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BAG 13.10.2021 - 5 AZR 545/20
BAG 13.10.2021 - 5 AZR 545/20 - Auslegung TV-L (Vergütung für Wegezeiten)
Normen
§ 611 Abs 1 BGB, § 611a Abs 2 BGB
Vorinstanz
vorgehend ArbG Berlin, 27. März 2019, Az: 60 Ca 15365/17, Urteil
vorgehend LArbG Berlin-Brandenburg, 2. Oktober 2020, Az: 13 Sa 1593/19, Urteil
Tenor
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1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 2. Oktober 2020 - 13 Sa 1593/19 - teilweise aufgehoben, soweit es eine Verpflichtung des beklagten Landes zur Vergütung von innerbetrieblichen Wegezeiten festgestellt hat. Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 27. März 2019 - 60 Ca 15365/17 - zurückgewiesen.
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2. Die Kosten der Revision hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten in der Revision über die Verpflichtung des beklagten Landes, Wegezeiten zum dienstlichen Waffenschließfach zu vergüten.
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Der Kläger ist beim beklagten Land als Wachpolizist im Zentralen Objektschutz tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der TV-L Anwendung. Der Kläger war in der Zeit vom 25. Juni 2015 bis zum 31. Dezember 2018 an der Botschaft, U, B eingesetzt. Ab Januar 2019 wurde der Kläger zunächst nur in den Monaten Januar, März, Mai und Juli 2019 im mobilen Objektschutz mit Dienstantritt auf dem Polizeiabschnitt, Cstraße, B eingesetzt. Seit dem 1. September 2019 wird er dauerhaft im mobilen Objektschutz mit Dienstantritt auf der Nebenwache Fstraße, B eingesetzt.
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Die Wachpolizisten müssen den Dienst in angelegter Uniform nebst persönlicher Schutzausrüstung (iF PSA) und streifenfertiger Dienstwaffe antreten. Auf der dunklen Oberbekleidung der Uniform ist in weißer Schrift der Schriftzug „POLIZEI“ aufgebracht. Es ist den Wachpolizisten freigestellt, ob sie den Weg zum und vom Dienst in Uniform zurücklegen. Die Dienstwaffe ist nach einer Geschäftsanweisung des beklagten Landes über den Umgang mit Faustfeuerwaffen im streifenfertigen Zustand zu führen. Wachpolizisten ist es gestattet, die Dienstwaffe mit nach Hause zu nehmen, sofern dort eine geeignete Aufbewahrungsmöglichkeit besteht. Auf dem Weg zum und vom Dienst ist es den Wachpolizisten freigestellt, die Dienstwaffe mit oder ohne Dienstkleidung zu tragen.
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Dem Kläger steht an der Botschaft kein Waffenschließfach und kein Umkleideraum zur Verfügung. Auf dem Polizeiabschnitt befindet sich ein dem Kläger zugewiesener Spind, jedoch steht ihm dort kein Waffenschließfach zur Verfügung. Waffenschließfächer und Spinde finden sich auf der Nebenwache. Die Nebenwache befand sich bis zum 30. April 2017 in der Dstraße, B, seit dem 1. Mai 2017 befindet sie sich in der Fstraße, B. Der Kläger verwahrt seine Dienstwaffe - mit Ausnahme der Monate Januar, März, Mai und Juli 2019 - im Waffenschließfach in der Nebenwache. Dort rüstet er sich, kleidet sich um und legt den Weg zum Schutzobjekt Botschaft zu Fuß zurück.
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Mit seiner Klage hat der Kläger - soweit diese in die Revision gelangt ist - die Feststellung der Vergütungspflicht für die von ihm aufgewandten Wegezeiten zwischen den Nebenwachen und der Botschaft verlangt. Er hat gemeint, diese Wegezeiten seien zu vergütende Arbeitszeit.
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Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - zuletzt sinngemäß beantragt
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festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, die vom Kläger in der Zeit vom 1. April 2016 bis zum 30. April 2017 zusätzlich erbrachte Arbeitszeit im Umfang von drei Minuten je einfacher Wegstrecke an den Tagen, an denen er tatsächlich gearbeitet hat, durch Zurücklegen der Wegezeiten zwischen der Nebenwache in der Dstraße, B und der Botschaft, U, B
sowie die vom Kläger in der Zeit vom 1. Mai 2017 bis zum 31. Dezember 2018 sowie in den Monaten Februar, April, Juni und August 2019 zusätzlich erbrachte Arbeitszeit im Umfang von drei Minuten je einfacher Wegstrecke an den Tagen, an denen er tatsächlich gearbeitet hat, durch Zurücklegen der Wegezeiten zwischen der Nebenwache in der Fstraße, B und der Botschaft, U, B, zu vergüten.
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Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt.
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Das Arbeitsgericht hat das beklagte Land zu einer Zeitgutschrift auf dem für den Kläger geführten Arbeitszeitkonto verurteilt, im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das erstinstanzliche Urteil vom 27. März 2019 wurde vom Vorsitzenden der Kammer am 6. September 2019 der Geschäftsstelle übergeben. Dem Prozessbevollmächtigten des Klägers wurde das Urteil am 11. September 2019 zugestellt.
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Soweit für die Revision von Bedeutung, hat das Landesarbeitsgericht auf die Berufung des Klägers eine Vergütungspflicht des beklagten Landes für Wegezeiten des Klägers zwischen der Nebenwache in der Dstraße und der Botschaft in der Zeit vom 1. April 2016 bis zum 30. April 2017 und zwischen der Nebenwache in der Fstraße und der Botschaft in der Zeit vom 1. Mai 2017 bis zum 31. Dezember 2018 sowie in den Monaten Februar, April, Juni und August 2019 jeweils im Umfang von drei Minuten je einfacher Wegstrecke für die Tage, an denen er tatsächlich gearbeitet hat, festgestellt. Das beklagte Land begehrt mit seiner Revision weiterhin die Abweisung der Klage in Bezug auf die Feststellung dieser Vergütungspflichten.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des beklagten Landes ist begründet. Rechtsfehlerhaft hat das Landesarbeitsgericht eine Vergütungspflicht für die Zeit des Zurücklegens des Weges zwischen den Nebenwachen und der Botschaft angenommen. Insoweit ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil in diesem Umfang zurückzuweisen.
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I. Die Revision des beklagten Landes ist nicht bereits deshalb begründet, weil die Berufung des Klägers unzulässig gewesen wäre. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht von der Zulässigkeit der Berufung des Klägers ausgegangen. Zwar ist die Berufungsschrift bereits vor Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils des Arbeitsgerichts eingelegt und begründet worden. Dennoch entspricht die Berufungsbegründung den gesetzlichen Anforderungen iSd. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO. Ausreichend ist die vom Kläger erhobene Rüge der Verletzung der Fünfmonatsfrist, denn das mit Gründen versehene erstinstanzliche Urteil ist erst nach Ablauf von fünf Monaten vom Vorsitzenden der Kammer der Geschäftsstelle übergeben worden. Dies hat der Senat in einem Parallelverfahren entschieden, worauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird (BAG 13. Oktober 2021 - 5 AZR 291/20 - Rn. 15 - 17). Der vorliegende Sachverhalt entspricht insoweit demjenigen des vorgenannten Verfahrens.
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II. Der Antrag auf Feststellung der Vergütungspflicht von Wegezeiten ist in der zuletzt gestellten Fassung nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Dies hat der Senat in einem Parallelverfahren entschieden, worauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird (BAG 13. Oktober 2021 - 5 AZR 270/20 - Rn. 12). Der vorliegende Sachverhalt entspricht insoweit demjenigen des vorgenannten Verfahrens. Ob aufgrund der Umstellung der Anträge eine Klageänderung im Berufungsverfahren vorgelegen hat und die Voraussetzungen des § 533 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG erfüllt waren, ist vom Revisionsgericht analog § 268 ZPO nicht zu überprüfen. Das Landesarbeitsgericht hat über die Streitgegenstände sachlich entschieden (vgl. BAG 27. Mai 2015 - 5 AZR 88/14 - Rn. 24, BAGE 152, 1).
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III. Der Antrag auf Feststellung der Vergütungspflicht von Wegezeiten zwischen den Nebenwachen und der Botschaft ist unbegründet. Rechtsfehlerhaft hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass diese Zeiten vergütungspflichtige Arbeitszeiten iSv. § 611 Abs. 1 BGB bzw. seit dem 1. April 2017 iSv. § 611a Abs. 2 BGB sind.
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1. Die Wegezeiten zwischen den jeweiligen Nebenwachen, in denen sich die vom Kläger genutzten dienstlichen Waffenschließfächer befinden, und dem Schutzobjekt Botschaft sind keine vergütungspflichtigen Arbeitszeiten nach § 611 Abs. 1 BGB bzw. seit dem 1. April 2017 nach § 611a Abs. 2 BGB. Zwar können dienstlich veranlasste Umwegezeiten vergütungspflichtig sein, wenn sich der direkte Weg zum Arbeitsort aufgrund des Aufsuchens des dienstlichen Waffenschließfachs verlängert (vgl. hierzu das Parallelverfahren BAG 13. Oktober 2021 - 5 AZR 55/20 - Rn. 18 ff.). Der Kläger hat jedoch keinen schlüssigen Vortrag zum Vorliegen solcher Umwegezeiten geleistet. Er trägt nicht - wie erforderlich - vor, dass sich sein Arbeitsweg, dh. der Weg vom Wohnsitz zum Einsatzort aufgrund des Aufsuchens der dienstlichen Waffenschließfächer in den Nebenwachen verlängert, mithin ein Umweg vorliegt.
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2. Der Senat kann in der Sache selbst endentscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Eines richterlichen Hinweises an den Kläger zur fehlenden Schlüssigkeit bedurfte es nicht. Bereits am 31. März 2021 hat der Senat in einem Parallelverfahren entschieden, dass die für das Aufsuchen des Waffenschließfachs aufgewendete Zeit nicht insgesamt vergütungspflichtig ist, weil zu berücksichtigen ist, dass der Weg zur Arbeit nicht zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit gehört. Daher ist nur die Zeit, um die sich der direkte Weg zum Arbeitsort verlängert, zu vergüten (vgl. BAG 31. März 2021 - 5 AZR 148/20 - Rn. 27). Der Kläger hat in der Revisionsinstanz keine Gegenrüge in Bezug auf einen insoweit von der Tatsacheninstanz unterlassenen Hinweis erhoben.
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IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
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