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BSG 13.07.2022 - B 7/14 AS 57/21 R
BSG 13.07.2022 - B 7/14 AS 57/21 R - Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren - Grundsicherung für Arbeitsuchende - abschließende Entscheidung nach vorläufiger Leistungsbewilligung - Zugunstenverfahren - Ausschlussfrist
Normen
§ 41a Abs 3 SGB 2, § 41a Abs 6 SGB 2, § 40 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB 2, § 40 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 2, § 44 Abs 1 S 1 SGB 10, § 44 Abs 2 SGB 10, § 44 Abs 4 S 1 SGB 10
Vorinstanz
vorgehend SG Gelsenkirchen, 21. Juli 2020, Az: S 41 AS 469/19, Urteil
vorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 28. Mai 2021, Az: L 21 AS 1280/20, Urteil
Tenor
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Auf die Revisionen der Kläger wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28. Mai 2021 aufgehoben.
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Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Streitig ist - im sog Zugunstenverfahren - abschließend festzusetzendes Alg II bis zur Höhe der vorläufig erbrachten Leistungen für Juli bis Dezember 2016.
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Das beklagte Jobcenter bewilligte den Klägern vorläufig Alg II für Juli bis Oktober 2016 sowie für November und Dezember 2016 (jeweils letzte vorläufige Änderungsbescheide mit den höchsten Leistungen vom 30.1.2017). Sodann entschied er abschließend für ua Juli bis Oktober 2016 (Bescheid vom 5.4.2017) sowie ua für November und Dezember 2016 (Bescheid vom 6.7.2017). Im Unterschied zu den vorläufig bewilligten Leistungen nahm der Beklagte kleinere Korrekturen bei den Einnahmen aus Erwerbstätigkeit vor und berücksichtigte monatlich zusätzlich sonstiges Einkommen des Klägers iHv rund 333 Euro. Die Bescheide enthielten keinen Hinweis auf ggf zu erstattende Leistungen und wurden bestandskräftig.
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Mit Bescheiden vom 15.2.2018 forderte der Beklagte jeweils von der Klägerin und dem Kläger auf der Grundlage der abschließenden Festsetzung des Alg II für Juli bis Oktober 2016 sowie nach Anrechnung der vorläufig erbrachten Leistungen die Erstattung von monatlich etwa 170 Euro. Ebenso entschied der Beklagte für November und Dezember 2016 (Bescheide vom 24.7.2018). Die Widerspruchs- bzw Klageverfahren zu diesen Bescheiden ruhen.
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Anfang August 2018 beantragten die Kläger die Überprüfung der abschließenden Festsetzungen für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum. Bei dem Einkommen iHv rund 333 Euro habe es sich um ein Darlehen ihrer Tochter gehandelt, das sie wie vereinbart zurückgezahlt hätten. Der Beklagte lehnte eine Änderung der Bescheide ab (Bescheid vom 11.10.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.1.2019).
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Klagen und Berufungen sind ohne Erfolg geblieben (Urteil des SG vom 21.7.2020; Urteil des LSG vom 28.5.2021). Der Beklagte sei aufgrund der einjährigen Ausschlussfrist des § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II iVm § 44 Abs 4 Satz 1 SGB X nicht verpflichtet, SGB II-Leistungen rückwirkend für 2016 zu erbringen. Die vorläufige und sodann abschließende Leistungserbringung gemäß § 41a SGB II rechtfertige kein anderes Ergebnis. Es hänge von den Besonderheiten des Falls ab, ob Leistungsberechtigte, die eine höhere abschließende Bewilligung durchsetzten, eine Nachzahlung von Leistungen erhielten oder sich dadurch "nur" eine Erstattungsforderung reduziere. In beiden Fällen gehe es um rückwirkende Leistungsansprüche, die bei der Ausschlussfrist des § 44 Abs 4 Satz 1 SGB X nicht unterschiedlich behandelt werden müssten. Dem stehe das Urteil des BSG vom 13.2.2014 (B 4 AS 19/13 R) nicht entgegen. Für Rechtsmissbrauch durch den Beklagten gebe es keinen Anhalt.
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Mit ihren Revisionen rügen die Kläger eine Verletzung von § 40 Abs 1 Satz 2 SGB II iVm § 44 Abs 4 SGB X. Die begehrte höhere Festsetzung des Alg II mit der Folge der Verringerung der Erstattungsforderungen sei keine Erbringung von Leistungen iS von § 44 Abs 4 SGB X. Erbringen im Sinne dieser Vorschrift bedeute "tatsächliches Leisten". Der Beklagte sei grundsätzlich verpflichtet, die abschließende Festsetzung mit der Erstattungsforderung zu verbinden.
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Die Kläger beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28. Mai 2021 und des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 21. Juli 2020 sowie den Bescheid des Beklagten vom 11. Oktober 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Januar 2019 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Bescheide vom 5. April und 6. Juli 2017 zu ändern und höheres Alg II für Juli bis Dezember 2016 abschließend festzusetzen.
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Der Beklagte beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässigen Revisionen der Kläger sind im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Dem Anspruch der Kläger auf inhaltliche Entscheidung über den Zugunstenantrag steht die einjährige Ausschlussfrist des § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II iVm § 44 Abs 4 Satz 1 SGB X nicht entgegen. Da es - ausgehend vom rechtlichen Standpunkt des LSG - an ausreichenden Feststellungen über die Alg II-Ansprüche der Kläger fehlt, ist dem Senat eine abschließende Entscheidung verwehrt.
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1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind die Urteile der Vorinstanzen und der Bescheid vom 11.10.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.1.2019, mit dem der Beklagte die von den Klägern begehrte Änderung der Bescheide vom 5.4. und 6.7.2017 und die abschließende Bewilligung von höherem Alg II für Juli bis Dezember 2016 abgelehnt hatte.
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2. Verfahrenshindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen.
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Zutreffende Klageart ist die im Wege der objektiven Klagehäufung (§ 56 SGG) verfolgte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG), gerichtet auf die Aufhebung des die Überprüfung ablehnenden Bescheids vom 11.10.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.1.2019 sowie die Verpflichtung des Beklagten, (1) die Bescheide vom 5.4. und 6.7.2017 für den streitgegenständlichen Zeitraum zu ändern und (2) höheres Alg II als bislang abschließend festgesetzt zu bewilligen. Die Kläger beanstanden die Berücksichtigung eines sonstigen Einkommens iHv rund 333 Euro erstmals bei den abschließenden Festsetzungen. Unter Berücksichtigung dieses Vorbringens geht es ihnen nicht um höhere als die vorläufig festgestellten und bereits ausgezahlten Leistungen. Daher wird das Verpflichtungsbegehren hinsichtlich der abschließenden Festsetzung höherer Leistungen nicht durch eine allgemeine Leistungsklage konsumiert (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 54 SGG RdNr 20c).
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Die Klagen sind in analoger Anwendung des § 130 Abs 1 SGG zutreffend auf den Erlass eines Grundurteils gerichtet, das auch bei Anwendung des § 44 SGB X ergehen kann (vgl für Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklagen BSG vom 4.9.2001 - B 7 AL 84/00 R - BSGE 88, 299, 300 = SozR 3-4300 § 137 Nr 1 S 2, juris RdNr 13; BSG vom 28.2.2013 - B 8 SO 4/12 R - RdNr 9). Dass die Kläger keine (weiteren) Leistungen in Geld verlangen können, weil aufgrund der Anrechnung der vorläufig erbrachten Leistungen (§ 41a Abs 6 Satz 1 SGB II) Erfüllung eingetreten ist, steht dem Erlass eines Grundurteils nicht entgegen. Anderenfalls verhinderte § 41a Abs 6 Satz 1 SGB II, der das Verwaltungsverfahren erleichtern soll, die Beschleunigung des Gerichtsverfahrens und eine Entlastung der Gerichte von den notwendigen Feststellungen über die Höhe des Anspruchs (vgl schon für das Grundurteil bei Klagen gegen im Vergleich zur vorläufigen Bewilligung niedrigere abschließende Festsetzungen BSG vom 11.11.2021 - B 14 AS 41/20 R - RdNr 13, vorgesehen für SozR 4-4200 § 11b Nr 14).
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Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis ist unabhängig vom zeitlichen Verlauf der Widerspruchs- bzw Klageverfahren gegen die Anrechnungs- und Erstattungsbescheide vom 15.2. und 24.7.2018 gegeben. Denn diese Bescheide bilden keine rechtliche Einheit mit den Verwaltungsakten vom 5.4. und 6.7.2017 über die abschließende Festsetzung der Leistungsansprüche. Ebenso wenig hat der Beklagte hierüber am 15.2. und 24.7.2018 Zweitbescheide erlassen (dazu sogleich). Daher ist das mit der Klage im Ergebnis verfolgte Ziel der Änderung der abschließenden Festsetzung der Leistungsansprüche nicht mit der unmittelbareren Korrekturmöglichkeit in diesen Widerspruchs- bzw Klageverfahren zu erreichen (zum Rechtsschutzbedürfnis im Verhältnis von Anfechtungs- und Leistungsklage, zur Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage BSG vom 30.10.2013 - B 7 AY 7/12 R - BSGE 114, 302 = SozR 4-3520 § 1a Nr 1, RdNr 19; vgl auch BSG vom 27.7.2004 - B 7 AL 76/03 R - SozR 4-4300 § 330 Nr 2 RdNr 17).
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Ob schon die hier zwischen den Bescheiden vom 5.4.2017 und 15.2.2018 (für Juli bis Oktober 2016) bzw 6.7.2017 und 24.7.2018 (für November und Dezember 2016) abgelaufene Zeit der Annahme einer rechtlichen Einheit zwischen den Bescheiden über die abschließende Festsetzung der Leistungsansprüche und den (Anrechnungs- und) Erstattungsbescheiden entgegenstünde, muss nicht entschieden werden (vgl einen noch hinreichenden zeitlichen Zusammenhang bei einem Zeitabstand von etwas mehr als einem Monat annehmend BSG vom 17.6.2008 - B 8 AY 9/07 R - RdNr 12; zu einem Zeitabstand von etwas weniger als einem Monat BSG vom 18.8.2005 - B 7a/7 AL 94/04 R - BSGE 95, 80 = SozR 4-4300 § 140 Nr 2, RdNr 5). Die rechtliche Einheit von zwei der Form nach getrennt voneinander erlassenen Verwaltungsakten setzt voraus, dass beide Bescheide - wechselseitig - aufeinander bezogen sind (vgl BSG vom 18.8.2005 - B 7a AL 4/05 R - SozR 4-1500 § 95 Nr 1 RdNr 12; BSG vom 11.11.2021 - B 14 AS 41/20 R - RdNr 14, vorgesehen für SozR 4-4200 § 11b Nr 14; zur Bindungswirkung bei ausdrücklicher Nichtanfechtung der abschließenden Entscheidung BSG vom 28.11.2018 - B 14 AS 34/17 R - SozR 4-4200 § 38 Nr 5 RdNr 13 f; insoweit zum Meistbegünstigungsprinzip BSG vom 26.11.2019 - B 2 U 8/18 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 71 RdNr 10 mwN; zur Meistbegünstigung im Verwaltungsverfahren BSG vom 8.10.1987 - 9a RVs 10/87 - juris RdNr 11 mwN). Daran fehlt es hier, weil in den Bescheiden vom 5.4. und 6.7.2017 - soweit hier von Interesse - allein die abschließende Bewilligung von Alg II geregelt ist. Den Erlass von Erstattungsverwaltungsakten hat der Beklagte in diesen Bescheiden auch nicht angekündigt.
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Der Beklagte hat die abschließenden Festsetzungsbescheide vom 5.4. und 6.7.2017 anlässlich des Erlasses der Anrechnungs- und Erstattungsbescheide vom 15.2. und 24.7.2018 auch nicht durch Zweitbescheide (zu dieser Rechtsfigur BSG vom 7.4.2016 - B 5 R 26/15 R - SozR 4-2600 § 89 Nr 3 RdNr 18; Littmann in Hauck/Noftz, SGB X, § 31 RdNr 49, Stand Dezember 2011; B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, Anh § 54 RdNr 9a) ersetzt, in deren Folge sich die Bescheide vom 5.4. und 6.7.2017 auf andere Weise erledigt hätten (vgl § 39 Abs 2 SGB X). Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte nach dem 5.4. und 6.7.2017 erneut die Prüfung der Leistungsansprüche der Kläger vorgenommen hat, weder von Amts wegen noch auf Antrag der Kläger. Daher kann nicht angenommen werden, mit dem Widerspruch gegen die hier nicht verfahrensgegenständlichen Bescheide vom 15.2. und 24.7.2018 sei zugleich eine abschließende, noch nicht bestandskräftig gewordene Entscheidung über die Höhe des Alg II angefochten.
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3. Rechtsgrundlage für die Rücknahme der abschließenden Entscheidungen des Beklagten ist § 40 Abs 1 SGB II (idF des Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Rechtsvereinfachung - sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom 26.7.2016, BGBl I 1824) iVm § 44 SGB X sowie - in materiell-rechtlicher Hinsicht - §§ 19 und §§ 7 ff idF des SGB II, die es vor den streitbefangenen Zeiträumen jeweils zuletzt durch das Gesetz zur Modernisierung der Finanzaufsicht über Versicherungen vom 1.4.2015 (BGBl I 434) sowie das Integrationsgesetz vom 31.7.2016 (BGBl I 1939) erhalten hat. In Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungszeiträume ist das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden (Geltungszeitraumprinzip; vgl letztens BSG vom 9.3.2022 - B 7/14 AS 79/20 R - RdNr 12, vorgesehen für BSGE und SozR).
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Auch nach Unanfechtbarkeit ist gemäß § 40 Abs 1 SGB II iVm § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Leistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.
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4. Die sachliche Prüfung im Rahmen des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist, anders als es das LSG angenommen hat, eröffnet. Indes kann anhand der bisherigen Feststellungen nicht beurteilt werden, ob der Beklagte die Leistungsansprüche der Höhe nach zutreffend abschließend festgesetzt hat. Das gilt insbesondere im Hinblick auf das Vorbringen der Kläger, Zahlungen der Tochter seien darlehensweise erfolgt.
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§ 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist entsprechend anzuwenden auf Fälle, in denen geringere Leistungen als zuvor vorläufig bewilligt und gezahlt abschließend festgesetzt werden mit der Folge, dass auch nach der Anrechnung der vorläufig erbrachten Leistungen Überzahlungen zu erstatten sind (§ 41a Abs 6 SGB II). § 41a SGB II ist der abschließenden Entscheidung des Beklagten vom 5.4. und 6.7.2017 und der Rückabwicklung des Leistungsvorgangs zugrunde zu legen, weil beide Teilzeiträume der verfahrensgegenständlichen Zeit Bewilligungszeiträumen zuzuordnen sind, die vor dem 1.8.2016 noch nicht beendet waren (§ 80 Abs 2 Nr 2 SGB II in idF des Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Rechtsvereinfachung - sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom 26.7.2016, BGBl I 1824; BSG vom 11.7.2019 - B 14 AS 44/18 R - SozR 4-4200 § 41a Nr 2 RdNr 17 mwN).
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Den Klägern sind Sozialleistungen iS des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X zwar nicht "nicht erbracht" worden. Schon die Zahlungen aufgrund der vorläufigen Bewilligung sind in diesem Sinne "erbracht". § 41a SGB II greift wie § 328 SGB III und § 43 SGB I den Begriff des Erbringens von Leistungen als Inhalt einer vorläufigen Entscheidung auf. Gemeint ist mit "Erbringen" allgemein die Zahlung (vgl auch § 50 Abs 1 und 2 SGB X, dazu Klerks in info also 2022, 83, 85 Anm zu LSG Nordrhein-Westfalen vom 28.5.2021 - L 21 AS 1280/20) bzw tatsächliches Leisten (BSG vom 6.3.1991 - 9b RAr 7/90 - BSGE 68, 180, 181 = SozR 3-1300 § 44 Nr 1 S 3, juris RdNr 13).
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Keine Bedeutung hat für die Frage der (Nicht-)Erbringung der Sozialleistung, dass vorläufig bewilligte Leistungen ein aliud gegenüber abschließend bewilligten Leistungen bilden. Die Eigenschaft als aliud bezieht sich auf die Frage der Bindungswirkung für die endgültige Leistung (vgl BSG vom 29.4.2015 - B 14 AS 31/14 R - SozR 4-4200 § 40 Nr 9 RdNr 22 f; BSG vom 12.9.2018 - B 4 AS 39/17 R - BSGE 126, 294 = SozR 4-4200 § 41a Nr 1, RdNr 18; BSG vom 11.7.2019 - B 14 AS 44/18 R - SozR 4-4200 § 41a Nr 2 RdNr 33). Die Bindungswirkung ist für die "Erbringung" ohne Bedeutung. Dass der Art nach im Ausgangspunkt dieselben Leistungen, nämlich zuschussweise zu zahlendes Alg II, Gegenstand der vorläufigen wie der abschließenden Regelung sind, steht außer Zweifel (zu den Auswirkungen einer Zahlung als Zuschuss oder als Darlehen BSG vom 6.3.1991 - 9b RAr 7/90 - BSGE 68, 180, 181 = SozR 3-1300 § 44 Nr 1 S 4, juris RdNr 16; BSG vom 28.2.2003 - B 8 SO 4/12 R - RdNr 11).
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Auch nach der Gesetzessystematik ist nicht ausgeschlossen, dass vorläufige Leistungen im Sinne von § 44 Abs 1 SGB X erbracht worden sind. § 41a SGB II ist keine abschließende Sonderregelung für die Korrektur vorläufiger Verwaltungsakte im SGB II, die §§ 44 ff SGB X verdrängt. Das zeigt schon § 41a Abs 2 Satz 5 SGB II, der - als Rückausnahme zur Anwendbarkeit des § 45 Abs 2 SGB X - dessen grundsätzliche Geltung auch im Bereich der Korrektur vorläufiger Verwaltungsakte voraussetzt. Die Materialien zu § 41a SGB II erwähnen im Zusammenhang mit der Korrektur des vorläufigen Bewilligungsverwaltungsakts während eines laufenden Bewilligungszeitraums ausdrücklich dessen Aufhebung zugunsten Leistungsberechtigter mit Wirkung für die Vergangenheit, um die Bedarfsdeckung sicherstellen zu können (Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Neunten Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Rechtsvereinfachung - BR-Drucks 66/16, S 57).
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Nach der Rechtsprechung des BSG erfasst § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X nach seinem Regelungszweck nicht nur Fallgestaltungen, in denen Leistungsberechtigten ein rechtlicher Nachteil durch das unrechtmäßige Vorenthalten einer Sozialleistung entstanden ist, sondern auch solche, in denen Betroffene - wie vorliegend - zunächst Sozialleistungen erhalten haben, deren Bewilligung jedoch nachträglich aufgehoben worden ist (BSG vom 21.10.2020 - B 13 R 19/19 R - SozR 4-1300 § 45 Nr 25 RdNr 11 mwN; für das SGB II BSG vom 13.2.2014 - B 4 AS 19/13 R - BSGE 115, 121 = SozR 4-1300 § 44 Nr 29, RdNr 14; zum Ursprung dieser Rspr BSG vom 12.12.1996 - 11 RAr 31/96 - SozR 3-1300 § 44 Nr 19 S 34, juris RdNr 16; BVerwG vom 15.11.1990 - 5 C 78.88 - BVerwGE 87, 103, 107, juris RdNr 13; gegen § 44 Abs 2 SGB X schon Kopp, Anm zu BSG vom 16.1.1986 - 4b/9a RV 9/85 - SozR 1300 § 44 Nr 22, SGb 1987, 121).
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Die Rechtsprechung zur entsprechenden Anwendbarkeit von § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X auf Aufhebungs- und Erstattungsbescheide ist auf abschließende Festsetzungsbescheide, die niedrigere Leistungen bewilligen als eine vorangegangene vorläufige Entscheidung, zu übertragen. Die niedrigere abschließende Festsetzung der Leistungsansprüche zieht im Grundsatz zwingend die Pflicht zum Erlass eines Erstattungsbescheids nach sich. Nach der Konzeption des § 41a Abs 3 und Abs 6 SGB II sollen der abschließende Festsetzungsbescheid und die Erstattungsverfügung eine rechtliche Einheit bilden. Abweichende Umsetzungen im Einzelfall führen nicht zum Austausch der Rechtsgrundlage einer Rücknahmeentscheidung. Diese wandelt sich nicht in eine solche nach § 44 Abs 2 SGB X. Daraus folgt auch, dass das Jobcenter kein Ermessen bei der Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit auszuüben hat (§ 44 Abs 2 Satz 2 SGB X).
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Ein solches Verständnis trägt dem Gebot effektiven Rechtsschutzes Rechnung. Der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz aus Art 19 Abs 4 GG hat Vorwirkungen für das Verwaltungsverfahren. Das Verwaltungsverfahren darf nicht darauf angelegt sein, den gerichtlichen Rechtsschutz unzumutbar zu vereiteln oder zu erschweren. Daraus ergeben sich Anforderungen an das Verhalten der verfahrensführenden Behörde im Verwaltungsverfahren: Sie darf Beteiligte nicht über gerichtliche Rechtsschutzmöglichkeiten irreleiten oder spätere Nachprüfungsmöglichkeiten des Gerichts ausschalten (BVerfG vom 8.7.1982 - 2 BvR 1187/80 - BVerfGE 61, 82, 110, juris RdNr 78). Ferner darf Beteiligten, deren Verhalten im Verwaltungsverfahren dazu geführt hat, dass ihnen ein Recht nicht zuerkannt worden ist, nicht die Möglichkeit genommen oder unzumutbar erschwert werden, vor einem Gericht geltend zu machen, ihnen stehe das Recht zu (BVerfG vom 24.4.1985 - 2 BvF 2/83 ua - BVerfGE 69, 49, juris RdNr 107; BSG vom 16.3.2021 - B 2 U 17/19 R - RdNr 30, vorgesehen für SozR 4-1500 § 55 Nr 28 mwN zur Rspr des BVerfG).
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Werden abschließend niedrigere Leistungsansprüche festgesetzt, sind die überzahlten Leistungen auszugleichen, worüber ebenfalls ein Bescheid zu ergehen hat. Der effektive Rechtsschutz wird erschwert, wenn beide Verwaltungsakte gesondert angegriffen werden müssen, weil sie nicht miteinander verbunden, sondern getrennt voneinander erlassen werden. Das gilt erst Recht, wenn der Festsetzungsbescheid keinen Hinweis auf eine anstehende Erstattungsentscheidung enthält, obwohl aufgrund der erstmaligen Anrechnung eines (sonstigen) Einkommens ohne wesentliche Änderung der anderen Parameter der Anspruchsberechnung im Bewilligungszeitraum klar ist, dass Erstattungen zu leisten sein werden. In diesem Fall ist absehbar, dass bei Eintritt der Bestandskraft der abschließenden Festsetzung der Rechtsschutz gegen die die vorläufige Bewilligung insgesamt abwickelnden Entscheidungen nach § 41a Abs 3 und 6 SGB II nicht nur prozessuale Doppelungen erzeugt, sondern auch inhaltlich erschwert wird.
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5. Der Ablauf der Verfallfrist des § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II iVm § 44 Abs 4 Satz 1 SGB X steht der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Bescheide vom 5.4. und 6.7.2017 nicht entgegen.
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Gemäß § 40 Abs 1 Satz 2 SGB II gilt abweichend von § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II die Regelung des § 44 SGB X mit der Maßgabe, dass rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind; ausreichend ist, wenn die Rücknahme innerhalb dieses Zeitraums beantragt wird (Nr 1), anstelle des Zeitraums von vier Jahren nach § 44 Abs 4 Satz 1 SGB X ein Zeitraum von einem Jahr tritt (Nr 2).
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Für die abschließende Festsetzung der Leistungsansprüche in den Bescheiden vom 5.4. und 6.7.2017 greift nicht die verkürzte Ausschlussfrist des § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II iVm § 44 Abs 4 Satz 1 SGB X, sondern die Vierjahresfrist des § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II.
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Nach gefestigter Rechtsprechung des BSG hat die Behörde schon eine Rücknahmeentscheidung nach § 44 Abs 1 SGB X nicht mehr zu treffen, wenn die rechtsverbindliche, grundsätzlich zurückzunehmende Entscheidung ausschließlich Leistungen für Zeiten betrifft, die außerhalb der durch den Rücknahmeantrag bestimmten Verfallfrist liegen (vgl BSG vom 6.3.1991 - 9b RAr 7/90 - BSGE 68, 180, 181 = SozR 3-1300 § 44 Nr 1 S 3, juris RdNr 12; BSG vom 13.2.2014 - B 4 AS 19/13 R - BSGE 115, 121 = SozR 4-1300 § 44 Nr 29, RdNr 16; BSG vom 12.10.2016 - B 4 AS 37/15 R - BSGE 122, 64 = SozR 4-4200 § 40 Nr 10, RdNr 16). Danach steht der Erfolg des Zugunstenantrags auch bei Rechtswidrigkeit des zur Überprüfung gestellten Verwaltungsakts unter dem Vorbehalt, dass Sozialleistungen nach § 44 SGB X noch zu erbringen sind. Dieser Vorbehalt gilt in gleicher Weise bei der Verkürzung der rückwirkenden Leistungserbringung auf einen Zeitraum bis zu einem Jahr nach § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II (BSG vom 12.10.2016 - B 4 AS 37/15 R - BSGE 122, 64 = SozR 4-4200 § 40 Nr 10, RdNr 16). Übertragbar sind diese Überlegungen zur Verfallfrist des § 44 Abs 4 SGB X auch auf die - allein im SGB II geltende - Frist bei einem auf die Rücknahme rechtswidriger, nicht begünstigender Verwaltungsakte nach § 44 Abs 1 und 2 SGB X gerichteten Zugunstenantrag.
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Grundüberlegung für die Beschränkung des § 44 Abs 4 SGB X war, dass laufende Sozialleistungen wegen ihres Unterhaltscharakters nicht für einen längeren Zeitraum nachgezahlt werden sollen (BSG vom 13.2.2014 - B 4 AS 19/13 R - BSGE 115, 121 = SozR 4-1300 § 44 Nr 29, RdNr 20, 21 mwN). Diese Erwägungen greifen in der vorliegenden Fallkonstellation nicht, weil es in Anbetracht der Bedeutung des Begriffs "erbringen" nicht um eine Nachzahlung geht. Vielmehr sind - wenn auch vorläufig geleistete - Zahlungen rückabzuwickeln.
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Diese Auslegung stimmt überein mit der gesetzgeberischen Abgrenzungsentscheidung in § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 gegenüber Nr 2 SGB II. Bei der Einführung des § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II ging es um die Reaktion auf Rechtsprechung des BSG, nach der die Frist des § 44 Abs 4 SGB X auf nicht begünstigende Verwaltungsakte keine Anwendung findet. In den Materialien ist dabei nicht abschließend auf verschiedene belastende Verwaltungsakte Bezug genommen worden, es gehe um "insbesondere (beispielsweise oder u.a.) die Aufhebung, Erstattung und den Ersatz von bereits erbrachten Leistungen" und darum, nicht für 30 Jahre bereits beglichene Forderungen zurückzahlen zu müssen (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zum Entwurf zum Neunten Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Rechtsvereinfachung - BT-Drucks 18/8909, S 33). Diese Formulierungen verdeutlichen die allgemeine Interpretation des SGB II-Gesetzgebers zu § 44 Abs 4 SGB X, nach der Verwaltungsakte nicht erfasst werden, die dem im Verhältnis von Betroffenem und Behörde vorzunehmenden Rückausgleich zuvor geleisteter ("erbrachter") Zahlungen dienen.
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Die geltend gemachte Korrektur der Bescheide des Beklagten für Juli bis Dezember 2016 ist im August 2018 und damit innerhalb der Vierjahresfrist des § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II iVm § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X beantragt.
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Im Rahmen der erforderlichen Entscheidung über den Umfang der Leistungsansprüche der Kläger durch das LSG als Tatsacheninstanz wird weiter aufzuklären sein, ob den Klägern Zahlungen als Darlehen der Tochter nicht zur endgültigen Verwendung zur Verfügung gestanden haben, womit sie kein Einkommen iS von § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II sind (so schon BSG vom 10.2.2010 - B 14 AS 32/08 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 9 RdNr 19; zuletzt BSG vom 8.12.2020 - B 4 AS 30/20 R - BSGE 131, 123 = SozR 4-4200 § 11 Nr 89 RdNr 15 ff).
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Das LSG wird abschließend auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
S. Knickrehm Siefert Neumann
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