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BSG 12.09.2019 - B 9 V 4/18 R
BSG 12.09.2019 - B 9 V 4/18 R - (Soziales Entschädigungsrecht - zwangsweise Umsiedlung von Russlanddeutschen in eine Sondersiedlung im Zweiten Weltkrieg - sowjetische Kommandanturaufsicht - Geburt in der Internierung - Aufhebung der Kommandanturaufsicht - spätere Wohnortbeschränkung in der Sowjetunion - Anschlussgewahrsam - Atomwaffen-Tests in der Nähe des Wohnorts - atomare Strahlung - internierungseigentümliche Verhältnisse - fremdstaatlicher Entschädigungsanspruch nach § 7 Abs 2 BVG - Ermittlung der konkreten Strahlenkontamination am Internierungsort - sozialgerichtliches Verfahren - Revisibilität von ausländischem Recht - Überprüfung bei Aufklärungsrüge - Zurückverweisung)
Normen
§ 1 Abs 1 BVG, § 1 Abs 2 Buchst c BVG, § 7 Abs 2 BVG, § 30 BVG, § 31 BVG, § 4 Abs 1 HHG, § 10 Abs 4 S 1 HHG, § 10 Abs 7 S 1 HHG, § 103 SGG, § 163 SGG, § 170 Abs 2 S 2 SGG
Vorinstanz
vorgehend SG Hannover, 25. Mai 2016, Az: S 18 VE 25/13, Urteil
vorgehend Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, 29. August 2018, Az: L 10 VE 40/16, Urteil
Leitsatz
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1. Eine Beschädigtenrente wegen internierungseigentümlicher Strahlenkontamination wird nicht durch einen Entschädigungsanspruch nach kasachischem Recht wegen Strahlenschäden nach Atomwaffentests ausgeschlossen.
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2. Kasachisches Recht über die Klassifizierung strahlenbelasteter Territorien in der Nähe eines Atomwaffentestgeländes entbindet das Tatsachengericht nicht von der Ermittlung der konkreten Strahlenkontamination am Internierungsort.
Tenor
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Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 29. August 2018 aufgehoben.
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Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt eine Beschädigtenrente nach dem Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz - BVG).
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Der Kläger wurde 1954 im kasachischen Ort L., ca 55 km entfernt von der Stadt Pawlodar gelegen, als Kind deutscher Eltern geboren. Seine Familie lebte dort nach der als Folge des Ausbruchs des Deutsch-Sowjetischen Krieges erfolgten Deportation seines Vaters aus Georgien im Jahr 1941 unter sowjetischer Kommandanturaufsicht. Nach deren Aufhebung zog die Familie im August 1957 zu Verwandten nach Semipalatinsk, Kasachstan, wo der Kläger bis Juni 1976 lebte.
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Auf einem rund 200 km von Pawlodar und ca 150 km von Semipalatinsk entfernt gelegenen Gebiet befand sich das Atomwaffentestgelände der Sowjetunion, die dort zwischen 1949 und 1989 überwiegend zu militärischen Zwecken nukleare Bombentests durchführte.
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Im Jahr 1991 übersiedelte der Kläger in die Bundesrepublik Deutschland. Er ist als Spätaussiedler anerkannt.
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Im Jahr 2011 wurde bei dem Kläger ein Plasmozytom diagnostiziert. Ihm wurde ab Februar 2012 ein Grad der Behinderung von 90 und das Merkzeichen G zuerkannt. Seit März 2012 bezieht der Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die Republik Kasachstan bescheinigte ihm mit Datum vom 2.8.2012 auf der Grundlage eines Gesetzes vom 18.12.1992 "Über den sozialen Schutz der Bürger, die in Folge der Atomversuche auf dem Semipalatinsker Atomwaffenversuchsgelände geschädigt wurden" ein "Recht auf Vergünstigungen". Leistungen hieraus erhält der Kläger nicht.
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Am 20.8.2012 beantragte der Kläger wegen des Plasmozytoms Beschädigtenversorgung nach dem BVG. Aufgrund der Strahlenbelastung durch die sowjetischen Atomwaffentests sei er gesundheitlich geschädigt worden. Das beklagte Land lehnte den Antrag mangels eines versorgungsrechtlich geschützten Tatbestands ab (Bescheid vom 17.9.2012; Widerspruchsbescheid vom 27.6.2013).
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Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 25.5.2016). Die Berufung des Klägers hat das LSG zurückgewiesen (Urteil vom 29.8.2018). Der Kläger habe keinen Anspruch auf Beschädigtenversorgung nach dem BVG. Der Kläger sei zwar in seinem Geburtsort L. interniert gewesen, weil er dort mit seinen Eltern unter sowjetischer Kommandanturaufsicht gestanden habe. Ob die Internierung in Semipalatinsk fortbestanden habe, könne aber dahingestellt bleiben. Denn ein Versorgungsanspruch komme bereits deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger keine gesundheitliche Schädigung "durch eine Internierung" erlitten habe. Von der ionisierenden Strahlung durch die Atomwaffentests sei die gesamte im Gebiet Semipalatinsk ansässige Bevölkerung betroffen gewesen. L. wiederum sei - anders als Semipalatinsk - in dem Gesetz der Republik Kasachstan vom 18.12.1992 nicht als Ort mit Strahlenrisiko für die Bewohner aufgeführt. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Beschädigtenversorgung nach dem Häftlingshilfegesetz (HHG). Insoweit fehle es bereits an einer Bescheinigung nach § 10 Abs 4 HHG.
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Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 1 Abs 1 iVm Abs 2 Buchst c BVG. Der Senat habe mit Urteil vom 27.9.2018 (B 9 V 2/17 R) entschieden, dass zu den internierungseigentümlichen Verhältnissen auch die in der Nähe des Internierungsorts durch Atomwaffenversuche verursachte Strahlungskontamination zähle. Soweit das LSG unter Berufung auf das Gesetz der Republik Kasachstan vom 18.12.1992 festgestellt habe, dass er in L. keiner radioaktiven Strahlung ausgesetzt gewesen sei, sei dies unzutreffend und unzureichend. Vielmehr hätte das Berufungsgericht im Rahmen seiner Sachaufklärungspflicht eigene Feststellungen zu Art und Ausmaß der Strahlenbelastung in L. treffen müssen. Überdies habe entgegen der Ansicht des LSG die Internierung in Semipalatinsk durch die Rückkehrverhinderung nach Deutschland fortbestanden. Deshalb sei die atomwaffentestbedingte Strahlungseinwirkung auch während dieser Zeit als schädigendes Ereignis anzusehen.
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Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 29. August 2018 und des Sozialgerichts Hannover vom 25. Mai 2016 sowie den Bescheid des Beklagten vom 17. September 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Juni 2013 aufzuheben und dem Kläger wegen seiner Krebserkrankung als Folge einer Strahlenschädigung in L./Kasachstan und Semipalatinsk/Kasachstan ab 1. August 2012 eine Beschädigtenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers ist zulässig und im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Die bisherigen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ermöglichen dem Senat keine abschließende Entscheidung, ob der Kläger Anspruch auf Versorgung nach dem BVG hat.
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A. Den Streitgegenstand bildet der vom Kläger allein geltend gemachte Anspruch auf Beschädigtenrente nach dem BVG (vgl § 123 SGG), den das beklagte Land mit Bescheid vom 17.9.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.6.2013 (§ 95 SGG) und die Vorinstanzen in den angefochtenen Urteilen verneint haben.
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B. Als Anspruchsgrundlage für das vom Kläger verfolgte Rentenbegehren nach dem BVG kommt lediglich § 1 Abs 1 iVm Abs 2 Buchst c iVm §§ 30, 31 BVG idF des Gesetzes zur Änderung des BVG und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts vom 13.12.2007 (BGBl I 2904) in Betracht. Nach § 1 Abs 1 iVm Abs 2 Buchst c BVG erhält auf Antrag Versorgung, wer durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Einer Schädigung iS des Abs 1 steht eine Schädigung gleich, die durch eine Internierung im Ausland oder in den nicht unter deutscher Verwaltung stehenden deutschen Gebieten wegen deutscher Staatsangehörigkeit oder deutscher Volkszugehörigkeit herbeigeführt worden ist. Ob diese Voraussetzungen im Fall des Klägers vorliegen, kann der Senat aufgrund der bisherigen Tatsachenfeststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden.
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Der Kläger gehört grundsätzlich zu dem geschützten Personenkreis des § 1 Abs 2 Buchst c BVG (dazu unter 1.). Er war zusammen mit seinen Eltern während der Zeit der sowjetischen Kommandanturaufsicht in L. wegen der deutschen Staatsangehörigkeit seiner Eltern kriegsbedingt interniert iS der vorgenannten Norm (dazu unter 2.). Ob der Kläger auch während seines anschließenden Aufenthalts in Semipalatinsk kriegsbedingt interniert iS des § 1 Abs 2 Buchst c BVG war, kann der Senat aufgrund fehlender tatsächlicher Feststellungen des LSG nicht abschließend beurteilen (dazu unter 3.). Zwar liegt nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 27.9.2018 - B 9 V 2/17 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-3100 § 1 Nr 4 vorgesehen) mit einer Strahlenkontamination als Folge der im sowjetischen Atomwaffentestgelände Semipalatinsk durchgeführten Atomwaffenversuche grundsätzlich ein mit der Internierung wesentlich zusammenhängender schädigender Vorgang am Ort der kriegsbedingten Internierung vor (dazu unter 4.). Ob und in welchem Umfang eine solche Strahlenkontamination auch während der Internierung des Klägers in L. vorlag, kann der Senat aufgrund fehlender tatsächlicher Feststellungen des LSG aber nicht prüfen (dazu unter 5.). Sollte sich herausstellen, dass der Kläger auch dort einer atomwaffentestbedingten Strahlenexposition ausgesetzt war, wird das Berufungsgericht weiter zu ermitteln haben, ob diese Strahlungseinwirkung zu einer oder mehreren Gesundheitsschädigungen beim Kläger geführt hat, die eine oder mehrere dauerhafte gesundheitliche Schädigungsfolgen bedingen. Dies gilt entsprechend für den Fall, dass der Kläger auch während seines Aufenthalts in Semipalatinsk noch kriegsbedingt interniert iS des § 1 Abs 2 Buchst c BVG gewesen sein sollte (dazu unter 6.). Einem etwaigen Versorgungsanspruch des Klägers nach dem BVG stehen keine vorrangigen Ansprüche iS des § 7 Abs 2 BVG gegen die Republik Kasachstan entgegen (dazu unter 7.). Nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist ein etwaiger gegenüber einem Versorgungsanspruch nach dem BVG nachrangiger Anspruch des Klägers nach § 4 Abs 1 HHG (dazu unter 8.).
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1. Der Kläger gehört grundsätzlich zum geschützten Personenkreis des § 1 Abs 2 Buchst c BVG.
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Vom persönlichen Anwendungs- und Schutzbereich des § 1 Abs 2 Buchst c BVG werden Internierte wegen deutscher Staatsangehörigkeit oder deutscher Volkszugehörigkeit erfasst.
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Nach den für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) waren die Eltern des Klägers Deutsche. Sein Vater lebte nach den zwischen den Beteiligten nicht streitigen Angaben des Klägers zuvor in Georgien. Er wurde während des Zweiten Weltkrieges nach Ausbruch des Deutsch-Sowjetischen Kriegs aufgrund des Beschlusses des Staatlichen Verteidigungskommitees der Sowjetunion über die "Umsiedlung der Deutschen aus der Georgischen, der Azerbajdžanischen und der Armenischen Sozialistischen Sowjetrepublik" vom 8.10.1941 (abgedruckt bei Eisfeld/Herdt, Deportation, Sondersiedlung, Arbeitsarmee - Deutsche in der Sowjetunion 1941 bis 1956, 1996, 105 f) nach Kasachstan deportiert. Dort wurde er zusammen mit seiner Familie in L. unter sowjetische Kommandanturaufsicht gestellt und zum Verbleib gezwungen.
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Unerheblich für den persönlichen Anwendungsbereich des § 1 Abs 2 Buchst c BVG ist, dass der Kläger erst nach der zwangsweisen Umsiedlung seines deutschstämmigen Vaters im Jahr 1954 geboren wurde. Denn der von dieser Bestimmung bezweckte Versorgungsschutz ist auch den während einer Internierung der Eltern oder eines Elternteils geborenen Kindern einzuräumen. Maßgeblich dafür ist, dass sich ein internierungsbedingter Freiheitsentzug der Eltern oder eines Elternteils auf die Kinder dahingehend auswirkt, dass auch sie nicht in Freiheit geboren wurden und im Hinblick auf ihre völlige rechtliche und wirtschaftliche Abhängigkeit bis zu ihrer Volljährigkeit das Schicksal der Eltern und die in deren kriegsbedingter Internierung begründete, versorgungsrechtlich geschützte besondere Gefahrenlage zu teilen hatten (Senatsurteil vom 27.9.2018, aaO RdNr 21 mwN). Dies war beim Kläger der Fall.
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2. Der Kläger war in seinem Geburtsort L. während der Zeit der sowjetischen Kommandanturaufsicht kriegsbedingt interniert iS des § 1 Abs 2 Buchst c BVG.
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a. Der im BVG nicht definierte Begriff der Internierung stammt aus dem Völkerrecht. Der dort übliche Sprachgebrauch bestimmt auch seinen Inhalt im BVG. Internierung ist völkerrechtlich der/die mit der Festnahme beginnende, auf eng begrenztem und überwachtem Raum des Internierungsorts stattfindende und mit der Freilassung endende Freiheitsentzug/Festhaltung einer Zivilperson fremder Staatszugehörigkeit durch die Internierungsmacht (stRspr, zB Senatsurteil vom 27.9.2018, aaO RdNr 23 mwN). Für das BVG gilt davon abweichend die Besonderheit, dass der Betroffene nicht zwingend eine von der Internierungsmacht fremde Staatsangehörigkeit besitzen muss, so dass - anders als nach dem strengen völkerrechtlichen Begriff - auch sowjetische Staatsangehörige deutscher Volkszugehörigkeit (Volksdeutsche) von der Sowjetunion interniert werden konnten (vgl stRspr, zB Senatsurteil vom 27.9.2018, aaO RdNr 19, 23 mwN) . Die Internierung ist von der Zuweisung eines Zwangsaufenthalts abzugrenzen. Sie unterscheidet sich von der Zuweisung eines Zwangsaufenthalts, die nur eine Aufenthaltsbeschränkung bedeutet, durch den allgemeinen Freiheitsentzug (Senatsurteil vom 27.9.2018, aaO RdNr 24 mwN).
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Im Fall des Klägers sind die Voraussetzungen für die Annahme einer Internierung in L. erfüllt. Er wurde 1954 in die dortige Internierung seiner Eltern "hineingeboren". Er erfuhr sie in L. ebenso wie sie. Wie oben unter 1. ausgeführt, steht der in Internierung Geborene seinen in Internierung genommenen Eltern gleich. Insoweit teilt er ihr rechtliches Schicksal. Während des zwangsweisen Aufenthalts in L. unter sowjetischer Kommandanturaufsicht war seinen Eltern und damit dem Kläger die Freiheit allgemein entzogen (vgl hierzu Senatsurteil vom 27.9.2018, aaO RdNr 25 f). Sie verfügten über keine Personalausweise, mussten sich regelmäßig bei den örtlichen Behörden melden und durften ihren Aufenthaltsort ohne behördliche Genehmigung nicht verlassen. Die Familie des Klägers hatte durch die sowjetische Kommandanturaufsicht keine Möglichkeit, ihre Lebensweise nach eigenem Willen zu bestimmen und zu gestalten. Folgerichtig wird in der Rechtsprechung des BSG zu § 250 Abs 1 Nr 3 SGB VI die sowjetische Kommandanturaufsicht als gezielt gegen die deutsche Volksgruppe gerichtete feindliche Maßnahme iS dieser Norm verstanden (BSG Urteil vom 17.2.2005 - B 13 RJ 25/04 R - juris RdNr 15 mwN).
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b. Auch die weitere Voraussetzung des Versorgungstatbestands des § 1 Abs 2 Buchst c BVG, dass die Internierung im Zusammenhang mit einem Krieg oder einem kriegerischen Ereignis gestanden haben muss (vgl Senatsurteil vom 27.9.2018, aaO RdNr 28 mwN), ist erfüllt. Denn der Vater des Klägers wurde nach den Feststellungen des LSG als Deutscher von der Sowjetunion während des Zweiten Weltkrieges nach Ausbruch des Deutsch-Sowjetischen Krieges von Georgien nach Kasachstan deportiert und dort in L. mit seiner Familie unter sowjetische Kommandanturaufsicht gestellt und festgehalten.
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3. Ob der Aufenthalt des Klägers in Semipalatinsk nach der Aufhebung der sowjetischen Kommandanturaufsicht durch das Dekret des Präsidiums des Obersten Sowjets der Sowjetunion vom 13.12.1955 "Über die Aufhebung der Beschränkungen in der Rechtsstellung der Deutschen und der Mitglieder ihrer Familien, die sich in Sondersiedlungen befinden" (abgedruckt bei Eisfeld/Herdt, Deportation, Sondersiedlung, Arbeitsarmee - Deutsche in der Sowjetunion 1941 bis 1956, 1996, 454 f) auch noch eine kriegsbedingte Internierung iS des § 1 Abs 2 Buchst c BVG war, kann der Senat wegen fehlender tatsächlicher Feststellungen des LSG nicht ausreichend sicher beurteilen. Das Berufungsgericht hat diese Frage ausdrücklich offen gelassen. Nähere Feststellungen zu den konkreten Lebensbedingungen des Klägers und seiner Familie in Semipalatinsk von August 1957 bis Juni 1976 hat es deshalb nicht getroffen. Da aber die vom Kläger behauptete Fortdauer der Internierung in Semipalatinsk als versorgungsrechtlich geschützte besondere Gefahrenlage im Hinblick auf die vom Kläger während der Internierungszeit geltend gemachte Strahlenexposition durch die sowjetischen Atomwaffentests von Belang sein könnte, wird das LSG Feststellungen hierzu nachzuholen haben.
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Für den Senat bindend festgestellt hat das Berufungsgericht zwar, dass die Wahl des Wohnorts Semipalatinsk durch die Eltern des Klägers darauf beruhte, dass Verwandte dort wohnten. Dahingestellt bleiben kann, ob damit - wie das LSG angenommen hat - eine freie Entscheidung hinsichtlich des Wohnortwechsels deutlich wird, was grundsätzlich gegen das Fortbestehen eines internierungsbedingten Freiheitsentzugs der Familie des Klägers in Semipalatinsk sprechen würde. Zweifel könnten hier insoweit aber deshalb bestehen, weil das vorgenannte Dekret des Präsidiums des Obersten Sowjets der Sowjetunion vom 13.12.1955 (aaO) zwar die durch die Sondersiedlungen bedingten (Freiheits-)Einschränkungen beseitigte, nicht aber die Beschlagnahme des Vermögens der Russlanddeutschen bei der Deportation. Darüber hinaus durften sie nicht mehr in ihre Herkunftsgebiete zurückkehren (vgl hierzu auch Dalos, Geschichte der Russlanddeutschen, 2014, S 221 f). Vor diesem wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Hintergrund blieb den weitgehend mittellosen deportierten Deutschen und deutschen Volkszugehörigen nach Aufhebung der Kommandanturaufsicht möglicherweise kaum eine andere Wahl, als - soweit vorhanden - zu Verwandten in den ihnen "erlaubten Gebieten" zu ziehen und dort (zunächst) zu verbleiben.
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Allerdings ist es für die Annahme einer fortgesetzten Internierung iS des § 1 Abs 2 Buchst c BVG in Semipalatinsk nicht ausreichend, dass den Eltern und damit dem Kläger auch nach Aufhebung der Kommandanturaufsicht als Deutsche oder deutsche Volkszugehörige in der Sowjetunion untersagt blieb, das Herkunftsgebiet wieder aufzusuchen und dort Wohnsitz zu nehmen. Denn zum einen bestand nach der Auflösung der deutschen Siedlungsgebiete in der Sowjetunion die Perspektive der Rückkehr in eine deutschsprachige Umgebung innerhalb der früheren Sowjetunion ohnehin nicht mehr (vgl Senatsurteil vom 27.9.2018, aaO RdNr 31; BSG Urteil vom 12.12.1995 - 8 RKn 4/94 - juris RdNr 19 mwN). Zum anderen erfüllen bloße Einschränkungen in der Freizügigkeit und Ausreiseschwierigkeiten oder -verbote für sich allein nicht den Begriff des internierungsbedingten Festgehaltenwerdens (Senatsurteil vom 27.9.2018, aaO mwN). Zu Recht hat das LSG daher ausgeführt, dass es für die Annahme einer Internierung nicht ausreicht, dass die Familie des Klägers nach dem Ende der Kommandanturaufsicht dem in der Sowjetunion allgemein geltenden System der Propiska (Wohnsitzgenehmigung) unterlegen hat. Die Propiska diente in der Sowjetunion der Steuerung der Binnenmigration. Sie war ein sehr restriktives Meldesystem, das auf behördlicher Genehmigung des Wohnortwechsels basierte (vgl hierzu Matthew Light, Zwischen Liberalisierung und Restriktion, Russland-Analysen Nr 331 vom 3.7.2017, 2 f, veröffentlicht im Internet unter www.laenderanalysen.de/russland/). Bei ihr handelte es sich jedoch im Kern lediglich um eine Beschränkung der Freizügigkeit innerhalb der Sowjetunion. Zudem galt sie nicht nur für in der Sowjetunion lebende Deutsche oder andere Ausländer, sondern auch für sowjetische Staatsbürger unabhängig von ihrer Volkszugehörigkeit. Ebenso wenig kann bei völliger Bewegungsfreiheit in einem bestimmten Gebiet und bei Eingliederung in das Wirtschafts- und Arbeitsleben des Aufenthaltsorts noch von Internierung gesprochen werden (vgl Senatsurteil vom 27.9.2018, aaO; BSG Urteil vom 26.11.1968 - 8 RV 461/68 - juris RdNr 13; Senatsurteil vom 22.2.1961 - 9 RV 946/58 - BSGE 14, 50, 52 = SozR Nr 1 zu § 1 HHG = SozR Nr 54 zu § 1 BVG).
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Feststellungen über Bewegungs- und Freiheitsbeschränkungen des Klägers in Semipalatinsk, die über das in der Sowjetunion allgemein geltende System der Propiska hinausgingen, hat das Berufungsgericht jedoch ebenso wenig getroffen wie dazu, ob und inwieweit dem Kläger und seinen Eltern mit der Aufhebung der Kommandanturaufsicht, dem Erhalt von Personalpapieren und dem Umzug nach Semipalatinsk eine Teilnahme am örtlichen Wirtschafts- und Erwerbsleben möglich war. Dabei richtet sich die Stellung des Klägers während der Zeit, in der er noch minderjährig war, grundsätzlich nach der seiner Eltern. Nach dem Zeitpunkt seiner Volljährigkeit ist hingegen seine persönliche Lebens- und Wirtschaftssituation maßgebend. Ist eine Eingliederung in das allgemeine Wirtschafts- und Erwerbsleben in Semipalatinsk zu bejahen, besteht trotz des Fortbestehens etwaiger Bewegungs- und Freiheitsbeschränkungen in und außerhalb der Sowjetunion kein für das Vorliegen einer Internierung iS des § 1 Abs 2 Buchst c BVG notwendiger allgemeiner Freiheitsentzug mehr (vgl Senatsurteil vom 27.9.2018, aaO RdNr 25, 27; Senatsurteil vom 10.8.1993 - 9/9a RV 22/92 - BSGE 73, 37, 39 = SozR 3-3100 § 1 Nr 11 S 33; BSG Urteil vom 26.11.1968 - 8 RV 461/68 - juris RdNr 13; Senatsurteil vom 22.2.1961 - 9 RV 946/58 - BSGE 14, 50, 52 = SozR Nr 1 zu § 1 HNG = SozR Nr 54 zu § 1 BVG; Rohr/Sträßer/Dahm, BVG, § 1 Anm 21, Stand der Einzelkommentierung: Oktober 2007). Sollte nach den Feststellungen des LSG in Semipalatinsk eine Internierung des Klägers wegen deutscher Staatsangehörigkeit oder deutscher Volkszugehörigkeit noch vorgelegen haben, wird das Berufungsgericht zusätzlich zu prüfen haben, ob diese - wie § 1 Abs 2 Buchst c BVG voraussetzt - noch als kriegsbedingt zu werten ist.
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4. Voraussetzung für einen Versorgungsanspruch des Klägers nach § 1 Abs 1 iVm Abs 2 Buchst c BVG ist weiter das Vorliegen einer gesundheitlichen Schädigung, die durch einen mit der Internierung zusammenhängenden schädigenden Vorgang herbeigeführt worden ist. Ein mit der Internierung zusammenhängender schädigender Vorgang muss zu einer Gesundheitsschädigung (iS eines Primär- oder Erstschadens) geführt haben, die wiederum die geltend gemachten gesundheitlichen Schädigungsfolgen bedingt haben muss, also die verbliebenen Gesundheitsstörungen, deren Feststellung als Versorgungsleiden der Kläger durch die Versorgungsverwaltung begehrt. Dabei müssen sich die drei Glieder (schädigender Vorgang, Schädigung und Schädigungsfolgen) selbst mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen lassen, während für den ursächlichen Zusammenhang eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreicht (Senatsurteil vom 27.9.2018, aaO RdNr 33 mwN).
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Entgegen der Auffassung des LSG liegt mit den im sowjetischen Atomwaffentestgelände Semipalatinsk durchgeführten Atomwaffenversuchen und der durch sie über das unmittelbare Testgelände hinaus verursachten Strahlenkontamination am Ort der Internierung ein mit der Internierung zusammenhängender schädigender Vorgang als 1. Glied der für einen Versorgungsanspruch nach § 1 Abs 1 iVm Abs 2 Buchst c BVG notwendigen Kausalkette vor. Dies hat der Senat mit Urteil vom 27.9.2018 (aaO RdNr 34 ff) entschieden. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest (zustimmend Rasch, NZS 2019, 320; Busse, Behindertenrecht 2019, 121 ff).
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5. Verneint hat das LSG hingegen einen mit der Internierung des Klägers in L. zusammenhängenden schädigenden Vorgang in Form einer durch die sowjetischen Atomwaffenversuche verursachten ionisierenden Strahlung, weil L. als Ort der Internierung nicht von dieser Strahlenexposition betroffen gewesen sei. Gestützt hat sich das Berufungsgericht insoweit auf das vom Kläger in inoffizieller deutscher Übersetzung vorgelegte Gesetz der Republik Kasachstan vom 18.12.1992 "Über den sozialen Schutz der Bürger, die als Folge der Atomtests auf dem Semipalatinsker Atomwaffenversuchsgelände geschädigt wurden" (in inoffizieller englischer Übersetzung im Internet veröffentlicht unter adilet.zan.kz <offizielles Gesetzgebungsportal "Adilet", Rechtsvorschriften in kasachischer, russischer und englischer Sprache>). Denn in diesem Gesetz sei L. nicht als Ort aufgeführt, deren Bewohner radioaktiver Strahlung ausgesetzt worden seien.
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Das kasachische Gesetz vom 18.12.1992 ist indes für die hier erforderliche Klärung einer versorgungsrechtlich relevanten Strahlenexposition des Klägers in L. nicht verbindlich. Zwar besteht grundsätzlich eine Bindung an die Feststellungen und Schlussfolgerungen des LSG zum kasachischen Recht, weil es sich um ausländisches und damit irrevisibles Recht handelt (§ 162 SGG; vgl BSG Urteil vom 30.11.2016 - B 12 KR 22/14 R - SozR 4-2500 § 228 Nr 1 RdNr 39; BSG Urteil vom 18.12.2008 - B 11 AL 32/07 R - BSGE 102, 211 = SozR 4-4300 § 142 Nr 4, RdNr 14; BSG Urteil vom 5.9.2007 - B 11b AS 49/06 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 7 RdNr 25). Jedoch unterliegt die Entscheidung, wonach ausländische Rechtsvorschriften heranzuziehen sind, insoweit der Überprüfung im Revisionsverfahren, wenn geltend gemacht wird, das Tatsachengericht habe die Feststellungen und Schlussfolgerungen zum ausländischen Recht verfahrensfehlerhaft, insbesondere unter Verletzung der Ermittlungspflicht getroffen. Eine solche Aufklärungsrüge unterliegt der vollen Überprüfungspflicht durch das Revisionsgericht und schließt erforderlichenfalls die Prüfung ausländischen Rechts mit ein (vgl BGH Beschluss vom 4.7.2013 - V ZB 197/12 - juris RdNr 25; BGH Beschluss vom 10.4.2002 - XII ZR 178/99 - juris RdNr 4; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 162 RdNr 6c). Darüber hinaus kann das Revisionsgericht eine ausländische Rechtsnorm prüfen und anwenden, die das Berufungsgericht übersehen und infolgedessen in der angefochtenen Entscheidung nicht gewürdigt hat; denn dann handelt es sich nicht um die Auslegung einer irrevisiblen Norm, sondern um die Anwendung geltenden Rechts auf einen vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt (BSG Urteil vom 18.12.2008 - B 11 AL 32/07 R - BSGE 102, 211 = SozR 4-4300 § 142 Nr 4, RdNr 14; BSG Urteil vom 13.10.1992 - 4 RA 24/91 - BSGE 71, 163, 165 = SozR 3-5050 § 15 Nr 4 S 12).
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Der Kläger ist der Feststellung des LSG, dass L. nicht in dem vorgenannten Gesetz der Republik Kasachstan vom 18.12.1992 genannt wird, mit einer Sachaufklärungsrüge (§ 103 SGG) entgegen getreten. Zwar weist er zutreffend darauf hin, dass L. zum (Verwaltungs-)Gebiet Pawlodarskij (Pawlodar) gehöre. Die von ihm gezogene Schlussfolgerung, dass L. damit nach Art 6 Abs 2 des Gesetzes der Republik Kasachstan vom 18.12.1992 in der aktenkundigen (vom Kläger vorgelegten) inoffiziellen deutschen Übersetzung zur "Zone mit einem maximalen Strahlenrisiko" gehöre, trifft aber nicht zu. Vielmehr werden nach dieser Norm von dieser Zone lediglich die "Siedlungen des Abajskij, Abralinskij, Beskaragajskij und des Shanasemejskij rayony des Semipalatinsker Gebiets, Aksharskij und Maldarskij Gemeinden des Rayon Majskij des Pawlodarskij Gebiets" erfasst. Dazu gehört L. - wie das LSG zu Recht festgestellt hat - aber nicht. Selbst die näher als L. am Atomwaffentestgelände gelegene Stadt Semipalatinsk, auf die sich die vom Kläger vorgelegte Bescheinigung der Republik Kasachstan vom 2.8.2012 als Geschädigter/Opfer "in Folge der Atomversuche auf dem Semipalatinsker Versuchspolygon" bezieht, gehört nach Art 7 des Gesetzes der Republik Kasachstan vom 18.12.1992 "lediglich" zur "Zone mit einem erhöhten Strahlenrisiko", was bedeutet, dass die Bevölkerung in dieser Zone einer "radioaktiven Kontamination mit einer effektiven Dosis der Einwirkung … von 7 bis 35 rem über die gesamte Zeit der Atomtests" ausgesetzt war. Zudem werden von dem Gesetz der Republik Kasachstan vom 18.12.1992 nicht alle Bezirke (Rayons) des Gebiets Pawlodar erfasst, und die dort aufgeführten Bezirke des Gebiets Pawlodar werden nach ihrer Strahlenbelastung unterteilt in Zonen mit einem "maximalen Strahlenrisiko" (Art 6), einem "erhöhtem Strahlenrisiko" (Art 7) und einem "minimalen Strahlenrisiko" (Art 8) sowie in Territorien mit einem "privilegierten sozial-ökonomischen Status" (Art 9). Diesbezüglich werden aber nach den ebenfalls zutreffenden Feststellungen des LSG lediglich Bezirke des Gebiets Pawlodar genannt, die anders als L. südwestlich von der Stadt Pawlodar liegen und sich damit näher am Atomwaffentestgelände befanden.
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Unabhängig davon entbindet das kasachische Gesetz vom 18.12.1992 und die dort vorgenommene Klassifizierung strahlenbelasteter Territorien die Tatsachengerichte grundsätzlich nicht von der Ermittlung der konkreten Strahlenkontamination am Ort der Internierung als Voraussetzung eines Versorgungsanspruchs nach dem BVG. Insofern rügt der Kläger zu Recht, dass sich das LSG zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen, ob sich aus den vorhandenen und erreichbaren wissenschaftlichen Studien zu den gesundheitlichen Auswirkungen der Atomwaffenversuche im sowjetischen Atomwaffentestgelände Semipalatinsk auf die in der Nähe lebende Bevölkerung wissenschaftlich belastbare Angaben darüber entnehmen lassen, ob an einem Ort, der - wie sich aus den Feststellungen des LSG zu L. ergibt - zwischen 200 und 300 km von dem Atomwaffentestgelände entfernt war, eine schädliche Strahlenkontamination (und bejahendenfalls in welchem messbaren Ausmaß) für dort lebende Säuglinge und Kleinkinder aufgrund der Atomwaffentests im hier maßgeblichen Aufenthaltszeitraum des Klägers auftreten konnte.
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Ob diesbezüglich - wie der Kläger meint - auf Unterlagen des "Dispensariums Nr 4" zurückgegriffen werden kann, vermag der Senat nicht zu beurteilen. Zwar hatte diese Klinik offenbar die Aufgabe, den Gesundheitszustand der Menschen, die am Testgelände lebten, zu untersuchen und die strahlenmedizinische Situation in der Region zu überwachen. Feststellungen zu den Inhalten der vom Kläger im Verfahren - allerdings auch nur auszugsweise - vorgelegten Dokumente des "Dispensariums Nr 4" hat das LSG nicht getroffen. Unabhängig von der wissenschaftlichen Belastbarkeit etwaiger dortiger Angaben zu der Strahlenbelastung und deren Auswirkung auf die Menschen in der Region um das Atomwaffenversuchsgelände hätte sich bezogen auf die hier interessierende Fragestellung möglicherweise zunächst ein entsprechendes Auskunftsersuchen an fachkundige Behörden (zB Bundesamt für Strahlenschutz, S.) oder Organisationen (zB Fachverband für Strahlenschutz eV, G.) zu diesbezüglich dort vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnisquellen oder Erfahrungswerten angeboten. Anlass zu entsprechenden Ermittlungen hätte schon deshalb bestanden, weil - worauf das Berufungsgericht selbst zutreffend hinweist - die sowjetischen Atomwaffentests im Atomwaffentestgelände Semipalatinsk bis 1963 oberirdisch durchgeführt wurden und dies immerhin 111 der insgesamt 456 in der Zeit von 1949 bis 1989 vorgenommenen Tests betraf (Zahlen nach der Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags "Gesundheitliche Auswirkungen der Atomwaffentests in Semipalatinsk" vom 10.3.2014, WD 9 - 3000 - 091/13, 4 mwN).
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6. Ist geklärt, ob und bejahendenfalls wie lange der Kläger auch in Semipalatinsk interniert iS des § 1 Abs 2 Buchst c BVG gewesen ist, wird das Berufungsgericht weiter zu prüfen haben, ob es aufgrund der im festgestellten Internierungszeitraum durch die Atomwaffenversuche verursachten Strahlungsexposition beim Kläger zu Gesundheitsschädigungen (hier insbesondere zum Plasmozytom) mit dauerhaften Schädigungsfolgen gekommen ist. Hierfür wird es die bereits aktenkundigen und möglicherweise weitere noch beizuziehende aktuelle medizinische Befunde des Klägers sowie das vorhandene wissenschaftliche Material zu der durch die sowjetischen Atomwaffentests verursachten Strahlenbelastung an dem Ort oder den Orten der kriegsbedingten Internierung des Klägers auszuwerten und gegebenenfalls ergänzend auch ein strahlenmedizinisches Gutachten (vgl hierzu Senatsurteil vom heutigen Tage - B 9 V 2/18 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) einzuholen haben. Sollte der Kläger auch noch während seines Aufenthalts in Semipalatinsk kriegsbedingt interniert gewesen sein, hätte der Senat nach derzeitigem Erkenntnisstand keine durchgreifenden Bedenken, als ersten Ansatz für die Abschätzung der vermutlich dort aufgetretenen Strahlendosen auf die im oben genannten Gesetz der Republik Kasachstan vom 18.12.1992 genannten Werte zurückzugreifen. Danach lag - wie bereits ausgeführt - die Stadt Semipalatinsk in der "Zone mit einem erhöhtem Strahlenrisiko“, in der die dort lebende Bevölkerung einer radioaktiven Kontamination mit einer effektiven Dosis der Einwirkung von 7 bis 35 rem (= 70 bis 350 mSv) über die gesamte Zeit der Atomtests (also von 1949 bis 1989) ausgesetzt war. Objektivierbare Anhaltspunkte, dass diese Dosiszuordnung fehlerhaft ist, hat der Senat derzeit nicht.
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7. Sollte sich hiernach ein Anspruch des Klägers auf die begehrte Beschädigtenrente nach § 1 Abs 1 iVm Abs 2 Buchst c iVm §§ 30, 31 BVG ergeben, steht ihm nicht die Bestimmung des § 7 Abs 2 BVG entgegen.
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Danach ist das BVG nicht auf Personen anzuwenden, die aus "derselben Ursache" einen Anspruch auf Kriegsopferversorgung gegen einen anderen Staat besitzen, es sei denn, dass zwischenstaatliche Vereinbarungen etwas anderes bestimmen. Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kasachstan gibt es keine derartige zwischenstaatliche Vereinbarung. Der Zweck des § 7 Abs 2 BVG besteht allerdings nicht nur darin, eine Doppelversorgung für Kriegsopfer zu vermeiden, die aus derselben Ursache Anspruch gegen einen anderen Staat besitzen. Vielmehr soll die Bestimmung schon allein wegen der Zugehörigkeit des Geschädigten zum Kriegsopferversorgungssystem eines anderen Staates sämtliche Ansprüche nach dem BVG ausschließen (Senatsurteil vom 28.7.1999 - B 9 V 19/98 R - SozR 3-3100 § 7 Nr 6 S 22; BSG Urteil vom 20.5.1992 - 9a RV 12/91 - SozR 3-3100 § 7 Nr 2 S 6). Dies gilt unabhängig davon, ob der Anspruch gegen den anderen Staat mit dem Anspruch nach dem BVG zB in der Höhe gleichwertig ist (BSG Urteil vom 20.5.1992 - 9a RV 11/91 - SozR 3-3100 § 7 Nr 1 S 3 f; Dau in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 65 BVG RdNr 7). Insoweit ist die Wirkung des § 7 Abs 2 BVG weitreichender als die in Teilen vergleichbare Regelung in § 65 BVG zur Konkurrenz versorgungsrechtlicher mit unfallversicherungs- oder beamtenrechtlichen Ansprüchen mit der Folge des Ruhens des Anspruchs auf Versorgungsbezüge nach dem BVG in Höhe der Ansprüche aus den anderen beiden Systemen (s hierzu Senatsurteil vom 16.3.2016 - B 9 V 4/15 R - SozR 4-3100 § 65 Nr 2 RdNr 18 ff).
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Der Kläger hat zwar gegen die Republik Kasachstan ein "Recht auf Vergünstigungen als Geschädigter/Opfer der Atomversuche auf dem Semipalatinsker Versuchspolygon" auf Grundlage des oben genannten Gesetzes der Republik Kasachstan vom 18.12.1992. Nach den Feststellungen des LSG ist aber nicht ersichtlich, dass es sich bei diesem "Recht" um einen Anspruch iS des § 7 Abs 2 BVG handelt. Zweck des Gesetzes vom 18.12.1992 ist nämlich nicht, dem Kläger einen Anspruch auf Kriegsopferversorgung gegen die Republik Kasachstan als Nachfolgestaat der ehemaligen Sowjetunion zu ermöglichen. Auch sind für eine Anspruchsberechtigung nach diesem Gesetz nicht die Ursachen von Bedeutung, die für eine Kriegsopferversorgung nach deutschem Recht maßgeblich sind. Denn der vom Kläger geltend gemachte Versorgungsanspruch nach § 1 Abs 1 iVm Abs 2 Buchst c BVG setzt zwingend voraus, dass die Einwirkung der ionisierenden Strahlung durch die sowjetischen Atomwaffentests wesentlich durch eine kriegsbedingte Internierung wegen deutscher Staatsangehörigkeit oder deutscher Volkszugehörigkeit in der Nähe des sowjetischen Atomwaffentestgeländes Semipalatinsk bedingt war (vgl Senatsurteil vom 27.9.2018, aaO RdNr 37).
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8. Abschließend weist der Senat darauf hin, dass ein Versorgungsanspruch des Klägers nach § 4 Abs 1 HHG (in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Änderung des BVG und anderer Vorschriften vom 20.6.2011, BGBl I 1114) nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist (zu einem Anspruch nach § 4 Abs 1 HHG bei einem Aufenthalt in der Nähe des sowjetischen Atomwaffentestgeländes Semipalatinsk aufgrund politischen Gewahrsams s Senatsurteil vom heutigen Tage - B 9 V 2/18 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Gegenstand des hier streitgegenständlichen Bescheids des Beklagten vom 17.9.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.6.2013 (§ 95 SGG) ist - wie oben unter A. bereits ausgeführt - ausschließlich der vom Kläger im gesamten Verfahren auch nur geltend gemachte Anspruch auf Versorgung nach § 1 Abs 1 iVm Abs 2 Buchst c BVG. Damit korrespondierend hat der Kläger im Klage-, Berufungs- und Revisionsverfahren sein Klagebegehren in seinen Anträgen (vgl § 123 SGG) auf die Gewährung einer Beschädigtenrente nach dem BVG beschränkt.
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Da im vorliegenden Fall noch nicht verbindlich feststeht, ob ein gegenüber einem Versorgungsanspruch nach § 4 Abs 1 HHG vorrangiger Versorgungsanspruch des Klägers nach § 1 Abs 1 iVm Abs 2 Buchst c BVG in Betracht kommt, war der Senat nicht gehalten zu prüfen, ob dem Kläger ein Versorgungsanspruch nach § 4 Abs 1 HHG zustehen könnte. Über den Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem HHG wird der Beklagte noch zu entscheiden haben.
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Im Übrigen verfügt der Kläger derzeit nicht über eine Bescheinigung nach § 10 Abs 4 Satz 1 HHG, die bestätigt, dass er sich während seines Aufenthalts in L. und in Semipalatinsk in politischem Gewahrsam iS des § 1 Abs 5 HHG befand. Gerade für den Nachweis des für einen Versorgungsanspruch nach § 4 Abs 1 HHG bedeutsamen Tatbestands des politischen Gewahrsams werden solche Bescheinigungen aber ausgestellt. Sie sind für alle Behörden und Stellen, die über diese Vorfrage als Voraussetzung (ua) für einen Anspruch nach § 4 Abs 1 HHG zu entscheiden haben, verbindlich (§ 10 Abs 7 Satz 1 HHG). Allerdings wird durch eine solche Bescheinigung nicht bewiesen, dass ein Versorgungsanspruch nach § 4 Abs 1 HHG besteht, sondern nur der politische Gewahrsam als Voraussetzung, sodass ein solcher Anspruch entstehen kann (Senatsurteil vom 2.3.1983 - 9a RVh 1/82 - juris RdNr 10; Lilienfeld in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 10 HHG RdNr 6). Weitere Voraussetzung für einen Anspruch nach § 4 Abs 1 HHG ist im hier maßgeblichen Zusammenhang aber stets, dass es durch die atomwaffentestbedingte Strahlenexposition am Ort des Gewahrsams beim Gewahrsamsbetroffenen zu einer Gesundheitsschädigung mit dauerhafter Schädigungsfolge gekommen ist (vgl hierzu Senatsurteil vom heutigen Tage - B 9 V 2/18 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).
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C. Das LSG wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
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