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BSG 17.12.2020 - B 10 ÜG 4/20 B
BSG 17.12.2020 - B 10 ÜG 4/20 B - Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Anspruch auf rechtliches Gehör - mündliche Verhandlung - gewünschte Vertretung durch Rechtsanwalt - Prozesskostenhilfe - Bewilligung und Rechtsanwaltsbeiordnung in mündlicher Verhandlung - Abwesenheit des Rechtsanwalts - Befangenheitsantrag - gesamter Senat - Selbstentscheidung - Recht auf ein faires Verfahren - Rücksichtnahme auf konkrete Prozesssituation
Normen
§ 60 Abs 1 SGG, § 62 SGG, § 73 Abs 2 S 1 SGG, § 73a Abs 1 S 1 SGG, § 124 Abs 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 5 SGG, § 202 S 1 SGG, § 45 Abs 1 ZPO, § 121 Abs 2 ZPO, § 227 Abs 1 ZPO, § 227 Abs 4 S 1 Halbs 2 ZPO, § 547 Nr 1 ZPO, Art 2 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 GG, Art 20 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 28 Abs 1 S 1 GG, Art 101 Abs 1 S 2 GG, Art 103 Abs 1 GG
Vorinstanz
vorgehend Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, 24. Januar 2020, Az: L 12 SF 48/17 EK, Urteil
Leitsatz
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1. Es verletzt das rechtliche Gehör eines Beteiligten, wenn das Gericht ihm erst in der mündlichen Verhandlung Prozesskostenhilfe bewilligt und seinen abwesenden Rechtsanwalt beiordnet, ohne die gewünschte Vertretung durch den Anwalt zu ermöglichen.
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2. Über einen Befangenheitsantrag gegen den gesamten Spruchkörper darf dieser nicht selbst entscheiden, wenn der Antrag sich individuell auf alle Richter bezieht, nicht jeder Substanz entbehrt oder verfahrensfremden Zwecken dient.
Tenor
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Der Klägerin wird für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 24. Januar 2020 Prozesskostenhilfe gewährt und Rechtsanwalt K., P., beigeordnet.
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Auf die Beschwerde der Klägerin wird das vorbezeichnete Urteil aufgehoben.
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Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
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Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 800 Euro festgesetzt.
Gründe
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I. Die Klägerin begehrt in der Hauptsache eine Entschädigung wegen der Dauer eines Berufungsverfahrens (Ausgangsverfahren) über Grundsicherungsleistungen vor dem Schleswig-Holsteinischen LSG (Az L 6 AS 210/13).
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Im Ausgangsverfahren beanspruchte die Klägerin Geldleistungen für ihren Umzug von F. (Brandenburg) nach R. (Schleswig-Holstein), für die Einlagerung ihrer Möbel und im Wege des Überprüfungsverfahrens höhere Zahlungen für Unterkunft und Heizung.
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Das Klageverfahren begann am 28.2.2008 und endete nach mehr als fünfeinhalb Jahren mit teilweise stattgebendem Gerichtsbescheid vom 21.11.2013. Das von der Klägerin angestrengte Berufungsverfahren dauerte vom 18.12.2013 (Berufungseinlegung) bis zum 14.12.2016 (Zustellung des Berufungsurteils).
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Die Klägerin hat am 14.6.2017 durch ihren Rechtsanwalt beim LSG als Entschädigungsgericht Entschädigungsklage erhoben, die sie auf die aus ihrer Sicht unangemessene Dauer des Berufungsverfahrens stützt. Nach dem Austausch diverser Schriftsätze durch die Beteiligten hat das Entschädigungsgericht mit Beschluss vom 3.1.2019 die von der Klägerin beantragte Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) abgelehnt.
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Unter dem 10.12.2019 hat das Entschädigungsgericht die Klägerin persönlich sowie ihren Rechtsanwalt geladen und darauf hingewiesen, dass bei Nichterscheinen eine Entscheidung nach Aktenlage ergehen könne. Eine Reaktion ihres anwaltlichen Prozessbevollmächtigten gegenüber dem Gericht erfolgte nicht.
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Zur mündlichen Verhandlung am 24.1.2020 ist die Klägerin lediglich in Begleitung ihres ebenfalls bevollmächtigten Ehemanns erschienen. In der mit Unterbrechungen rund dreieinhalbstündigen mündlichen Verhandlung hat das Entschädigungsgericht der Klägerin auf ihren erneuten Antrag nunmehr PKH bewilligt und ihren anwaltlichen Prozessbevollmächtigten aus P. beigeordnet. Auf den daraufhin wiederholt gestellten Vertagungsantrag der Klägerin mit dem Ziel, ihrem Rechtsanwalt in einem neu anzuberaumenden Termin ihre Vertretung vor Gericht zu ermöglichen, hat die Senatsvorsitzende allein mit dem mündlichen Hinweis reagiert, der Rechtsanwalt sei zum Termin geladen, jedoch nicht erschienen und habe sich auch nicht entschuldigt.
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Drei daraufhin gestellte Befangenheitsgesuche der Klägerin gegen den gesamten Senat und gegen die Senatsvorsitzende hat der entscheidende Senat als unzulässig verworfen bzw - in der Besetzung mit einem anderen Vorsitzenden - als unbegründet zurückgewiesen. Am Ende der mündlichen Verhandlung hat der Ehemann der Klägerin als Prozessbevollmächtigter beantragt, den Beklagten zur Gewährung von Entschädigung in Höhe von 1300 Euro nebst Zinsen wegen der unangemessenen Dauer des Berufungsverfahrens zu verurteilen.
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Mit Urteil vom 24.1.2020 hat das Entschädigungsgericht eine überlange Verfahrensdauer des Ausgangsverfahrens von fünf Monaten festgestellt und der Klägerin dafür eine Entschädigung in Höhe von 500 Euro nebst Zinsen zugesprochen. Die weitergehende Entschädigungsklage hat es abgewiesen.
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Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde, für die sie gleichzeitig PKH beantragt hat, rügt die Klägerin die Verletzung ihrer Prozessgrundrechte auf ein faires Verfahren, auf rechtliches Gehör und auf den gesetzlichen Richter.
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II. 1. Die zulässige Beschwerde der Klägerin ist begründet. Das Entschädigungsgericht hat es verfahrensfehlerhaft versäumt, die mündliche Verhandlung auf den Antrag der Klägerin zu vertagen, um ihr eine Vertretung durch ihren Rechtsanwalt zu ermöglichen. Dadurch hat es den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör und auf ein faires Verfahren verletzt (dazu unter a). Durch die Selbstentscheidung der abgelehnten Richter über den ersten Befangenheitsantrag der Klägerin hat das Entschädigungsgericht zugleich Tragweite und Bedeutung des Rechts auf den gesetzlichen Richter aus Art 101 Abs 1 Satz 2 GG verkannt (dazu unter b).
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a) Das Gericht hat den Beteiligten vor jeder Entscheidung rechtliches Gehör zu gewähren (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG). Ergeht die Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung, so berechtigt der Mündlichkeitsgrundsatz aus § 124 Abs 1 SGG die Beteiligten, an der mündlichen Verhandlung als Kernstück des sozialgerichtlichen Verfahrens teilzunehmen und mit ihren Ausführungen gehört zu werden (BSG Beschluss vom 11.2.2015 - B 13 R 329/13 B - juris RdNr 9 mwN). Dieser Anspruch auf rechtliches Gehör in der mündlichen Verhandlung umfasst das Recht auf Aufhebung oder Verlegung eines anberaumten Termins sowie auf Vertagung eines bereits begonnenen Termins aus erheblichen Gründen (§ 227 Abs 1 ZPO iVm § 202 Satz 1 SGG). Ein Gericht verletzt daher auch dann den Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn es weiter verhandelt und entscheidet, obwohl ein Beteiligter aus erheblichen Gründen Vertagung beantragt hat.
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Ein solcher erheblicher Vertagungsgrund kann außer in der Person der Beteiligten auch in der Person ihrer anwaltlichen Prozessbevollmächtigten bestehen. Denn § 73 Abs 2 Satz 1 SGG garantiert das Recht, sich im Sozialgerichtsprozess rechtliches Gehör durch einen Rechtsanwalt zu verschaffen. Solche erheblichen Gründe in der Person des Anwalts sind zB seine Verhinderung durch Urlaub oder Krankheit, wenn eine Vertretung unmöglich oder unzumutbar ist, oder eine nicht auflösbare Überschneidung mit einem anderen, zumindest gleichrangigen Gerichtstermin (vgl BSG Beschluss vom 31.10.2005 - B 7a AL 134/05 B - juris RdNr 8 mwN). Diesen Verhinderungsgründen steht es gleich, wenn der Rechtsanwalt eines bedürftigen Beteiligten, dessen PKH-Antrag das Gericht zunächst abgelehnt hat, deshalb einem danach angesetzten Verhandlungstermin aus Kostengründen fernbleibt, das Gericht aber später in der nachfolgenden mündlichen Verhandlung doch noch PKH bewilligt und den Anwalt beiordnet. Denn seine Beiordnung im Wege der PKH soll sicherstellen, dass der bedürftige Beteiligte in der mündlichen Verhandlung beim Rechtsgespräch mit dem Gericht und dem Prozessgegner rechtskundig vertreten wird und sich wirksam rechtliches Gehör verschaffen kann. Dies zielt zugleich auf eine möglichst weitgehende Gleichstellung des unbemittelten mit dem bemittelten Prozessbeteiligten, wie sie der prozessuale Gleichbehandlungsgrundsatz als Ausprägung des Art 3 Abs 1 GG sowie des Rechts- und Sozialstaatsprinzips (Art 20 Abs 3 GG; Art 20 Abs 1, Art 28 Abs 1 Satz 1 GG) verlangt (vgl Senatsurteil vom 7.9.2017 - B 10 ÜG 1/17 R - SozR 4-1710 Art 23 Nr 5 RdNr 24 mwN). Ohne Vertagung verfehlt die Beiordnung eines ortsabwesenden Rechtsanwalts erst in der mündlichen Verhandlung in dieser Hinsicht ihren Zweck.
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Anders als das Entschädigungsgericht meint, spielt es dabei keine Rolle, dass der Rechtsanwalt der Klägerin auf seine Ladung zur mündlichen Verhandlung nicht geantwortet hat und der Verhandlung ferngeblieben ist. Ein Verschuldensvorwurf trifft ihn deshalb nicht; sein legitimes Motiv lag auf der Hand. Es ging ihm darum, zusätzliche, streitwertabhängige Kosten durch die Terminwahrnehmung zu vermeiden. Das Entschädigungsgericht konnte vom Rechtsanwalt der Klägerin nicht erwarten, auf eigenes Kostenrisiko zum Verhandlungstermin anzureisen (vgl BVerwG Beschluss vom 9.6.2008 - 5 B 204.07 - juris RdNr 9; OVG Lüneburg Beschluss vom 3.9.2020 - 10 LA 144/20 - juris RdNr 25). Hierauf musste er das Gericht auch nicht ausdrücklich hinweisen.
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Sobald das Gericht der Klägerin in der mündlichen Verhandlung doch noch PKH bewilligt hatte, war das Kostenrisiko und damit der nachvollziehbare und offenkundige Grund für dessen Fernbleiben entfallen. Durch die Beiordnung hatte das Entschädigungsgericht gleichzeitig zu erkennen gegeben, dass es eine anwaltliche Vertretung der Klägerin iS von § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 2 ZPO für erforderlich hielt. Wie es zudem durch die unmissverständlichen Anträge und Erklärungen des Ehemanns der Klägerin in der mündlichen Verhandlung erkennen musste, bestand diese auf einer Vertretung durch ihren nunmehr beigeordneten Rechtsanwalt. In dieser entscheidend geänderten prozessualen Situation hätte das Entschädigungsgericht die Sache vertagen müssen, um der Klägerin zur Wahrung ihres rechtlichen Gehörs eine Vertretung durch den nunmehr beigeordneten Rechtsanwalt in einem späteren Termin zu ermöglichen.
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Der Vertagungsantrag der Klägerin war schließlich nicht, wie das angefochtene Urteil annimmt, durch ihren am Schluss der mündlichen Verhandlung gestellten Sachantrag überholt. Das folgt aus einer normativen Betrachtung im Licht effektiven Rechtsschutzes und des Rechts auf ein faires Verfahren (Art 2 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 GG). Das Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren gebietet dem Gericht, auf die Beteiligten in der konkreten Prozesssituation Rücksicht zu nehmen (BSG Beschluss vom 20.11.2019 - B 1 KR 39/19 B - juris RdNr 6 mwN); zugleich verbietet es widersprüchliches Verhalten. Daher darf das Gericht aus eigenen Versäumnissen und Verfahrensfehlern keine Nachteile für die Beteiligten ableiten (BVerfG Beschluss vom 4.5.2004 - 1 BvR 1892/03 - SozR 4-1500 § 67 Nr 2 RdNr 10 mwN).
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Die in der mündlichen Verhandlung nicht rechtskundig vertretene Klägerin hatte in deren Verlauf mehrfach ausdrücklich, insbesondere auch durch ihre wiederholten Befangenheitsgesuche, auf einem Erscheinen ihres Rechtsanwalts beharrt. Deshalb hatte sie die Vertagung verlangt. Ihr erst am Vortag der mündlichen Verhandlung schriftlich bevollmächtigter Ehemann hatte anfänglich ausdrücklich erklärt, er habe ein "Grundvertrauen" in den entscheidenden Senat; er halte den Richtern persönlich keine Befangenheitsgründe vor. Seine später trotzdem angebrachten Befangenheitsgesuche hat er ausdrücklich damit begründet, der Klägerin werde "die Konsultation mit ihrem Rechtsanwalt verweigert". Diese Gesuche dienten daher ersichtlich dazu, doch noch die gewünschte Vertagung und dadurch eine anwaltliche Vertretung in der mündlichen Verhandlung zu erreichen. In dieser Situation verletzt das Gericht das Recht auf ein faires Verfahren, wenn es trotz des Drängens eines rechtsunkundigen Beteiligten, welcher der prozessualen Lage kaum gewachsen scheint, dessen begründeten Vertagungsantrag übergeht und nach kontrovers geführter mündlicher Verhandlung einen Sachantrag letztlich erzwingt, um später mit Hinweis auf diesen Antrag den vorher gestellten Vertagungsantrag als prozessual überholt zu behandeln.
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Indem das Entschädigungsgericht ohne Vertagung durchentschieden und damit die Vertretung durch den beigeordneten Rechtsanwalt in der mündlichen Verhandlung verhindert hat, hat es den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör und auf ein faires Verfahren ebenso verletzt wie auf prozessuale Gleichbehandlung mit bemittelten Klägern (BSG Urteil vom 25.3.2003 - B 7 AL 76/02 R - juris RdNr 20 f; BGH Beschluss vom 12.7.2016 - VIII ZB 25/15 - juris RdNr 21; BFH Beschluss vom 27.11.1997 - VII R 15/97 - juris RdNr 6; vgl LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 29.8.2011 - L 6 AS 150/11 NZB - juris RdNr 13; Bayerischer VGH Beschluss vom 15.3.2018 - 10 ZB 18.354 - juris RdNr 4).
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Es bedarf keiner näheren Prüfung, ob die angefochtene Entscheidung auf dieser Gehörsverletzung beruhen kann. Obwohl die Verletzung des rechtlichen Gehörs im sozialgerichtlichen Verfahren nicht als absoluter Revisionsgrund geregelt ist (vgl § 547 ZPO iVm § 202 Satz 1 SGG), ist doch wegen der Bedeutung der mündlichen Verhandlung im Allgemeinen davon auszugehen, dass eine Gehörsverletzung, die einen Verfahrensbeteiligten daran gehindert hat, an einer mündlichen Verhandlung teilzunehmen, die daraufhin ergangene Gerichtsentscheidung insgesamt beeinflusst hat (BSG Beschluss vom 6.10.2010 - B 12 KR 58/09 B - juris RdNr 10 mwN). Für die prozessordnungswidrig verhinderte Teilnahme des beigeordneten Prozessbevollmächtigten kann jedenfalls dann nichts anderes gelten, wenn, wie hier, in der mündlichen Verhandlung komplexe Tat- und Rechtsfragen des Entschädigungsrechts wegen überlanger Gerichtsverfahren zur abschließenden Erörterung und Entscheidung stehen. Dies gilt umso mehr, wenn das Entschädigungsgericht darüber erstmals in voller Besetzung mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.
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b) Das Entschädigungsgericht hat außerdem Tragweite und Bedeutung des Rechts auf den gesetzlichen Richter nach Art 101 Abs 1 Satz 2 GG verkannt, weil die abgelehnten Richter selbst über den ersten Befangenheitsantrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung entschieden haben. Denn dieser Antrag war weder rechtsmissbräuchlich noch offensichtlich unzulässig, weshalb darüber nicht ausnahmsweise entgegen § 60 Abs 1 SGG iVm § 45 Abs 1 ZPO die abgelehnten Richter entscheiden durften (vgl BSG Beschluss vom 16.12.2015 - B 14 AS 191/15 B - juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 25.10.2012 - B 9 V 17/12 B - juris RdNr 15 mwN). Durch die unzulässige Selbstentscheidung war das Entschädigungsgericht bei seiner abschließenden Entscheidung nicht vorschriftsmäßig besetzt.
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Nach § 60 Abs 1 SGG iVm § 45 Abs 1 ZPO entscheidet über das Ablehnungsgesuch das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung. Die Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes und des BVerfG erkennt indes zur Verfahrensbeschleunigung und Missbrauchsabwehr eine ungeschriebene Ausnahme von dieser Regel an. Danach kann das Gericht über rechtsmissbräuchliche oder gänzlich untaugliche Ablehnungsgesuche ausnahmsweise in geschäftsplanmäßiger Besetzung unter Beteiligung der abgelehnten Richter entscheiden. Dies setzt voraus, dass das Gericht einen offensichtlichen Missbrauch des Ablehnungsrechts für sachfremde Zwecke verhindern will oder lediglich eine bloße Formalentscheidung über ein offensichtlich unzulässiges Gesuch trifft, die keinerlei Beurteilung des eigenen Verhaltens durch die entscheidenden Richter und kein Eingehen auf den Verfahrensgegenstand erfordert (BSG Beschluss vom 31.8.2015 - B 9 V 26/15 B - juris RdNr 16 mwN). Diese Voraussetzungen sind im Lichte des grundgesetzlich verbürgten Anspruchs auf den gesetzlichen Richter (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG) streng und vorsichtig zu handhaben (BSG Beschluss vom 21.12.2017 - B 14 AS 4/17 B - juris RdNr 9 mwN).
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Lehnt daher ein Beteiligter pauschal den gesamten Spruchkörper ab, ohne konkrete Anhaltspunkte für eine Befangenheit der abgelehnten Richter vorzutragen, dürfen diese ausnahmsweise abweichend von § 45 Abs 1 ZPO selbst über das Befangenheitsgesuch entscheiden (stRspr; zB BSG Beschluss vom 19.1.2010 - B 11 AL 13/09 C - SozR 4-1500 § 60 Nr 7 RdNr 11). Wie das Entschädigungsgericht indes übersieht, überschreitet es die engen Grenzen der richterrechtlich anerkannten Befugnis zur Selbstentscheidung über ein Befangenheitsgesuch, wenn damit ausdrücklich ein konkretes prozessuales Handeln oder Unterlassen aller für befangen erklärten Richter im Spruchkörper beanstandet wird. Eine auf greifbare Verfahrensfehler gestützte Richterablehnung ist in der Regel nicht rechtsmissbräuchlich (OLG Frankfurt Beschluss vom 25.11.1992 - 3 WF 128/92 - FamRZ 1993, 1467, 1468). Es gibt keinen Grund, die Entscheidung eines Spruchkörpers insoweit gegenüber derjenigen eines einzelnen Richters zu privilegieren.
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Auch die vom Entschädigungsgericht als Beleg für seine Befugnis zur Selbstentscheidung zitierte Literaturstelle (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 60 RdNr 10b) hält eine Ablehnung des gesamten Spruchkörpers für möglich, wenn der Beteiligte Befangenheitsgründe vorträgt, die sich individuell auf alle Richter des Spruchkörpers beziehen und derentwegen das Befangenheitsgesuch nicht völlig ungeeignet ist. Bei einer Prozessmaßnahme des gesamten Spruchkörpers kann vom Beteiligten in dieser Hinsicht aber nicht mehr verlangt werden, als das gemeinsame prozessuale Handeln oder Unterlassen aller beteiligten Richter als Spruchkörper aufzuzeigen, das nach seiner Ansicht Verfahrensrecht verletzt.
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Danach durfte das Entschädigungsgericht hier über den ersten Befangenheitsantrag der Klägerin gegen den gesamten LSG-Senat in der mündlichen Verhandlung nicht selbst entscheiden. Die Klägerin hatte zuvor erfolglos einen - begründeten - Vertagungsantrag gestellt. Zur Entscheidung über die Vertagung war nach § 202 Satz 1 SGG iVm § 227 Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO der gesamte Senat des LSG zuständig, der ihren Antrag indes übergangen hatte. Das daraufhin angebrachte Befangenheitsgesuch der Klägerin entbehrte damit weder jeder inhaltlichen Substanz, noch diente es verfahrensfremden Zwecken. Vielmehr wollte die Klägerin damit ersichtlich eine rechtskundige Vertretung durch ihren Rechtsanwalt in der mündlichen Verhandlung erreichen, um sich wirksam rechtliches Gehör zu verschaffen. Die Richter des Entschädigungsgerichts konnten daher das Gesuch nicht ordnungsgemäß ablehnen, ohne ihre zugrunde liegende Behandlung des Vertagungsantrags zu bewerten. In dieser Konstellation haben sich die Richter des Entschädigungsgerichts durch ihre Selbstentscheidung entgegen § 60 Abs 1 SGG iVm § 45 Abs 1 ZPO zu Richtern in eigener Sache gemacht; dadurch haben sie Tragweite und Bedeutung des Rechts der Klägerin auf den gesetzlichen Richter verkannt.
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Dahinstehen kann, ob dem Befangenheitsantrag auch in der Sache stattzugeben gewesen wäre. Dagegen spricht, dass schlichte Fehler von Richtern bei der Rechtsanwendung regelmäßig nur dann eine Besorgnis der Befangenheit begründen, wenn weitere Umstände hinzutreten, die auf sachfremde Motive für das fehlerhafte Handeln schließen lassen (BSG Beschluss vom 31.8.2015 - B 9 V 26/15 B - juris RdNr 15 mwN).
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Ausführungen zum Beruhen der angefochtenen Entscheidung auf diesem Gesetzesverstoß bedarf es nicht. Nach § 547 Nr 1 ZPO iVm § 202 Satz 1 SGG ist eine Entscheidung stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen, wenn das erkennende Gericht, wie im Fall der unzulässigen Selbstentscheidung über einen Befangenheitsantrag, nicht vorschriftsmäßig besetzt war.
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Wegen der beiden dargelegten Verfahrensfehler (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) hebt der Senat das angefochtene Urteil nach § 160a Abs 5 SGG auf und verweist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Entschädigungsgericht zurück.
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2. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt dem Entschädigungsgericht vorbehalten.
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3. Die auch im Fall der Zurückverweisung erforderliche Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren (Senatsurteil vom 12.2.2015 - B 10 ÜG 1/13 R - BSGE 118, 91 = SozR 4-1720 § 198 Nr 7 <insoweit nicht abgedruckt>, juris RdNr 45 mwN) beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 47 Abs 1 Satz 1 und Abs 3, § 52 Abs 3 Satz 1, § 63 Abs 2 Satz 1 GKG. Der Streitwert ergibt sich aus der Differenz zwischen der zuletzt von der Klägerin beantragten Entschädigung von 1300 Euro und der vom Entschädigungsgericht zugesprochenen Entschädigung von lediglich 500 Euro.
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4. Der Klägerin war nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO PKH für das Beschwerdeverfahren zu gewähren, weil die von ihr beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg aufwies, nicht mutwillig erschien und sie die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von PKH glaubhaft gemacht hatte.
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