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BSG 01.12.2010 - B 11 AL 61/10 B
BSG 01.12.2010 - B 11 AL 61/10 B - Nichtzulassungsbeschwerde - unzureichende Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage - Verfassungswidrigkeit der Verkürzung der Anspruchsdauer des Arbeitslosengeldes
Normen
§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 127 Abs 2 SGB 3 vom 20.12.2001, § 127 Abs 2 SGB 3 vom 24.12.2003, § 127 Abs 2 SGB 3 vom 08.04.2008, § 127 Abs 2 SGB 3 vom 15.07.2009, § 434j Abs 3 SGB 3, § 434l Abs 1 SGB 3, § 434r Abs 1 SGB 3, ArbMRefG, SGB3uaÄndG 7, GG
Vorinstanz
vorgehend SG Berlin, 22. Juli 2009, Az: S 62 AL 572/08, Urteil
vorgehend Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 6. Mai 2010, Az: L 29 AL 291/09, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 6. Mai 2010 wird als unzulässig verworfen.
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Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
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I. Der Kläger begehrt Arbeitslosengeld (Alg) für eine längere Anspruchsdauer.
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Der am 11.5.1944 geborene Kläger war von 1960 bis zum 30.11.2007 beschäftigt, unterbrochen durch Zeiten unbezahlten Streiks in der Zeit vom 21.2. bis 19.4.2006, vom 24.4. bis 5.5.2006 sowie vom 22.5.bis 31.5.2006. Die Beklagte bewilligte Alg für die Zeit ab 1.12.2007 mit einer Anspruchsdauer von 450 Tagen (15 Monate). Der Widerspruch wegen ua einer längeren Anspruchsdauer von 540 Tagen (18 Monate) war erfolglos, weil die Zeit des Streiks nicht anwartschaftsbegründend gewesen sei (Bescheid vom 23.11.2007, Widerspruchsbescheid vom 4.1.2008). Einen erneuten Antrag auf Alg mit einer längeren Anspruchsdauer nach dem ab dem 1.1.2008 geltenden Recht lehnte die Beklagte ebenfalls ab, weil die Voraussetzungen der Übergangsregelung des § 434r Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) nicht vorlägen (Bescheid vom 23.4.2008, Widerspruchsbescheid vom 15.5.2008).
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Vom 19.5. bis 8.9.2008 war der Kläger arbeitsunfähig krank. Ab dem 30.6.2008 erhielt er Krankengeld. Für die Zeit vom 9.9.2008 bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 9.5.2009 bewilligte die Beklagte erneut Alg (Bescheid vom 13.10.2008). Seit dem 1.6.2009 ist der Kläger Altersrentner.
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Klage und Berufung gegen die Widerspruchsbescheide waren erfolglos. Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde und macht grundsätzliche Bedeutung geltend.
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II. Die Beschwerde ist unzulässig. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung ist nicht in der durch § 160a Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gebotenen Weise bezeichnet.
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Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) lässt sich nur darlegen, indem die Beschwerdebegründung ausführt, welche Rechtsfrage sich stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN; vgl auch BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auch auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und ggf des Schrifttums nicht ohne weiteres zu beantworten ist und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtslage im Allgemeininteresse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Die Behauptung der Verfassungswidrigkeit begründet keinen herabgesetzten Begründungsmaßstab (BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; SozR 3-1500 § 160a Nr 23; auch BSG, Beschluss vom 5.5.1994 - 12 BK 38/94).
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Die Beschwerdebegründung vom 17.7.2010 wirft zwei Rechtsfragen auf, nämlich
1. ob die Verkürzung der Anspruchsdauer von Alg für ältere Arbeitnehmer mit langen Vorbeschäftigungszeiten ab 1.2.2006 durch die Neufassung des § 127 SGB III durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 trotz erneuter Verlängerung der Anspruchsdauer durch das Siebte Gesetz zur Änderung des SGB III vom 8.4.2008 rückwirkend ab 1.1.2008 mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar sei, und
2. ob die Nichtberücksichtigung von Zeiten mit Bezug von Streikgeld, die zusammenhängend länger als einen Monat dauern, bei der Berechnung der Versicherungspflichtverhältnisse im Rahmen des § 127 Abs 1, 2 SGB III in der Fassung bis zum 31.12.2007 gegen das GG verstoße.
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Hinsichtlich der zuletzt gestellten Frage wird mit dem bloßen Hinweis auf Art 9 GG und die im 10. Senat anhängige Revision zur Berücksichtigung von Streikgeld bei der Bemessung des Elterngeldes (B 10 EG 17/09 R) der Klärungsbedarf nicht aufgezeigt. Denn die Beschwerdebegründung entbehrt jeder näheren Betrachtung der maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften des § 24 SGB III und des § 7 Abs 3 Sozialgesetzbuch - Viertes Buch (SGB IV) unter Einschluss des hierauf bezogenen Literaturzitats im angegriffenen Urteil und beschäftigt sich auch nicht mit der zu dieser Thematik in der Vergangenheit ergangenen Rechtsprechung und ihrer Übertragbarkeit auf die heutige Rechtslage (vgl BSGE 11, 79; auch BSGE 33, 254).
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Darüber hinaus wird aber auch die grundsätzliche Bedeutung der Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Verkürzung der Alg-Anspruchsdauer nicht substanziiert aufgezeigt. Der Beschwerdebegründung lässt sich zwar noch hinreichend deutlich entnehmen, dass als Prüfmaßstab für die Verkürzung der Anspruchsdauer letztlich Art 14 und 3 GG iVm dem Übermaßverbot dienen soll. Zweifelhaft ist aber schon, ob mit dem Verweis auf die zurzeit der Begründung anhängige Revision unter B 7 AL 23/09 R der Klärungsbedarf der aufgeworfenen Frage ausreichend dargelegt worden ist. Aber selbst wenn bei den Anforderungen an die Beschwerdebegründung berücksichtigt wird, dass die Vorinstanz insoweit schlicht auf die ihrerseits knappe Begründung des Sozialgerichts (SG) verwiesen hat, erschließt sich jedenfalls die Entscheidungserheblichkeit nicht. Insoweit versäumt die Beschwerdebegründung Ausführungen dazu, dass und welche Konsequenzen die angestrebte Entscheidung über die aufgeworfene Rechtsfrage für den Ausgang des Rechtsstreits hat (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 5). Denn die als verfassungswidrig behauptete Konstellation, dass ein Kläger wegen seines höheren Lebensalters und der Dauer seines Versicherungspflichtverhältnisses nach altem Recht den Höchstanspruch mit einer Dauer von 32 Monaten erworben hätte und jetzt - nicht allein, aber auch - infolge der Neuregelung, die die Verlängerung zum 1.1.2008 auf Höchstanspruchsdauerfälle beschränkt, letztlich auf 15 Monate verwiesen wird, wirkt sich im Falle des Klägers wegen des - auch in der Beschwerdebegründung erwähnten - Eintritts der Altersrente ab dem 1.6.2009 nur für einen sehr kurzen Übergangszeitraum von 22 Tagen aus. Diesen Gesichtspunkt hat im Übrigen auch die Vorinstanz ausdrücklich angesprochen. Die Beschwerdebegründung hätte sich deshalb damit beschäftigen müssen, dass der Anspruch auf Alg begrenzt ist durch den Eintritt des Regelrentenalters (vgl § 117 Abs 2 SGB III) und hiervon ausgehend darlegen müssen, dass und warum die Ablehnung des Alg-Anspruchs für die noch verbleibende Dauer von 22 Tagen gleichwohl von verfassungsrechtlicher Relevanz sein kann. Ausführungen dieser Art sind der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen.
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Nur klarstellend - ohne dass die vorliegende Entscheidung hierauf beruht - sei darauf hingewiesen, dass die Frage, ob die zum 1.1.2004 bzw 1.2.2006 durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 3002) in Kraft getretene Verkürzung der Anspruchsdauer des Alg gemäß § 127 Abs 2 SGB III unter Berücksichtigung der Übergangsvorschriften und der zum 1.1.2008 in Kraft getretenen Verlängerung der Anspruchsdauer durch das Siebte Gesetz zur Änderung des SGB III und anderer Gesetze vom 8.4.2008 (BGBl I 681) Verfassungsrecht verletzt, durch die Entscheidung des 7. Senats vom 14.9.2010 (B 7 AL 23/09 R, zur Veröffentlichung vorgesehen) inzwischen für die Fallkonstellation entschieden und verneint worden ist, in der nach altem Recht ein Alg-Anspruch mit einer Anspruchsdauer von 26 Monaten bestanden hätte, während nach neuem Recht unter Anwendung der Übergangsvorschriften (nur) ein Alg-Anspruch mit einer Dauer von 24 Monaten gegeben war.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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