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BVerfG 25.11.2021 - 2 BvR 2110/21
BVerfG 25.11.2021 - 2 BvR 2110/21 - Erlass einer einstweiligen Anordnung im Verfassungsbeschwerdeverfahren: Einstweilige Untersagung des Vollzugs einer Auslieferung an Rumänien - mögliche Verletzung des Verbots unmenschlicher und erniedrigender Behandlung (Art 4 EUGrdRCh) - Folgenabwägung
Normen
Art 1 Abs 1 GG, § 32 Abs 1 BVerfGG, Art 4 EUGrdRCh, § 32 IRG, Art 3 MRK
Vorinstanz
vorgehend OLG Frankfurt, 1. November 2021, Az: 1 Ausl A 123/21, Beschluss
Tenor
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Die Übergabe des Beschwerdeführers an die rumänischen Behörden wird bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde, längstens für die Dauer von sechs Monaten, einstweilen untersagt.
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Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main wird mit der Durchführung der einstweiligen Anordnung beauftragt.
Gründe
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Zur Verfahrenssicherung wird die Übergabe des Beschwerdeführers an die rumänischen Behörden gemäß § 32 Abs. 1 und Abs. 2 BVerfGG bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde, längstens für die Dauer von sechs Monaten, einstweilen untersagt.
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1. Das Bundesverfassungsgericht kann einen Zustand durch einstweilige Anordnung gemäß § 32 Abs. 1 BVerfGG vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG gegeben sind, ist wegen der weittragenden Folgen einer einstweiligen Anordnung regelmäßig ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BVerfGE 55, 1 3>; 82, 310 312>; 94, 166 216 f.>; 104, 23 27>; 106, 51 58>).
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Als Mittel des vorläufigen Rechtsschutzes hat die einstweilige Anordnung auch im verfassungsgerichtlichen Verfahren die Aufgabe, die Schaffung vollendeter Tatsachen zu verhindern; sie soll auf diese Weise dazu beitragen, Wirkung und Bedeutung einer erst noch zu erwartenden Entscheidung in der Hauptsache zu sichern und zu erhalten (vgl. BVerfGE 42, 103 119>). Deshalb bleiben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Maßnahme vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht, es sei denn, die Hauptsache erwiese sich als von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet (vgl. BVerfGE 89, 38 43 f.>; 103, 41 42>; 118, 111 122>; stRspr). Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, so hat das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich lediglich im Rahmen einer Folgenabwägung die Nachteile abzuwägen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber in der Hauptsache Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 105, 365 371>; 106, 351 355>; 108, 238 246>; 125, 385 393>; 132, 195 232 f. Rn. 87>; stRspr).
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2. Nach diesen Maßstäben ist eine einstweilige Anordnung zu erlassen.
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a) Die Verfassungsbeschwerde ist weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Es erscheint vielmehr möglich, dass die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 4 GRCh verletzt, weil das Gericht seiner Verpflichtung nach Art. 4 GRCh, auf der zweiten Prüfungsstufe im Einzelfall gründlich zu prüfen und durch zusätzliche Informationen aufzuklären, ob der Beschwerdeführer nach seiner Überstellung in einer rumänischen Haftanstalt einer Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung ausgesetzt sein wird, nicht hinreichend nachgekommen ist (vgl. BVerfGE 156, 182 200 ff. Rn. 42 ff.>). Nach der Mitteilung der rumänischen Behörden vom 7. Oktober 2021 sollen dem Beschwerdeführer in der rumänischen Strafhaft sowohl in der Quarantänezeit als auch im halboffenen beziehungsweise im offenen Strafvollzug mindestens 3 m² persönlicher Raum zur Verfügung stehen. Der angegriffene Beschluss lässt aber insbesondere eine eigene Prüfung des Gerichts, ob zu dem Raummangel weitere defizitäre Haftbedingungen hinzutreten, nicht erkennen (vgl. BVerfGE 156, 182 204 Rn. 50>). Ferner lässt sich dem angegriffenen Beschluss eine eigene Gefahrenprognose des Gerichts, um die Belastbarkeit der Zusicherungen der rumänischen Behörden einschätzen zu können, nicht entnehmen (vgl. BVerfGE 156, 182 207 Rn. 56>).
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b) Die nach § 32 Abs. 1 BVerfGG erforderliche Folgenabwägung geht zugunsten des Beschwerdeführers aus. Die Folgen, die einträten, wenn der Beschwerdeführer überstellt werden würde, sich später aber herausstellte, dass die Überstellung rechtswidrig war, wiegen schwerer als die Folgen, die entstünden, wenn die Überstellung einstweilen untersagt bliebe, sich später aber herausstellte, dass sie ohne Rechtsverstoß hätte durchgeführt werden können. Denn im erstgenannten Fall wäre dem Beschwerdeführer eine erfolgreiche Geltendmachung seiner Einwände gegen die Überstellung voraussichtlich nicht mehr möglich. Demgegenüber könnte der Beschwerdeführer, sollte sich die geplante Überstellung als rechtmäßig erweisen, zu einem späteren Zeitpunkt an die rumänischen Behörden übergeben werden. Sein Aufenthalt in Deutschland würde sich lediglich bis zu einem solchen späteren Termin verlängern.
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