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BVerfG 23.04.2024 - 1 BvR 1595/23
BVerfG 23.04.2024 - 1 BvR 1595/23 - Nichtannahmebeschluss: Erfolglose Verfassungsbeschwerde einer Mutter bzgl der Rückführung ihres Sohnes in die Ukraine - unzureichende Antragsbegründung - allerdings verfassungsrechtliche Zweifel an angegriffener Rückführungsanordnung
Normen
§ 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 90 BVerfGG, Art 13 Abs 1 Buchst b KiEntfÜbk Haag, Art 6 Abs 2 S 1 GG, Art 8 Abs 1 MRK
Vorinstanz
vorgehend OLG Köln, 17. Juli 2023, Az: II-21 UF 100/23, Beschluss
Tenor
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Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von (…) wird zurückgewiesen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
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Gründe
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Die Verfassungsbeschwerde betrifft eine Entscheidung zur Rückführung eines Kindes in die Ukraine.
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I.
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1. Die Beschwerdeführerin zu 1) ist die Mutter eines 2016 geborenen Sohnes, des Beschwerdeführers zu 2). Er ist aus der Ehe der Beschwerdeführerin mit dem Vater hervorgegangen. Alle drei besitzen die ukrainische Staatsangehörigkeit, der Vater zusätzlich die (…). Die Ehe der Eltern wurde 2018 durch ein ukrainisches Gericht geschieden. Eine Entscheidung zum Sorgerecht erfolgte nicht, sodass die Eltern auch nach der Scheidung das Sorgerecht für den Beschwerdeführer zu 2) weiterhin gemeinsam ausüben. Allerdings wurde angeordnet, dass er bei der Beschwerdeführerin zu 1) wohnen solle. Anfang des Jahres 2022 regelte ein ukrainisches Gericht Umgangskontakte des Vaters mit dem Beschwerdeführer zu 2). Nach Kriegsbeginn verließen die Beschwerdeführenden ohne Kenntnis des Vaters die Ukraine und gelangten nach Deutschland. Erst im September 2022 erfuhr der Vater über soziale Netzwerke vom Aufenthalt der Beschwerdeführenden in Deutschland.
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2. Im Februar 2023 hat der Vater bei dem inländisch zuständigen Familiengericht die Rückführung des Beschwerdeführers zu 2) in die Ukraine nach dem Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25. Oktober 1980 (Haager Übereinkommen — HKÜ) beantragt. Zur Begründung hat er darauf verwiesen, sein Sohn sei von der Beschwerdeführerin zu 1) widerrechtlich nach Deutschland verbracht worden. Er habe zu keinem Zeitpunkt zugestimmt, dass der Sohn die Ukraine verlasse und sei hiermit auch weiterhin nicht einverstanden. Das Gebiet nahe der (…) Grenze, in dem er wohne, sei nicht gefährlich. Es gebe keine Kriegshandlungen und solche seien auch nicht zu erwarten.
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a) Das Familiengericht hat dem Beschwerdeführer zu 2) eine Verfahrensbeiständin bestellt und ihn persönlich angehört. Dabei hat er geäußert, nicht in die Ukraine zurück zu wollen und Angst zu haben, weil dort Krieg sei und weil viele Häuser kaputt seien. Er hat immer wieder betont, nicht in das Land zurückkehren zu wollen, auch nicht zum Vater. Das Jugendamt hat ausgeführt, dass es eine Rückführung des Beschwerdeführers zu 2) in ein Kriegsgebiet nicht befürworten könne. Die Verfahrensbeiständin hat ebenfalls dahingehend Stellung genommen, dass es sich bei der gesamten Ukraine um ein Kriegsgebiet handele. Es sei nicht kalkulierbar, wann und wo es zu Angriffen mit Raketen oder sonstigen Waffen komme. Die Rückführung in ein Kriegsgebiet stelle eine Gefahr für das Kind im Sinne des Art. 13 Abs. 1 lit. b) HKÜ dar.
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b) Das Familiengericht hat den Antrag des Vaters auf Rückführung des Beschwerdeführers zu 2) zurückgewiesen. Zwar sei der Tatbestand des Art. 12 Abs. 1 HKÜ erfüllt. Einer Rückführung stehe aber Art. 13 Abs. 1 lit. b) HKÜ entgegen. Grundsätzlich sei anerkannt, dass dieser Ausnahmetatbestand jedenfalls dann erfüllt sei, wenn eine Rückführung in ein Kriegs- oder Bürgerkriegsgebiet anzuordnen und das Kind dort entsprechenden konkreten Gefahren ausgesetzt wäre. Das sei vorliegend der Fall und gelte für das gesamte Gebiet der Ukraine.
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3. a) Dagegen hat der Vater Beschwerde eingelegt. Die Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 1 lit. b) HKÜ lägen nicht vor. Aus der Reisewarnung des Auswärtigen Amtes ergebe sich keine konkrete Gefährdung des Kindes. Der vom Vater bewohnte Landesteil sei nicht von Kampfhandlungen betroffen. Dies werde durch die Erklärung der örtlichen Militärverwaltung vom 1. Juni 2023 und des ukrainischen Justizministeriums bestätigt. Zudem seien die Luftabwehrsysteme ausreichend, um das Land nahezu vollständig zu sichern.
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b) Mit angegriffenem Beschluss vom 17. Juli 2023 hat das Oberlandesgericht den Beschluss des Familiengerichts abgeändert und angeordnet, dass die Beschwerdeführerin zu 1) verpflichtet sei, den Beschwerdeführer zu 2) bis zum 7. August 2023 in die Ukraine zurückzuführen. Für den Fall der Zuwiderhandlung hat es angedroht, ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 25.000 Euro oder bei Uneinbringlichkeit Ordnungshaft bis zu sechs Monaten anzuordnen. Für den Fall, dass die Beschwerdeführerin zu 1) ihrer Rückführungspflicht nicht nachkomme, werde zudem der Gerichtsvollzieher ermächtigt, die Rückführung des Beschwerdeführers zu 2) unter näher festgelegten Maßgaben zwangsweise durchzusetzen. Ein Versagungsgrund nach Art. 13 Abs. 1 lit. b) HKÜ liege nur vor, wenn eine ungewöhnlich schwerwiegende Beeinträchtigung des Kindeswohls, die sich als besonders erheblich, konkret und aktuell darstelle, drohe. Es sei nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer zu 2) in ein Kriegsgebiet zurückgeschickt werden müsse. Da seine Rückführung nicht an einen bestimmten Ort, sondern in den Staat stattfinde, müssten für eine Annahme der Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 1 lit. b) HKÜ die durch den Krieg ausgelösten Beeinträchtigungen den gesamten Staat betreffen. Insoweit bezog sich das Oberlandesgericht auf eine Entscheidung des Thüringer Oberlandesgerichts (Thüringer OLG, Beschluss vom 4. April 2023 - 1 UF 54/23 -, juris, Rn. 36). Die Ukraine stelle mit ihrer Landmasse von über 600.000 km² in Europa den zweitgrößten Flächenstaat dar. Die Kampfhandlungen konzentrierten sich derzeit auf den Osten und den Süden der Ukraine, während im ganzen Land Raketen- und Luftangriffe stattfänden, bei denen auch ein Beschuss ziviler Infrastrukturen und Wohnbebauung nicht ausgeschlossen werden könne. Dies ergebe sich aus den Bewertungen des Auswärtigen Amtes. Warnten inländische Behörden vor Reisen in das betreffende Land, bedeute dies aber nicht automatisch, dass ein Kind dort nicht ohne Gefahr leben könne. Nach der Auskunft der örtlichen Militärverwaltung vom 1. Juni 2023 sei der vom Vater bewohnte Landesteil von Kampfhandlungen nicht betroffen. Andere Erkenntnisse habe die dafür darlegungs- und beweisbelastete Beschwerdeführerin zu 1) dem Senat nicht vermitteln können. Ihr Hinweis auf die Häufigkeit von Luftalarmen in der Region genüge nicht, um allein wegen des Sirenengeräusches und der Schutzmaßnahmen auf eine konkrete, ungewöhnlich schwerwiegende Gefährdung des Kindeswohls zu schließen.
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4. Mit der Verfassungsbeschwerde macht die Beschwerdeführerin zu 1) im eigenen Namen und im Namen des Beschwerdeführers zu 2) die Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 sowie Art. 6 GG geltend. Das im hier angegriffenen Beschluss in Bezug genommene Thüringer Oberlandesgericht habe, ohne dass die angegriffene Entscheidung dies berücksichtigt habe, angenommen, eine umfassende Gefährdungslage liege im gesamten Staatsgebiet der Ukraine vor. Die Zitate seien aus dem Zusammenhang gerissen und widersprächen gerade dem in Bezug genommenen Beschluss.
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Die Beschwerdeführenden beantragen zudem Prozesskostenhilfe für das Verfahren der Verfassungsbeschwerde unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten.
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5. Das Land Nordrhein-Westfalen und die Beteiligten des fachgerichtlichen Verfahrens hatten Gelegenheit zur Stellungahme. Die Verfahrensbeiständin des Beschwerdeführers zu 2) hat ausgeführt, die Begründung der Entscheidung des Oberlandesgerichts überzeuge nicht, gerade die Unkalkulierbarkeit der Kriegshandlungen im gesamten ukrainischen Staatsgebiet spreche gegen eine Rückführung des Kindes. Der Vater hat mitgeteilt, dass die Mutter mit dem Kind in die Ukraine eingereist, nach wenigen Wochen aber wieder nach Deutschland ausgereist sei. In dem Gebiet, in dem der Vater wohne, bestehe aktuell keine Kriegsgefahr und auch ukrainische Binnenflüchtlinge würden dorthin verbracht.
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Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen der Kammer vor.
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II.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Annahmegründe aus § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor, weil die Verfassungsbeschwerde insgesamt unzulässig und deshalb ohne Aussicht auf Erfolg ist.
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1. Die Verfassungsbeschwerde des im Jahr 2016 geborenen Beschwerdeführers zu 2) ist nicht zulässig erhoben worden. Er selbst ist aufgrund seines Alters im verfassungsgerichtlichen Verfahren nicht prozessfähig. Seine Mutter, die Beschwerdeführerin zu 1), kann ihn allein nicht wirksam vertreten. Zwar umfasst das Sorgerecht die gesetzliche Vertretung des selbst prozessunfähigen Kindes auch im verfassungsgerichtlichen Verfahren (vgl. BVerfGE 72, 122 133>; 162, 378 400 Rn. 48>). Nach den durch die ukrainischen Gerichte getroffenen Entscheidungen zum Sorgerecht steht dieses aber beiden Eltern gemeinsam zu. Die Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise im Wege der Prozessstandschaft Rechte des Kindes durch dritte Personen im eigenen Namen geltend gemacht werden dürfen (vgl. BVerfGE 72, 122 136>), liegen nicht vor. Die Gefahr, dass ohne eine Prozessstandschaft der Beschwerdeführerin zu 1) die Rechte des Beschwerdeführers zu 2) mit der Verfassungsbeschwerde nicht geltend gemacht werden könnten, besteht nicht. Die Rechte des Beschwerdeführers zu 2) hätten in zulässiger Prozessstandschaft durch die im Ausgangsverfahren bestellte Verfahrensbeiständin (§ 158 FamFG) für ihn im Verfassungsbeschwerdeverfahren durchgesetzt werden können (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 15. Dezember 2020 - 1 BvR 1395/19 -, Rn. 28). Davon hat die Verfahrensbeiständin aber keinen Gebrauch gemacht.
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2. Die von der Beschwerdeführerin zu 1) im eigenen Namen erhobene Verfassungsbeschwerde ist ebenfalls unzulässig. Es ist bereits zweifelhaft, ob für sie ein Rechtsschutzbedürfnis besteht und dies von der Beschwerdeführerin zu 1) hinreichend dargelegt ist (a). Jedenfalls genügt die Begründung der Verfassungsbeschwerde den nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG daran zu stellenden Anforderungen nicht (b).
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a) An dem Fortbestehen des Rechtsschutzbedürfnisses für die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 1) bestehen Zweifel, weil sie mit der zeitweiligen Rückführung des Beschwerdeführers zu 2) in die Ukraine ihrer Verpflichtung aus dem angegriffenen Beschluss des Oberlandesgerichts nachgekommen ist und dieser sich damit erledigt hat.
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aa) Das Rechtsschutzbedürfnis im verfassungsgerichtlichen Verfahren muss grundsätzlich noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gegeben sein. Es kann aber unter bestimmten Voraussetzungen nach Erledigung des mit der Verfassungsbeschwerde verfolgten Begehrens fortbestehen, wenn ansonsten entweder die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage von grundsätzlicher Bedeutung unterbliebe und der gerügte Grundrechtseingriff besonders belastend erscheint oder eine Wiederholung der angegriffenen Maßnahme zu besorgen ist oder die Maßnahme noch weiterhin beeinträchtigt (vgl. BVerfGE 159, 223 273 Rn. 98>; stRspr). Hat sich die angegriffene hoheitliche Maßnahme erledigt, ist es Sache der Beschwerdeführenden ein fortbestehendes Rechtsschutzbedürfnis darzulegen (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 12. Juli 2023 - 1 BvR 58/23 -, Rn. 8 m.w.N. und vom 14. Dezember 2023 - 1 BvR 1889/23 -, Rn. 13).
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bb) Nach diesen Maßgaben war die Beschwerdeführerin zu 1) gehalten, ein fortbestehendes Rechtsschutzbedürfnis trotz eingetretener Erledigung des angegriffenen Beschlusses des Oberlandesgerichts substantiiert darzulegen (1). Da ausdrückliche Ausführungen dazu fehlen, bestehen Bedenken, dass die Beschwerdeführerin zu 1) ihrer Darlegungslast ausreichend nachgekommen ist (2).
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(1) Die Beschwerdeführerin zu 1) ist wegen der Erfüllung der ihr auferlegten Rückführungspflicht nicht mehr durch den angegriffenen Beschluss des Oberlandesgerichts beeinträchtigt. Ausgehend von der zum Fachrecht ganz überwiegend vertretenen Auffassung hat die Beschwerdeführerin zu 1) die ihr durch den angegriffenen Beschluss auferlegte Pflicht, den Beschwerdeführer zu 2) in die Ukraine zurückzuführen, durch den zeitweiligen Aufenthalt mit ihm dort erfüllt. Nach überwiegendem fachrechtlichen Verständnis ist die Rückgabeverpflichtung nach dem Haager Übereinkommen bereits dann erfüllt, wenn der entführende Elternteil das Kind für einen Zeitraum in den Herkunftsstaat zurückgebracht hat, in dem der rückfordernde Elternteil eine den Verbleib sichernde Anordnung im Heimatstaat bewirken kann; die Begründung eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts im Herkunftsstaat ist nach dieser Auffassung nicht erforderlich (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 28. Juni 2013 - 12 UF 4/12 -, juris, Rn. 6; OLG Frankfurt, Beschluss vom 1. März 2023 - 1 UF 26/23 -, juris, Rn. 26; Schweppe, in: Heilmann, Praxiskommentar Kindschaftsrecht, 2. Aufl. 2020, Art. 12 HKÜ Rn. 3; Pirrung, in: Staudinger, IntFamRVG, Neubearbeitung 2018, Updatestand 1.3.2022, Rn. G 84; ders., in: Staudinger, HKÜ, Neubearbeitung 2018, Updatestand 1.9.2021, Rn. E 65; Botthof, in: Münchener Kommentar zum FamFG, Art. 12 HKÜ Rn. 13; Erb-Klünemann, in: Heidel/Hüßtege/Mansel/Noack, BGB Allgemeiner Teil/EGBGB, 4. Aufl. 2021, Art. 12 HKÜ Rn. 5; Siehr, IPRax 2015, 144 148>; a.A. [dauerhafter Aufenthalt im Herkunftsstaat zur Erfüllung erforderlich:] OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14. August 2008 - 2 UF 4/08 -, juris, Rn. 14; Völker/Clausius, Sorge- und Umgangsrecht, 8. Aufl. 2021, § 11 Rn. 143). Mit einer Rückführung in diesem Sinne wird ein Rückführungsbeschluss erfüllt und verbraucht (vgl. Siehr, IPRax 2015, 144 148>). Aus einer solchen Erfüllung folgt, dass keine Ordnungsmittel gegen den entführenden Elternteil mehr angeordnet werden können, wenn er das Kind in den Herkunftsstaat zurückgebracht und es sich mehr als drei Wochen dort aufgehalten hat, auch wenn er es danach erneut von dort mitnimmt (vgl. Pirrung, in: Staudinger, HKÜ, Neubearbeitung 2018, Updatestand 1.9.2021, Rn. E 65). War in der Zeit im Herkunftsstaat dem antragstellenden Elternteil eine den Verbleib des Kindes sichernde Anordnung vor den Gerichten des Herkunftsstaates möglich und wird das Kind sodann nach kürzerer Zeit wieder aus diesem Staat verbracht, ändert dies nichts an der Erfüllung der titulierten Rückkehrverpflichtung nach dem Haager Übereinkommen (vgl. Erb-Klünemann, in: Heidel/Hüßtege/Mansel/Noack, BGB Allgemeiner Teil/EGBGB, 4. Aufl. 2021, Art. 12 HKÜ Rn. 5). Dieses Handeln kann aber regelmäßig eine neue Kindesentführung darstellen (vgl. Erb-Klünemann, in: Heidel/Hüßtege/Mansel/Noack, BGB Allgemeiner Teil/EGBGB, 4. Aufl. 2021, Art. 12 HKÜ Rn. 5; Pirrung, in: Staudinger, HKÜ, Neubearbeitung 2018, Updatestand 1.9.2021, Rn. E 65).
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Die Beschwerdeführerin zu 1) befand sich zwischenzeitlich mehr als drei Wochen mit dem Beschwerdeführer zu 2) in der Ukraine. In dieser Zeit hätte der Vater eine den Verbleib des Kindes sichernde Anordnung vor den ukrainischen Gerichten erwirken können. Mit der zeitweiligen Rückführung hat die Beschwerdeführerin zu 1) nach Maßgabe der dargestellten ganz überwiegenden Auffassung im Fachrecht ihre Verpflichtung aus der angegriffenen Entscheidung erfüllt; der Titel ist damit verbraucht. Aus diesem Titel kann nicht mehr vollstreckt werden und es können gegen sie keine darauf gestützten Ordnungsmittel mehr erlassen werden, weshalb die Beschwerdeführerin zu 1) dadurch nicht mehr beeinträchtigt ist.
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(2) Die Beschwerdeführerin zu 1) ist auf die Voraussetzungen eines trotz Erledigung fortbestehenden Rechtsschutzbedürfnisses weder in ihrer ursprünglichen Verfassungsbeschwerde noch in späteren Schriftsätzen eingegangen. Es finden sich allenfalls Ausführungen zu tatsächlichen Umständen, aus denen sich eine Wiederholungsgefahr ergeben könnte. So hat ihr Verfahrensbevollmächtigter mit Schriftsatz vom 4. April 2024 mitgeteilt, dass der Vater des Beschwerdeführers zu 2) bei dem zuständigen Familiengericht einen neuen Antrag auf Rückführung des Kindes in die Ukraine gestellt und das Familiengericht daraufhin einstweilen eine Grenzsperre verhängt hat, um eine Ausreise des Kindes (in einen anderen Staat als die Ukraine) während des laufenden Verfahrens über das Rückgabeverlangen des Vaters zu verhindern. Ob dies zur Darlegung von Wiederholungsgefahr angesichts der Offenheit des Ausgangs des erneuten Rückführungsverfahrens in der Sache genügt, bedarf keiner Entscheidung. Denn die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 1) ist ohnehin unzulässig, weil ihre Begründung nicht den Anforderungen aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG genügt.
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(a) Danach muss sich die Verfassungsbeschwerde mit dem zugrundeliegenden einfachen Recht sowie mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung des Sachverhalts auseinandersetzen und hinreichend substantiiert darlegen, dass eine Grundrechtsverletzung möglich erscheint (vgl. BVerfGE 140, 229 232 Rn. 9>; 157, 300 310 Rn. 25>). Liegt zu den mit der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Verfassungsfragen bereits Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor, so ist der behauptete Grundrechtsverstoß in Auseinandersetzung mit den darin entwickelten Maßstäben zu begründen (vgl. BVerfGE 149, 346 359 Rn. 23> m.w.N.; 153, 74 137 Rn. 104>; 158, 210 230 f. Rn. 51>; 163, 165 210 Rn. 75>). Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es in der Regel einer ins Einzelne gehenden argumentativen Auseinandersetzung mit ihr und ihrer Begründung. Dabei ist auch darzulegen, inwieweit das jeweils bezeichnete Grundrecht verletzt sein und mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme kollidieren soll (vgl. BVerfGE 108, 370 386 f.>; 140, 229 232 Rn. 9>; 149, 346 359 Rn. 24>; 158, 210 230 f. Rn. 51>).
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(b) Dem genügt die Begründung der Verfassungsbeschwerde nicht. Als verletzt werden Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 sowie Art. 6 Abs. 1 GG genannt, ohne jedoch auf die mit diesen Gewährleistungen verbundenen Maßstäbe zur Überprüfung der angegriffenen Entscheidung des Oberlandesgerichts auch nur ansatzweise einzugehen. Dementsprechend wird auch nicht anhand dieser Maßstäbe die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung aufgezeigt. Das Elterngrundrecht (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) der Beschwerdeführerin zu 1), in das durch die Rückführungsanordnung eingegriffen worden sein könnte, wird weder ausdrücklich noch der Sache nach thematisiert.
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3. Obwohl durchaus Zweifel daran bestehen, ob die Rückführungsanordnung des Oberlandesgerichts der Gewährleistung des Elterngrundrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise Rechnung getragen hat, liegt eine Grundrechtsverletzung nicht derart auf der Hand, dass auf die Erfüllung der Substantiierungsanforderungen aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG verzichtet werden könnte (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. August 2010 - 1 BvR 1584/10 -, Rn. 3; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. Dezember 2019 - 1 BvR 2214/19 -, Rn. 13).
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a) Das Elterngrundrecht des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder grundsätzlich frei von staatlichen Einflüssen und Eingriffen. Im Verhältnis zum Kind bildet allerdings das Kindeswohl die maßgebliche Richtschnur der elterlichen Pflege und Erziehung. Es ist umfassend zu verstehen und sichert den Elternverantwortung tragenden Eltern einen verfassungsrechtlich geschützten Einfluss auf sämtliche Lebens- und Entwicklungsbedingungen des Kindes (vgl. BVerfGE 162, 378 407 f. Rn. 67 f.> m.w.N.). Träger des Grundrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG ist jeder Elternteil für sich (vgl. BVerfGE 133, 59 78 Rn. 51>; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 9. April 2024 - 1 BvR 2017/21 -, Rn. 39; stRspr). Wirkt sich die gerichtliche Entscheidung eines Konflikts zwischen den Eltern auf die Zukunft des Kindes aus, so muss die Entscheidung auf das Wohl des Kindes ausgerichtet sein und das Kind in seiner Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigen (vgl. BVerfGE 37, 217 252>; 55, 171 179>; 99, 145 157>; stRspr).
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Das Elternrecht des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG wird durch gerichtliche Entscheidungen berührt, die mit einer Rückführungsanordnung nach dem Haager Übereinkommen einem Elternteil die Möglichkeit nehmen, über den Aufenthalt des betroffenen Kindes zu entscheiden (vgl. BVerfGE 99, 145 164>). Dabei obliegt zwar im Rahmen von fachgerichtlichen Verfahren über die Rückführung eines Kindes auf der Grundlage des Haager Übereinkommens die Feststellung, ob die Voraussetzungen des Versagungsgrundes aus Art. 13 Abs. 1 lit. b) HKÜ erfüllt sind, den Fachgerichten. Die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Tatbestandes sowie die Auslegung und Anwendung verfassungsrechtlich unbedenklicher Regelungen im einzelnen Fall sind Angelegenheit der zuständigen Fachgerichte und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen. Ihm obliegt lediglich die Kontrolle, ob die angegriffene Entscheidung Auslegungsfehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung eines Grundrechts oder vom Umfang seines Schutzbereichs beruhen (vgl. BVerfGE 72, 122 138>; 99, 145 160>; 136, 382 390 f. Rn. 27>; stRspr). Ist aber die Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Regelungen des Haager Übereinkommens mit dem Wohl des betroffenen Kindes nicht vereinbar, liegt darin regelmäßig auch eine Verletzung des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (vgl. BVerfGE 99, 145 164>).
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Der Grundrechtsschutz beeinflusst weitgehend die Gestaltung und Anwendung des Verfahrensrechts (vgl. BVerfGE 55, 171 182>). Die Gerichte müssen danach ihr Verfahren in Kindschaftssachen so gestalten, dass sie möglichst zuverlässig die Grundlagen einer am Kindeswohl orientierten Entscheidung erkennen können (vgl. BVerfGE 55, 171 182>; BVerfGK 9, 274 278 f.>; 12, 472 476>; 17, 407 412>; stRspr); das gilt auch für die Auslegung und Handhabung völkerrechtlicher Verträge wie dem Haager Übereinkommen (vgl. BVerfGE 99, 145 158>). Aus Art. 8 EMRK, der wie die übrigen Bestimmungen der Konvention bei der Bestimmung des Inhalts und der Reichweite von Grundrechten des Grundgesetzes als Auslegungshilfe heranzuziehen ist (vgl. dazu BVerfGE 148, 296 351 Rn. 128>; 162, 325 351 Rn. 94>; stRspr), folgen zudem Anforderungen an Art und Umfang der Begründung fachgerichtlicher Entscheidungen bei der Anwendung von Art. 13 Abs. 1 lit. b) HKÜ. Die Begründung muss erkennen lassen, dass die in Art. 8 EMRK vorausgesetzten Garantien gewährleistet worden und das Kindeswohl berücksichtigt worden sind (vgl. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte [EGMR], Urteil vom 15. Juni 2021 - 17665/17 -, Rn. 96 ff.).
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b) Bei Heranziehung dieser Maßstäbe bestehen Zweifel, dass der angegriffene Beschluss des Oberlandesgerichts dem Elterngrundrecht der Beschwerdeführerin zu 1) gerecht wird. Die Entscheidung dürfte bei der Anwendung von Art. 13 Abs. 1 lit. b) HKÜ nicht in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise (vgl. Rn. 24 f.) erkennen lassen, dass sie hinreichend dem Kindeswohl des Beschwerdeführers zu 2) und damit auch dem Elterngrundrecht der Beschwerdeführerin zu 1) Rechnung trägt.
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aa) Zwar ist die vorgenommene Auslegung der genannten Vorschrift dahingehend, dass der Versagungsgrund nach Art. 13 Abs. 1 lit. b) HKÜ lediglich bei ungewöhnlich schwerwiegenden Beeinträchtigungen des Kindeswohls, nicht aber bei mit der Rückführung eines Kindes üblicherweise verbundenen Beeinträchtigungen eingreift, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. dazu bereits BVerfGE 99, 145 159>). Gleiches gilt für die Überantwortung der Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des Versagungsgrundes auf den rückführungspflichtigen Elternteil (vgl. EGMR, Urteil vom 15. Juni 2021 - 17665/17 -, Rn. 95 bezogen auf die aus Art. 8 EMRK folgenden Maßstäbe).
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bb) Die konkrete Begründung des Oberlandesgerichts für die Verneinung einer schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für den Beschwerdeführer zu 2) im Fall der Rückführung in die Ukraine dürfte jedoch die gebotene umfassende und am Kindeswohl orientierte Anwendung von Art. 13 Abs. 1 lit. b) HKÜ nicht hinreichend erkennen lassen. Um dem Kindeswohl bei der konkreten Anwendung des Versagungsgrundes Rechnung zu tragen, hätte es vorliegend nahegelegen, sich näher sowohl mit der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu der auf die Kriegssituation in der Ukraine bezogenen Handhabung des Versagungsgrundes als auch mit den konkreten, auf das Wohl des Beschwerdeführers zu 2) bezogenen Einschätzungen der im Ausgangsverfahren fachlich Beteiligten auseinanderzusetzen. Die Begründung des angegriffenen Beschlusses weckt auch Zweifel daran, ob dem Oberlandesgericht bei der Anwendung von Art. 13 Abs. 1 lit. b) HKÜ die Pflicht zur Berücksichtigung der dazu in Auslegung von Art. 8 EMRK ergangenen Rechtsprechung des EGMR vollends bewusst gewesen ist.
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(1) Nach der bislang veröffentlichten Rechtsprechung der Fachgerichte wird die Lage in der gesamten Ukraine so eingeschätzt, dass das gesamte Land Kriegsgebiet ist und deswegen aufgrund der Gefahr für das höchste Rechtsgut Leben des Kindes eine Rückführung eines Kindes in die Ukraine wegen Art. 13 Abs. 1 lit. b) HKÜ ausscheidet (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 13. Oktober 2022 - 17 UF 186/22 -, juris, Rn. 35; Thüringer OLG, Beschluss vom 4. April 2023 - 1 UF 54/23 -, juris, Rn. 34 ff. jeweils mit näherer Begründung). Diese Ausgangslage schließt zwar eine entgegengesetzte Einschätzung des erkennenden Gerichts nicht aus, sie verlangt aber nach einer sorgfältigen Auseinandersetzung mit ihr. Der angegriffene Beschluss weist zwar auf die seiner Anwendung von Art. 13 Abs. 1 lit. b) HKÜ auf Rückführungen in die Ukraine entgegenstehende Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Stuttgart hin, dürfte aber einer vertieften Auseinandersetzung damit nicht genügen. Soweit das Oberlandesgericht darauf abstellt, nach der Auskunft der für den Wohnort des Vaters örtlich zuständigen Militärverwaltung sei dieser Landesteil nicht von Kampfhandlungen betroffen, weshalb nicht die gesamte Ukraine Kriegsgebiet sei, wird dies dem Elterngrundrecht der Beschwerdeführerin zu 1) nicht ohne Weiteres gerecht. Das Oberlandesgericht geht – insoweit im rechtlichen Ausgangspunkt verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden – davon aus, dass die angeordnete Rückführung nicht an einen bestimmten Ort, sondern in den Staat erfolgen müsse, aus dem das widerrechtliche Verbringen (Art. 3 HKÜ) erfolgt ist. Daraus folgert es, für die Annahme der Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 1 lit. b) HKÜ komme es darauf an, dass die kriegsbedingten Beeinträchtigungen den gesamten Staat beträfen. Soweit es sich für Letzteres auf den Beschluss des Thüringer Oberlandesgerichts vom 4. April 2023 (1 UF 54/23) beruft, ist dies jedoch methodisch fragwürdig. Das Thüringer Oberlandesgericht ist in dem genannten Beschluss, wenn auch in die Entscheidung nicht tragenden Erwägungen, unter näheren Darlegungen und in Übereinstimmung mit dem Oberlandesgericht Stuttgart (Beschluss vom 13. Oktober 2022 - 17 UF 186/22 -) zu dem Ergebnis gelangt, dass die gesamte Ukraine Kriegsgebiet ist. Vor allem aber nimmt das Oberlandesgericht nicht erkennbar in den Blick, dass seine Anwendung des Versagungsgrundes im Ergebnis bewirken würde, dass die Beschwerdeführerin zu 1), schon um selbst dem Kindeswohl des Beschwerdeführers zu 2) gerecht zu werden, die Rückführung faktisch in den Landesteil der Ukraine zu bewirken hätte, den das Oberlandesgericht als nicht kriegsbetroffen eingeordnet hat. Das entspräche aber nicht dem rechtlichen Ausgangspunkt einer auf den Rückführungsstaat als solchen gerichteten Rückführungspflicht. Damit wird das Elternrecht der Beschwerdeführerin zu 1), bei der der Beschwerdeführer zu 2) nach den Entscheidungen der ukrainischen Gerichte wohnen soll, insoweit beeinträchtigt, als sie jedenfalls tatsächlich in ihrer Entscheidung, in welchen Ort oder welche Region in der Ukraine sie die Rückführung vornimmt, eingeschränkt wird. Der Verweis des Oberlandesgerichts, es stehe der Beschwerdeführerin zu 1) frei, ihren Aufenthaltsort in der Ukraine so zu wählen, dass sie den Vater außerhalb gerichtlicher Verfahren nicht sehen müsse, scheint angesichts des Umstandes, dass gerade der vom Vater bewohnte Landesteil als nicht kriegsbetroffen bewertet wird, Ausführungen zu anderen (vermeintlich) nicht kriegsbetroffenen Gebieten aber fehlen, zu kurz zu greifen.
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(2) Die Begründung des angegriffenen Beschlusses ist zudem insoweit nicht bedenkenfrei, als sie sich im Rahmen der Gewinnung einer tragfähigen Grundlage zu einer am Kindeswohl orientierten Anwendung von Art. 13 Abs. 1 lit. b) HKÜ nicht mit den Einschätzungen der fachlich Beteiligten und der Kindesanhörung des Beschwerdeführers zu 2) befasst. Zwar hat das Oberlandesgericht mit dem Ergebnis der persönlichen Anhörungen des Kindes sowie der Mutter und den Berichten von Verfahrensbeistand und Jugendamt an sich eine grundsätzlich hinreichende Grundlage für eine am Wohl des Kindes ausgerichtete Entscheidung geschaffen. Es ist aber kaum erkennbar, dass es sich insbesondere mit dem Willen des Kindes sowie den Empfehlungen von Jugendamt und Verfahrensbeiständin in seinem Beschluss auseinandergesetzt hat. Die Verfahrensbeiständin und das Jugendamt haben jeweils eine schwerwiegende Gefahr für den Beschwerdeführer zu 2) bei Rückführung in die Ukraine angenommen. Auch wenn dies Einschätzungen des Kriegsgeschehens umfasst und diese möglicherweise weniger von fachlicher Expertise geprägt sind, spiegelt sich darin jedenfalls auch wider, dass der Beschwerdeführer zu 2) eindeutig unter Hinweis auf das dortige Kriegsgeschehen und die zahlreichen Zerstörungen eine Rückkehr in die Ukraine ablehnt. Inwieweit daraus bei Rückführung seelische Schäden für den Beschwerdeführer zu 2) resultieren können, erörtert das Oberlandesgericht nicht. Es beschränkt sich vielmehr insoweit auf Erwägungen dazu, dass der zur Rückführung verpflichtete Elternteil gehalten sei, die Gefahr aus der Rückführung resultierender schwerwiegender seelischer Störungen des Kindes zu vermeiden, und stellt allein auf die diesem Elternteil regelmäßig zumutbare Begleitung des Kindes in den Herkunftsstaat ab. Auf die möglichen spezifischen Gefährdungen, die sich gerade aus der Rückführung des Beschwerdeführers zu 2) in einen Staat, in dem — was ihm ausweislich des Protokolls der Kindesanhörung bewusst ist — Krieg herrscht, ergeben, geht das Oberlandesgericht aber nicht ein. Das dürfte für eine am Kindeswohl orientierte Anwendung von Art. 13 Abs. 1 lit. b) HKÜ so nicht ausreichen.
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(3) Die Begründung des Oberlandesgerichts, den Versagungsgrund aus Art. 13 Abs. 1 lit. b) HKÜ nicht anzuwenden, weil nicht das gesamte Staatsgebiet der Ukraine Kriegsgebiet sei und deshalb bei Rückführung keine schwerwiegende Gefahr körperlicher Schäden für den Beschwerdeführer zu 2) drohe, steht überdies in der Gefahr, den aus Art. 8 EMRK resultierenden, in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte konkretisierten Anforderungen nicht zu genügen. Danach müssen die Gerichte der Vertragsstaaten bei der Auslegung und Anwendung von Art. 13 Abs. 1 lit. b) HKÜ erkennen lassen, dass die in Art. 8 EMRK enthaltenen Garantien gewährleistet und insbesondere das Kindeswohl berücksichtigt worden sind. Das verlangt ein gewisses Maß an auf die Voraussetzungen des Versagungsgrundes bezogener Begründung (vgl. EGMR, Urteil vom 15. Juni 2021 - 17665/17 -, Rn. 96, 98 ff.). Diese konventionsrechtlichen Anforderungen sind zu berücksichtigen. Die faktische Orientierungs- und Leitfunktion, die der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte für die Auslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention zukommt, gilt auch über den konkret entschiedenen Einzelfall hinaus (vgl. nur BVerfGE 111, 307 320>; 148, 296 351 f. Rn. 129>; stRspr). Das Oberlandesgericht befasst sich entgegen diesen Begründungsanforderungen aber eher oberflächlich mit der Kriegssituation in der Ukraine und der Art der Kampfführung durch die Streitkräfte der russischen Föderation. Soweit es sich für seine Beurteilung auf den genannten Beschluss des Thüringer Oberlandesgerichts (Rn. 7, 30) stützt, dürfte dies keine ausreichende Grundlage haben, weil dort gerade angenommen wurde, dass es sich bei dem gesamten Staatsgebiet der Ukraine um Kriegsgebiet handelt und die Voraussetzungen von Art. 13 Abs. 1 lit. b) HKÜ deshalb vorliegen (vgl. Thüringer OLG, Beschluss vom 4. April 2023 - 1 UF 54/23 -, Rn. 34, 36 f.). Eine nähere Befassung mit allgemein zugänglichen Quellen zur Gefährdungslage in der Ukraine, wie sie das Thüringer Oberlandesgericht in der vorgenannten Entscheidung vorgenommen hat, fehlt. Wegen der konventionsrechtlich gebotenen Begründungsanforderungen konnte sich das Oberlandesgericht auch nicht darauf beschränken, auf die Darlegungs- und Beweislast der Beschwerdeführerin zu 1) zu verweisen (vgl. EGMR, Urteil vom 15. Juni 2021 - 17665/17 -, Rn. 95, 98 ff.).
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4. Von einer weitergehenden Begründung der Nichtannahme wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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5. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts war abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung aus den vorgenannten Gründen keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO analog).
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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