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BSG 12.04.2018 - B 14 SF 1/18 R
BSG 12.04.2018 - B 14 SF 1/18 R - Sozialgerichtliches Verfahren - Rechtsweg - maßgebliches Rechtsverhältnis - Bürgschaftserklärung für Mietkaution im Rahmen der Erbringung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB 2 - auf Mietbürgschaft gestützte Zahlungsklage - rechtliche Eigenständigkeit der Bürgschaft
Normen
§ 51 Abs 1 Nr 4a SGG, § 13 GVG, § 22 Abs 6 S 1 SGB 2, § 765 BGB, § 768 BGB, § 770 BGB, § 771 BGB, § 776 BGB
Vorinstanz
vorgehend SG Düsseldorf, 2. November 2017, Az: S 29 AS 3790/17, Beschluss
vorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 14. Dezember 2017, Az: L 19 AS 2129/17 B, Beschluss
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14. Dezember 2017 wird zurückgewiesen.
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Die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde trägt die Klägerin.
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Der Streitwert wird auf 442,20 Euro festgesetzt.
Gründe
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I. Umstritten ist die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Sozialgerichten bei einem Streit um Zahlung aus einer Bürgschaft.
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Die Klägerin ist Vermieterin einer von einem Empfänger von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II gemieteten Wohnung. Das beklagte Jobcenter gab bezogen auf dieses Mietverhältnis gegenüber der die Vermieterin vertretenden Rechtsanwaltskanzlei am 24.2.2015 eine Bürgschaftserklärung ab. Mit dieser erteilte er für die Kautionsforderung aus dem Mietvertrag eine selbstschuldnerische Bürgschaft unter Verzicht auf die Einreden nach §§ 768, 770, 771 und 776 BGB in Höhe von 675 Euro mit Geltung bis zum 28.2.2018, wenn das Mietverhältnis nicht bereits vor diesem Zeitpunkt ende. Bei Fortbestand des Mietverhältnisses könne die Bürgschaft auf Antrag des Mieters oder der Vermieterin verlängert werden. In der Bürgschaftserklärung wies der Beklagte darauf hin, dass mit dieser Bürgschaft dem Mietvertrag nicht als Partei beigetreten werde.
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Mit Schreiben von Juni und August 2017 zeigte die Klägerin dem Beklagten an, dass und in welchem Umfang sie die Bürgschaft aufgrund von Zahlungsrückständen ihres Mieters in Anspruch nehme und forderte den Beklagten unter Fristsetzung zur Zahlung in Höhe von 442,20 Euro auf. Im September 2017 hat die Klägerin vor dem SG Klage auf die Zahlung dieses Betrags nebst Zinsen erhoben. Der Rechtsweg zum SG sei nach § 51 Abs 1 Nr 4a SGG eröffnet, weil der Beklagte die Bürgschaftserklärung im Rahmen seiner Tätigkeit zur Durchführung des SGB II ihr gegenüber abgegeben habe.
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Das SG hat nach Anhörung der Beteiligten den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das AG Düsseldorf verwiesen (Beschluss vom 2.11.2017): Bei dem Zahlungsanspruch aus der Bürgschaftserklärung handele es sich nicht um eine öffentlich-rechtliche, sondern um eine privatrechtliche Streitigkeit. Der Beklagte habe sich mit Abgabe der Bürgschaftserklärung zur Erfüllung seiner öffentlichen Aufgabe gegenüber dem Leistungsberechtigten der Mittel des Privatrechts bedient und diese seien für den Rechtsstreit prägend. Das LSG hat die Beschwerde der Klägerin zurückgewiesen (Beschluss vom 14.12.2017): Der Rechtsstreit sei bürgerlich-rechtlicher Natur und der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet, denn die Klägerin stütze ihre Klageforderung ausschließlich auf die selbstschuldnerische Bürgschaftserklärung des Beklagten. Der Streit um die Rechte und Pflichten aus einer Bürgschaft als ein Rechtsgeschäft des bürgerlichen Rechts gehöre regelmäßig in den Zivilrechtsweg, selbst wenn sie eine öffentlich-rechtliche Forderung sichere. Vorliegend habe der Beklagte gegenüber der Klägerin neben der (privatrechtlichen) mietvertraglichen Verpflichtung des Leistungsberechtigten befristet die eigene (privatrechtliche) einseitige Verpflichtung im Sicherungsfall in Form einer Mietbürgschaft übernommen, ohne bei Abgabe der Erklärung hoheitlich aufgetreten zu sein.
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Mit ihrer vom LSG zugelassenen Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Verweisung des Rechtsstreits an das AG. Sie hält den Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit für eröffnet, weil der Rechtsstreit nach seinem Sachzusammenhang öffentlich-rechtlicher Natur sei. Der Beklagte habe aufgrund seiner öffentlich-rechtlichen Leistungsbeziehung zum leistungsberechtigten Mieter gehandelt, als er zur Vermeidung einer Barzahlung im Rahmen von § 22 Abs 6 Satz 1 SGB II eine kautionsähnliche Mietsicherheit im Gewand zivilrechtlicher Regeln gewährt habe.
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Der Beklagte verweist auf den Beschluss des LSG.
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II. Die zulässige weitere Beschwerde der Klägerin ist unbegründet. Zutreffend haben SG und LSG entschieden, dass für die Klage auf Zahlung aus der Bürgschaft, die der Beklagte gegenüber der Klägerin abgegeben hat, die Sozialgerichtsbarkeit nicht zuständig und der ordentliche Rechtsweg - hier zum AG Düsseldorf - eröffnet ist.
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Als Rechtsgrundlage für eine Zuständigkeit der Sozialgerichte kommt vorliegend nur § 51 Abs 1 Nr 4a SGG in Betracht, nach dem die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheiden. Vor die ordentlichen Gerichte hingegen gehören nach § 13 GVG ua die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die Familiensachen und die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Zivilsachen), für die nicht entweder die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist oder aufgrund von Vorschriften des Bundesrechts besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind.
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Wenn es - wie vorliegend - an einer ausdrücklichen Sonderzuweisung für den zuständigen Rechtsweg fehlt, bestimmt sich die gerichtliche Zuständigkeit nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (stRspr; Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes <GmSOGB> vom 4.6.1974 - GmS-OGB 2/73 - BSGE 37, 292 = SozR 1500 § 51 Nr 2; GmSOGB vom 10.4.1986 - GmS-OGB 1/85 - BGHZ 97, 312 = SozR 1500 § 51 Nr 39; GmSOGB vom 29.10.1987 - GmS-OGB 1/86 - BGHZ 102, 280 = SozR 1500 § 51 Nr 47; GmSOGB vom 10.7.1989 - GmS-OGB 1/88 - BGHZ 108, 284 = SozR 1500 § 51 Nr 53; zum Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten als entscheidendes Kriterium zur Beurteilung des Rechtswegs vgl letztens etwa BSG vom 21.7.2014 - B 14 SF 1/14 R - SozR 4-1500 § 51 Nr 12 RdNr 8; BSG vom 25.10.2017 - B 7 SF 1/16 R - juris, RdNr 6).
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Das hier maßgebliche Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten beruht nicht auf dem SGB II, sondern auf der selbstschuldnerischen Bürgschaft (§§ 765, 773 Abs 1 Nr 1 BGB), die der Beklagte gegenüber der Klägerin auf rechtlich gleicher Ebene mit dieser erklärt hat, weshalb es nicht öffentlich-rechtlicher, sondern privatrechtlicher Natur ist. Zwar war Anlass der Erklärung des Beklagten dessen Erbringung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II an den Leistungsberechtigten, dem die Klägerin eine Wohnung vermietet hat. Doch wird das Rechtsverhältnis der Beteiligten nicht von dieser sozialrechtlichen Leistungsbeziehung geprägt, sondern von der nach den Vorschriften des BGB abgegebenen Bürgschaftserklärung des Beklagten für mietvertragliche Forderungen der Klägerin gegenüber dem Leistungsberechtigten. Diese eigenständige bürgerlich-rechtliche Erklärung des Beklagten und die durch sie vom Beklagten gegenüber der Klägerin begründete selbstständige eigene Bürgschaftsschuld sind rechtlich von dem Sozialrechtsverhältnis zwischen Beklagtem und Leistungsberechtigtem gelöst (zur rechtlichen Eigenständigkeit der Bürgschaft, die ihren Rechtsgrund in sich selbst trägt, vgl nur BGH vom 16.2.1984 - IX ZR 45/83 - BGHZ 90, 187, juris RdNr 10 ff; BGH vom 8.3.2001 - IX ZR 236/00 - BGHZ 147, 99, juris RdNr 9); sie sind Rechtsgrundlage für die vorliegend allein auf die Bürgschaft gestützte Zahlungsklage und deshalb bestimmend für den zulässigen Rechtsweg für diese Klage. Für diesen Rechtsweg vermag nichts anderes daraus zu folgen, wenn der Beklagte in anderer Angelegenheit (Herausgabeverlangen Nebenkostenguthaben) in anderer Weise an die Klägerin herangetreten sein sollte, wie diese mit ihrem Beschwerdevorbringen behauptet hat.
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Aufgrund der für die Rechtswegzuweisung maßgeblichen rechtlichen Eigenständigkeit der Bürgschaft, auf die die Klägerin ihre Zahlungsklage allein gestützt hat, ist vorliegend nicht über die Rechtswegzuständigkeit für Rechtsstreite zwischen Vermietern und Jobcentern zu entscheiden, denen Kostenübernahmeerklärungen oder Direktzahlungen nach § 22 Abs 7 SGB II zugrunde liegen (vgl zu Kostenübernahmeerklärungen BVerwG vom 19.5.1994 - 5 C 33.91 - BVerwGE 96, 71; BSG vom 25.10.2017 - B 7 SF 1/16 R - juris; vgl zu Direktzahlungen Schleswig-Holsteinisches LSG vom 21.9.2012 - L 3 AS 42/10 - juris; Bayerisches LSG vom 21.1.2013 - L 7 AS 381/12 - juris; LSG Nordrhein-Westfalen vom 24.3.2014 - L 19 AS 2329/13 - juris; LSG Niedersachsen-Bremen vom 28.11.2016 - L 11 AS 699/15 - juris; vgl zur Rückforderung nach Direktzahlung auch BGH vom 31.1.2018 - VIII ZR 39/17 - juris).
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Die Kostenentscheidung (zu deren Notwendigkeit vgl BSG vom 1.4.2009 - B 14 SF 1/08 R - SozR 4-1500 § 51 Nr 6 RdNr 19 f) beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.
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Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren in Höhe der begehrten Zahlung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 52 Abs 1 und 3 Satz 1 GKG. Eine geringere Festsetzung für die Vorabentscheidung über den Rechtsweg (vgl dazu BSG vom 25.10.2017 - B 7 SF 1/16 R - juris, RdNr 12) ist vorliegend nicht angezeigt.
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