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BAG 13.02.2020 - 6 AZR 211/19
BAG 13.02.2020 - 6 AZR 211/19
Vorinstanz
vorgehend ArbG Düsseldorf, 6. Juni 2018, Az: 8 Ca 6866/17, Urteil
vorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 15. Januar 2019, Az: 3 Sa 520/18, Urteil
nachgehend BVerfG, 5. Januar 2021, Az: 1 BvR 1771/20, Nichtannahmebeschluss
nachgehend BVerfG, 5. Januar 2021, Az: 1 BvR 1925/20, Beschluss
Tenor
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I. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 15. Januar 2019 - 3 Sa 520/18 - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 6. Juni 2018 - 8 Ca 6866/17 - zurückgewiesen hat.
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II. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 6. Juni 2018 - 8 Ca 6866/17 - insgesamt abgeändert und wie folgt gefasst:
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Es wird festgestellt, dass das zwischen dem Kläger und dem Revisionsbeklagten zu 1. bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG vom 28. November 2017 zum 28. Februar 2018 aufgelöst worden ist.
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III. Die Kosten der ersten Instanz tragen der Kläger zu 54 % und der Revisionsbeklagte zu 1. zu 46 %.
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Die Gerichtskosten der zweiten Instanz sowie des Revisionsverfahrens tragen der Kläger und der Revisionsbeklagte zu 1. je zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers in zweiter Instanz sowie im Revisionsverfahren trägt der Revisionsbeklagte zu 1. zur Hälfte, diejenigen der Revisionsbeklagten zu 2. trägt der Kläger in vollem Umfang. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
Tatbestand
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Die Parteien streiten noch über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.
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Der Kläger war seit dem 31. März 2004 bei der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG (Schuldnerin) bzw. deren Rechtsvorgängerin als Co-Pilot beschäftigt. Sein Einsatzort war die Station der Schuldnerin in Düsseldorf.
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Die Schuldnerin war eine Fluggesellschaft und bediente mit mehr als 6.000 Beschäftigten im Linienflugverkehr inner- und außereuropäische Ziele. Hierfür unterhielt sie ua. Stationen an den Flughäfen Berlin-Tegel und Düsseldorf. In Berlin war der Leiter des Flugbetriebs („Head of Flight Operations“) ansässig. Diesem oblag die Leitung und Führung des Cockpitpersonals im operativen Geschäft. Die Umlauf- und Dienstplanung erfolgte für den gesamten Flugbetrieb zentral von Berlin aus. Für das Cockpitpersonal waren vier Area Manager tätig, die jeweils für mehrere Stationen zuständig und dem Flottenmanagement unterstellt waren. Das Kabinenpersonal wurde ua. durch zwei Regional Manager betreut. Der Regional Manager West war für die Station Düsseldorf zuständig.
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Für das Cockpitpersonal war gemäß § 117 Abs. 2 BetrVG durch Abschluss des „Tarifvertrags Personalvertretung (TVPV) für das Cockpitpersonal der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG“ eine Personalvertretung (PV Cockpit) gebildet. Für das Kabinenpersonal wurde durch den „Tarifvertrag Personalvertretung (TVPV) für das Kabinenpersonal der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG“ die Personalvertretung Kabine (PV Kabine) errichtet. Beide Gremien hatten ihren Sitz in Berlin. Das Bodenpersonal vertraten die regional zuständigen Betriebsräte (Boden Nord, West und Süd) und der Gesamtbetriebsrat.
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Am 15. August 2017 beantragte die Schuldnerin beim zuständigen Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen bei Eigenverwaltung. Das Gericht ordnete zunächst die vorläufige Eigenverwaltung an und bestellte den Beklagten am 16. August 2017 zum vorläufigen Sachwalter. Danach leitete die Schuldnerin eine Investorensuche ein, die eine Fortführung des Geschäftsbetriebs im Rahmen einer übertragenden Sanierung ermöglichen sollte. Nach Ablauf der Angebotsfrist am 15. September 2017 lag kein annahmefähiges Angebot vor.
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Am 12. Oktober 2017 unterzeichneten der Executive Director der persönlich haftenden Gesellschafterin der Schuldnerin, der Generalbevollmächtigte der Schuldnerin und der Beklagte für die Schuldnerin eine Erklärung. Demnach war beabsichtigt, den Betrieb bis spätestens 31. Januar 2018 stillzulegen.
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Mit Schreiben vom 12. Oktober 2017 wandte sich die Schuldnerin an die PV Cockpit. Es sei beabsichtigt, die durch die Betriebsstilllegung bedingten Kündigungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Laufe des Monats Oktober 2017, voraussichtlich ab 26. Oktober 2017, unter Wahrung der ggf. durch § 113 InsO begrenzten Kündigungsfrist zu erklären. Wegen der Beendigung aller Arbeitsverhältnisse sei eine Sozialauswahl nicht erforderlich. Da es sich um eine anzeigepflichtige Massenentlassung iSd. § 17 Abs. 1 KSchG handle, werde hiermit das Konsultationsverfahren gemäß § 17 Abs. 2 KSchG eingeleitet.
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Mit Beschluss vom 1. November 2017 eröffnete das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin. Es ordnete Eigenverwaltung an und bestellte den Beklagten zum Sachwalter. Dieser zeigte noch am gleichen Tage gegenüber dem Insolvenzgericht eine drohende Masseunzulänglichkeit an.
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Mit Formular und Begleitschreiben vom 24. November 2017 erstattete die Schuldnerin bei der Agentur für Arbeit Berlin Nord eine Massenentlassungsanzeige bzgl. des Cockpitpersonals. In dem hierfür vorgesehenen Formularfeld wurde angegeben, die Anzeige beziehe sich auf den „Hauptsitz der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG“. Dort seien in der Regel 1.301 Arbeitnehmer/innen beschäftigt, welche voraussichtlich alle im Zeitraum vom 27. November 2017 bis zum 26. Dezember 2017 entlassen werden sollten. Hinsichtlich der in der Regel Beschäftigten wird auf Anlagen verwiesen. In diesen wird bei den „Angaben zu Entlassungen Cockpit“ die Zahl von 1.301 Beschäftigten des Cockpitpersonals nach Stationen und Berufsgruppen aufgeschlüsselt. Das Begleitschreiben erläutert den Kündigungsgrund bzgl. dieser Beschäftigtengruppe. Die Personalleitung für diese Beschäftigten erfolge in sämtlichen Angelegenheiten von Berlin aus. Dort habe auch die auf tariflicher Grundlage gebildete PV Cockpit ihren Sitz. Das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG sei mit Schreiben vom 13. Oktober 2017 eingeleitet und ausweislich des der Massenentlassungsanzeige beigefügten Interessenausgleichs vom 17. November 2017 abgeschlossen worden.
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Mit Schreiben vom 28. November 2017 kündigte die Schuldnerin mit Zustimmung des Beklagten gegenüber dem Kläger das Arbeitsverhältnis zum 28. Februar 2018.
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Mit Beschluss vom 17. Januar 2018 hob das Insolvenzgericht die Eigenverwaltung auf und bestellte den Beklagten zum Insolvenzverwalter.
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Mit seiner fristgerecht erhobenen Klage hat sich der Kläger ua. gegen die erklärte Kündigung gewandt. Er hat die Ansicht vertreten, die Kündigung vom 28. November 2017 sei unwirksam. Eine Betriebsstilllegung sei zum Zeitpunkt ihres Zugangs nicht beschlossen gewesen, die Schuldnerin habe vielmehr noch mit möglichen Betriebserwerbern verhandelt. Die PV Cockpit sei nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Die Massenentlassungsanzeige sei fehlerhaft.
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Der Kläger hat zuletzt nur noch beantragt
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festzustellen, dass das zwischen dem Kläger und dem Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Schuldnerin vom 28. November 2017 zum 28. Februar 2018 aufgelöst wurde.
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Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Ansicht vertreten, die Kündigung sei wegen der beabsichtigten und tatsächlich erfolgten Stilllegung des Flugbetriebs sozial gerechtfertigt. Ein Betriebs(teil)übergang sei nicht geplant gewesen und habe auch nicht stattgefunden. Die Rechte der PV Cockpit seien gewahrt. Die Massenentlassung sei ordnungsgemäß gegenüber der zuständigen Agentur für Arbeit angezeigt worden.
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Das Arbeitsgericht hat nach teilweiser Klagerücknahme und Abschluss eines Teilvergleichs alle verbliebenen Anträge des Klägers abgewiesen. Mit seiner Berufung hat der Kläger ausschließlich den Kündigungsschutzantrag sowie hilfsweise für den Fall des Obsiegens zwei Auskunftsanträge - teilweise im Wege der Klageerweiterung - weiterverfolgt. Darüber hinaus hat der Kläger erstmals gegenüber der Luftfahrtgesellschaft Walter mbH (Berufungs- und Revisionsbeklagte zu 2.) die Feststellung des (Fort-)Bestehens seines Arbeitsverhältnisses aufgrund eines Betriebsübergangs geltend gemacht. Das Landesarbeitsgericht hat den Kündigungsschutz- und den Feststellungsantrag abgewiesen und beschränkt auf ersteren die Revision zugelassen. Der Kläger hat hiergegen mit Ausnahme der hilfsweisen Auskunftsanträge unbeschränkt Revision eingelegt und, soweit das Landesarbeitsgericht die Revision nicht zugelassen hat, daneben Nichtzulassungsbeschwerde erhoben. Nachdem das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 23. Oktober 2019 (- 8 AZN 633/19 -) die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers verworfen und die diesbezügliche Anhörungsrüge mit Beschluss vom 15. Januar 2020 (- 8 AZN 1366/19 (F) -) zurückgewiesen hatte, hat der Kläger die Revision gegen die Revisionsbeklagte zu 2. zurückgenommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist begründet. Der in der Revision zuletzt nur noch anhängige Kündigungsschutzantrag ist zulässig und begründet. Insoweit war das Berufungsurteil aufzuheben und antragsgemäß zu entscheiden.
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I. Die streitgegenständliche Kündigung ist wegen einer fehlerhaften Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 Abs. 1, Abs. 3 KSchG iVm. § 134 BGB unwirksam. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts erstattete die Schuldnerin die nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG erforderliche Massenentlassungsanzeige wegen Verkennung des unionsrechtlich determinierten Betriebsbegriffs nicht ordnungsgemäß iSd. § 17 Abs. 3 KSchG. Dies hat der Senat in einem Parallelverfahren bereits entschieden und nimmt auf die Begründung dieses Urteils Bezug (BAG 13. Februar 2020 - 6 AZR 146/19 - Rn. 70 ff.). Es wurde eine inhaltlich nicht ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige bei der unzuständigen Agentur für Arbeit Berlin Nord erstattet. Eine Anzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit Düsseldorf erfolgte hingegen vor Zugang der Kündigung beim Kläger nicht.
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II. Die Kosten der Vorinstanzen sowie des Revisionsverfahrens sind zwischen den Parteien unter Berücksichtigung der erstinstanzlichen teilweisen Klagerücknahme sowie des erstinstanzlichen Teilvergleichs gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1, §§ 98, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu verteilen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger im Prozessrechtsverhältnis zur Berufungs- und Revisionsbeklagten zu 2. nach der diesbezüglichen Revisionsrücknahme zur vollständigen Kostentragung verpflichtet ist.
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