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BSG 04.05.2023 - B 5 R 30/23 B
BSG 04.05.2023 - B 5 R 30/23 B - (Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung - erneute Klärungsbedürftigkeit einer höchstrichterlich bereits geklärten Rechtsfrage - Bewertung beitragsfreier Zeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung - Verfassungsmäßigkeit der Regelungen in § 74 S 4 iVm § 263 Abs 3 SGB 6)
Normen
§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 74 S 4 SGB 6, § 263 Abs 3 SGB 6, Art 3 Abs 1 GG, Art 3 Abs 3 S 2 GG, Art 14 Abs 1 GG, Art 20 Abs 1 GG
Vorinstanz
vorgehend SG Berlin, 28. Januar 2021, Az: S 12 R 1361/20, Gerichtsbescheid
vorgehend Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 2. Dezember 2022, Az: L 17 R 127/21, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 2. Dezember 2022 wird als unzulässig verworfen.
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Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
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I. Streitig ist eine höhere Rente wegen Erwerbsminderung unter Berücksichtigung von Entgeltpunkten für eine Fachhochschulausbildung sowie Anerkennung einer von der Bundesagentur für Arbeit finanzierten Weiterbildung als Beitragszeit.
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Der Kläger bezieht seit dem 1.11.2017 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung von der Beklagten (Bescheid vom 18.1.2018). Mit Überprüfungsanträgen vom 23.3.2020 und 18.9.2020 beantragte er eine höhere Erwerbsminderungsrente unter Bewertung von Fachhochschulzeiten in der Zeit vom 1.10.1983 bis 30.9.1986 sowie Anerkennung einer Beitragszeit für eine von der Agentur für Arbeit in der Zeit vom 17.8.1987 bis 16.6.1988 finanzierte Weiterbildung. Die Beklagte lehnte die Anträge ab (Bescheide vom 28.4.2020 und 5.10.2020). Die Widersprüche und Klagen des Klägers blieben erfolglos (Widerspruchsbescheide vom 1.7.2020 und 19.11.2020, Gerichtsbescheide vom 28.1.2021 und 26.5.2021).
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Das LSG hat die Berufungen des Klägers zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden (Beschluss vom 8.10.2021) und die Entscheidung der Berichterstatterin gemäß § 153 Abs 4 SGG übertragen (Beschluss vom 17.2.2022). Mit Urteil vom 2.12.2022 hat das LSG die Berufungen des Klägers zurückgewiesen. Die Beklagte habe bei Erlass des Rentenbescheids weder das Recht unrichtig angewandt noch sei sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Zu Recht habe sie die Zeiten der Fachhochschulausbildung des Klägers nicht bewertet. Dies folge aus § 74 Satz 4 SGB VI. Die Regelung begegne auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Senat schließe sich insoweit der Rechtsprechung des BSG an. Es sei weder ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 GG noch gegen sozial- und bildungsbezogene Rechtsgrundsätze der Europäischen Union, insbesondere Artikel 163 und 166 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union erkennbar. Auch eine Anerkennung der von der Bundesagentur für Arbeit finanzierten Weiterbildungsmaßnahme als Beitragszeit komme nicht in Betracht. Die nach § 247 Abs 1 SGB VI erforderliche Voraussetzung hierfür, dass der Versicherte die Beiträge ganz oder zum Teil getragen habe, sei nicht erfüllt. Die Vorschrift verletze den Kläger ebenfalls nicht in seinen Grundrechten.
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Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Beschwerde zum BSG erhoben. Er macht als Zulassungsgrund eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
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II. 1. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Der geltend gemachte Grund für die Zulassung der Revision wird nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
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Der Kläger legt eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht anforderungsgerecht dar. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig (Klärungsfähigkeit) ist. In der Beschwerdebegründung ist daher zunächst aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten revisiblen Norm iS des § 162 SGG stellt. Sodann ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung darzutun, weshalb deren Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Schließlich ist aufzuzeigen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt (s etwa Senatsbeschluss vom 25.8.2022 - B 5 R 11/22 B - juris RdNr 12 mwN).
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Der Kläger formuliert als Fragen von grundsätzlicher Bedeutung:
a)
"Ob die Regelung nach § 74 Satz 4 SGB VI verfassungskonform ist" und
"ob die graduelle Gleichsetzung der Abschlüsse der Fachschulstudium-Absolventen aus den neuen Bundesländern mit den Abschlüssen der westdeutschen Fachhochschulabschlüssen bei rentenrechtlicher Degradierung gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG sowie die sozialen- und bildungsbezogenen Rechtsgrundsätzen der EU, Artikel 163 und 166 des EU-Vertrages verstößt und ob die nachträgliche und rückwirkende Erzeugung von Altersarmut durch den Gesetzgeber mit dem Sozialstaatprinzip zu vereinbaren ist."
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Es kann offenbleiben, ob der Kläger damit und mit den weiteren Ausführungen in der Beschwerdebegründung eine Rechtsfrage iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG bezeichnet. Eine solche Rechtsfrage muss eine vom Einzelfall losgelöste (abstrakt-generelle) Frage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer bestimmten revisiblen Vorschrift (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht aufwerfen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 25.8.2022 - B 5 R 83/22 B - juris RdNr 11). Der Kläger legt jedenfalls die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragen nicht anforderungsgerecht dar.
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Das BSG hat sich insbesondere in mehreren Entscheidungen vom 19.4.2011 (B 13 R 27-29/10 R; B 13 R 55/10 R; B 13 R 8/11 R) mit der Nichtbewertung ua von Zeiten der Hochschulausbildung auseinandergesetzt. Es hat befunden, die Regelungen in § 74 Satz 4 iVm § 263 Abs 3 SGB VI würden weder gegen Art 14 Abs 1 GG noch gegen Art 3 Abs 1 GG, Art 3 Abs 3 Satz 2 GG oder das Sozialstaatsprinzip verstoßen (BSG Urteil vom 19.4.2011 - B 13 R 27/10 R - BSGE 108, 126 = SozR 4-2600 § 74 Nr 3, RdNr 26). Das BVerfG hat die dagegen erhobenen Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 18.5.2016 - 1 BvR 2217/11 ua - juris). Die Klärungsbedürftigkeit der Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 74 Abs 4 SGB VI kommt mithin einzig unter dem Gesichtspunkt einer erneuten Klärungsbedürftigkeit in Betracht (s auch BSG Beschluss vom 6.7.2022 - B 5 R 40/22 B - juris RdNr 9). Den insoweit bestehenden Anforderungen wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.
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Eine höchstrichterlich bereits geklärte Rechtsfrage zum Anwendungsbereich einer Vorschrift des Bundesrechts kann iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG erneut klärungsbedürftig werden, wenn den bisherigen Entscheidungen in nicht geringem Umfang in Rechtsprechung oder Schrifttum widersprochen wird und keineswegs von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden (BSG Beschluss vom 25.9.1975 - 12 BJ 94/75 - SozR 1500 § 160a Nr 13 S 19; BSG Beschluss vom 17.9.2013 - B 1 KR 63/13 B - juris RdNr 6 mwN). Dass diese Voraussetzungen vorliegen, ist in der Beschwerdebegründung näher darzulegen. Hierzu muss substantiiert aufgezeigt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und mit welcher Begründung der bisherigen Rechtsprechung widersprochen wird bzw inwiefern die Beantwortung der Rechtsfrage weiterhin umstritten ist oder welche neuen erheblichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind, die zu einer Neubetrachtung der bereits entschiedenen Rechtsfrage führen könnten und eine anderweitige Entscheidung nicht offensichtlich ausschließen (zB BSG Beschluss vom 6.7.2022 - B 5 R 40/22 B - juris RdNr 10 mwN). Hieran richtet der Kläger sein Vorbringen nicht aus.
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Er trägt im Wesentlichen vor, die - von ihm nicht näher bezeichneten - Entscheidungen des BVerfG (gemeint sein dürften wohl die vom LSG zitierten Entscheidungen des BSG vom 19.4.2011, aaO) berücksichtigten nicht, "dass der Einigungsvertrag sowie das Berufsausbildungsgesetz von 1990 (…) den Fachschulstudium-Absolventen aus den neuen Bundesländern die Gleichsetzung ihrer Abschlüsse mit westdeutschen Fachhochschulabschlüssen ermöglicht und diese dann im Gegensatz zu den westdeutschen Fachhochschulabschlüssen sogar noch Rentenpunkte für ihre Ausbildung erhalten, selbst wenn sie nie in dem studierten Beruf gearbeitet haben". Zudem habe das BVerfG in seinen Entscheidungen nicht berücksichtigt, dass derjenige, der einen höheren Abschluss erreichen möchte, länger zur Schule gehen müsse.
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Der Kläger benennt damit weder (instanzgerichtliche) Entscheidungen noch (wissenschaftliches) Schrifttum, in denen der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 74 iVm § 263 Abs 3 Satz 4 SGB VI widersprochen wird. Seine Ausführungen in Bezug auf eine Differenzierung nach Fachhochschulabsolventen aus den alten oder neuen Bundesländern sind bereits im Ansatz nicht nachvollziehbar, weil § 74 Satz 4 iVm § 263 Abs 3 SGB VI - wie auch das LSG zu Recht ausgeführt hat - Fachhochschulabsolventen unabhängig davon, ob der Abschluss in den alten oder neuen Bundesländern erworben wurde, von der begrenzten Gesamtleistungsbewertung ausnimmt. Der Kläger stellt letztlich seine eigene Auffassung der höchstrichterlichen Rechtsprechung entgegen. Allein die Darstellung einer bestimmten (eigenen) Gesetzesinterpretation reicht zur Darlegung einer weiteren Klärungsbedürftigkeit einer vom BSG bereits entschiedenen Rechtsfrage nicht aus (vgl BSG Beschluss vom 25.8.2022 - B 5 R 11/22 B - juris RdNr 16 mwN).
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Soweit der Kläger durch die gesetzliche Regelung auch "die sozialen- und bildungsbezogenen Rechtsgrundsätze der EU, Artikel 163 und 166 des EU-Vertrages" als verletzt ansieht, fehlt es an jeglichen näheren Ausführungen.
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Der Kläger formuliert als weitere Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung:
b)
"Ob die Regelung nach § 247 Abs. 1 SGB VI verfassungskonform ist."
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Auch hier fehlt es jedenfalls an der Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage.
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Leitet eine Beschwerde einen Revisionszulassungsgrund aus einer Verletzung von Normen des GG ab, muss sie unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu den (konkret) gerügten Verfassungsnormen bzw -prinzipien in substanzieller Argumentation darlegen, welche gesetzlichen Regelungen welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (stRspr; zB bereits BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11 S 14; aus jüngerer Zeit zB BSG Beschluss vom 15.9.2022 - B 5 R 127/22 B - juris RdNr 9 mwN). Dem wird das Beschwerdevorbringen nicht ansatzweise gerecht.
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Der Kläger stellt - ohne eine höchstrichterliche Entscheidung zu benennen oder sich mit einer solchen inhaltlich auseinanderzusetzen - lediglich dar, warum aus seiner Sicht in seinem konkreten Einzelfall, die Regelung des § 247 Abs 1 SGB VI zu einem nicht nachvollziehbaren Ergebnis führe. Auch mit den vom LSG angeführten Entscheidungen des BSG, der Gesetzesbegründung oder der Kommentarliteratur setzt er sich nicht im Geringsten auseinander. Der Kläger wendet sich damit letztlich gegen eine vermeintliche Fehlerhaftigkeit der Berufungsentscheidung. Darauf kann eine Nichtzulassungsbeschwerde jedoch nicht gestützt werden (vgl BSG Beschluss vom 20.10.2021 - B 5 R 230/21 B - juris RdNr 6 mwN). Das gilt auch, soweit er die LSG-Entscheidung aus sozial- oder rechtspolitischen Gründen für falsch hält (vgl BSG Beschluss vom 13.4.2022 - B 5 R 291/21 B - juris RdNr 13; BSG Beschluss vom 25.8.2022 - B 5 R 11/22 B - juris RdNr 17).
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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Düring
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