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BVerfG 28.09.2013 - 1 BvQ 42/13
BVerfG 28.09.2013 - 1 BvQ 42/13 - Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung: eigene Folgenabwägung nur bei voller Kenntnis der maßgeblichen Umstände - hinreichende Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Grundsätze durch Verwaltungsbehörde und Fachgerichte - hier: Verbot einer Konzertveranstaltung im Wege der Ordnungsverfügung (§ 13 OBG BB) - Gefahr von Straftaten nach §§ 86a, 130 StGB
Normen
Art 5 Abs 3 S 1 GG, § 32 Abs 1 BVerfGG, § 32 Abs 5 S 2 BVerfGG, § 13 Abs 1 OBG BB, § 86a StGB, § 130 StGB
Vorinstanz
vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 27. September 2013, Az: OVG 1 S 245.13, Beschluss
Gründe
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Der Antragsteller ist Mitglied einer Musikband. Mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wendet er sich gegen ein unter Anordnung sofortiger Vollziehung ausgesprochenes Verbot einer angemeldeten Konzertveranstaltung dieser Musikband.
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.
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1. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsaktes vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben. Der Antrag auf Eilrechtsschutz hat jedoch keinen Erfolg, wenn im Hauptsacheverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde unzulässig oder offensichtlich unbegründet wäre (vgl. BVerfGE 71, 158 161>; 111, 147 152 f.>; stRspr). Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde weder als von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet, sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, eine Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, einer Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 71, 158 161>; 96, 120 128 f.>; stRspr).
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2. Danach fehlt es hier an den Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung.
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Dabei kann offen bleiben, ob eine Verfassungsbeschwerde im vorliegenden Fall von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet wäre. Denn angesichts der Kürze der Zeit ist der Kammer jedenfalls eine eigene Folgenabwägung nicht möglich. Eine verantwortliche Abwägung ist im Rahmen der Entscheidung über eine einstweilige Anordnung nach § 32 Abs. 1 BVerfGG nur in voller Kenntnis der hierfür maßgeblichen Umstände möglich. Fehlt es an einer realistischen Möglichkeit, sich diese zu verschaffen, und ist insbesondere in der zur Verfügung stehenden Zeit feststellbar, dass die Ausgangsentscheidungen die verfassungsrechtlichen Grundsätze nicht verkannt haben, die für eine solche Abwägung gelten, sieht sich das Bundesverfassungsgericht zu einer abweichenden Beurteilung außerstande (vgl. BVerfGE 56, 244 246>; 72, 299 301>; 83, 158 161>).
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ging am Tag der geplanten Konzertveranstaltung, einem Samstag, um 9:24 Uhr bei der zentralen Faxstelle des Bundesverfassungsgerichts ein; aus organisatorischen Gründen bat der Antragsteller um eine Entscheidung bis 13:00 Uhr. Das Gericht kann sich unter den aufgezeigten zeitlichen Bedingungen kein hinreichend zuverlässiges Bild darüber machen, welche Gefahren bei Durchführung des Konzerts zu besorgen und welche Maßnahmen zu deren Verhinderung geboten und noch möglich sind.
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Die Ausgangsentscheidungen lassen im Übrigen erkennen, dass die Verwaltungsbehörde und die Fachgerichte die einschlägigen verfassungsrechtlichen Grundsätze nicht verkannt haben. Sie gelangten zu der Einschätzung, dass die geplante Durchführung des Konzerts eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Sinne von § 13 Abs. 1 des Gesetzes über Aufbau und Befugnisse der Ordnungsbehörden (Ordnungsbehördengesetz - OBG Bbg -) begründet, weil mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Verletzung von Strafvorschriften (insbesondere §§ 86a, 130 StGB) zu rechnen sei. Diese Gefahrenprognose war nicht auf bloße Vermutungen, sondern auf umfangreiche Tatsachenfeststellungen gestützt.
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Die Verwaltungsbehörde und das Oberverwaltungsgericht haben zugunsten des Antragstellers angenommen, das Konzertverbot stelle einen Eingriff in die durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Kunstfreiheit dar. Die Kunstfreiheit ist nicht mit einem ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt versehen. Sie ist aber nicht schrankenlos gewährleistet, sondern findet ihre Grenzen unmittelbar in anderen Bestimmungen der Verfassung, die ein in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes ebenfalls wesentliches Rechtsgut schützen (vgl. BVerfGE 30, 173 193>; 83, 130 139>; 119, 1 23>). In allen Fällen, in denen andere Verfassungsgüter mit der Ausübung der Kunstfreiheit in Widerstreit geraten, muss ein verhältnismäßiger Ausgleich der gegenläufigen, gleichermaßen verfassungsrechtlich geschützten Interessen mit dem Ziel ihrer Optimierung gefunden werden (vgl. BVerfGE 81, 278 292 f.>); der Konflikt zwischen der Kunstfreiheit und anderen verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern ist also im Wege fallbezogener Abwägung zu lösen (vgl. BVerfGE 77, 240 253>; 119, 1 28 f.>).
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Die im Eilverfahren getroffene Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts lässt hinreichend erkennen, dass eine solche Abwägung vorgenommen wurde. Seine Einschätzung, die zu besorgende Begehung von Straftaten nach §§ 86a und 130 StGB stelle eine Gefährdung des demokratischen Rechtsstaats dar, die auch im Lichte der Kunstfreiheit nicht hingenommen werden könne, verkennt die Gewährleistung des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG nicht.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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