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BSG 23.07.2015 - B 2 U 6/14 R
BSG 23.07.2015 - B 2 U 6/14 R - (Gesetzliche Unfallversicherung - Auslegung: Verletztenrentenbeginn gem § 72 Abs 1 Nr 1 SGB 7 - Beendigung bzw Wegfall des Verletztengeldanspruchs: Änderung in der Höhe wegen beendeter Arbeitsunfähigkeit - ein Versicherungsfall - Mehrfachbeschäftigung - einheitlicher Verletztengeldanspruch - kein Ausschlussprinzip hinsichtlich einer Doppelleistung: zeitgleicher Bezug von Verletztenrente und geringerem Verletztengeld - Ungleichbehandlung der Versichertengruppe mit Mehrfachbeschäftigung gegenüber Versicherten mit einer Beschäftigung - Rentenberechnung bei Mehrfachbeschäftigung: JAV gem §§ 82 Abs 1 S 1, 87 SGB 7)
Normen
§ 56 Abs 1 S 1 SGB 7, § 56 Abs 3 S 2 SGB 7, § 72 Abs 1 Nr 1 SGB 7, § 82 Abs 1 S 1 SGB 7, § 87 SGB 7, Art 3 Abs 1 GG
Vorinstanz
vorgehend SG Freiburg (Breisgau), 17. September 2013, Az: S 9 U 4942/12, Urteil
vorgehend Landessozialgericht Baden-Württemberg, 31. März 2014, Az: L 1 U 4557/13, Urteil
Leitsatz
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Bei mehreren Beschäftigungen beginnt die Verletztenrente bereits dann, wenn sich die Höhe des Anspruchs auf Verletztengeld ändert, weil in einer der Beschäftigungen die Arbeitsunfähigkeit endet.
Tenor
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Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 31. März 2014 aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 17. September 2014 zurückgewiesen.
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Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch für das Berufungs- und Revisionsverfahren zu erstatten.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung von Verletztenrente für einen Zeitraum, in dem ihm wegen Arbeitsunfähigkeit in einer weiteren Beschäftigung ein Anspruch auf Verletztengeld zusteht.
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Der im Jahre 1970 geborene Kläger übte zwei Beschäftigungen aus. Er war in einem Getränkegroßhandel als Fahrer und daneben als Spinningtrainer tätig. Im Zeitraum vom 1.11.2009 bis 31.10.2010 erzielte er aus seiner Beschäftigung als Fahrer ein Bruttoentgelt von 36 770,37 Euro und aus der stundenweise entlohnten Beschäftigung als Spinningtrainer 3028,52 Euro. Am 8.11.2010 stürzte er während seiner Tätigkeit als Fahrer und erlitt dadurch einen Bruch des rechten Fußgelenkes. Er war bis 29.5.2011 in beiden Beschäftigungen arbeitsunfähig. Seit dem 30.5.2011 arbeitete er in seiner Beschäftigung in dem Getränkegroßhandel wieder vollschichtig, nunmehr als Staplerfahrer. In seiner weiteren Beschäftigung als Spinningtrainer war der Kläger über den 29.5.2011 hinaus arbeitsunfähig. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 14.6.2012 bewilligte ihm die Beklagte Verletztengeld bis zum 31.5.2012. Für dessen Höhe berücksichtigte sie für die Zeit ab 30.5.2011 nur noch das Entgelt aus der Tätigkeit als Spinningtrainer. Als Folge des Sprunggelenkbruches verblieben schmerzhafte Bewegungseinschränkungen des oberen Sprunggelenkes des rechten Fußes, die bei dem Kläger im Zeitraum vom 30.5.2011 bis 31.5.2012 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 vH bedingten.
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Mit einem Bescheid über Gesamtvergütung vom 12.6.2012 bewilligte die Beklagte dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls eine als vorläufige Entschädigung zu zahlende Rente für den Zeitraum vom 1.6.2012 bis 31.12.2012 nach einer MdE von 20 vH. Für die Berechnung des Jahresarbeitsverdienstes (JAV) legte sie die Summe der erzielten Arbeitsentgelte aus beiden Beschäftigungen zugrunde. Der Kläger machte mit seinem Widerspruch geltend, ihm sei bereits ab 30.5.2011 eine Verletztenrente zu gewähren, weil er in seiner Beschäftigung in dem Getränkegroßhandel aufgrund der Verletzungsfolgen nicht mehr in der vorherigen Position eingesetzt werden könne. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 28.9.2012). Verletztenrente könne erst ab dem 1.6.2012 gezahlt werden, weil dies der Tag sei, der dem Tag folge, an dem der Anspruch auf Verletztengeld ende.
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Das SG hat mit Urteil vom 17.9.2013 die Bescheide der Beklagten abgeändert und sie verurteilt, dem Kläger bereits vom 30.5.2011 an Verletztenrente nach einer MdE von 20 vH zu gewähren. Die den Beginn der Verletztenrente regelnde Vorschrift des § 72 Abs 1 Nr 1 SGB VII sei so auszulegen, dass bei Bestehen mehrerer Verletztengeldansprüche bereits der Wegfall des ersten Anspruchs zum Beginn der Rentenzahlung führe. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG mit Urteil vom 31.3.2014 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe erst ab 1.6.2012 Anspruch auf Verletztenrente, weil bis zum 31.5.2012 wegen der gesundheitlichen Folgen des Arbeitsunfalls ein Anspruch auf Verletztengeld bestanden habe. Zwar regele § 72 Abs 1 Nr 1 SGB VII nicht ausdrücklich den Rentenbeginn für den Fall, dass einem Verletztengeldanspruch mehrere Beschäftigungen zugrunde lägen und die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit in diesen Beschäftigungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten ende. Der Wille des Gesetzgebers gehe jedoch dahin, dass im Falle einer Ersterkrankung Verletztenrente nicht gleichzeitig mit Verletztengeld bezogen werden könne, weil Doppelleistungen aus dem System der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich vermieden werden sollten.
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Der Kläger rügt mit seiner Revision die Verletzung des § 72 SGB VII. Diese Vorschrift müsse unter Berücksichtigung des Art 12 GG so ausgelegt werden, dass bei mehreren Beschäftigungen für den Rentenbeginn auf das Ende der Arbeitsunfähigkeit abzustellen sei, das bei Ausübung nur einer Beschäftigung zum Wegfall des Anspruchs auf Verletztengeld führen und damit den Beginn der Verletztenrente bestimmen würde. Die Rechtsauffassung des LSG beruhe auf einer überkommenen, der heutigen Berufswelt nicht mehr ausreichend Rechnung tragenden Vorstellung, dass ein Versicherter sein Erwerbseinkommen in aller Regel aus einer einzigen Beschäftigung beziehe.
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Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 31. März 2014 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 17. September 2014 zurückzuweisen.
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Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Das Urteil des LSG beruht auf einer Verletzung des § 72 Abs 1 SGB VII. Das LSG hat zu Unrecht das Urteil des SG aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Der Kläger hat auch für die Zeit vom 30.5.2011 bis 31.5.2012 Anspruch auf Zahlung einer Verletztenrente.
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Das SG hat zu Recht auf die vom Kläger zulässig erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1, Abs 4 SGG) die angefochtenen Bescheide abgeändert und die Beklagte zur Gewährung einer Verletztenrente als vorläufige Entschädigung dem Grunde nach (§ 130 Abs 1 Satz 1 SGG) auch für die Zeit vom 30.5.2011 bis 31.5.2012 verurteilt. Die Voraussetzungen für eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 vH lagen auch in diesem Zeitraum vor (hierzu unter 1.). Einem Rentenbeginn am 30.5.2011 stand nicht entgegen, dass der Kläger in diesem Zeitraum einen Anspruch auch auf ein Verletztengeld hatte, für dessen Höhe lediglich die Einnahmen aus der Beschäftigung als Spinningtrainer zu berücksichtigen waren (hierzu unter 2.). Über die Höhe der Verletztenrente (dazu unter 3.) hatte der Senat nicht zu entscheiden.
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1. Gemäß § 56 Abs 1 Satz 1 SGB VII (in der seit dem 1.1.1997 unverändert geltenden Fassung des Gesetzes vom 7.8.1996, BGBl I 1254) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vH gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Diese wird bei Minderung der Erwerbsfähigkeit als Teilrente geleistet und in Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente festgesetzt, der dem Grad der MdE entspricht (§ 56 Abs 3 Satz 2 SGB VII). Die Verletztenrente soll gemäß § 62 Abs 1 SGB VII während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall als vorläufige Entschädigung festgesetzt werden, wenn der Umfang der MdE noch nicht abschließend festgestellt werden kann. Diese Voraussetzungen waren für eine Rente nach einer MdE von 20 vH auch im hier streitigen Zeitraum vom 30.5.2011 bis 31.5.2012 erfüllt. Insbesondere bedingte der Gesundheitsschaden, den der Kläger durch den mit Bescheid der Beklagten vom 12.6.2012 anerkannten Arbeitsunfall vom 8.11.2010 erlitten hatte, in dieser Zeit eine MdE von 20 vH. Dies hat das LSG den Senat bindend (§ 163 SGG) festgestellt.
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2. Die dem Kläger zustehende Verletztenrente war ihm ab dem 30.5.2011 zu zahlen. Der Anspruch des Klägers auf Verletztengeld änderte sich in der Höhe ab diesem Tage, weil er in seiner Beschäftigung in dem Getränkegroßhandel wieder arbeitsfähig war. Diese Änderung in der Höhe des Anspruchs auf Verletztengeld genügt für § 72 Abs 1 Nr 1 SGB VII. Gemäß § 72 Abs 1 SGB VII (in der ebenfalls seit dem 1.1.1997 unverändert geltenden Fassung des Gesetzes vom 7.8.1996, BGBl I 1254) werden Renten von dem Tag an gezahlt, der auf den Tag folgt, an dem der Anspruch auf Verletztengeld endet (Nr 1) oder der Versicherungsfall eingetreten ist, wenn kein Anspruch auf Verletztengeld entstanden ist (Nr 2). Zwar steht nach dem bestandskräftigen, die Beteiligten gemäß § 39 SGB X bindenden Bescheid der Beklagten vom 14.6.2012 fest, dass ein Anspruch auf Verletztengeld wegen der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit des Klägers in der Beschäftigung als Spinningtrainer über den 30.5.2011 hinaus bis zum 31.5.2012 bestand. Für dessen Höhe waren jedoch ab dem 30.5.2011 nur noch die geringen Einnahmen aus dieser Beschäftigung zu berücksichtigen, weil der Kläger in seiner Beschäftigung im Getränkegroßhandel ab dem 30.5.2011 arbeitsfähig war. Wäre der Kläger ausschließlich als Fahrer beschäftigt gewesen, hätte die Verletztenrente unstreitig am 30.5.2011 begonnen. § 72 Abs 1 Nr 1 SGB VII ist so auszulegen, dass bei mehreren Beschäftigungen ein Anspruch auf Verletztenrente bereits dann beginnt, wenn der Anspruch auf Verletztengeld sich in der Höhe ändert und nunmehr in niedrigerer Höhe besteht, weil in einer von mehreren Beschäftigungen die Arbeitsunfähigkeit endet.
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Anders als das SG meint, bestehen bei einer auf nur einem Versicherungsfall beruhenden Arbeitsunfähigkeit in mehreren Beschäftigungen nicht mehrere Verletzengeldansprüche, die jeweils zu unterschiedlichen Zeitpunkten enden können, sondern nur ein einheitlicher Verletztengeldanspruch. Verletztengeld wird gemäß § 45 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VII erbracht, wenn der Versicherte infolge des Versicherungsfalls in der bisher ausgeübten Tätigkeit arbeitsunfähig ist. Die den Anspruch auf Verletztengeld begründende Arbeitsunfähigkeit ist nicht auf diejenige in der versicherten Tätigkeit beschränkt, deren Verrichtung zu dem Arbeitsunfall geführt hat (vgl Benz in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Unfallversicherung, § 47 RdNr 47). Die den Anspruch auf Verletztengeld begründende Arbeitsunfähigkeit kann sich bei mehreren Beschäftigungen auf alle Tätigkeiten auswirken oder aber auch nur im Hinblick auf einzelne Tätigkeiten einer von mehreren Beschäftigungen bestehen (vgl Schmitt, SGB VII, 4. Aufl 2009, § 47 RdNr 15). Dementsprechend berechnet sich die Höhe des Verletztengeldes nach § 47 Abs 1 SGB VII bei mehreren Beschäftigungen nicht nur unter Berücksichtigung der Entgelte aus der versicherten Tätigkeit, deren Verrichtung zum Unfall geführt hat, sondern aus dem Gesamtbetrag der Arbeitsentgelte in allen Beschäftigungen, an deren Ausübung der Versicherte infolge einer durch den Versicherungsfall bedingten Arbeitsunfähigkeit gehindert ist. Ist der Versicherte nur in einer Beschäftigung arbeitsunfähig, ist hingegen nur das Entgelt aus dieser Tätigkeit für die Höhe des Verletztengeldes zugrundezulegen (vgl BSG vom 21.3.1974 - 8 RU 81/73 - BSGE 37, 189 = SozR 2200 § 560 Nr 1; Krasney in: Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, SGB VII, § 47 Anm 26, Stand September 2010; Köllner in: Becker/Franke/Molkentin, SGB VII, 4. Aufl 2014, § 47 RdNr 2, 31 f; Schmitt, SGB VII, 4. Aufl 2009, § 47 RdNr 15; § 82 RdNr 9; Benz in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Unfallversicherung, § 47 RdNr 47).
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Der Wortlaut des § 72 Abs 1 Nr 1 SGB VII ist insofern offen. Er umfasst nicht zwangsläufig allein die Beendigung des (einheitlichen) Anspruchs auf Verletztengeld dem Grunde nach. Unter dem Ende des Verletztengeldanspruchs im Sinne dieser Regelung kann auch die Änderung des Verletztengeldanspruchs der Höhe nach verstanden werden mit der Folge, dass bei mehreren Beschäftigungen ein sich durch den Wegfall der Arbeitsunfähigkeit in Bezug auf eine Beschäftigung ergebender niedrigerer Verletztengeldanspruch dem Rentenanspruch nicht entgegensteht. Der Anspruch auf Verletztengeld "endet" auch, soweit er der Höhe nach aufgrund einer geringeren Bemessungsgrundlage entfällt.
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Der sich aus der Gesetzessystematik ergebende Sinn und Zweck des § 72 Abs 1 Nr 1 SGB VII spricht dafür, dass bei mehreren Beschäftigungen die Verletztenrente nicht erst mit dem Wegfall des Verletztengeldes, sondern auch dann beginnt, wenn der Anspruch auf Verletztengeld nur noch in niedrigerer Höhe besteht, weil in einer der Beschäftigungen die Arbeitsunfähigkeit geendet hat. Durch die Vorschrift des § 72 Abs 1 Nr 1 SGB VII soll die nahtlose Zahlung von Verletztenrente im Anschluss an die Zahlung von Verletztengeld gewährleistet werden. Damit wird ein fortlaufender Ausgleich des unfallbedingten Schadens sichergestellt. Während das Verletztengeld den konkreten unfallbedingten Einkommensverlust bis zur möglichen Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit ersetzen soll, wird die Verletztenrente zum Ausgleich des abstrakten Schadens aufgrund einer unfallbedingt geminderten Erwerbsfähigkeit und zur Kompensation immaterieller Schäden gewährt. So wird die Verletztenrente auch dafür geleistet, dass ggf größere Anstrengungen erbracht werden müssen, um die bisherigen Einnahmen zu erwirtschaften, und dass ggf berufliche Veränderungen mit Einkommensverbesserungen nicht möglich sind (vgl BSG vom 8.12.1992 - 1 RK 11/92 - BSGE 71, 299, 301 f = SozR 3-2500 § 61 Nr 2 mwN, und vom 31.3.1998 - B 4 RA 49/96 R - BSGE 82, 83, 93 = SozR 3-2600 § 93 Nr 7). Bei mehreren Beschäftigungen kann die Verletztenrente diese Funktion nur erfüllen, wenn sie bereits mit dem Eintritt der Arbeitsfähigkeit in einer Beschäftigung, die zu einer geringeren Höhe des Verletztengeldes führt, beginnt. Andernfalls würde im Hinblick auf diese Beschäftigung keine Leistung aus der gesetzlichen Unfallversicherung gewährt, obwohl nach der Konzeption des Gesetzes ein Schadensausgleich entweder durch ein Verletztengeld oder eine Verletztenrente erfolgen soll und auch erfolgen würde, würde nur diese Beschäftigung als einzige ausgeübt.
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Dass damit in Fällen der Ausübung mehrerer Beschäftigungen ggf Verletztenrente zeitgleich neben einem Verletztengeld bezogen werden kann, steht dieser Auslegung nicht entgegen. Entgegen der Ansicht des LSG gibt es in der gesetzlichen Unfallversicherung kein Ausschlussprinzip, das einer solchen "Doppel"leistung entgegensteht. § 72 Abs 1 Nr 1 SGB VII verfolgt den Zweck, die Zahlung von Verletztenrente nach dem Ende des Verletztengeldanspruchs ohne Unterbrechung sicherzustellen. Das führt zwar bei Vorliegen nur einer Beschäftigung regelmäßig dazu, dass Verletztengeld und Verletztenrente nicht gleichzeitig bezogen werden können. Den gesetzlichen Regelungen des SGB VII ist jedoch nicht zu entnehmen, dass der Bezug einer Verletztenrente neben anderen Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zwingend ausgeschlossen sein soll. So kann etwa nach § 48 SGB VII bei Wiedererkrankung eines Rentenbeziehers neben der Verletztenrente Verletztengeld bezogen werden.
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Des Weiteren spricht auch die Entstehungsgeschichte des § 72 Abs 1 Nr 1 SGB VII gegen einen solchen zwingenden Ausschluss. Während die bis zum 31.12.1996 geltende Vorschrift des § 580 RVO für den Beginn der Verletztenrente auf den Wegfall der Arbeitsunfähigkeit abstellte, ist nunmehr nach § 72 Abs 1 Nr 1 SGB VII das Ende des Verletztengeldanspruchs maßgebend. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Regelung den Bezug einer Verletztenrente neben der Zahlung von Übergangsgeld zur Vermeidung einer unzureichenden Versorgung ermöglichen. Für schwerverletzte Versicherte, die während einer beruflichen Rehabilitation auf ein gegenüber dem Verletztengeld niedrigeres Übergangsgeld angewiesen waren, sollte ein früherer Rentenbeginn sichergestellt werden (vgl Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz, BT-Drucks 13/2204 S 93). Schließlich ist auch dem Urteil des Senats vom 15.5.2012 (B 2 U 31/11 R - NZS 2012, 909) ein solcher zwingender Ausschluss eines gleichzeitigen Bezugs beider Leistungen nicht zu entnehmen, weil diese Entscheidung nur den zeitgleichen Bezug von Verletztenrente und Verletztengeld bei Ausübung lediglich einer Beschäftigung betraf. Insofern trifft es zu, dass aus denselben Einnahmen bzw Entgeltbestandteilen innerhalb eines JAV nicht zugleich ein Anspruch auf Verletztengeld und Verletztenrente berechnet werden kann. Auch bei einem Doppelbezug von Verletztengeld und Verletztenrente im Rahmen des § 48 SGB VII wird für die beiden Leistungen in der Regel jeweils auf einen anderen JAV abgestellt, der für das Verletztengeld von dem Verdienst abhängt, den der Versicherte in der zwischenzeitlich wieder aufgenommenen Beschäftigung erzielte (vgl hierzu LPK-SGB VII-Köllner, 4. Aufl 2014, RdNr 1 zu § 48 SGB VII und Schmitt, SGB VII, 4. Aufl 2009, RdNr 4 zu § 48; vgl hierzu auch noch unter 3. am Ende).
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Für eine Auslegung des § 72 Abs 1 Nr 1 SGB VII in dem Sinne, dass bereits bei einer Veränderung in der Höhe des Verletztengeldanspruchs aufgrund wieder eingetretener Arbeitsfähigkeit in einer Beschäftigung der Verletztengeldanspruch im Sinne der Norm "endet", spricht schließlich auch, dass eine andere Auslegung zu verfassungsrechtlich problematischen Ergebnissen führen könnte. Zwar ist entgegen der Auffassung des Klägers eine Verletzung seines Grundrechts aus Art 12 GG nicht ersichtlich, denn die Regelung des Rentenbeginns in § 72 Abs 1 Nr 1 SGB VII berührt schon nicht den Schutzbereich des Art 12 Abs 1 GG. Sie greift nicht unmittelbar in die Freiheit der Berufswahl oder der Berufsausübung ein. Auch ein mittelbarer Eingriff in die Berufsfreiheit erfolgt nicht, weil § 72 Abs 1 Nr 1 SGB VII nicht in einem engen Zusammenhang zur Berufsausübung steht und keine objektiv berufsregelnde Tendenz erkennen lässt (vgl hierzu zB BVerfG vom 5.11.2014 - 1 BvF 3/11 - BVerfGE 137, 350 mwN).
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Jedoch trägt die vom LSG vertretende Auslegung des § 72 Abs 1 Nr 1 SGB VII, die hier zu einem späteren Rentenbeginn führt, dem Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG nicht hinreichend Rechnung. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (stRspr des BVerfG; vgl zB vom 27.2.2007 - 1 BvL 10/00 - BVerfGE 117, 272, 300 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7; vgl auch das Urteil des Senats vom 19.12.2013 - B 2 U 17/12 R - SozR 4-2700 § 73 Nr 1). Hier wird die Gruppe der Versicherten mit mehreren Beschäftigungen gegenüber der Gruppe der Versicherten mit nur einer Beschäftigung hinsichtlich des Rentenbeginns ungleich behandelt. Während bei Versicherten mit nur einer Beschäftigung nach Eintritt der Arbeitsfähigkeit und dem Ende des Verletztengeldanspruchs unmittelbar am darauf folgenden Tag bei einer rentenberechtigenden MdE die Verletztenrente beginnt, hätten in ihrer Hauptbeschäftigung ebenfalls arbeitsfähige Versicherte, wenn sie eine Nebenbeschäftigung ausgeübt haben, solange keinen Anspruch auf eine Verletztenrente, wie sie wegen der in der Nebenbeschäftigung weiter bestehenden Arbeitsunfähigkeit einen Anspruch auf Zahlung eines (Rest-) Verletztengeldes haben, auch wenn dieses - wie beim Kläger - deutlich geringer als die sonst zu gewährende Verletztenrente ist. Für diese Ungleichbehandlung lassen sich keine Gründe von solcher Art und solchem Gewicht finden, die diese Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten. Das System der gesetzlichen Unfallversicherung geht ersichtlich nicht davon aus, dass jeweils das Innehaben nur einer Beschäftigung privilegiert werden oder dass gleichzeitige Beschäftigungen bei mehreren Arbeitgebern mit nachteiligen Folgen belegt werden sollten. Auch ist weder der Systematik des Leistungsrechts der gesetzlichen Unfallversicherung noch den Gesetzesmaterialien - wie oben dargelegt - ein generelles Verbot der zeitgleichen Gewährung von Verletztengeld und Verletztenrente zu entnehmen. Die vom LSG erwogene, aber nicht näher belegte Möglichkeit, dass eine zeitgleiche Gewährung von Verletztengeld und Verletztenrente eine dem Gesundungsprozess gegenläufige Motivation bewirken könnte, könnte die aufgezeigte Ungleichbehandlung ebenfalls nicht rechtfertigen. Verletztenrente wird neben Verletztengeld bei mehreren Beschäftigungen in der vorliegenden Fallgestaltung gerade im Hinblick auf eine Beschäftigung gewährt, in der wieder Arbeitsfähigkeit besteht und damit der Gesundungsprozess abgeschlossen sein dürfte.
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3. Da das SG die Beklagte entsprechend dem Antrag des Klägers nur dem Grunde nach zur Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um 20 vH ab 30.5.2011 verurteilt hat, war über die Höhe der Rente nicht zu entscheiden. Allerdings hat das SG in seinen insoweit nicht die Entscheidung tragenden Gründen seines Urteils ausgeführt, die Rentenhöhe sei nach den allgemeinen Vorschriften über den Jahresverdienst unter Berücksichtigung der Entgelte aus allen Beschäftigungen zu berechnen. Der Senat sieht sich deshalb veranlasst, auf Folgendes hinzuweisen: Der Berechnung der Rente gemäß § 56 Abs 3 SGB VII für den Zeitraum vom 30.5.2011 bis 31.5.2012 dürfte als JAV wohl nur das Arbeitsentgelt aus der Tätigkeit als Fahrer zugrundezulegen sein. Zwar errechnet sich der JAV nach §§ 81, 82 Abs 1 Satz 1 SGB VII grundsätzlich aus dem Gesamtbetrag der Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen des Versicherten in den 12 Kalendermonaten vor dem Monat, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist. Allerdings dürfte in Fällen der Mehrfachbeschäftigung gemäß § 82 Abs 1 Satz 1, § 87 SGB VII für den für die Rentenberechnung maßgebenden JAV nicht das Entgelt aus der Beschäftigung zu berücksichtigen sein, in der noch Arbeitsunfähigkeit und deshalb ein Verletztengeldanspruch besteht. Andernfalls würde der Kläger dann tatsächlich eine "Doppelleistung" bezogen auf seinen Verdienst aus der Nebenbeschäftigung erhalten, jedenfalls solange dieser weitere Verletztengeldanspruch besteht.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
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