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BVerfG 07.10.2021 - 2 BvR 1725/21
BVerfG 07.10.2021 - 2 BvR 1725/21 - Nichtannahmebeschluss: Rechtsschutzgarantie gebietet zügige Entscheidung über Antrag auf Verlegung einer in Strafhaft befindlichen Mutter mit ihrem neugeborenen Kind in Mutter-Kind-Abteilung der Justizvollzugsanstalt - hier: Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde wegen materieller Subsidiarität - Zum Erfordernis der Erschöpfung des Rechtswegs in der Hauptsache nach erfolglosem Eilrechtsschutzverfahren
Normen
Art 6 Abs 2 S 1 GG, Art 19 Abs 4 GG, § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG
Vorinstanz
vorgehend LG Ellwangen, 8. September 2021, Az: P - 5 StVK 374/21, Beschluss
Tenor
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Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
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Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos (§ 40 Abs. 3 GOBVerfG).
Gründe
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Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil dem Verlegungsbegehren der Beschwerdeführerin zusammen mit ihrer neugeborenen Tochter in die Mutter-Kind-Abteilung der Justizvollzugsanstalt der Grundsatz der materiellen Subsidiarität entgegensteht.
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1. Nach Durchführung eines vorläufigen Rechtsschutzverfahrens ist die Erschöpfung des Rechtswegs in der Hauptsache geboten, wenn dort nach der Art des gerügten Grundrechtsverstoßes die Gelegenheit besteht, der verfassungsrechtlichen Beschwer abzuhelfen (vgl. BVerfGE 77, 381 401>). Dies ist regelmäßig der Fall, wenn mit der Verfassungsbeschwerde Grundrechtsverletzungen gerügt werden, die sich auf die Hauptsache beziehen. In diesem Fall scheidet die Verweisung auf den fachgerichtlichen Rechtsweg nur dann aus, wenn die Durchführung des Hauptsacheverfahrens unzumutbar ist. Letzteres ist dann der Fall, wenn eine Klage im Hinblick auf entgegenstehende Rechtsprechung der Fachgerichte von vornherein als aussichtslos erscheinen muss (vgl. BVerfGE 70, 180 186 m. w. N.>), wenn die Verletzung von Grundrechten durch die Eilentscheidung selbst geltend gemacht wird, wie etwa bei der Versagung rechtlichen Gehörs (vgl. BVerfGE 65, 227) oder einer Verletzung des Art. 19 Abs. 4 GG durch die Verweigerung einstweiligen Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 59, 63 84>), oder wenn die Entscheidung von keiner weiteren tatsächlichen Aufklärung abhängt und diejenigen Voraussetzungen gegeben sind, unter denen gemäß § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG vom Erfordernis der Rechtswegerschöpfung abgesehen werden kann (vgl. BVerfGE 77, 381 401 f. m. w. N.>).
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2. Die Grundrechtsrügen betreffen nicht allein das Eilverfahren, sondern auch das Hauptsacheverfahren. Die Durchführung des Hauptsacheverfahrens erscheint im vorliegenden Fall auch nicht von vornherein aussichtslos. Insbesondere ist die Entscheidung über das Verlegungsbegehren in die Mutter-Kind-Abteilung von der weiteren Aufklärung der Erziehungsfähigkeit der Beschwerdeführerin abhängig. Die Durchführung des Hauptsacheverfahrens der Beschwerdeführerin erscheint mit Blick auf die der Kammer vorgetragenen Tatsachen auch nicht unzumutbar. Zwar ist die Gefahr, dass die Trennung des Neugeborenen von seiner Mutter zu Schädigungen bei dessen Persönlichkeitsbildung und sozialen Entwicklung führt, nicht von der Hand zu weisen, auch wenn das Kind seit der Geburt in seiner Pflegefamilie feste Bezugspersonen vorfindet. Dies lässt sich aber ohne nähere Kenntnis der konkreten Umstände und sachverständige Beratung zurzeit nicht angemessen beurteilen.
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3. Auch ein Gehörsverstoß durch die Eilentscheidung der Strafvollstreckungskammer ist nicht hinreichend dargetan. Die Beschwerdeführerin hat nicht substantiiert dargelegt, dass die angegriffene Entscheidung auf dem Gehörsverstoß beruht (vgl. BVerfGE 105, 252 264>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 15. November 2002 - 2 BvR 2149/01 -, Rn. 2). Denn die angegriffene Entscheidung könnte wegen eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG nur dann aufgehoben werden, wenn nicht ausgeschlossen werden könnte, dass die vorherige Mitteilung des Inhalts der Telefonate des Richters mit der Justizvollzugsanstalt kurz vor Erlass der Entscheidung im Ergebnis zu einer für die Beschwerdeführerin günstigeren Entscheidung geführt hätte; nur dann beruht die Entscheidung auf dem Gehörsverstoß (vgl. BVerfGE 7, 239 241>; 13, 132 145>; 52, 131 152 f.>; 89, 381 392 f.>). Schließlich begründet das in Art. 103 Abs. 1 GG enthaltene Verbot von Überraschungsentscheidungen (vgl. BVerfGE 84, 188 190>; 107, 395 410>) grundsätzlich weder eine Pflicht des Gerichts, vor der Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinzuweisen (vgl. BVerfGE 74, 1 6>), noch eine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht (BVerfGE 66, 116 147>). Dies gilt insbesondere für Eilverfahren, in denen - wie hier - schnell entschieden werden muss. Ein Verfahrensbeteiligter muss daher prinzipiell alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einstellen (vgl. BVerfGE 86, 133 145>).
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4. Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 67, 43 58>; stRspr). Vor dem Hintergrund der Intensität eines Eingriffs in die elterlichen Rechte aus Art. 6 GG im Fall der Trennung einer Mutter von ihrem Neugeborenen gebietet Art. 19 Abs. 4 GG im vorliegenden Fall eine zügige Sachverhaltsaufklärung und Entscheidung über den Verlegungsantrag der Beschwerdeführerin in der Hauptsache.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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