beigeordneten Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung noch beauftragen und ihm für sein Auftreten eine Vollmacht erteilen. Erst dann entsteht ein Vertragsverhältnis zwischen Partei und Rechtsanwalt (BGH 1. März 1973 - III ZR 188/71 - BGHZ 60, 255). Die Bestimmungen über die Prozessvollmacht nach § 11 ArbGG, §§ 78 ff. ZPO gelten mithin unabhängig von einer Beiordnung.
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3. Eine Vertretungsbereitschaft im Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren ist vorliegend nicht gegeben.
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a) Wird dem Prozessgericht im Rahmen des Antrags auf Beiordnung eines Rechtsanwalts eine umfassende Prozessvollmacht vorgelegt, geht daraus hervor, dass der betroffene Rechtsanwalt bereit ist, die Partei im Rahmen der begehrten Beiordnung zu vertreten. Anders ist dies hingegen, wenn sich aus der Vollmacht Einschränkungen ergeben. In diesem Fall ist aus der Vollmachtsurkunde nicht ersichtlich, ob der Rechtsanwalt bereit ist, die Partei über den in der Vollmachtsurkunde ausgewiesenen Inhalt hinaus im Rahmen des gesamten Rechtszugs nach § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu vertreten.
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b) Vorliegend hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers in seinem Schriftsatz vom 15. November 2022 in Abrede gestellt, dass es im Falle einer Beiordnung nach § 121 Abs. 2 ZPO eine Verpflichtung gibt, die Partei im Rahmen des Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahrens zu vertreten. Es ist nicht ersichtlich, dass er auf Verlangen des Klägers dennoch hierzu bereit wäre.
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Treber
M. Rennpferdt
Betz
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