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BSG 02.11.2015 - B 13 R 27/14 R
BSG 02.11.2015 - B 13 R 27/14 R - (Witwerrentenbezug - Rückforderung der überzahlten Leistung wegen nicht angezeigter Wiederheirat - Aufhebung einer Rentenbewilligung zu Lasten eines gesetzwidrig Begünstigten - "Zahlung" einer "Geldleistung" iSd § 45 Abs 3 S 4 SGB 10 - alleiniges Bestehen eines sog Rentenstammrechts)
Normen
§ 46 Abs 1 SGB 6, § 46 Abs 2 SGB 6, § 97 SGB 6, § 100 Abs 3 S 1 SGB 6, § 45 Abs 3 S 3 SGB 10, § 45 Abs 3 S 4 SGB 10, § 48 Abs 1 SGB 10, § 48 Abs 4 S 1 SGB 10, § 50 Abs 1 SGB 10
Vorinstanz
vorgehend SG Stade, 5. September 2012, Az: S 23 R 578/11, Urteil
vorgehend Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, 24. Juli 2014, Az: L 12 R 269/12, Urteil
Leitsatz
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Die rückwirkende Aufhebung einer Rentenbewilligung zu Lasten eines gesetzwidrig Begünstigten ist ausgeschlossen, wenn zu Beginn des Aufhebungsverwaltungsverfahrens die Rente nicht mehr gezahlt wurde und der das Ende der Rentenzahlung verfügende Verwaltungsakt bereits bestandskräftig war (Fortführung von BSG vom 1.7.2010 - B 13 R 77/09 R = SozR 4-1300 § 48 Nr 18).
Tenor
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Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 24. Juli 2014 wird zurückgewiesen.
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Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über die Berechtigung der Beklagten zur rückwirkenden Aufhebung der Bewilligung einer Witwerrente und Rückforderung überzahlter Rentenleistungen.
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Der 1966 geborene Kläger war seit 1987 mit der am 4.1.1993 verstorbenen Versicherten verheiratet und hat mit ihr zwei gemeinsame Kinder.
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Mit Bescheid vom 1.4.1993 bewilligte der beklagte Rentenversicherungsträger dem Kläger ab dem Todestag der Versicherten eine große Witwerrente. Der Bescheid enthielt ua den Hinweis, dass die Rente mit Ablauf des Monats der Wiederheirat wegfalle und dass die Verpflichtung bestehe, eine Wiederheirat unverzüglich mitzuteilen. Mit diesem Bescheid und weiteren Rentenanpassungsbescheiden gewährte die Beklagte dem Kläger fortlaufend bis 31.1.2007 Witwerrentenleistungen iHv zuletzt monatlich 208,93 Euro.
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Wegen der Vollendung des 18. Lebensjahrs des jüngsten Kindes bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 14.11.2006 ab 1.2.2007 anstelle der bisherigen großen nur noch eine kleine Witwerrente. Eine Rentenzahlung erfolgte auf Grund von Einkommensanrechnung nicht. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
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Mit Bescheid vom 11.5.2011 bewilligte die Beklagte dem Kläger wegen Vollendung des 45. Lebensjahrs ab 1.9.2011 anstelle der kleinen wieder eine große Witwerrente iHv monatlich 177,93 Euro. Daraufhin teilte der Kläger mit einem am 16.5.2011 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben mit, bereits seit dem 13.9.1996 wiederverheiratet zu sein.
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Nach Anhörung des Klägers hob die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 18.7.2011 den Rentenbescheid vom 1.4.1993 über die große Witwerrente sowie die Rentenanpassungsbescheide für die Zeit vom 1.10.1996 bis 31.1.2007 nach § 48 SGB X auf. Die zu Unrecht gezahlten Witwerrentenleistungen iHv 26 133,74 Euro seien nach § 50 SGB X zu erstatten. Der Kläger sei seiner gesetzlichen Mitteilungspflicht hinsichtlich der Wiederheirat nicht nachgekommen und hätte Kenntnis davon haben müssen, dass der Anspruch auf Witwerrente bei Wiederheirat entfalle. Mit weiterem Bescheid vom selben Tag nahm die Beklagte nach § 45 SGB X den Rentenbescheid vom 14.11.2006 über die kleine Witwerrente ab 1.2.2007 und den Bescheid vom 11.5.2011 über die große Witwerrente ab 1.9.2011 zurück.
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Gegen beide Bescheide vom 18.7.2011 erhob der Kläger Widerspruch, wobei er diesen auf die Rücknahme der Rentenbewilligungen bis einschließlich 31.8.2011 und die daraus resultierende Erstattungspflicht beschränkte.
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Mit Bescheid vom 14.9.2011 modifizierte die Beklagte den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 18.7.2011 dahingehend, dass die Rücknahme des Rentenbescheids vom 1.4.1993 über die große Witwerrente sowie der Folgebescheide für die Zeit vom 1.10.1996 bis 31.1.2007 nicht auf § 48 SGB X, sondern auf § 45 SGB X gestützt werde.
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Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 10.11.2011 als unbegründet zurück. Adressaten von Bescheiden seien verpflichtet, diese zu lesen; wer dort eindeutig formulierte Hinweise ignoriere, müsse sich die grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit des Bescheids vorwerfen lassen.
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Das SG hat mit Urteil vom 5.9.2012 die Bescheide der Beklagten vom 18.7.2011 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 14.9.2011 und des Widerspruchsbescheids vom 10.11.2011 aufgehoben, soweit der Bescheid vom 1.4.1993 sowie die Folgebescheide für den Zeitraum vom 1.10.1996 bis 31.8.2011 aufgehoben und vom Kläger Erstattung der in diesem Zeitraum geleisteten Rentenzahlungen gefordert wurde.
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Die Berufung der Beklagten hat das LSG mit Urteil vom 24.7.2014 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Aufhebung der mit Bescheid vom 1.4.1993 bewilligten großen Witwerrente sei gemäß § 48 Abs 4 S 1 iVm § 45 Abs 3 S 4 SGB X wegen Fristablaufs nicht mehr möglich. Denn für eine Aufhebung nach Ablauf der Frist von zehn Jahren nach Änderung der Verhältnisse durch die Wiederheirat des Klägers am 13.9.1996 fehle es an der Voraussetzung, dass die Geldleistung bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Aufhebung gezahlt worden sei. Unter den Begriff der Zahlung einer Geldleistung iS des § 45 Abs 3 S 4 SGB X falle zum einen der tatsächliche Fluss von Geldmitteln. Darüber hinaus seien nach der Rechtsprechung des BSG diese Voraussetzungen auch dann erfüllt, wenn zwar keine tatsächliche Zahlung mehr vorliege, aber die Rente noch als gezahlt gelte, weil noch keine bestandskräftige Entscheidung über das Ende der Zahlung getroffen worden sei (Hinweis auf die Senatsentscheidung vom 1.7.2010 - SozR 4-1300 § 48 Nr 18 RdNr 50). Diese Voraussetzungen hätten hier nicht mehr vorgelegen. Die letzte Rentenzahlung an den Kläger sei im Januar 2007 erfolgt. Zudem liege mit dem Bescheid vom 14.11.2006 eine bestandskräftige Entscheidung über das Ende der Zahlung vor. Etwas anderes gelte nicht deshalb, weil durch den Bescheid vom 14.11.2006 für die Zeit ab dem 1.2.2007 ein "Stammrecht ohne tatsächliche Leistungsgewährung" entstanden sei. Denn dieses stelle bereits nach dem Wortlaut des § 45 Abs 3 S 4 SGB X keine Zahlung dar. Der insofern eindeutige Wortlaut fordere zumindest, dass eine Geldzahlung noch im Raum stehe, über eine Ablehnung also noch nicht abschließend entschieden worden sei. Fälle wie der vorliegende, in denen eine Geldzahlung bereits seit Jahren nicht mehr getätigt werde und in denen auch die entsprechende Entscheidung über die Zahlungseinstellung bestandskräftig sei, fielen nicht unter § 45 Abs 3 S 4 SGB X.
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Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 48 Abs 4 S 1 iVm § 45 Abs 3 S 4 SGB X. Die Vorinstanzen hätten den Begriff "gezahlt" iS der vorgenannten Bestimmung verkannt. Ausreichend sei hierfür allein das Bestehen eines "Stammrechts". Ein tatsächlicher Zahlungsfluss müsse nicht erfolgen, wenn dies - wie hier - allein durch eine Einkommensanrechnung verhindert werde. Der Zweck der Begrenzung der erweiterten Rücknahmebefugnis des § 45 Abs 3 S 4 SGB X auf laufend gezahlte Geldleistungen sei darin zu sehen, dass nur vollständig abgeschlossene Leistungsfälle nicht erfasst werden sollten. Eine faktische Auszahlung werde zB nicht gefordert, wenn diese aus technischen Gründen unterblieben sei (Hinweis auf das Senatsurteil vom 1.7.2010 - SozR 4-1300 § 48 Nr 18 RdNr 52). "Gezahlt" iS des § 45 Abs 3 S 4 SGB X könne daher unbedenklich so verstanden werden, dass der zeitliche Abschnitt, in dem die Gewährung der laufenden Geldleistung in Betracht komme, noch nicht endgültig abgelaufen sein dürfe. Ob im Einzelfall für bestimmte Zwischenzeiträume wegen zu hohen anrechenbaren Einkommens tatsächlich keine Rentenleistungen ausgekehrt worden seien, sei unerheblich. Damit korrespondierend werde in der Gesetzesbegründung (Hinweis auf BT-Drucks 13/10033 S 20) darauf abgestellt, ob es sich um "abgeschlossene Fälle" handele. Dies entspreche zugleich dem seinerzeitigen Anliegen des Bundesrechnungshofs, unredliche Leistungsbezieher im Rahmen der Fristenregelung des § 45 Abs 3 SGB X nicht zu begünstigen (Hinweis auf BT-Drucks 13/5700 S 70). Die Rechtsauffassung der Vorinstanzen führe zu Wertungswidersprüchen, wenn ein wegen Einkommensanrechnung vorübergehend nicht zur Auszahlung gelangtes "Stammrecht" weiter bestehe und der Zahlungsanspruch wegen späterer Verringerung des anzurechnenden Einkommens wieder auflebe. In diesem Fall müsse auch nach Auffassung der Vorinstanzen eine Aufhebung über die Zehnjahresfrist hinausgehend nachträglich wieder möglich sein, was zu zufallsabhängigen Ergebnissen führen könne. Abgeschlossen sei ein Fall in der vorliegenden Konstellation erst dann, wenn ein bestandskräftiger Aufhebungsbescheid nach Wiederheirat den Anspruch auf Witwerrente endgültig beendet habe.
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Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen vom 24. Juli 2014 und das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 5. September 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger seine Klage zurückgenommen, soweit sie die Rücknahme des Bescheids der Beklagten vom 18.7.2011 hinsichtlich der Bewilligung der kleinen Witwerrente für den Zeitraum vom 1.2.2007 bis 31.8.2011 betraf.
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Im Übrigen verteidigt er das angegriffene Urteil.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Beklagten ist unbegründet.
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A. Nach der teilweisen Klagerücknahme des Klägers ist Gegenstand des Revisionsverfahrens nur noch der von ihm mit einer Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 Alt 1 SGG) angegriffene erste Bescheid vom 18.7.2011 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 14.9.2011 und des Widerspruchsbescheids vom 10.11.2011, mit dem die Beklagte ihren Bescheid vom 1.4.1993 über die Bewilligung der großen Witwerrente sowie die Rentenanpassungsbescheide rückwirkend für den Zeitraum vom 1.10.1996 bis 31.1.2007 aufgehoben und die Erstattung der in diesem Zeitraum erbrachten Rentenleistungen iHv 26 133,74 Euro gefordert hat.
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B. Zu Recht hat das LSG entschieden, dass die Beklagte nicht berechtigt war, die Rentenbewilligung rückwirkend für den vorgenannten Zeitraum aufzuheben und die überzahlten Witwerrentenleistungen zurückzufordern, weil die Voraussetzungen des § 48 Abs 4 S 1 iVm § 45 Abs 3 S 4 SGB X für eine Rücknahme nach Ablauf der Zehnjahresfrist nicht vorliegen.
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I. Als Rechtsgrundlagen für den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid kommen nur § 48 Abs 1 und § 50 Abs 1 SGB X in Betracht.
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Nach § 48 Abs 1 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll gemäß § 48 Abs 1 S 2 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit auch die weiteren Voraussetzungen des S 2 (Nr 1 - 4) erfüllt sind.
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1. Die in § 48 Abs 1 S 1 SGB X genannten Voraussetzungen für eine Aufhebung liegen vor. Bei der mit Bescheid vom 1.4.1993 erfolgten Bewilligung der großen Witwerrente handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Zum Zeitpunkt seines Erlasses war dieser Bescheid objektiv rechtmäßig, weil die versicherte Ehefrau des Klägers am 4.1.1993 verstorben und der Kläger zu diesem Zeitpunkt auch nicht wiederverheiratet war. Die wesentliche Änderung in den (tatsächlichen) Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, liegt darin, dass der Kläger am 13.9.1996 erneut geheiratet hat. Denn § 46 Abs 1 und Abs 2 SGB VI machen den Anspruch auf (kleine und große) Witwen- oder Witwerrente davon abhängig, dass die Witwe oder der Witwer "nicht wieder geheiratet haben". Damit hat der Gesetzgeber unter Verzicht auf eine besondere Wegfallbestimmung das Nichtverheiratetsein der Witwe oder des Witwers als Anspruchsvoraussetzung normiert (Senatsentscheidung vom 1.7.2010 - SozR 4-1300 § 48 Nr 18 RdNr 29 mwN). Entsprechend bestimmt § 100 Abs 3 S 1 SGB VI, dass, sofern aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente wegfallen, die Rentenzahlung mit dem Beginn des Kalendermonats endet, zu dessen Beginn der Wegfall wirksam ist. Somit ist zum 1.10.1996 eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten.
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2. Ob dem Kläger Vertrauensschutz gemäß § 48 Abs 1 S 2 Nr 2 und Nr 4 SGB X abzusprechen ist, hat das LSG nicht geprüft. Einer Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz wegen dieser Frage bedarf es indessen nicht. Denn selbst wenn die Voraussetzungen der vorgenannten Aufhebungstatbestände im Fall des Klägers im Hinblick auf dessen Bösgläubigkeit vorliegen sollten, weist der angefochtene Aufhebungs- und Erstattungsbescheid einen Rechtsmangel auf, dessentwegen er vom LSG zu Recht aufgehoben worden ist. Dies ergibt sich aus der Verweisung in § 48 Abs 4 S 1 SGB X. Danach "gelten" ua die S 3 und 4 des § 45 Abs 3 SGB X "entsprechend".
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Nach § 45 Abs 3 S 3 Nr 1 SGB X kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe nach Abs 2 dann zurückgenommen werden, wenn die Voraussetzungen des Abs 2 S 3 Nr 2 (Verwaltungsakt beruht auf vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtigen oder unvollständigen Angaben) oder Nr 3 (Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts) gegeben sind. Nach Abs 3 S 4 kann in den Fällen des S 3 ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. Bei dieser Rechtsgrundverweisung in § 48 Abs 4 S 1 SGB X sind allerdings die systematischen und teleologischen "Entsprechungen" des § 48 SGB X gegenüber § 45 SGB X zu beachten (Senatsentscheidung vom 1.7.2010 - SozR 4-1300 § 48 Nr 18 RdNr 42).
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Vorliegend war die Zehnjahresfrist des § 48 Abs 4 S 1 iVm § 45 Abs 3 S 3 SGB X, die vom Zeitpunkt der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse (Wiederheirat des Klägers am 13.9.1996) an lief (vgl hierzu BSG Urteil vom 11.12.1992 - BSGE 72, 1, 6 = SozR 3-1300 § 48 Nr 22 S 35), zu Beginn des Verwaltungsverfahrens im Mai 2011 (vgl §§ 8 , 18 SGB X ), das zum Erlass des streitgegenständlichen Aufhebungsbescheids vom 18.7.2011 führte, längst abgelaufen.
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Die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung der großen Witwerrente zum 1.10.1996 war auch nach § 48 Abs 4 S 1 iVm § 45 Abs 3 S 4 SGB X nicht mehr möglich. Denn zwingende Voraussetzung für die Aufhebung nach Ablauf der Zehnjahresfrist ist hiernach, dass die laufende Geldleistung (zum Begriff: BSG Urteil vom 3.7.2012 - BSGE 111, 137 = SozR SozR 4-2500 § 13 Nr 25, RdNr 11 mwN), hier also die große Witwerrente, mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Aufhebung gezahlt worden ist. Dies war vorliegend aber nicht der Fall.
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a) Unter den Begriff der "Zahlung" einer laufenden Geldleistung iS des § 45 Abs 3 S 4 SGB X fällt - worauf das LSG zutreffend hingewiesen hat - zum einen der tatsächliche Fluss von Geldmitteln durch Bargeld oder bargeldlose Überweisung. Eine solche tatsächliche Zahlung lag bei Beginn des Verwaltungsverfahrens im Mai 2011 nicht vor. Die letzte Rentenzahlung an den Kläger erfolgte im Januar 2007.
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b) Darüber hinaus hat der Senat in seinem Urteil vom 1.7.2010 (SozR 4-1300 § 48 Nr 18 RdNr 50 bis 53) aber entschieden, dass eine Rente auch dann als gezahlt iS des § 45 Abs 3 S 4 SGB X gilt, wenn sie zwar zu Beginn des maßgeblichen Aufhebungsverwaltungsverfahrens tatsächlich nicht mehr gezahlt wurde, aber zu diesem Zeitpunkt noch kein das Ende der (monatlichen) Rentenzahlung aus einem Rentenrecht verfügender bestandskräftiger Verwaltungsakt vorlag.
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An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Auch hiernach fehlt es vorliegend aber an der Voraussetzung, dass die Geldleistung bis zum Beginn des Aufhebungsverwaltungsverfahrens iS des § 45 Abs 3 S 4 SGB X "gezahlt" wurde. Denn lange vor Beginn dieses Verwaltungsverfahrens lag bereits mit dem Bescheid vom 14.11.2006 ein das Ende der Zahlung der großen Witwerrente und die Nichtzahlung der kleinen Witwerrente verfügender Verwaltungsakt vor, der bindend wurde (§ 77 SGG).
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c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass dem Kläger in dem Bescheid vom 14.11.2006 (anstelle des bisherigen Rechts auf große Witwerrente) ein Recht auf kleine Witwerrente ab 1.2.2007 zuerkannt wurde. Denn aus diesem Renten(stamm)recht flossen ihm wegen Einkommensanrechnung (§ 97 SGB VI) bis zum Beginn des hier maßgeblichen Aufhebungsverfahrens keine monatlichen Zahlungsansprüche zu; diese waren vielmehr zur Vermeidung einer Über- oder Doppelversorgung des Klägers im Zeitraum vom 1.2.2007 bis 31.8.2011 endgültig untergegangen.
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Der Senat sieht sich sowohl vom Wortlaut als auch vom Sinn und Zweck des § 45 Abs 3 S 4 SGB X unter Berücksichtigung der einschlägigen Gesetzesmaterialien daran gehindert, die (kleine) Witwerrente auch dann noch bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Aufhebung als "gezahlt" iS des § 45 Abs 3 S 4 SGB X gelten zu lassen, wenn zu diesem Zeitpunkt - wie vorliegend - nur noch das "Rentenstammrecht" bestanden hat.
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aa) Entgegen der Auffassung der Beklagten kann allein das Bestehen eines sogenannten "Rentenstammrechts" nicht als "Zahlung" einer "Geldleistung" iS des § 45 Abs 3 S 4 SGB X angesehen werden. Dies folgt schon aus dem Begriff und Inhalt des sogenannten "Stammrechts" (vgl hierzu BSG Urteil vom 18.12.1986 - BSGE 61, 108, 110 = SozR 2200 § 1269 Nr 3 S 9; BSG Urteil vom 23.6.1994 - SozR 3-2600 § 300 Nr 3 S 5; BSG Urteil vom 2.8.2000 - SozR 3-2600 § 100 Nr 1 S 3 f; BSG Urteil vom 2.8.2000 - SozR 3-2600 § 99 Nr 5 S 16 ff; BSG Urteil vom 23.10.2003 - SozR 4-1200 § 53 Nr 1 RdNr 22; W. Meyer, Rechtliche Grundstrukturen der gesetzlichen Altersrentenversicherung, RV 2003, 21, 24; Malkewitz, Zur Systematik des Rentenanspruches in der gesetzlichen Rentenversicherungen, DRV 1963, 10-21 mwN auf frühere Rechtsprechung des BSG und des Reichsversicherungsamts zum "<Renten->Stammrecht"). Zwar wird mit Entstehen eines subjektiv-öffentlichen "Stammrechts" auf Rente (auch "Grundanspruch", "Anspruch dem Grunde nach" oder gelegentlich auch "Quellrecht" genannt) ein Leistungsverhältnis zwischen Rechtsinhaber und Versicherungsträger konkretisiert, aus dem (im Regelfall) Monat für Monat ein Anspruch (vgl § 194 BGB) des Rechtsinhabers gegen den Rentenversicherungsträger auf Zahlung eines bestimmten Geldbetrags entsteht. Die dem Berechtigten aus dem "Stammrecht" erwachsenden monatlichen Zahlungsansprüche (vgl BSG Urteil vom 9.10.2012 - BSGE 112, 74 = SozR 4-1300 § 45 Nr 10, RdNr 18) können allerdings untergehen. Das kann zB dann der Fall sein, wenn - wie vorliegend - Einkommensanrechnungsvorschriften zur Vermeidung einer Über- oder Doppelversorgung des Rechtsinhabers entgegenstehen. Ist aber der aus einem (vermeintlichen) "Rentenstammrecht" fließende monatliche Zahlungsanspruch - aus welchen Rechtsgründen auch immer - vernichtet bzw untergegangen, kann trotz des (Weiter-)Bestehens des "Stammrechts" auf Rente auch keine "Zahlung" iS des § 45 Abs 3 S 4 SGB X (mehr) vorliegen.
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bb) Auch der Sinn und Zweck des § 45 Abs 3 S 4 SGB X gebietet die von der Beklagten vertretene extensive Auslegung des Begriffs der "Zahlung" im Rahmen dieser Bestimmung nicht. Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 1.7.2010 unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien darauf hingewiesen, dass die Befugnis des Rentenversicherungsträgers zur Rücknahme eines Verwaltungsakts über eine laufende Geldleistung auch nach Überschreitung der Zehnjahresfrist ihre Rechtfertigung in der Störung der Rechtsordnung infolge der vom Gesetzgeber missbilligten Perpetuierung des Unrechts bis in die Gegenwart durch den bösgläubigen Empfang einer rechtlich nicht zustehenden Geldleistung findet (vgl SozR 4-1300 § 48 Nr 18 RdNr 53). Eine solche Perpetuierung des Unrechts durch den fortbestehenden Empfang rechtlich nicht zustehender laufender Geldleistungen liegt im Falle des bloßen Bestehens eines - "ruhenden" (oder - bildhaft gesprochen - "inaktiven") - "Rentenstammrechts" aber nicht vor. Hiermit korrespondierend hat die Beklagte in ihrem Bescheid vom 14.11.2006 auch selbst festgestellt, dass die (kleine) Witwerrente ab dem 1.2.2007 "nicht gezahlt" werde. Dass eine von der Beklagten mit bestandskräftigem Verwaltungsakt festgestellte Nichtzahlung einer Rente ("Nullrente") dann aber im Rahmen des § 45 Abs 3 S 4 SGB X dennoch als "Zahlung" einer "laufenden Geldleistung" gelten soll, ist ein Widerspruch in sich.
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cc) Wenn die Beklagte ihrerseits unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien zu § 45 Abs 3 S 4 SGB X meint, dass (nur) "abgeschlossene Fälle" von dieser Bestimmung nicht mehr erfasst werden sollen (vgl BT-Drucks 13/10033 S 20 zu Art 5 Nr 2), folgt auch hieraus nichts anderes. Denn mit dem "Untergang" der monatlichen Zahlungsansprüche aus dem ("Stamm-")Recht auf (kleine) Witwerrente infolge der bestandskräftigen Entscheidung der Beklagten im Bescheid vom 14.11.2006 über das Ende der Zahlung war auch der konkrete "Leistungsfall" (hier iS von "Zahlungsfall") "abgeschlossen".
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dd) Auch der Einwand der Beklagten, es komme zu "Wertungswidersprüchen" in Fällen, in denen "ein wegen Einkommensanrechnung vorübergehend nicht zur Auszahlung gelangtes Stammrecht weiter besteh(e) und der Auszahlungsanspruch wegen späterer Verringerung des anzurechnenden Einkommens wieder aufleb(e)", weil in diesen Fällen ihrer Auffassung nach über § 45 Abs 3 S 4 SGB X "eine Aufhebung über die Zehnjahresfrist hinausausgehend nachträglich" wieder möglich sei, kann eine andere Entscheidung nicht rechtfertigen. Denn etwaige "Unbilligkeiten" im Rahmen des "Betrügerschutzes" (s hierzu W. Meyer, Vertrauens-, Sozial- oder Betrügerschutz, Festschrift für Otto Ernst Krasney zum 65. Geburtstag, 1997, 319-333) sind allein Folge der gesetzgeberischen Entscheidung, im Rahmen der Ausnahmevorschrift des § 45 Abs 3 S 4 SGB X darauf abzustellen, dass die zu Unrecht bezogene "laufende Geldleistung" mindestens bis zum Beginn des Aufhebungsverwaltungsverfahrens "gezahlt" worden sein muss. Ob die derzeitige gesetzliche Regelung auch in Fällen bösgläubiger Kenntnis des Nichtbestehens eines Leistungsanspruchs angemessen oder zweckmäßig ist, erscheint zweifelhaft, war vom Senat aber nicht zu entscheiden. Es ist daher auch unerheblich, dass die Beklagte die Rentenzahlung nach Ablauf der Zehnjahresfrist mit Bescheid vom 11.5.2011 aufgrund der Bewilligung der großen Witwerrente wegen Vollendung des 45. Lebensjahres des Klägers ab dem 1.9.2011 wieder aufnehmen wollte. Zudem handelt es sich bei den Rücknahmefristen (bzw "Rücknahmeverboten durch Zeitablauf") des § 45 Abs 3 SGB VI um Ausschlussfristen (vgl Waschull in Diering/Timme/Waschull, Lehr- und Praxiskomm, SGB X, 3. Aufl 2011, § 45 RdNr 76 mwN), die sich nicht nachträglich, dh nach Fristablauf, durch neue Umstände verlängern oder neu zu laufen beginnen.
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II. Da nach alledem die Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung des Bescheids vom 1.4.1993 nicht vorlagen, war der Kläger auch nicht zur Erstattung der zu Unrecht im Zeitraum vom 1.10.1996 bis 31.1.2007 empfangenen Geldleistungen aus der großen Witwerrente nach § 50 Abs 1 S 1 SGB X verpflichtet.
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
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