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BSG 13.03.2018 - B 11 AL 23/16 R
BSG 13.03.2018 - B 11 AL 23/16 R - Teilarbeitslosengeldanspruch - Erfüllung der Anwartschaftszeit - Berücksichtigung zweier Teilzeitbeschäftigungen - keine Einbeziehung von vorangegangener Vollzeitbeschäftigung
Normen
§ 162 Abs 1 Nr 3 SGB 3 vom 20.12.2011, § 162 Abs 2 Nr 2 SGB 3 vom 20.12.2011, § 3 Abs 4 SGB 3
Vorinstanz
vorgehend SG Speyer, 5. Dezember 2013, Az: S 10 AL 410/12, Urteil
vorgehend Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, 26. Februar 2016, Az: L 1 AL 2/14, Urteil
Leitsatz
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Zeiten einer Vollzeitbeschäftigung führen nicht zur Erfüllung der spezifischen Anwartschaftszeit für das Teilarbeitslosengeld, wenn zeitgleich keine weitere beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt wird.
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. Februar 2016 wird zurückgewiesen.
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Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Im Streit ist ein Anspruch auf Teilarbeitslosengeld (Teil-Alg) für die Zeit vom 15.9.2012 bis 31.12.2012.
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Die 1966 geborene Klägerin ist von Beruf Diplom-Sozialarbeiterin. Sie war vom 1.2.2006 bis 31.7.2010 als pädagogische Fachkraft versicherungspflichtig beschäftigt, bezog vom 2.8.2010 bis 9.9.2010 Alg und übte sodann vom 10.9.2010 bis 27.7.2011 eine versicherungspflichtige Beschäftigung als wissenschaftliche Lehrkraft in Vollzeit aus. Anschließend bezog sie vom 28.7.2011 bis 31.12.2011 aus dem zum 2.8.2010 entstandenen Anspruch wiederum Alg. Am 1.1.2012 begann die Klägerin zwei jeweils versicherungspflichtige Teilzeitbeschäftigungen als Sozialarbeiterin. Aus gesundheitlichen Gründen gab sie am 10.9.2012 eine dieser Tätigkeiten auf.
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Am 15.9.2012 meldete sich die Klägerin wegen des Verlustes einer Teilzeittätigkeit teilarbeitslos und beantragte die Zahlung von Teil-Alg. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil die Klägerin in den letzten beiden Jahren vor Antragstellung weniger als zwölf Monate versicherungspflichtig teilzeitbeschäftigt gewesen sei und daher die Anwartschaftszeit für Teil-Alg nicht erfülle (Bescheid vom 2.10.2012; Widerspruchsbescheid vom 8.11.2012). Zum 31.12.2012 endetet auch die zweite Teilzeittätigkeit der Klägerin. Diese bezog vom 1.1.2013 bis 19.3.2013 (Voll-) Alg und nahm danach wieder eine versicherungspflichtige Beschäftigung in Vollzeit auf. Klage und Berufung der Klägerin wegen der Versagung von Teil-Alg blieben erfolglos (Urteil des SG vom 5.12.2013; Urteil des LSG vom 26.2.2016). Ein Anspruch auf Teil-Alg bestehe nicht, weil die Klägerin nicht für mindestens zwölf Monate neben der aufgegebenen versicherungspflichtigen Beschäftigung eine weitere versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt habe. Die Regelung zur Anwartschaftszeit bei Teil-Alg verstoße auch nicht gegen Grundrechte.
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Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 162 Abs 1 und Abs 2 Nr 2 SGB III. Nach Sinn und Zweck der Anwartschaftszeit für das Teil-Alg werde diese auch erfüllt, wenn eine versicherungspflichtige Beschäftigung zwar weniger als zwölf Monate durch nebeneinander ausgeübte Teilzeitverhältnisse, insgesamt aber länger als zwölf Monate ausgeübt worden sei. Nach den Gesetzesmaterialien sei allein eine "längere" parallele Ausübung bzw die Ausübung über "einige Zeit" erforderlich.
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Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. Februar 2016 und des Sozialgerichts Speyer vom 5. Dezember 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. November 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr vom 15. September bis 31. Dezember 2012 Teilarbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
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Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Das LSG hat zu Recht die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des SG zurückgewiesen, denn es besteht kein Anspruch auf Teil-Alg.
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Streitgegenstand ist neben den Entscheidungen der Vorinstanzen der die Zahlung von Teil-Alg ablehnende Bescheid vom 2.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.11.2012, den die Klägerin zutreffend mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1, 4 SGG) angreift. Sie begehrt zulässigerweise dem Grunde nach (§ 130 Abs 1 Satz 1 SGG) die Zahlung der Geldleistung Teil-Alg für die Zeit vom 15.9.2012 bis 31.12.2012.
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Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Teil-Alg liegen nicht vor, denn die Klägerin erfüllt nicht die spezifische Anwartschaftszeit für diese Leistung. Nach § 162 Abs 1 SGB III (in der ab 1.4.2012 geltenden Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011 - BGBl I 2854 -, die § 150 SGB III in der bis zum 31.3.2011 geltenden Fassung entspricht) hat Anspruch auf Teil-Alg, wer als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer teilarbeitslos ist, sich teilarbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit für Teil-Alg erfüllt hat. Nach § 162 Abs 2 SGB III gelten für das Teil-Alg die Vorschriften über das Alg bei Arbeitslosigkeit sowie für Empfängerinnen und Empfänger dieser Leistung entsprechend, soweit sich aus den Besonderheiten des Teil-Alg nichts anderes ergibt. Für die Anwartschaftszeit für das Teil-Alg gilt die Maßgabe, dass diese erfüllt hat, wer in der Teil-Alg-Rahmenfrist von zwei Jahren neben der weiterhin ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung mindestens zwölf Monate eine weitere versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat; die Regelungen zum Alg über die Rahmenfrist gelten entsprechend (§ 162 Abs 2 Nr 2 SGB III).
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Bei Eintritt von Teilarbeitslosigkeit am 15.9.2012 hat die Klägerin in der Teil-Alg-Rahmenfrist von zwei Jahren, die am 14.9.2012 beginnt und bis 15.9.2010 zurückreicht (§ 162 Abs 2 Nr 2 SGB III iVm § 143 Abs 1 SGB III; vgl J Schneider in jurisPK-SGB III, 2014, § 162 RdNr 26), neben der beendeten versicherungspflichtigen Beschäftigung keine zwölf Monate eine weitere versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt. Denn die zum 15.9.2012 beendete Teilzeitbeschäftigung hatte sie gleichzeitig mit der weiteren von ihr ausgeübten Teilzeitbeschäftigung erst am 1.1.2012 aufgenommen. Nur für diesen Zeitraum von weniger als zehn Monaten hat sie zwei versicherungspflichtige Beschäftigungen nebeneinander ausgeübt.
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Zuvor war sie zwar in der Zeit vom 10.9.2010 bis zum 27.7.2011 in Vollzeit beschäftigt. Doch schon nach dem Wortlaut des § 162 Abs 2 Nr 2 SGB III kann eine Beschäftigungszeit nur dann zur Erfüllung der spezifischen Anwartschaftszeit für das Teil-Alg führen, wenn im selben Zeitraum eine weitere beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt wird (vgl R Becker in Eicher/Schlegel, SGB III nF, § 162 RdNr 77a, Stand September 2017; Peters-Lange in Gagel, SGB II/SGB III, § 162 SGB III RdNr 21b, Stand Juni 2017). Denn "neben" bedeutet in dem Sinne, in dem es in § 162 Abs 2 Nr 2 SGB III verwendet wird, dass mehrere versicherungspflichtige Beschäftigungen zeitgleich, also parallel verrichtet werden. Daran fehlt es, wenn - wie hier in der Zeit vom 10.9.2010 bis zum 27.7.2011 - nur ein Beschäftigungsverhältnis besteht.
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Dieses Ergebnis wird, anders als es die Revision meint, gestützt durch Sinn und Zweck der Regelungen zum Teil-Alg, welche nur einen begrenzten Schutz gewährleisten. Teilarbeitslosigkeit soll allein dann zu Ansprüchen führen, wenn und solange mehrere versicherungspflichtige Beschäftigungen nebeneinander ausgeübt worden sind, von denen eine entfällt, während die andere fortgeführt wird (vgl BT-Drucks 13/4941 S 181). Die weitere Ausübung nur noch einer versicherungspflichtigen Beschäftigung soll für einen begrenzten Zeitraum jedenfalls für einen Anspruch auf Teil-Alg nicht anspruchsvernichtend sein (R Becker in Eicher/Schlegel, SGB III nF, § 162 RdNr 55, Stand April 2014). Weitere Fallgruppen hat der Gesetzgeber in das Regelungskonzept nicht einbezogen, selbst wenn dies sozialpolitisch wünschenswert sein könnte (dazu Peters-Lange in Gagel, SGB II/SGB III, § 162 SGB III RdNr 51, Stand Juni 2017; zur derzeit geringen praktischen Bedeutung des Teil-Alg J Schneider in jurisPK-SGB III, 2014, § 162 RdNr 9, 44).
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Aus diesem Grund kann - wie das BSG bereits entschieden hat - ein Anspruch auf Teil-Alg aus der Ausübung einer einzelnen versicherungspflichtigen Beschäftigung auch dann nicht entstehen, wenn in dieser Beschäftigung die Arbeitszeit reduziert wird (BSG vom 6.2.2003 - B 7 AL 12/01 R - BSGE 90, 270 = SozR 4-4300 § 150 Nr 1, juris RdNr 13 ff). Wenn neben einer die Vollarbeitslosigkeit ausschließenden selbstständigen Tätigkeit eine versicherungspflichtige Teilzeitbeschäftigung ausgeübt worden ist und diese Beschäftigung entfällt, kann die Anwartschaftszeit ebenfalls nicht erfüllt werden (BSG vom 3.12.2009 - B 11 AL 28/08 R - SozR 4-4300 § 150 Nr 3). Auch dann fehlt es an zwei nebeneinander ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigungen.
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Systematisch hat der Gesetzgeber das Teil-Alg zudem als eine eigenständige Leistung ausgestaltet, wie sich schon aus der Aufzählung in § 3 Abs 4 SGB III ergibt (vgl R Becker in Eicher/Schlegel, SGB III nF, § 162 RdNr 4, 36, Stand April 2014). Es ist durch ein eigenes Stammrecht gekennzeichnet, die Zahlung von Teil-Alg vermindert die Dauer des Anspruchs auf Alg nur nach Maßgabe der Sonderregelung des § 148 Abs 1 Nr 2 SGB III und die Ansprüche schließen sich gegenseitig aus. Auch das spricht dafür, Anspruchsvoraussetzungen für die jeweiligen Leistungen strikt getrennt zu betrachten.
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Übertragen auf die spezifischen Anforderungen an die Anwartschaftszeit für das Teil-Alg bedeutet dies, dass allein die jeweiligen Teilarbeitsverhältnisse für die Bestimmung der Anwartschaftszeit bei Teil-Alg maßgeblich sind. Aus diesem Grund wird die Berechnung der spezifischen Rahmenfrist für das Teil-Alg auch nicht durch eine entsprechende Anwendung des § 143 Abs 2 SGB III begrenzt, wenn nach einer früheren Vollzeittätigkeit Alg bezogen wurde (BSG vom 17.11.2005 - B 11a AL 1/05 R - SozR 4-4300 § 150 Nr 2, juris RdNr 17 f; zustimmend mit weiteren Beispielen Wank/Maties, SGb 2006, 680 f). Nach dieser Vorschrift reicht die Rahmenfrist nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein, in der der Arbeitslose eine Anwartschaftszeit erfüllt hatte. Wäre die frühere Vollzeittätigkeit aber - wie die Revision meint - geeignet, einen Anspruch auf Teil-Alg auszulösen, müsste, nachdem die Klägerin aufgrund des Verlusts dieser Vollzeitbeschäftigung Alg bezogen hat, die Rahmenfrist entsprechend § 143 Abs 2 SGB III enden, weil die davorliegenden Zeiten schon einen Leistungsanspruch auf Alg begründet haben.
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Die Berücksichtigung nur einer einzigen Tätigkeit, die nicht neben einer weiteren ausgeübt wurde, bei Ermittlung der Anwartschaftszeit für Teil-Alg würde zudem zu kaum lösbaren Problemen bei der Bemessung des Teil-Alg führen. Es wäre offen, welches Arbeitsentgelt der Bemessung zugrunde gelegt werden müsste. Nicht sachgerecht dürfte es zB sein, den Verdienst einer Vollzeittätigkeit vollständig bei der Bemessung des Teil-Alg zu berücksichtigen. Daher sind jeweils zwei verschiedene Stränge von Anwartschaftszeiten aus parallelen Beschäftigungen zu fordern, die jeweils zu Teil-Alg führen können (vgl Wank/Maties, SGb 2006, 680 f).
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Eine Verletzung von Art 14 Abs 1 GG liegt nicht vor. Der Klägerin ist die unter bestimmten Voraussetzungen eigentumsrechtlich geschützte Aussicht, einen Anspruch auf Teil-Alg erwerben zu können, von vornherein nur mit der Beschränkung eingeräumt worden, dass sie die spezifische Anwartschaftszeit erfüllen muss (vgl BSG vom 28.8.2007 - B 7/7a AL 56/06 R - SozR 4-4300 § 37b Nr 5, juris RdNr 19).
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Auch eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art 3 Abs 1 GG) durch die Regelungen zum Teil-Alg ist nicht ersichtlich (so bereits BSG vom 3.12.2009 - B 11 AL 28/08 R - SozR 4-4300 § 118 Nr 5 RdNr 17). Es ist nicht zu erkennen, dass es Personengruppen gibt, die in Bezug auf den Anspruch auf Teil-Alg unterschiedlich behandelt werden. Die Anforderung vor Eintritt des Versicherungsfalls eine spezifische Anwartschaftszeit (Wartezeit) erfüllen zu müssen, trifft alle in der Arbeitslosenversicherung pflichtversicherten Personen in gleicher Weise.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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