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BSG 19.10.2017 - B 13 R 140/14 B
BSG 19.10.2017 - B 13 R 140/14 B - Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung - angeblicher Verstoß von Rechtsnormen gegen Menschenrechte
Normen
§ 77 SGB 6, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, Art 14 MRK, Art 3 GG, Art 14 Abs 1 GG
Vorinstanz
vorgehend SG Freiburg (Breisgau), 12. Juni 2013, Az: S 13 R 3933/12, Gerichtsbescheid
vorgehend Landessozialgericht Baden-Württemberg, 21. März 2014, Az: L 4 R 2778/13, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21. März 2014 wird als unzulässig verworfen.
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Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
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Das LSG Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 21.3.2014 einen Anspruch der Klägerin auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit ohne Kürzung des Zugangsfaktors verneint.
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Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.
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Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Beschwerdebegründung vom 30.6.2014 genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form, denn sie hat den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht ordnungsgemäß dargelegt (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG).
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Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl Senatsbeschluss vom 3.12.2013 - B 13 R 447/12 B - Juris RdNr 4, stRspr). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
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Die Klägerin hält folgende Frage für grundsätzlich bedeutsam:
"Verstößt § 77 SGB VI gegen die Verordnung 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit für den EWA und die Schweiz i.V. und/oder gegen Art. 14 EMRK?"
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Es fehlt insoweit bereits an der Formulierung einer aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage zur Vereinbarkeit einer konkret bezeichneten Norm des Bundesrechts mit höherrangigem Recht, weil die Klägerin offenlässt, gegen welche der zahlreichen Vorschriften der EGV 883/2004 welche Regelung in § 77 SGB VI verstoßen soll. Soweit die Frage einen Verstoß allein ("oder") gegen Art 14 EMRK betrifft, bleibt zudem unklar, bei dem Genuss welcher in dieser Konvention anerkannten Rechte und Freiheiten eine Diskriminierung in Bezug auf welches Merkmal vorliegen soll. Denn Art 14 EMRK existiert nicht für sich allein, sondern entfaltet seine Wirkung nur in Bezug auf andere (Konventions-)Bestimmungen (vgl EGMR vom 9.3.2010 - 51625/08 - Juris RdNr 52 mwN).
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Darüber hinaus hat es die Klägerin versäumt, die Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit des von ihr aufgeworfenen Problemkreises schlüssig darzutun.
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Für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung wegen eines angeblichen Verstoßes von Rechtsnormen gegen Menschenrechte reicht es nicht aus, einzelne Artikel der EMRK anzuführen und zu behaupten, diese seien verletzt. Insofern gilt dasselbe wie bei der Rüge der Verfassungswidrigkeit einer Gesetzesnorm. Auch dort genügt der Hinweis auf den angeblich verletzten Artikel des Grundgesetzes nicht, um die Klärungsbedürftigkeit der Rechtssache darzutun (vgl Senatsbeschluss vom 8.2.2017 - B 13 R 294/16 B - Juris RdNr 6, BSG Beschluss vom 22.4.1997 - 11 BAr 3/97 - SozR 3-1500 § 160a Nr 23 - Juris RdNr 5). Ausführungen, die den behaupteten Menschenrechtsverstoß näher darlegen oder sich mit der Rechtsprechung des EGMR zu Art 14 EMRK bzw des BVerfG zu Art 3 GG befassen, fehlen aber. Da die Klägerin selbst vorträgt, dass Art 14 EMRK "im Grunde dem Art 3 GG gleichgelagert" sei, wäre eine nähere Auseinandersetzung mit der vom LSG zitierten Rechtsprechung des BVerfG veranlasst gewesen, wonach die Vorschriften über die Bestimmung von Abschlägen bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art 14 Abs 1 GG darstellen und den allgemeinen Gleichheitssatz nicht verletzen (vgl ua BVerfG Beschluss vom 11.11.2008 - 1 BvL 3/05 - BVerfGE 122, 151-190). Insoweit genügt es nicht ohne nähere Betrachtung der vorgebrachten Argumente zu behaupten, die Rechtsprechung des BVerfG stoße in der Kommentarliteratur und bei dem Präsidenten des EuGH auf Kritik.
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Soweit sich die Klägerin pauschal darauf beruft, dass im gesamten europäischen Wirtschaftsraum kein Gesetz versicherungsmathematische Abschläge kenne, fehlen jegliche Ausführungen dazu, woraus sich hier eine (gleichheitsrechtliche) Bindung der Beklagten an ausländische Gesetze ergeben sollte bzw inwieweit die verschiedenen Systeme überhaupt vergleichbar sind. Wenn sich die Klägerin unbestimmt auf die EGV 883/2004 bezieht, bleibt zum Anwendungsbereich offen, ob und inwiefern hier ein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegt, der eine Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit erforderlich macht. Zudem mangelt es auch an einer Auseinandersetzung damit, dass die Koordinierung auf Grundlage des Art 48 AEUV, die auf die alleinige Rechtsetzungsbefugnis der Mitgliedsstaaten für die Systeme der sozialen Sicherheit zurückgeht, deren Grund- und Einzelgestaltungen unberührt lässt und auch die daraus rührenden Unterschiede zwischen den sozialen Sicherungssystemen akzeptiert (vgl EuGH Urteil vom 27.1.2011 - C-490/09 - Slg 2011, I-274 - RdNr 26, 32 unter Hinweis auf EuGH Urteil vom 15.1.1986 - Rs 41/84 <Pinna> - Slg 1986, 1; s auch Eichenhofer in Hauck/Noftz, EU-Sozialrecht, E 010 RdNr 51, Stand der Einzelkommentierung VII/15). Die allgemeinen Ausführungen der Klägerin zum fraglichen Geltungsvorrang der EMRK vor dem Grundgesetz helfen insoweit nicht weiter.
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Überdies hat die Klägerin die Klärungsfähigkeit nicht dargetan. Insoweit hat sie bereits den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht wiedergegeben. Die Klägerin teilt nur mit, dass eine Altersrente mit einem Abschlag nach § 77 SGB VI gezahlt werde. Eine Sachverhaltsschilderung gehört jedoch zu den Mindestvoraussetzungen der Darlegung bzw der Bezeichnung des Revisionszulassungsgrundes. Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts sich im Rahmen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens die maßgeblichen Tatsachen aus dem angegriffenen Urteil selbst herauszusuchen (s Senatsbeschluss vom 8.2.2017 - B 13 R 294/16 B - Juris RdNr 7).
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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
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Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
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