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BAG 13.02.2020 - 6 AZR 134/19
BAG 13.02.2020 - 6 AZR 134/19
Vorinstanz
vorgehend ArbG Düsseldorf, 4. Mai 2018, Az: 4 Ca 6785/17, Urteil
vorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 18. Januar 2019, Az: 6 Sa 440/18, Urteil
nachgehend BVerfG, 5. Januar 2021, Az: 1 BvR 1771/20, Nichtannahmebeschluss
nachgehend BVerfG, 5. Januar 2021, Az: 1 BvR 1946/20, Beschluss
Tenor
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I. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 18. Januar 2019 - 6 Sa 440/18 - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es die Berufung des Klägers gegen die Abweisung der Kündigungsschutzklage zurückgewiesen hat. Im Übrigen wird die Revision als unzulässig verworfen.
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II. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 4. Mai 2018 - 4 Ca 6785/17 - im Kostenpunkt und insoweit abgeändert, als es die Kündigungsschutzklage abgewiesen hat. Es wird insgesamt klarstellend wie folgt neu gefasst:
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1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG vom 28. November 2017 nicht aufgelöst worden ist.
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2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
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III. Die Kosten erster Instanz trägt der Kläger zu 2/5, der Beklagte zu 3/5. Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens trägt der Kläger zu 1/4, der Beklagte zu 3/4.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung sowie über einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung.
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Der Kläger war seit dem 5. März 1997 bei der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG (Schuldnerin) bzw. deren Rechtsvorgängerin als Pilot beschäftigt. Sein Einsatzort war Düsseldorf.
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Die Schuldnerin war eine Fluggesellschaft und bediente mit mehr als 6.000 Beschäftigten im Linienflugverkehr inner- und außereuropäische Ziele. Hierfür unterhielt sie ua. Stationen an den Flughäfen Berlin-Tegel und Düsseldorf. In Berlin war der Leiter des Flugbetriebs („Head of Flight Operations“) ansässig. Diesem oblag die Leitung und Führung des Cockpitpersonals im operativen Geschäft. Die Umlauf- und Dienstplanung erfolgte für den gesamten Flugbetrieb zentral von Berlin aus. Für das Cockpitpersonal waren vier Area Manager tätig, die jeweils für mehrere Stationen zuständig und dem Flottenmanagement unterstellt waren. Das Kabinenpersonal wurde ua. durch zwei Regional Manager betreut. Der Regional Manager West war für die Station Düsseldorf zuständig.
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Für das Cockpitpersonal war gemäß § 117 Abs. 2 BetrVG durch Abschluss des „Tarifvertrags Personalvertretung (TVPV) für das Cockpitpersonal der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG“ eine Personalvertretung (PV Cockpit) gebildet. Für das Kabinenpersonal wurde durch den „Tarifvertrag Personalvertretung (TVPV) für das Kabinenpersonal der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG“ die Personalvertretung Kabine (PV Kabine) errichtet. Beide Gremien hatten ihren Sitz in Berlin. Das Bodenpersonal vertraten die regional zuständigen Betriebsräte (Boden Nord, West und Süd) und der Gesamtbetriebsrat.
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Am 15. August 2017 beantragte die Schuldnerin beim zuständigen Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen bei Eigenverwaltung. Das Gericht ordnete zunächst die vorläufige Eigenverwaltung an und bestellte den Beklagten am 16. August 2017 zum vorläufigen Sachwalter. Danach leitete die Schuldnerin eine Investorensuche ein, die eine Fortführung des Geschäftsbetriebs im Rahmen einer übertragenden Sanierung ermöglichen sollte. Nach Ablauf der Angebotsfrist am 15. September 2017 lag kein annahmefähiges Angebot vor.
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Am 12. Oktober 2017 unterzeichneten der Executive Director der persönlich haftenden Gesellschafterin der Schuldnerin, der Generalbevollmächtigte der Schuldnerin und der Beklagte für die Schuldnerin eine Erklärung. Demnach war beabsichtigt, den Betrieb bis spätestens 31. Januar 2018 stillzulegen.
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Mit Schreiben vom 12. Oktober 2017 wandte sich die Schuldnerin an die PV Cockpit. Es sei beabsichtigt, die durch die Betriebsstilllegung bedingten Kündigungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Laufe des Monats Oktober 2017, voraussichtlich ab 26. Oktober 2017, unter Wahrung der ggf. durch § 113 InsO begrenzten Kündigungsfrist zu erklären. Wegen der Beendigung aller Arbeitsverhältnisse sei eine Sozialauswahl nicht erforderlich. Da es sich um eine anzeigepflichtige Massenentlassung iSd. § 17 Abs. 1 KSchG handle, werde hiermit das Konsultationsverfahren gemäß § 17 Abs. 2 KSchG eingeleitet.
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Mit Beschluss vom 1. November 2017 eröffnete das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin. Es ordnete Eigenverwaltung an und bestellte den Beklagten zum Sachwalter. Dieser zeigte noch am gleichen Tage gegenüber dem Insolvenzgericht eine drohende Masseunzulänglichkeit an. Zudem stellte er den Kläger und weitere nicht mehr einzusetzende Piloten und Kabinenpersonal von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei.
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Mit Formular und Begleitschreiben vom 24. November 2017 erstattete die Schuldnerin bei der Agentur für Arbeit Berlin Nord eine Massenentlassungsanzeige bezüglich des Cockpitpersonals. In dem hierfür vorgesehenen Formularfeld wurde angegeben, die Anzeige beziehe sich auf den „Hauptsitz der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG“. Dort seien in der Regel 1.301 Arbeitnehmer/innen beschäftigt, welche voraussichtlich alle im Zeitraum vom 27. November 2017 bis zum 26. Dezember 2017 entlassen werden sollten. Hinsichtlich der in der Regel Beschäftigten wird auf Anlagen verwiesen. In diesen wird bei den „Angaben zu Entlassungen Cockpit“ die Zahl von 1.301 Beschäftigten des Cockpitpersonals nach Stationen und Berufsgruppen aufgeschlüsselt. Das Begleitschreiben erläutert den Kündigungsgrund bezüglich dieser Beschäftigtengruppe. Die Personalleitung für diese Beschäftigten erfolge in sämtlichen Angelegenheiten von Berlin aus. Dort habe auch die auf tariflicher Grundlage gebildete PV Cockpit ihren Sitz.
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Mit Schreiben vom 28. November 2017 kündigte die Schuldnerin mit Zustimmung des Beklagten gegenüber dem Kläger das Arbeitsverhältnis zum 28. Februar 2018.
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Mit Beschluss vom 17. Januar 2018 hob das Insolvenzgericht die Eigenverwaltung auf und bestellte den Beklagten zum Insolvenzverwalter.
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Mit seiner fristgerecht erhobenen Klage hat sich der Kläger gegen die Kündigung vom 28. November 2017 gewandt und seine Weiterbeschäftigung verlangt. Die Kündigung sei unwirksam. Es habe keine Betriebsstilllegung, sondern ein Betriebsteilübergang auf eine andere Fluggesellschaft stattgefunden. Die PV Cockpit sei nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Die Massenentlassungsanzeige sei fehlerhaft.
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Der Kläger hat daher beantragt
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1.
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 28. November 2017, zugegangen am 29. November 2017, nicht aufgelöst worden ist;
2.
den Beklagten zu verurteilen, den Kläger zu den Bedingungen seines Arbeitsvertrags als Pilot weiterzubeschäftigen.
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Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Ansicht vertreten, die Kündigung sei wegen der beabsichtigten und tatsächlich erfolgten Stilllegung des Flugbetriebs sozial gerechtfertigt. Ein Betriebs(teil)übergang sei nicht geplant gewesen und habe auch nicht stattgefunden. Die Rechte der PV Cockpit seien gewahrt. Die Massenentlassung sei ordnungsgemäß gegenüber der zuständigen Agentur für Arbeit angezeigt worden.
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Im erstinstanzlichen Verfahren war noch ein allgemeiner Feststellungsantrag bezüglich des Bestands des Arbeitsverhältnisses und ein Antrag auf Erstellung und Herausgabe eines Zwischenzeugnisses rechtshängig. Diese Anträge hat der Kläger vor dem Arbeitsgericht zurückgenommen.
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Die Vorinstanzen haben die noch anhängige Klage insgesamt abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision unbeschränkt zugelassen. Mit dieser verfolgt der Kläger seine zweitinstanzlichen Klageziele weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Abweisung des Weiterbeschäftigungsantrags richtet. Bezüglich des Kündigungsschutzantrags ist die Revision zulässig und begründet.
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I. Die Revision ist teilweise unzulässig. Die Revisionsbegründung entspricht bezogen auf den Weiterbeschäftigungsantrag nicht den gesetzlichen Anforderungen.
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1. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 1 ZPO muss der Revisionskläger die Revision begründen. Die Begründung muss nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO diejenigen Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergeben soll. Die Revisionsbegründung muss die Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Sie muss eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen des angefochtenen Urteils enthalten (BAG 31. Januar 2019 - 2 AZR 426/18 - Rn. 13 mwN, BAGE 165, 255).
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2. Dies ist hier bezogen auf den Weiterbeschäftigungsantrag nicht erfolgt. Das Landesarbeitsgericht hat diesen wegen der angenommenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 28. Februar 2018 und der Einstellung des Flugbetriebs als unbegründet angesehen. Die Revisionsbegründung enthält bezüglich des Weiterbeschäftigungsantrags keine Ausführungen. Solche sind auch nicht entbehrlich, weil der Weiterbeschäftigungsantrag von dem Bestand des Arbeitsverhältnisses abhängt. Bei Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung besteht das Arbeitsverhältnis zwar fort. Der Kläger hätte aber darlegen müssen, weshalb seiner Ansicht nach eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit als Pilot trotz der vom Landesarbeitsgericht angenommenen vollständigen Einstellung des Flugbetriebs besteht.
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II. Bezüglich des Kündigungsschutzantrags ist die Revision begründet. Die streitgegenständliche Kündigung ist wegen einer fehlerhaften Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 Abs. 1, Abs. 3 KSchG iVm. § 134 BGB unwirksam. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts erstattete die Schuldnerin die nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG erforderliche Massenentlassungsanzeige wegen Verkennung des unionsrechtlich determinierten Betriebsbegriffs nicht ordnungsgemäß iSd. § 17 Abs. 3 KSchG. Dies hat der Senat in einem Parallelverfahren entschieden und nimmt auf die Begründung dieses Urteils Bezug (BAG 13. Februar 2020 - 6 AZR 146/19 - Rn. 70 ff.). Es wurde eine inhaltlich nicht ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige bei der unzuständigen Agentur für Arbeit Berlin Nord erstattet. Eine Anzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit Düsseldorf erfolgte vor Zugang der Kündigung beim Kläger hingegen nicht.
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III. Die Kosten des Rechtsstreits sind zwischen den Parteien gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO aufzuteilen.
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