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BSG 14.05.2020 - B 14 AS 161/18 B
BSG 14.05.2020 - B 14 AS 161/18 B - (Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Zurückweisung der Berufung durch Beschluss nach § 153 Abs 4 S 1 SGG - neuer Bescheid nach Berufungseinlegung - nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts - absoluter Revisionsgrund)
Normen
§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 153 Abs 4 S 1 SGG, § 153 Abs 1 SGG, § 96 Abs 1 SGG, § 33 Abs 1 S 1 SGG, § 33 Abs 1 S 2 SGG, § 12 Abs 1 S 2 SGG, § 202 S 1 SGG, § 547 Nr 1 ZPO
Vorinstanz
vorgehend SG Altenburg, 19. November 2014, Az: S 23 AS 877/13, Urteil
vorgehend Thüringer Landessozialgericht, 16. Mai 2018, Az: L 7 AS 32/15, Beschluss
Tenor
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Der Klägerin zu 1 wird Wiedereinsetzung in die Fristen zur Einlegung und zur Begründung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Thüringer Landessozialgerichts vom 16. Mai 2018 - L 7 AS 32/15 - gewährt.
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Auf die Beschwerde der Klägerin zu 1 wird der Beschluss des Thüringer Landessozialgerichts vom 16. Mai 2018 - L 7 AS 32/15 - aufgehoben, soweit das Landessozialgericht ihre Klage gegen "den Bescheid" des Beklagten vom 20. April 2017 abgewiesen hat.
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Die Sache wird insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
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I. Umstritten sind weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II für Dezember 2012 bis Mai 2013 unter Berücksichtigung einer halbjährlichen Tilgungsrate von 958,67 Euro aus einem Renovierungskredit für das von den Klägerin zu 1 - im Folgenden Klägerin - und den weiteren drei Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft - den Klägern zu 2 bis 4 - in diesem Zeitraum bewohnte Einfamilienhaus. Das SG hat das beklagte Jobcenter verurteilt, den Klägern unter Änderung der bis dahin vorläufig ergangenen Leistungsbewilligungen weitere Leistungen wegen einer Heizöllieferung zu gewähren und die Klagen im Übrigen abgewiesen (Urteil vom 19.11.2014). Das LSG hat über die vom Beklagten während des Berufungsverfahrens getroffene abschließende Entscheidung (Bescheide vom 20.4.2017) auf Klage entschieden und diese nach § 153 Abs 4 SGG abgewiesen (Beschluss vom 16.5.2018). Dem voraus ging ein Termin zur mündlichen Verhandlung, in dem die Klägerin - der das Merkzeichen Gl zuerkannt ist - nach Aufruf der Sache wegen Gehörlosigkeit die Ladung eines Schriftdolmetschers beantragte und einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht zustimmte. Im Anschluss wies die Senatsvorsitzende auf die beabsichtigte Entscheidung durch Beschluss hin und hob den Termin auf.
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Dagegen wendet sich (nur) die Klägerin mit ihrer auf Verfahrensrügen gestützten Nichtzulassungsbeschwerde.
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II. Der Klägerin ist Wiedereinsetzung in die Beschwerde- und Beschwerdebegründungsfrist zu gewähren (vgl § 67 SGG) wegen der fristgerechten Stellung eines PKH-Antrags durch sie und der fristgerechten Beschwerdeeinlegung und -begründung ihrer Prozessbevollmächtigten nach der Bewilligung der PKH durch den Senat.
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG ist zulässig und im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 160a Abs 5 iVm § 160 Abs 2 Nr 3 SGG); zutreffend rügt sie jedenfalls, dass die Voraussetzungen für eine Entscheidung im vereinfachten Beschlussverfahren nach § 153 Abs 4 SGG nicht vorlagen.
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Hiernach kann das LSG, außer in den Fällen des Gerichtsbescheids nach § 105 Abs 2 Satz 1 SGG, die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Daran fehlt es, wenn während des Berufungsverfahrens ein Verwaltungsakt erlassen wird, der den mit dem Rechtsmittel bereits angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt iS von § 96 Abs 1 iVm § 153 Abs 1 SGG, und das Berufungsgericht daher erstinstanzlich auf Klage und nicht zweitinstanzlich auf Berufung zu befinden hat. In dieser Lage kann das LSG schon dem Wortlaut nach nicht "die Berufung durch Beschluss zurückweisen" und es fehlt nach Sinn und Zweck als Rechtfertigung für das vereinfachte Verfahren unter Verzicht auf eine weitere mündliche Verhandlung, dass über die streitbefangenen Bescheide jedenfalls erstinstanzlich mündlich verhandelt worden ist (stRspr; vgl letztens nur BSG vom 8.10.2019 - B 12 KR 8/19 R - vorgesehen für BSGE und SozR 4, RdNr 13 ff mwN). So liegt es mit Erlass der die vorläufige Bewilligung ersetzenden abschließenden Bescheide des Beklagten vom 20.4.2017 während des Berufungsverfahrens auch hier (vgl zum Verhältnis von vorläufiger und abschließender Leistungsbewilligung nach dem SGB II nur BSG vom 5.7.2017 - B 14 AS 36/16 R - SozR 4-1500 § 86 Nr 3 RdNr 15 ff mwN), ohne dass es darauf ankommt, ob sie nur die Entscheidung des SG nachvollziehen oder nicht (vgl nur BSG vom 8.10.2019 RdNr 15, aaO).
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An einer - wie hier notwendigen - Entscheidung des LSG durch Urteil haben neben den Berufsrichtern zwei ehrenamtliche Richter mitzuwirken (§ 33 Abs 1 Satz 1 SGG). Das Berufungsgericht hat hier durch Beschluss allein der Berufsrichter entschieden und war deshalb bei seinem Beschluss nicht vorschriftsmäßig besetzt, was zum Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes (§ 547 Nr 1 ZPO iVm § 202 Satz 1 SGG) führt, bei dem eine Entscheidung stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen ist (vgl letztens BSG vom 30.10.2019 - B 14 AS 329/18 B - juris RdNr 5 mwN). Dieser die angefochtene Entscheidung des LSG insgesamt betreffende absolute Revisionsgrund führt zur Aufhebung und Zurückverweisung (§ 160a Abs 5 SGG).
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Die weiteren Rügen zur Entscheidung über ein Befangenheitsgesuch der Klägerin unter Mitwirkung der abgelehnten Richter und zur Aufhebung des Verhandlungstermins nach Aufruf der Sache durch die Senatsvorsitzende können angesichts dessen dahinstehen.
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Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Entscheidung des LSG vorbehalten.
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