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BSG 11.04.2016 - B 12 KR 57/15 B
BSG 11.04.2016 - B 12 KR 57/15 B - Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Bezeichnung der Divergenz - keine Berücksichtigung sog obiter dicta
Normen
§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG
Vorinstanz
vorgehend SG Oldenburg (Oldenburg), 17. August 2012, Az: S 61 KR 324/11, Urteil
vorgehend Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, 28. Mai 2015, Az: L 1 KR 464/12, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 28. Mai 2015 wird als unzulässig verworfen.
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Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
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Die Beteiligten streiten in dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit über die Höhe der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung, insbesondere darüber, ob Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind.
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 28.5.2015 ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
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Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
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Der Kläger macht in seiner Beschwerdebegründung vom 3.8.2015 alle drei Zulassungsgründe geltend.
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1. Der Kläger behauptet zunächst eine Abweichung des Berufungsurteils vom Beschluss des BVerfG vom 15.3.2000 (1 BvL 16/96 ua - BVerfGE 102, 68 = SozR 3-2500 § 5 Nr 42; S 7 bis 13 der Beschwerdebegründung). Divergenz im Sinne von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich dass Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das Urteil eine höchstrichterliche Entscheidung unrichtig ausgelegt oder das Recht unrichtig angewendet hat, sondern erst, wenn das LSG Kriterien, die eines der in der Norm genannten Gerichte aufgestellt hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Das LSG weicht damit nur dann im Sinne von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG von einer Entscheidung ua des BSG ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der der zum selben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen abstrakten Aussage des BSG entgegensteht und dem Berufungsurteil tragend zugrunde liegt. Die Beschwerdebegründung muss deshalb erkennen lassen, welcher abstrakter Rechtssatz in den genannten höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht sowie, dass die Entscheidung hierauf beruht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26).
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Der Kläger arbeitet als (aus seiner Sicht) tragenden abstrakten Rechtssatz der verfassungsgerichtlichen Entscheidung heraus:
"Das Ausmaß der zwischen den freiwillig Versicherten und den Pflichtmitgliedern bestehenden Unterschiede in der Beitragsbemessung bei der Berechnung der Kranken- und Pflegeversicherung in der zum Zeitpunkt der Entscheidung des BVerfG vom 15. März 2000 vorliegenden gesetzlichen Regelung ist nicht verfassungsrechtlich gerechtfertigt."
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Bei (auszugsweiser) Wiedergabe der Passagen des Beschlusses des BVerfG vom 15.3.2000 unter B. I. 4. behauptet er, die genannten Ausführungen des BVerfG seien "zweifelsohne als Zusatzargumente" erfolgt, nachdem dieses (bereits) die Verfassungswidrigkeit des Zugangs zur gesetzlichen Krankenversicherung festgestellt habe; wegen ihrer Prägnanz und Ausführlichkeit "überschritten" sie "die Qualität eines obiter dictum" und hätten daher Rechtssatzcharakter (S 10 der Beschwerdebegründung).
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Dieser Aussage des BVerfG stellt der Kläger als abweichenden Rechtssatz der Berufungsentscheidung gegenüber:
"Die Ungleichbehandlung von pflichtversicherten und freiwillig versicherten Mitgliedern durch Heranziehung unterschiedlicher Einkommen zur Beitragserhebung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, da zwischen beiden Personenkreisen so wesentliche Unterschiede liegen, dass eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt ist."
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Zur Erläuterung verweist der Kläger auf Ausführungen des LSG in seiner Berufungsentscheidung (S 8 f des Abdrucks) und fügt hinzu, zwar habe es sich mit der genannten verfassungsgerichtlichen Entscheidung beschäftigt, den von BVerfG aufgestellten Rechtssatz aber gleichwohl verkannt (S 11 der Beschwerdebegründung).
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Eine Divergenz legt der Kläger damit nicht in der gebotenen Weise dar. Es fehlt an hinreichenden Ausführungen dazu, dass es sich bei den von ihm zitierten Darlegungen des BVerfG nicht nur um beiläufige Bemerkungen im systematischen Umfeld der entschiedenen Rechtsfrage, also - nicht divergenzfähige - sog obiter dicta handelt, sondern um solche mit einem entscheidungserheblichen Rechtssatz. Auch wenn sog "Segelanweisungen" (an den Gesetzgeber) bzw Erörterungen zu einer angesprochenen, dann aber doch offengelassenen Rechtsfrage in aller Regel der für unerlässlich gehaltenen frühzeitigen Lenkung der Rechtsentwicklung dienen werden und damit zweifelsohne genauso ernst genommen werden müssen, lösen sie gleichwohl eine Divergenzzulassung nicht aus. Zwar interpretiert der Kläger die genannten Ausführungen des BVerfG richtigerweise als "Zusatzargumente"; er setzt sich jedoch nicht damit auseinander, dass diese "Zusatzargumente" vom BVerfG nur für den Fall als relevant erachtet worden sein könnten, dass der Gesetzgeber für die Korrektur der gleichheitswidrigen Benachteiligung freiwillig krankenversicherter Rentner die - vom BVerfG in ein Alternativitätsverhältnis gestellte - beitragsrechtliche Lösung wählt. Der bloße Hinweis auf die "Prägnanz und Ausführlichkeit" der Ausführungen reicht für sich allein nicht aus. Der Kläger hätte sich darüber hinaus mit späteren Entscheidungen des BVerfG auseinandersetzen müssen, in denen es das Gericht nicht als gleichheitsrechtlich geboten angesehen hat, das Beitragsrecht für Pflichtversicherte und freiwillig Versicherte einheitlich zu regeln (vgl - zu freiwillig versicherten Erwerbstätigen - ua BVerfGE 103, 392 = SozR 3-2500 § 240 Nr 39 und - zu freiwillig versicherten Ruhestands-beamten, die auch eine Rente beziehen - ua BVerfG SozR 3-2500 § 248 Nr 6).
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2. Der Kläger stützt sich sodann auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG; S 14 bis 19 der Beschwerdebegründung).
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Er wirft die Fragen auf,
"ob das Ausmaß der zwischen den freiwillig Versicherten und den Pflichtmitgliedern bestehenden Unterschiede in der Beitragsbemessung bei der Berechnung der Kranken- und Pflegeversicherung während des Bezugs von Rente gerechtfertigt ist"
und
"ob in Abgrenzung zu den Pflichtmitgliedern die freiwillig Versicherten sich bei der Beitragsbemessung auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zurechnen lassen müssen, da auf ihre gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit abgestellt werden darf".
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Der Kläger hält die gestellten Fragen für klärungsbedürftig, weil sie vom BSG noch nicht entschieden worden seien, und nimmt Bezug auf seine Ausführungen zu dem Zulassungsgrund der Divergenz.
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Mit diesem Vorbringen genügt der Kläger den an die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) zu stellenden Anforderungen nicht. Zwar trifft es zu, dass es hierfür nicht darauf ankommt, ob die eingangs vom Kläger als tragender Rechtssatz apostrophierte Aussage des BVerfG qualitativ einen solchen darstellt oder nicht. Jedoch muss die Beschwerde in einem solchen Fall die vorhandene Rechtsprechung - auch des BSG - zur Vereinbarkeit unterschiedlicher Beitragsbemessung für pflichtversicherte und freiwillig versicherte Rentner mit der Verfassung umfassend darstellen und vortragen, dass die dieser Rechtsprechung zugrunde liegenden Annahmen nicht (mehr) zutreffen und die Rechtsfragen (nun wieder) höchstrichterlicher Klärung bedürfen. Insoweit hätte es etwa auch einer Auseinandersetzung mit der unter 1. herangezogenen späteren Rechtsprechung des BVerfG und Rechtsprechung des BSG (vgl stv BSG SozR 4-2500 § 240 Nr 14; SozR 4-3300 § 57 Nr 3; SozR 4-2500 § 240 Nr 7) bedurft. Daran fehlt es.
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Soweit der Kläger schließlich die Frage stellt, "ob die zeitliche Anwendung des § 7 Abs. 7 Satz 3 BeitrVerfGrsSz rechtlich zu beanstanden ist, da er bei einer Herabsetzung der Bemessungsgrundlagen nicht auf den Bemessungszeitraum eines Einkommensteuerbescheides abzielt, sondern auf dessen Ausfertigung" (S 19 der Beschwerdebegründung), erläutert er deren von ihm angenommene Klärungsbedürftigkeit (überhaupt) nicht.
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3. Der Kläger bezeichnet in seiner Beschwerdebegründung auch keinen entscheidungserheblichen Verfahrensmangel des Berufungsgerichts (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG; S 19 bis 22 der Beschwerdebegründung). Abgesehen davon, dass ein Aufklärungsmangel des LSG mit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG erfolgreich nur dann gerügt werden kann, wenn sich der Verfahrensmangel auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist, und dass der Kläger einen solchen Aufklärungsmangel nicht rügt, beruht seine Forderung nach einer Beweiserhebung durch Verkehrsbefragung, Statistik oder durch ein statistisches Gutachten auf der Prämisse, das BVerfG habe sich in seinem Beschluss vom 15.3.2000 (BVerfGE 102, 68 = SozR 3-2500 § 5 Nr 42) auf die darin enthaltenen Ausführungen (unter B. I. 4.a aa) für den dortigen Rechtsstreit tragend gestützt. Wie bereits erörtert (unter 1.) hat der Kläger deren Entscheidungserheblichkeit aber nicht substantiiert dargelegt.
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4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
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