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BVerfG 25.10.2011 - 2 BvR 2407/10
BVerfG 25.10.2011 - 2 BvR 2407/10 - Nichtannahmebeschluss: Mangelnde Rechtswegerschöpfung (§ 90 Abs 2 S 1 BVerfGG) bei unterlassener Anhörungsrüge (§ 33a StPO iVm § 120 Abs 1 StVollzG) - Mögliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bei Nichtberücksichtigung von Parteivorbringen durch Gericht
Normen
Art 103 Abs 1 GG, § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 33a StPO, § 120 Abs 1 StVollzG, § 38 VwVfG
Vorinstanz
vorgehend OLG Hamm, 14. September 2010, Az: 1 Vollz (Ws) 437/10, Beschluss
vorgehend LG Bochum, 18. Juni 2010, Az: III StVK 236/10, Beschluss
Gründe
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Die Verfassungsbeschwerde, die die Überlassung von Kopien aus der Krankenakte des strafgefangenen Beschwerdeführers betrifft, wird gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 25 f.>). Sie ist unzulässig, weil der Rechtsweg nicht erschöpft ist (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG).
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1. Vor Einlegung einer Verfassungsbeschwerde, mit der eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gerügt wird, muss im Regelfall der Rechtsweg erschöpft werden (§ 90 Abs. 2 BVerfGG). Zum Rechtsweg gehört, soweit statthaft, auch die Anhörungsrüge (vgl. BVerfGE 122, 190 198>).
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Der Umstand, dass der Beschwerdeführer mit der Verfassungsbeschwerde einen Gehörsverstoß durch das Oberlandesgericht nicht ausdrücklich rügt, ist insofern unerheblich, denn für die Obliegenheit, vor Einlegung der Verfassungsbeschwerde den Rechtsweg - einschließlich einer statthaften Anhörungsrüge - zu erschöpfen (§ 90 Abs. 2 BVerfGG), kommt es nicht darauf an, ob der Beschwerdeführer mit der Verfassungsbeschwerde einen Gehörsverstoß rügen will. Eine Anhörungsrüge muss daher auch dann erhoben werden, wenn der Beschwerdeführer zwar mit der Verfassungsbeschwerde keinen Gehörsverstoß rügt, die Erhebung einer Anhörungsrüge aber bei objektiver Betrachtung zur Korrektur der von ihm gerügten sonstigen Grundrechtsverstößeführen könnte (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juli 2011 - 1 BvR 1468/11 -, juris, Rn. 6).
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Im vorliegenden Fall war eine Anhörungsrüge (§ 33a StPO in Verbindung mit § 120 Abs. 1 StVollzG) gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts nicht aussichtslos.
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a) Allerdings verpflichtet Art. 103 Abs. 1 GG die Gerichte nicht, auf jedes Vorbringen der Beteiligten in den Entscheidungsgründen ausdrücklich einzugehen (vgl. BVerfGE 5, 22 24>; 96, 205 216 f.>; stRspr). Erst recht kann in Fällen, in denen ein Gericht von der Pflicht, seine Entscheidung zu begründen, ohne Verfassungsverstoß durch Gesetz - hier: § 119 Abs. 3 StVollzG - ausdrücklich entbunden ist, nicht schon aus dem Fehlen von Ausführungen zu einem bestimmten Vorbringen des Rechtsschutzsuchenden geschlossen werden, dass das Gericht dessen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt habe. Umgekehrt schließt aber nicht schon der Umstand, dass eine Entscheidung von Gesetzes wegen keiner Begründung bedurfte, das Vorliegen eines Gehörsverstoßes aus. Eine Anhörungsrüge ist in einem solchen Fall vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde erforderlich, wenn besondere Umstände darauf hindeuten, dass entscheidungserhebliches Vorbringen des Beschwerdeführers nicht in der gebotenen Weise zur Kenntnis genommen oder erwogen worden ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. April 2011 - 2 BvR 2374/10 -, juris, Rn. 4, BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Juli 2008 - 2 BvR 610/08 -, juris, Rn. 6, m.w.N.). Ein solch besonderer Umstand kann auch darin liegen, dass das Fachgericht bei der Verwerfung eines Rechtsbehelfs von einer Begründung abgesehen hat, obwohl der Rechtschutzsuchende die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs substantiiert dargelegt hat (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Juli 2008 - 2 BvR 610/08 -, juris, Rn. 6, m.w.N.).
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b) Danach liegen hier besondere Umstände vor, die eine Anhörungsrüge vor der Erhebung der Verfassungsbeschwerde erforderlich machten.
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Die Rechtsbeschwerde stützte sich unter anderem ausdrücklich darauf, dass das Landgericht bei seiner Entscheidung die dem Beschwerdeführer von Seiten der Justizvollzugsanstalt gemachten schriftlichen Zusagen unberücksichtigt gelassen habe. Angesichts des umfangreichen und detaillierten schriftsätzlichen Vorbringens des Beschwerdeführers zu diesen Zusagen einerseits und des völligen Schweigens der landgerichtlichen Beschlussgründe hierzu andererseits lag der damit gerügte Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör durch das Landgericht nahe. Denn auch wenn die Gerichte - wie dargelegt - nicht verpflichtet sind, jedes Vorbringen in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden, so haben sie jedenfalls die wesentlichen der Rechtsverfolgung und Verteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen in den Entscheidungsgründen zu verarbeiten (vgl. BVerfGE 47, 182 189>; 58, 353 357>). Unter den gegebenen Umständen lag auch ohne weiteres nahe, dass die Entscheidung des Landgerichts auf der Nichtberücksichtigung dieses Vorbringens beruhte. Denn im Falle einer bindenden schriftlichen Zusage der Justizvollzugsanstalt hätte der Beschwerdeführer unabhängig von der einfachrechtlichen Rechtslage einen das Antragsbegehren stützenden Anspruch auf die Aushändigung der begehrten Kopien gehabt (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 38 Rn. 1 ff.).
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Wenn das Oberlandesgericht unter diesen Umständen annahm, dass es auf die Rechtsbeschwerde hin nicht geboten sei, die Nachprüfung der Entscheidung des Landgerichts zu ermöglichen, obwohl § 116 Abs. 1 StVollzG allgemein dahin ausgelegt wird, dass mit der Rechtsbeschwerde die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gerügt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Juli 2008 - 2 BvR 610/08 -, juris, Rn. 5, m.w.N.), liegt die Annahme nahe, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers, soweit es die Nichtberücksichtigung seines Vorbringens zu den Zusagen betraf, nicht in der gebotenen Weise zur Kenntnis genommen und berücksichtigt wurde.
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2. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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