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BVerfG 06.05.2019 - 2 BvR 1429/16
BVerfG 06.05.2019 - 2 BvR 1429/16 - Nichtannahmebeschluss: Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch zivilgerichtliche Berufungsentscheidung aufgrund einer von der Vorinstanz abweichenden Vertragsauslegung ohne richterlichen Hinweis gem § 139 Abs 1 ZPO - jedoch Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde mangels Vorlage der Nichtzulassungsbeschwerdebegründung aus dem fachgerichtlichen Verfahren
Normen
Art 103 Abs 1 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 139 Abs 1 ZPO
Vorinstanz
vorgehend OLG München, 14. April 2016, Az: 9 U 1138/14 Bau, Urteil
Tenor
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
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I.
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1. Der Beschwerdeführer und Kläger des Ausgangsverfahrens schloss mit der Beklagten des Ausgangsverfahrens am 31. Januar 2008 einen notariellen Kaufvertrag über den Erwerb einer Immobilie. Der Kaufvertrag sah von der Beklagten bis zum 16. Mai 2008 vorzunehmende Sanierungsleistungen (Ziffer IV.3.) sowie die Löschung einer bestehenden Bankgrundschuld vor. Nach erfolgter Pfandfreistellungserklärung seitens der Bank gegenüber dem Notar wurde der Beschwerdeführer zur Zahlung einer Kaufpreisrate aufgefordert. Er zahlte am 18. Oktober 2008 einen Teilbetrag und machte wegen des restlichen Anteils ein Zurückbehaltungsrecht geltend. Eine den Vorgaben der Verordnung über die Pflichten der Immobilienmakler, Darlehensvermittler, Bauträger, Baubetreuer und Wohnimmobilienverwalter (Makler- und Bauträgerverordnung - MaBV) entsprechende Pfandfreistellungserklärung der Bank erhielt der Beschwerdeführer allerdings erst am 8. November 2011. Da die Entgegennahme des Kaufpreises aus der Sicht des Beschwerdeführers gegen zwingende Vorschriften der Makler- und Bauträgerverordnung verstoßen hatte, klagte er für den Zeitraum vom 18. Oktober 2008 bis zum 8. November 2011 Zinsen auf den seiner Ansicht nach zu Unrecht vorzeitig angeforderten und gezahlten Kaufpreisanteil aus § 817 Satz 1, § 819 Abs. 2, § 291, § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB ein.
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2. Das Landgericht München I wies die Klage zunächst weitestgehend ab. Zwar bestehe der geltend gemachte Verzinsungsanspruch aus § 819 Abs. 2 BGB dem Grunde nach, da die Beklagte die Teilzahlung des Kaufpreises in Kenntnis der Verstöße gegen die Makler- und Bauträgerverordnung entgegengenommen habe; der Beschwerdeführer müsse sich aber die Nutzungsvorteile der Immobilie anrechnen lassen. Auf Berufung und Anschlussberufung hob das Oberlandesgericht München das Urteil auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück.
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3. Sodann gab das Landgericht München I der Klage statt. Abweichend von seiner ersten Entscheidung müsse sich der Beschwerdeführer keine Nutzungsvorteile anrechnen lassen. Ziffer IV.3. des Kaufvertrags sei so zu verstehen, dass zu dem dort benannten Tag auch die Besitzübergabe erfolgen sollte, so dass die Inbesitznahme durch den Beschwerdeführer keine Nutzungsersatzansprüche habe auslösen können.
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4. Auf die Berufung der Beklagten hob das Oberlandesgericht München das Urteil des Landgerichts mit Endurteil vom 14. April 2015 auf und wies die Klage ab. Zwar liege in der fehlenden Übersendung der Freistellungserklärung ein Verstoß gegen § 3 Abs. 1 Satz 4 MaBV. Der Beklagten sei aber insgesamt nicht der für § 819 Abs. 2 BGB nötige Vorsatz nachzuweisen. Ein auf das fahrlässige Verhalten der Beklagten gestützter Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB bestehe zwar dem Grunde nach, reduziere sich wegen der Anrechnung der Nutzungsvorteile aber auf Null. Anders als das Landgericht meine, statuiere Ziffer IV.3. des Kaufvertrags eine bloße Pflicht zur Fertigstellung, keinen Anspruch auf Besitzüberlassung; der Besitzübergang sollte nach der Vorstellung der Parteien allein von der Zahlung des Kaufpreises abhängen. Der verfrühte Besitzübergang löse Nutzungsersatzansprüche aus, die das Gericht auf die vom Beschwerdeführer aufgewandten Finanzierungskosten schätzte.
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5. Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde vom 29. April 2015, deren Begründung der Beschwerdeführer nicht vorgelegt hat, wies der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 1. Juni 2016 zurück.
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II.
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Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG. Er macht insbesondere geltend, das Oberlandesgericht habe nicht auf seine vom Landgericht abweichende Auslegung des Kaufvertrags hingewiesen.
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III.
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG), weil sie unzulässig ist. Ihre Begründung genügt nicht den Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG.
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1. Die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde setzt voraus, dass der Beschwerdeführer alle vorgebrachten Einwände bereits im fachgerichtlichen Ausgangsverfahren geltend macht und das Bundesverfassungsgericht dies prüfen kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 10. März 2016 - 2 BvR 408/16 -, Rn. 3; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 4. Juli 2016 - 2 BvR 1552/14 -, Rn. 5; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Mai 2017 - 2 BvR 1453/16 -, Rn. 3; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 28. November 2018 - 2 BvR 882/17 -, Rn. 11).
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Daran fehlt es hier. Der Beschwerdeführer hat für die verfassungsrechtliche Beurteilung insoweit unverzichtbare Unterlagen, namentlich die Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof, nicht vorlegt und sie ihrem wesentlichen Inhalt nach auch nicht wiedergegeben (vgl. BVerfGE 78, 320 327>; 88, 40 45>; 93, 266 288>; BVerfGK 5, 170 171>).
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2. Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, dass das Urteil des Oberlandesgerichts gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstößt.
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a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet ein Gericht insbesondere, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. BVerfGE 42, 364 367 f.>; 47, 182 187>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 29. August 2017 - 2 BvR 863/17 -, Rn. 15). Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, auch wenn sich dies nicht ausdrücklich in den Entscheidungsgründen niederschlägt (vgl. BVerfGE 5, 22 24>; 25, 137 140>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 17. November 2017 - 2 BvR 1131/16 -, Rn. 48). Nur wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Partei zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen, nicht nachgekommen ist, ist Art. 103 Abs. 1 GG verletzt (vgl. BVerfGE 25, 137 140>; 85, 386 404>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 17. November 2017 - 2 BvR 1131/16 -, Rn. 48).
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Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör hat jedoch nur Erfolg, wenn die angefochtene gerichtliche Entscheidung auch auf der Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG beruht, wenn also nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gericht ohne den Verstoß zu einer anderen Beurteilung des Sachverhalts oder in einem wesentlichen Punkt zu einer anderen Würdigung gekommen wäre (vgl. BVerfGE 7, 239 241>; 18, 147 150>; 28, 17 19 f.>; 62, 392 396>; 89, 381 392 f.>; 112, 185 206>; BVerfGK 15, 116 119>; 19, 377 383>).
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b) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat das Oberlandesgericht gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen, weil es nicht vorab auf seine vom Landgericht abweichende Auslegung des streitgegenständlichen Kaufvertrags hingewiesen hat.
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Der in erster Instanz obsiegende Berufungsbeklagte darf darauf vertrauen, nicht nur rechtzeitig darauf hingewiesen zu werden, dass und aufgrund welcher Erwägungen das Berufungsgericht der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will, sondern auch Gelegenheit zu erhalten, seinen Tatsachenvortrag sachdienlich zu ergänzen oder weiteren Beweis anzutreten (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 12. Juni 2003 - 1 BvR 2285/02 -, Rn. 13; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 7. Oktober 2016 - 2 BvR 1313/16 -, Rn. 11; vgl. auch BGH, Beschluss vom 29. Mai 2018 - VI ZR 370/17 -, NJW 2018, S. 3652 3654 Tz. 15>). Die Frage, wie Ziffer IV.3. des Kaufvertrags zu verstehen ist, war im vorliegenden Fall aus Sicht der Fachgerichte entscheidend dafür, ob der Beschwerdeführer vorzeitig Besitz erlangt hat und in der Folge Nutzungsersatzansprüchen ausgesetzt ist. Vor diesem Hintergrund hätte das Oberlandesgericht auf seine der landgerichtlichen Auffassung widersprechende Interpretation des Kaufvertrags gemäß § 139 Abs. 1 ZPO hinweisen müssen. Das hat es ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung nicht getan.
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c) Diese Gehörsverletzung dürfte allerdings nicht entscheidungserheblich gewesen sein, weil die Umstände, die der Beschwerdeführer nach seinem Vorbringen in der Beschwerdeschrift auf einen entsprechenden Hinweis des Oberlandesgerichts hin vorgetragen hätte, nicht zu einer abweichenden Entscheidung geführt hätten. Das kann angesichts der Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde hier jedoch dahin stehen.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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