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BVerfG 28.05.2020 - 1 BvR 2437/18
BVerfG 28.05.2020 - 1 BvR 2437/18 - Nichtannahmebeschluss: Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde und daraus folgende Begründungsanforderungen, insb zur Vorlage von Rechtsmittelbegründungsschriften aus dem fachgerichtlichen Verfahren - hier: Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde in einer presserechtlichen Sache mangels hinreichender Substantiierung
Normen
Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, Art 5 Abs 1 S 1 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 823 Abs 1 BGB, § 823 Abs 2 BGB, § 1004 BGB
Vorinstanz
vorgehend BGH, 25. September 2018, Az: VI ZR 493/17, Beschluss
vorgehend OLG Köln, 7. Dezember 2017, Az: 15 U 74/17, Urteil
vorgehend LG Köln, 26. April 2017, Az: 28 O 337/16, Urteil
Tenor
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
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I.
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Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen zivilgerichtliche Entscheidungen, die der Beschwerdeführerin, die eine Tageszeitung verlegt, die Wortberichterstattung über die lange zurückliegende Beziehung einer in der Öffentlichkeit bekannten Frauenrechtsaktivistin, Journalistin und Autorin (nachfolgend: Betroffene) zu Frau S., die diese Beziehung zuvor in einem Buch veröffentlicht hatte, untersagen.
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1. Die Betroffene veröffentlichte im Jahr 2011 eine Autobiographie, in der sie über ihre "Wurzeln und Prägungen", insbesondere auch über verschiedene für sie zentrale Beziehungen ihres bisherigen Lebens, berichtete, nicht jedoch über die von Juni 1972 bis November 1973 währende Beziehung zu Frau S., über die sie sich weder zuvor noch danach geäußert hatte. Im September 2015 veröffentlichte ein Verleger ein von Frau S. verfasstes Buch, in dem diese über ihre Beziehung zur Betroffenen schrieb. Auf deren gegen den Verleger gerichtete Klage verbot das Landgericht am 19. August 2016 im einstweiligen Verfügungsverfahren die Verbreitung des Buches, da der Verleger des Buches gegen eine Unterlassungsvereinbarung verstoßen habe.
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2. Die Beschwerdeführerin veröffentlichte am 24. August 2016 einen Artikel, in dem sie über das Buch von Frau S. und den Prozess berichtete. Im Ausgangsverfahren begehrte die Betroffene die Unterlassung längerer Passagen des Artikels, in denen teils Auszüge aus dem Buch zitiert wurden und über verschiedene im Buch enthaltene unstreitig wahre Begebenheiten berichtet wurde. Neben allgemeinen Ausführungen zur nonverbalen Kommunikation in der Beziehung wurden dort zwei Szenen geschildert. In der ersten wollte sich die Betroffene nach dieser Schilderung Frau S. intim nähern, wurde von ihr abgewiesen und warf daraufhin mit viel Lärm gusseiserne Bratpfannen auf den Boden. In der zweiten begegneten sich die Betroffene und Frau S. viele Jahre später bei einer öffentlichen Veranstaltung. Die Betroffene habe die einstige Geliebte kurz gemustert, um zu der kühlen Feststellung zu gelangen, dass sie nicht gerade jünger geworden sei.
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3. Das Landgericht verurteilte die Beschwerdeführerin mit angegriffenem Urteil, es zu unterlassen, einzelne Passagen zur nonverbalen Kommunikation und die Passagen zur "Bratpfannen-Szene" und zur späteren Wiederbegegnung zu veröffentlichen. Diesbezüglich falle die Gesamtabwägung zugunsten des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts der in ihrer Privatsphäre berührten Betroffenen aus. Über die Liebesbeziehung zu Frau S. dürfe allerdings allgemein berichtet werden, da aufgrund der Bekanntheit der Betroffenen und ihres öffentlichen Engagements als Feministin ein bedeutendes öffentliches Interesse an ihrem (vergangenen) Privatleben bestehe. Es sei zudem insoweit eine Selbstöffnung der Betroffenen anzunehmen, da diese in ihrer Autobiographie über andere Beziehungen in vergleichbarer "Detailtiefe" berichte.
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4. Das Oberlandesgericht verurteilte die Beschwerdeführerin mit ebenfalls angegriffenem Urteil weitergehend, es zusätzlich zu unterlassen, auch die vom Landgericht für zulässig erachteten allgemeinen Passagen über die Beziehung zu veröffentlichen. Die Berichterstattung sei nicht aufgrund einer angeblich in der Autobiographie in vergleichbarer "Detailtiefe" erfolgten Selbstöffnung hinsichtlich anderer Beziehungen zu dulden. Im Rahmen der Abwägung überwiege das Allgemeine Persönlichkeitsrecht das berechtigte Informationsinteresse der Öffentlichkeit auch hinsichtlich der allgemeinen Berichterstattung über die Beziehung. Hierbei handele es sich um eine in erster Linie die Neugier der Leser nach den privaten Angelegenheiten der Betroffenen befriedigende Mitteilung.
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5. Die Nichtzulassungsbeschwerde, deren Begründung die Beschwerdeführerin nicht vorgelegt und deren Inhalt sie nicht wenigstens ihrem wesentlichen Inhalt nach vorgetragen hat, wies der Bundesgerichtshof mit angegriffenem Beschluss zurück. Die Beschwerde zeige nicht auf, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordere.
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6. Die Beschwerdeführerin rügt die Verletzung ihrer Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, die in Abgrenzung zur Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG einschlägig sei.
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II.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG), weil sie unzulässig ist. Zwar begegnet es Zweifeln, ob insbesondere das Oberlandesgericht Bedeutung und Tragweite des hier einschlägigen Grundrechts auf Meinungsfreiheit ausreichend beachtet (vgl. BVerfGE 85, 1 13>; 97, 125 145>; 102, 347 362 f.>) und die bei der Abwägung mit dem Persönlichkeitsrecht der Betroffenen maßgeblichen Gesichtspunkte in verfassungsrechtlich tragfähiger Weise gewichtet hat (vgl. BVerfGE 101, 361 388>; BVerfGK 10, 383 386>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 26. April 2001 - 1 BvR 758/97 u.a. -, Rn. 20). Die Verfassungsbeschwerde genügt jedoch nicht den Anforderungen an eine substantiierte Begründung (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG).
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1. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Landgerichts richtet, wird sie den Begründungsanforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG deshalb nicht gerecht, weil sie diese Entscheidung nur in zwei Neben-sätzen erwähnt, ohne auf dessen Begründungen einzugehen (vgl. BVerfGE 82, 43 49>).
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2. Auch im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da die Beschwerdeführerin nicht in einer den Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG entsprechenden Weise dargelegt hat, dass ihre Verfassungsbeschwerde dem Grundsatz der Subsidiarität aus § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG gerecht wird.
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a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts genügt eine Verfassungsbeschwerde nicht den Anforderungen des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG, wenn der Beschwerdeführer den Rechtsweg lediglich formell erschöpft hat. Er muss vielmehr, um dem Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs zu entsprechen, alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreifen, um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung in dem unmittelbar mit ihr zusammenhängenden sachnächsten Verfahren zu verhindern oder zu beseitigen (BVerfGE 112, 50 60 ff.> m.w.N.). Ferner muss er in der Verfassungsbeschwerde darlegen, dass dies geschehen ist (vgl. BVerfGE 112, 304 314 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 2. Februar 2016 - 1 BvR 3078/15 -, Rn. 6). Dazu können Rechtsausführungen vor den Fachgerichten gehören, sofern das Prozessrecht, wie beispielsweise bei der Einlegung einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung eines Rechtsmittels, rechtliche Darlegungen verlangt (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 28. April 2011 - 1 BvR 3007/07 -, Rn. 17).
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aa) Erstrebt ein Beschwerdeführer die Zulassung der Revision im Wege einer Nichtzulassungsbeschwerde, müssen die Zulassungsgründe gemäß § 544 Abs. 4 Satz 3 ZPO in der Beschwerdebegründung dargelegt werden. § 557 Abs. 3 Satz 1 ZPO, nach dem das Revisionsgericht an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden ist, findet auf die Entscheidung über die Zulassung der Revision keine Anwendung. Der Beschwerdeführer muss den Zulassungsgrund benennen und zu dessen Voraussetzungen so substantiiert vortragen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, allein anhand der Beschwerdebegründung und des Berufungsurteils die Zulassungsvoraussetzungen zu prüfen (vgl. BVerfGK 19, 467 472>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 30. März 2011 - 1 BvR 1146/08 -, Rn. 14; BGHZ 152, 182 185>). Da die Revision auch dann zuzulassen ist, wenn das Berufungsgericht bei der Auslegung oder Anwendung von Vorschriften des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts gegen grundlegende, verfassungsrechtlich abgesicherte Gerechtigkeitsanforderungen verstoßen hat und die Entscheidung deshalb von Verfassungs wegen einer Korrektur bedarf, muss in der Beschwerdebegründung auch dazu substantiiert vorgetragen werden. Es sind insoweit die gleichen Voraussetzungen maßgebend, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Erfolg einer Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil führen könnten (vgl. BGHZ 154, 288 296 f.> m.w.N.).
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bb) Im Verfassungsbeschwerdeverfahren gehört daher zur Darlegung, dass der Beschwerdeführer im Fachverfahren alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergriffen hat, um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung in dem unmittelbar mit ihr zusammenhängenden sachnächsten Verfahren zu verhindern oder zu beseitigen, dass er entsprechende Rechtsmittelschriftsätze wie die Nichtzulassungsbeschwerdebegründung vorlegt oder ihrem wesentlichen Inhalt nach wiedergibt, da andernfalls nicht überprüft werden kann, ob er selbst den Erfolg seines Rechtsmittels durch eine nicht genügende Begründung vereitelt hat (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Mai 2012 - 2 BvR 2207/10 -, Rn. 7; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 2. Februar 2016 - 1 BvR 3078/15 -, Rn. 6).
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b) Die Beschwerdeführerin hat weder die Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde vorgelegt, noch deren (wesentlichen) Inhalt vorgetragen. Auch aus dem angegriffenen Beschluss des Bundesgerichtshofs geht nicht hervor, was die Beschwerdeführerin zur Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde vorgebracht hat. Dem Bundesverfassungsgericht wurde daher nicht die Prüfung ermöglicht, ob die Beschwerdeführerin im Rahmen der Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde dem Subsidiaritätsgrundsatz genügt und alle zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergriffen hat, um die gerügten Grundrechtsverletzungen zu verhindern. Allein der Umstand, dass eine Rüge der Verletzung der Meinungsfreiheit bereits in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde naheliegend ist, entbindet nicht vom Erfordernis, die Beschwerdebegründung vor- oder deren wesentlichen Inhalt darzulegen.
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3. Von einer Begründung im Übrigen wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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