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BVerfG 23.01.2020 - 2 BvR 183/19
BVerfG 23.01.2020 - 2 BvR 183/19 - Nichtannahmebeschluss: Erfolglose, da mangels hinreichender Begründung unzulässige Verfassungsbeschwerde gegen die Zustimmung der Bundesregierung zum Abschluss des Abkommens zwischen der EU und Japan über eine Wirtschaftspartnerschaft (WPA bzw JEFTA)
Normen
Art 20 Abs 1 GG, Art 20 Abs 2 GG, Art 38 Abs 1 S 1 GG, Art 79 Abs 3 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG
Tenor
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
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Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Gründe
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Mit ihrer Verfassungsbeschwerde und dem nachgereichten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wenden sich die Beschwerdeführer gegen die Zustimmung der Bundesregierung im Rat der Europäischen Union zum Abschluss des Abkommens zwischen der Europäischen Union und Japan über eine Wirtschaftspartnerschaft (WPA oder Agreement between the European Union and Japan for an Economic Partnership <JEFTA>) und begehren die Feststellung der Nichtigkeit des Abkommens.
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I.
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Am 29. November 2012 ermächtigte der Rat der Europäischen Union die Europäische Kommission zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit Japan. Die Verhandlungen wurden am 25. März 2013 offiziell eröffnet. Auf dem 24. EU-Japan-Gipfel am 6. Juli 2017 erzielten die Europäische Union und Japan eine politische Grundsatzeinigung, wobei das Freihandelsabkommen in "Wirtschaftspartnerschaftsabkommen" umbenannt wurde. Den Abschluss der Verhandlungen verkündeten der Präsident der Europäischen Kommission und der Premierminister von Japan am 8. Dezember 2017. Nachdem der Rat der Handelsminister das Verhandlungsergebnis am 22. Mai 2018 im Grundsatz gebilligt hatte, unterzeichneten die Präsidenten der Europäischen Kommission und des Rates sowie der Premierminister von Japan am 17. Juli 2018 das Abkommen. Das Europäische Parlament stimmte dem WPA am 12. Dezember 2018 zu, der Rat der Europäischen Union am 20. Dezember 2018. Das Abkommen trat am 1. Februar 2019 in Kraft.
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Die Europäische Union hat das WPA als sogenanntes "EU-only"-Abkommen allein abgeschlossen. Sie geht davon aus, dass alle vom WPA erfassten Bereiche in ihre Zuständigkeit fallen, und stützt sich hier auf das Gutachten des Gerichtshofs der Europäischen Union zum Freihandelsabkommen mit Singapur vom 16. Mai 2017 (EuGH, Gutachten 2/15, EU:C:2017:376). Darin kam der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass die Europäische Union in allen von dem geplanten Abkommen erfassten Bereichen die ausschließliche Zuständigkeit besitze; ausgenommen seien lediglich andere Investitionen als Direktinvestitionen und die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investor und Staat mit den Mitgliedstaaten als Beklagten. Diese Bereiche fielen in die geteilte Zuständigkeit von Europäischer Union und Mitgliedstaaten.
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Die Europäische Union hat darauf hingewiesen, dass das WPA weder Normen für den Investitionsschutz noch Bestimmungen zur Streitbeilegung in diesem Bereich enthalte. Insoweit sei der Abschluss eines eigenen bilateralen Investitionsabkommens mit Japan beabsichtigt.
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II.
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Die Beschwerdeführer erheben eine Vielzahl von Rügen gegen das WPA als Freihandelsabkommen "neuer Generation". Sie tragen unter anderem umfänglich zu einer fortschreitenden Klimakatastrophe, zum Pariser Übereinkommen zum Klimaschutz und dessen angeblicher Blockierung durch das WPA vor. Diesen Vortrag haben die Beschwerdeführer mit nachgereichtem Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 5. Dezember 2019 ergänzt und dabei ihre Kritik am Gutachten 1/17 des Europäischen Gerichtshofs vom 30. April 2019 (ECLI:EU:C:2019:341) zum Freihandelsabkommen CETA wiederholt.
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Im rechtlichen Kern ihrer Ausführungen machen die Beschwerdeführer geltend, der Beschluss des Rates der Europäischen Union über den Abschluss des WPA verletze sie in ihrem Recht auf Demokratie aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1, Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG. Das WPA sei ein Ultra-vires-Akt, weil es auch nach dem Gutachten 2/15 als gemischtes Abkommen hätte abgeschlossen werden müssen. Mit der Behandlung als "EU-only"-Abkommen missachte die Europäische Union mitgliedstaatliche Kompetenzen und nehme ausschließliche Zuständigkeiten für Bereiche in Anspruch, die zu den geteilten Zuständigkeiten gehörten.
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Die Beschwerdeführer rügen zudem eine Verletzung des von Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Kerns des Demokratieprinzips durch das im WPA vorgesehene Ausschusswesen. Insbesondere könne der Gemischte Ausschuss in zahlreichen im Abkommen spezifizierten Fällen Entscheidungen bis hin zu Vertragsänderungen treffen, die die Vertragsparteien bänden. Damit könne die Gestaltungsfreiheit des deutschen Gesetzgebers erheblich eingeschränkt werden.
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III.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG), weil sie unzulässig ist. Der Vortrag der Beschwerdeführer zur Möglichkeit einer Verletzung von Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG genügt - auch unter Berücksichtigung des nachgereichten Schriftsatzes vom 5. Dezember 2019 - nicht den sich aus § 23 Abs. 1 Satz 2 und § 92 BVerfGG ergebenden Substantiierungsanforderungen.
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1. In der Begründung einer Verfassungsbeschwerde haben die Beschwerdeführer darzulegen, mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme kollidieren soll. Sie müssen dazu insbesondere aufzeigen, inwieweit die Maßnahme die bezeichneten Grundrechte verletzen soll (vgl. BVerfGE 99, 84 87>; 108, 370 386 f.>; 120, 274 298>; 140, 229 232 Rn. 9>; 142, 234 251 Rn. 28>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 24. Juli 2018 - 2 BvR 1961/09 -, Rn. 23). Liegt zu den mit der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Verfassungsfragen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor, so ist der behauptete Grundrechtsverstoß in Auseinandersetzung mit den darin entwickelten Maßstäben zu begründen (vgl. BVerfGE 140, 229 232 Rn. 9>; 142, 234 251 Rn. 28>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 24. Juli 2018 - 2 BvR 1961/09 -, Rn. 23).
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2. Hieran gemessen haben die Beschwerdeführer die Möglichkeit einer Verletzung von Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG durch die Mitwirkung der Bundesregierung am Beschluss des Rates der Europäischen Union über den Abschluss des WPA nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Sie erheben zwar zahlreiche Rügen gegen das WPA, allerdings weitgehend ohne konkreten Bezug zu den verfassungsrechtlichen Maßstäben.
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Auch soweit sie im rechtlichen Kern ihrer Ausführungen geltend machen, dass die Mitwirkung der Bundesregierung am Beschluss des Rates über den Abschluss des WPA sie in ihrem Recht auf Demokratie aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG verletze, weil das WPA ultra vires ergangen sei, ist ihr Vortrag unzureichend. Es fehlt insoweit insbesondere an einer näheren Auseinandersetzung mit dem Gutachten 2/15 des Gerichtshofs und der dort entfalteten Argumentation. Ohne eine solche Auseinandersetzung kann eine offensichtliche und strukturell bedeutsame Kompetenzüberschreitung (vgl. BVerfGE 123, 267 353 f.>; 126, 286 302 ff.>; 134, 366 382 ff. Rn. 23 ff.>; 142, 123 200 ff. Rn. 146 ff.>; 146, 216 252 f. Rn. 52 f.>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 150 ff.) jedoch nicht dargetan werden.
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In Bezug auf die Identitätsrüge fehlt es an einer an den verfassungsrechtlichen Maßstäben (vgl. BVerfGE 123, 267 344, 353 f.>; 126, 286 302>; 134, 366 384 ff. Rn. 27 ff.>; 140, 317 337 Rn. 43>; 142, 123 195 f. Rn. 137 ff.>; 146, 216 253 f. Rn. 54 f.>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 120, 204 f.) orientierten substantiierten Darlegung, inwiefern das als "EU-only"-Abkommen konzipierte WPA das Demokratieprinzip des Grundgesetzes berührt.
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Soweit sich die Beschwerdeführer schließlich auf das Urteil des Senats zum Freihandelsabkommen CETA (BVerfGE 143, 65) berufen, gehen sie nicht ansatzweise darauf ein, ob das WPA als "EU-only"-Abkommen mit CETA als gemischtem Abkommen (vgl. BVerfGE 143, 65 80 f. Rn. 15, 88 Rn. 38>) vergleichbar und die Rechtsprechung des Senats zu CETA insoweit übertragbar ist.
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3. Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos (§ 40 Abs. 3 GOBVerfG).
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4. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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