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BVerfG 05.09.2011 - 2 BvR 2228/09
BVerfG 05.09.2011 - 2 BvR 2228/09 - Nichtannahmebeschluss: Mindestgröße für Fraktionen in der Stadtverordnetenversammlung einer kreisfreien Stadt gem § 32 Abs 1 S 3 KomVerf BB - fehlende Beschwerdefähigkeit kommunaler Mandatsträger hinsichtlich aus dem Mandat folgender, mithin nicht „jedermann“ zustehender Rechte - Wahlgleichheit vermittelt im Kommunalverfassungsbereich kein mit der Verfassungsbeschwerde rügefähiges subjektives Recht
Normen
Art 28 Abs 1 S 2 GG, Art 38 Abs 1 S 2 GG, Art 3 Abs 1 GG, § 90 Abs 1 BVerfGG, § 32 Abs 1 S 3 KomVerf BB
Gründe
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I.
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Die Verfassungsbeschwerde betrifft eine landesgesetzliche Bestimmung der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg, die eine Mindestgröße für Fraktionen in Gemeindevertretungen vorsieht.
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Die Beschwerdeführer wurden am 28. September 2008 in die Stadtverordnetenversammlung der kreisfreien Stadt Brandenburg an der Havel im Land Brandenburg gewählt. Ihre Wahl erfolgte auf den Wahlvorschlag der Freien Demokratischen Partei, auf den insgesamt drei Mandatsträger in die Stadtverordnetenversammlung gewählt wurden.
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Nach § 32 Abs. 1 Satz 3 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg vom 18. Dezember 2007 (BbgKVerf - GVBl I S. 286), in Kraft seit 28. September 2008, muss eine Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung einer kreisfreien Stadt eine Mindestgröße von vier Mitgliedern haben. Nach der bis zum 27. September 2008 geltenden Rechtslage reichten gemäß § 40 Abs. 1 Satz 2 der Gemeindeordnung für das Land Brandenburg (GOBbg - GVBl I 2001 S. 154) für die Bildung einer Fraktion bereits zwei Mitglieder aus.
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II.
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Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wenden sich die Beschwerdeführer gegen § 32 Abs. 1 Satz 3 BbgKVerf. Sie rügen, die Norm verletze sie als Kommunalmandatare in ihrem Recht auf formale Gleichheit bei der Ausübung ihres Mandats, welches sich aus Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG ergebe. Darüber hinaus verletze die angefochtene Vorschrift das Selbstorganisationsrecht der Gebietskörperschaft, wonach diese ihren Geschäftsgang nach den eigenen Erfahrungen und den Vorgaben der Verfassung gestalten dürfe.
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III.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Sie hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist ihre Annahme - mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg - zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Rechte der Beschwerdeführer nach § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.
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1. Soweit die Beschwerdeführer eine Grundrechtsverletzung durch die angefochtene Regelung geltend machen, fehlt es ihnen an der Beschwerdefähigkeit gemäß § 90 Abs. 1 BVerfGG. Die mit der Verfassungsbeschwerde angefochtene Regelung betrifft die Beschwerdeführer nicht als "jedermann" gemäß § 90 Abs. 1 BVerfGG, sondern als Träger eines Mandats. Belastende Wirkungen ergeben sich für die Beschwerdeführer nur insofern, als ihnen § 32 Abs. 1 Satz 3 BbgKVerf die Möglichkeit nimmt, sich in der Stadtverordnetenversammlung zu einer Fraktion zusammenzuschließen. Damit betrifft die angefochtene Regelung die Beschwerdeführer allein in ihrer Eigenschaft als Kommunalmandatare, mithin als Inhaber eines öffentlichen Amtes (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 2. Juli 1993 - 2 BvR 1130/93 -, Rn. 4, juris).
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Die Verfassungsbeschwerde ist der spezifische Rechtsbehelf des Bürgers gegen den Staat. Sie ist "jedermann" gegeben, wenn die öffentliche Gewalt in die Sphäre des Bürgers eingreift, die durch Grundrechte oder grundrechtsgleiche Gewährleistungen gegenüber dem Staat gesichert ist. Dagegen sind Streitigkeiten zwischen Staatsorganen nicht in dieser Verfahrensart, sondern in den dafür vorgesehenen Organstreitverfahren auszutragen (vgl. BVerfGE 15, 298 302>; 43, 142 148>), soweit diese eröffnet sind. Dies gilt auch, wenn Abgeordnete geltend machen, in mit ihrem Status verbundenen Rechten verletzt zu sein (vgl. BVerfGE 62, 1 32> m.w.N.).
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2. Soweit die Beschwerdeführer als Kommunalmandatare eine Verletzung von Mitgliedschaftsrechten in einer kommunalen Vertretungskörperschaft - hier einem Recht auf formale Gleichheit bei der Ausübung des Stadtverordnetenmandats - geltend machen, fehlt ihnen die Beschwerdebefugnis gemäß § 90 Abs. 1 BVerfGG. Denn ein rügefähiges subjektives Recht ist nicht ersichtlich. Anders als die Beschwerdeführer meinen, kann das objektivrechtliche Verfassungsgebot des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG nicht, auch nicht in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG, als subjektives Recht eingefordert werden (BVerfGE 99, 1 7 ff.>; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 3. Juli 2009 - 2 BvR 1291/09 -, juris, und vom 11. Mai 2010 - 2 BvR 511/10 -, juris).
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a) Für die Rechtsstellung des gewählten Kommunalvertreters fehlt eine dem Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG entsprechende Vorschrift. Für die Wahlen zum Deutschen Bundestag zählt Art. 38 Abs. 1 GG die Wahlrechtsgrundsätze auf, wozu auch die Gleichheit der Wahl zählt. Die Wahlgleichheit muss auch bei der Entfaltung demokratischer Willensbildung, das heißt im Status und der Tätigkeit des Abgeordneten fortwirken. Sie darf nicht nach dem Wahlakt wieder verloren gehen. Zum Status des parlamentarischen Abgeordneten gehört daher auch das in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete Recht auf gleiche Teilhabe am Prozess der parlamentarischen Willensbildung (BVerfGE 112, 118 134>). Dieses verfassungsrechtlich vorgesehene Recht kann ein Bundestagsabgeordneter im Organstreit geltend machen (vgl. BVerfGE 62, 1 31 f.>).
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b) Auf Landtags- oder Kommunalwahlen ist die Vorschrift nicht, auch nicht entsprechend, anwendbar (vgl. BVerfGE 6, 376 384>; 99, 1 7>). Auf kommunaler Ebene werden die Wahlrechtsgrundsätze - somit auch der Grundsatz der Gleichheit der Wahl - durch das Grundgesetz nicht subjektivrechtlich gewährleistet (stRspr, vgl. grundlegend BVerfGE 99, 1 7 ff.>). Sie können daher nicht mit der Verfassungsbeschwerde verteidigt werden (BVerfGE 99, 1 8>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 16. März 2005 - 2 BvR 315/05 -, juris). Das gilt auch, wenn Mitglieder kommunaler Vertretungen Verletzungen ihrer Mitwirkungsrechte geltend machen, die nur aus der Wahl zu dieser Vertretung folgen können (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 3. Juli 2009 - 2 BvR 1291/09 -, juris).
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Zwar verlangt Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG, dass die Grundsätze der allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahl auch bei politischen Wahlen in den Ländern gelten. Die Länder haben diesem Verfassungsgebot bei der Regelung des Wahlrechts zu ihren Länderparlamenten und auf kommunaler Ebene zu genügen. Insoweit ermöglicht das Grundgesetz auch eine Kontrolle der Einhaltung dieser Grundsätze durch das Bundesverfassungsgericht, nämlich im Wege der abstrakten Normenkontrolle gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG oder im Wege der konkreten Normenkontrolle gemäß Art. 100 Abs. 1 GG (BVerfGE 99, 1 12>). Dabei handelt es sich um Verfahren, in denen zu klären ist, ob der Gesetzgeber den objektivrechtlichen Vorgaben der Verfassung genügt hat (vgl. BVerfGE 20, 350 351>; 46, 34 36>; 83, 37 49>).
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Allerdings genießen die Länder im Rahmen ihrer Bindung an die Grundsätze des Art. 28 GG im staatsorganisatorischen Bereich Autonomie. Daher ist es ihnen überlassen, das Wahlsystem und Wahlrecht zu ihren Parlamenten und den kommunalen Vertretungen des Volkes selbst zu regeln (vgl. BVerfGE 99, 1 11>). Dazu gehört auch, dass die Länder den subjektivrechtlichen Schutz des Wahlrechts bei politischen Wahlen in ihrem Verfassungsraum allein und abschließend gewährleisten (vgl. BVerfGE 99, 1 12, 17>; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 16. März 2005 - 2 BvR 315/05 -, juris, vom 9. März 2009 - 2 BvR 120/09 -, juris, vom 3. Juli 2009 - 2 BvR 1291/09 -, juris, und vom 11. Mai 2010 - 2 BvR 511/10 -, juris).Daher ist es für die Frage nach einer subjektiv-rechtlichen Rügemöglichkeit der formalen Wahlgleichheit auf kommunaler Ebene auch ohne Bedeutung, ob die Stadtverordnetenversammlung ein Parlament im staatsrechtlichen Sinne darstellt oder als Organ der Verwaltung anzusehen ist, dem in erster Linie verwaltende Tätigkeiten anvertraut sind (so BVerfGE 120, 82 112>, stRspr).
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c) Unerheblich ist es auch, dass die Beschwerdeführer möglicherweise in der Lage sind, ihre Rechte im Wege einer verwaltungsgerichtlichen (negativen) Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO geltend zu machen. Denn hier steht nicht der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde in Frage, sondern die Beschwerdebefugnis kommunaler Mandatsträger bei Streitigkeiten, die ihren Status betreffen. Aus Art. 19 Abs. 4 GG folgt schon deshalb nichts anderes, da die Vorschrift keine Gewährleistung der Rechte von Organteilen kommunaler Selbstverwaltungskörperschaften begründet (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 2. Juli 1993 - 2 BvR 1130/93 -, juris). Vielmehr setzt sie stets eine im Interesse des Bürgers gewährte Rechtsposition voraus (BVerfGE 83, 182 194>).
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3. Schließlich können die Beschwerdeführer nicht rügen, die angefochtene Regelung verletze das Selbstverwaltungsrecht der Stadt Brandenburg. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG verbürgt das Recht der kommunalen Selbstverwaltung. Zur Geltendmachung dieses Rechts wären die Beschwerdeführer nur berechtigt, wenn ihnen im Wege einer Prozessstandschaft die Befugnis zur Geltendmachung der Rechte der Institution, der sie kraft Mandates angehören, eingeräumt worden wäre (vgl. BVerfGE 78, 344 347>). Das ist aber weder vorgetragen noch ersichtlich.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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