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BFH 06.05.2024 - III R 14/22
BFH 06.05.2024 - III R 14/22 - Korrektur bestandskräftiger Bescheide nach Außenprüfung
Normen
§ 143 AO, § 158 AO, § 162 Abs 1 AO, § 162 Abs 2 AO, § 173 Abs 1 Nr 1 AO, § 4 Abs 3 EStG 2009, EStG VZ 2013, EStG VZ 2014
Vorinstanz
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 21. August 2020, Az: 3 K 208/18, Urteil
Leitsatz
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Die Art und Weise, in der der Steuerpflichtige seine Aufzeichnungen geführt hat, ist eine Tatsache im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO). Dies gilt im Fall der Einnahmenüberschussrechnung nicht nur für Aufzeichnungen über den Wareneingang gemäß § 143 AO, sondern ebenso für sonstige Aufzeichnungen und die übrige Belegsammlung.
Tenor
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Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 21.08.2020 - 3 K 208/18 aufgehoben, soweit es die Änderungsbescheide für 2013 und 2014 über Einkommensteuer vom 26.07.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.07.2018 betrifft.
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Die Sache wird an das Niedersächsische Finanzgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
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Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.
Tatbestand
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I.
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Streitig ist, ob der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) die Einkommensteuerbescheide für 2013 und 2014 der Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) ändern durfte.
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Die Kläger wurden in den Streitjahren 2013 und 2014 als Eheleute zur Einkommensteuer zusammen veranlagt.
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Der Kläger war in den Streitjahren als Einzelunternehmer tätig und ermittelte seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Er betrieb einen Einkaufsladen, in dem er als Einzelhändler Artikel für xxx und diverse xxx anbot. Außerdem verkaufte beziehungsweise vermittelte der Kläger xxx und bot verschiedene Dienstleistungen an. Der Kläger verwendete eine elektronische Kasse (Typ xxx), die auf den täglich ausgedruckten Z-Bons fünf Warengruppen auswies (Verkauf 19 %, Verkauf 7 %, xxx, xxx, xxx). Eine weitere Aufgliederung oder Aufzeichnung der Umsätze nach einzelnen Waren und Dienstleistungen nahm der Kläger nicht vor. Die Z-Bons korrigierte der Kläger gelegentlich handschriftlich. Außerdem führte der Kläger ausweislich der Vorentscheidung täglich Kassenberichte mit folgendem Aufbau:
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+ Erlöse (Soll) laut Bon
- abzüglich EC-Umsatz
- abzüglich Auszahlung
+ zuzüglich Einzahlungen
= Kassenbestand (Soll).
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Der Kassenbestand am Tagesende wurde nahezu ausschließlich mit 0 € angegeben, die Wechselgeldeinlage in der Kategorie "+ zuzüglich Einzahlungen". Für einige Tage der Streitjahre lautete diese Eintragung auf 0 €. Überwiegend entsprachen die Eintragungen im Kassenbericht den Zahlenwerten auf den Z-Bons. Soweit der Kläger handschriftliche Korrekturen auf den Z-Bons vorgenommen hat, entsprachen die Eintragungen im Kassenbericht teils den korrigierten Zahlen auf den Z-Bons (zum Beispiel am xx.xx.2015), teils wurden die Korrekturen nicht in den Kassenbericht übernommen (zum Beispiel am xx.xx.2015). Für den xx.xx.2015 war ein Kassenendbestand von x € vermerkt. Dieser wurde für den Folgetag (xx.xx.2015) nicht als Einzahlung notiert, die Erlöse und die Auszahlung laut Kassenbericht entsprachen den auf dem Z-Bon ausgewiesenen Beträgen.
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Das FA hatte die Kläger mit Bescheiden vom xx.xx.2015 (Streitjahr 2013) und xx.xx.2016 (Streitjahr 2014) zunächst erklärungsgemäß und ohne Vorbehalt der Nachprüfung zur Einkommensteuer veranlagt.
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Zwischen dem xx.xx.2017 und dem xx.xx.2017 fand eine Außenprüfung beim Kläger statt. Der Prüfer kam zu dem Ergebnis, dass
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der Kläger seinen Aufzeichnungspflichten nach § 22 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nicht hinreichend nachgekommen sei, weil er nicht sämtliche Geschäftsvorfälle nach der zeitlichen Reihenfolge und mit ihrem richtigen Inhalt festgehalten habe. Es sei nicht erkennbar, ob der Kläger Umsätze zu verschiedenen Steuersätzen zutreffend getrennt und auf die Umsätze den zutreffenden Steuersatz angewendet habe;
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ein grundsätzlich nicht zur Führung eines Kassenbuchs verpflichteter Steuerpflichtiger, der --wie der Kläger-- ein solches freiwillig führe, die gesetzlichen Anforderungen an ein Kassenbuch erfüllen müsse. Dem genüge das 2013 und 2014 in Form einer nicht gegen nachträgliche Änderungen geschützten Excel-Tabelle erstellte Kassenbuch nicht. Auch könne eine Kassensturzfähigkeit im Nachhinein nicht festgestellt werden;
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die Geschäftsvorfälle, die den handschriftlichen Korrekturen auf den Z-Bons zugrunde liegen, mangels Eigenbelegen nicht nachvollziehbar seien (2013: 7 von 18 Korrekturen unbelegt, 2014: 49 von 63 Korrekturen unbelegt, 2015: 12 von 16 Korrekturen unbelegt).
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Eine Geldverkehrsrechnung ergab keine ungeklärten Einnahmefehlbeträge. Der Prüfer vertrat die Auffassung, dass wegen erheblicher Kassenführungsmängel eine Hinzuschätzung durch Sicherheitszuschlag in Höhe von 10 % der Barerlöse zu erfolgen habe (2013: x €, 2014: x €, 2015: x € - jeweils netto).
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Das FA machte sich die Feststellungen der Außenprüfung zu eigen und änderte dementsprechend am 26.07.2017 die Bescheide über Einkommen- und Umsatzsteuer sowie über den Gewerbesteuermessbetrag für 2013 bis 2015. Es stützte die Änderung der Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbetragsbescheide für 2013 und 2014 auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO, die Änderung der übrigen Bescheide auf § 164 Abs. 2 AO.
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Die Einsprüche gegen die Änderungsbescheide wies das FA am 18.07.2018 als unbegründet zurück.
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Die anschließende Klage hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) änderte die Änderungsbescheide vom 26.07.2017 und die zugehörige Einspruchsentscheidung vom 18.07.2018 dahingehend, dass es die Erhöhung der Betriebseinnahmen für die Einkommensteuer und die Gewerbesteuermessbeträge für 2013 und 2014 vollständig rückgängig machte und im Übrigen nur noch einen Sicherheitszuschlag von 5 % der Betriebseinnahmen beziehungsweise Umsätze zum Regelsteuersatz (netto) in Ansatz brachte. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2022, 1669 veröffentlicht.
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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Bundesrechts.
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Das FA beantragt,
das Urteil des Niedersächsischen FG vom 21.08.2020 aufzuheben, soweit es die Änderungsbescheide für 2013 und 2014 über Einkommensteuer vom 26.07.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.07.2018 betrifft, und die Klage insoweit abzuweisen.
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Die Kläger beantragen,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Die Kläger halten das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision ist begründet. Sie führt zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit dieses die Änderungsbescheide zur Einkommensteuer für 2013 und 2014 vom 26.07.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.07.2018 betrifft, und insoweit zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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1. Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Regelung des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO eine Änderung bestandskräftiger (Einkommen-)Steuerbescheide im Nachgang zu einer Außenprüfung nur dann zulasse, wenn sicher feststehe, dass der Steuerpflichtige Betriebseinnahmen nicht aufgezeichnet hat. Der Senat kann auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen aber nicht entscheiden, ob die übrigen Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO erfüllt sind.
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a) Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen.
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Rechtfertigender Grund für die Durchbrechung der Bestandskraft nach § 173 AO ist nicht die Unrichtigkeit der Steuerfestsetzung (vgl. Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23.11.1987 - GrS 1/86, BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180, unter C.II.2.a: keine Fehlerberichtigungsvorschrift), sondern der Umstand, dass das FA bei seiner Entscheidung von einem unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist (BFH-Urteil vom 22.04.2010 - VI R 40/08, BFHE 229, 57, BStBl II 2010, 951, unter II.1.b).
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aa) Tatsache im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ist alles, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Steuertatbestands sein kann, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller oder immaterieller Art. Keine Tatsachen in diesem Sinne sind Schlussfolgerungen aller Art, insbesondere juristische Subsumtionen (BFH-Urteile vom 29.10.1987 - IV R 69/85, BFH/NV 1988, 346, unter a; vom 14.01.1998 - II R 9/97, BFHE 185, 117, BStBl II 1998, 371, unter II.1.; vom 22.03.2016 - VIII R 58/13, BFHE 253, 495, BStBl II 2016, 774, Rz 12; vom 21.08.2019 - X R 16/17, BFHE 266, 163, BStBl II 2020, 99, Rz 37). Im Gegensatz zur Schätzung selbst, die eine Schlussfolgerung ist, können die Schätzungsgrundlagen neue Tatsachen im Sinne des § 173 Abs. 1 AO sein (vgl. BFH-Urteile vom 14.05.2003 - II R 25/01, BFH/NV 2003, 1395, unter II.1.; vom 05.08.2004 - VI R 90/02, BFH/NV 2005, 501, unter II.1. und vom 21.08.2019 - X R 16/17, BFHE 266, 163, BStBl II 2020, 99, Rz 37).
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Zu den Tatsachen gehören auch Hilfstatsachen, die den sicheren Schluss auf eine (innere) Haupttatsache (wie zum Beispiel eine Kenntnis oder eine Absicht) zulassen (vgl. BFH-Urteil vom 12.03.2019 - IX R 29/17, BFH/NV 2019, 1057, Rz 18). Bloße Vermutungen und Wahrscheinlichkeiten genügen nicht (BFH-Beschluss vom 19.10.2011 - X R 29/10, BFH/NV 2012, 227, Rz 13).
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Die Art und Weise, in der der Steuerpflichtige seine Aufzeichnungen geführt hat, ist eine Tatsache im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Dies gilt für Aufzeichnungen über den Wareneingang gemäß § 143 AO (BFH-Urteil vom 09.03.2016 - X R 9/13, BFHE 253, 299, BStBl II 2016, 815, Rz 19 ff. und Senatsurteil vom 19.01.2017 - III R 28/14, BFHE 256, 403, BStBl II 2017, 743, Rz 13) ebenso wie für sonstige Aufzeichnungen oder die übrige Belegsammlung eines Steuerpflichtigen, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt. Diese Vorschrift enthält zwar keine Verpflichtung zur förmlichen Aufzeichnung der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben; eine ordnungsgemäße Überschussrechnung setzt aber voraus, dass ihre Höhe durch Belege nachgewiesen wird (vgl. BFH-Urteile vom 12.12.2017 - VIII R 6/14, BFH/NV 2018, 606, Rz 54 und vom 12.02.2020 - X R 8/18, BFH/NV 2020, 1045, Rz 20).
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bb) Übertragen auf den Streitfall folgt hieraus, dass namentlich die Art, in der der Kläger seine Bareinnahmen festgehalten hat, der Inhalt der Aufzeichnungen sowie das Vorhandensein der Z-Bons und deren Inhalt als Tatsachen --und nicht (wie vom FG angenommen) lediglich als Hilfstatsachen-- anzusehen sind. Ob sich diese Tatsachen auf die Höhe der Steuer auswirken, ist bei der Prüfung des Merkmals der Rechtserheblichkeit der Tatsache zu untersuchen (dazu unter II.1.c).
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b) Weitere Voraussetzung für die Änderungsmöglichkeit nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ist das nachträgliche Bekanntwerden der Tatsache. Sie muss schon bei Erlass des ursprünglichen Bescheids vorhanden gewesen sein, so dass sie vom FA bei umfassender Kenntnis des Sachverhalts hätte berücksichtigt werden können. Erst nachträglich entstandene Tatsachen führen nicht zu einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO (BFH-Urteil vom 09.03.2016 - X R 9/13, BFHE 253, 299, BStBl II 2016, 815, Rz 17).
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Das FA hatte die Kläger 2015 (Streitjahr 2013) beziehungsweise 2016 (Streitjahr 2014) zunächst erklärungsgemäß zur Einkommensteuer veranlagt. Erst durch die im Jahr 2017 durchgeführte Außenprüfung --und somit nachträglich-- hat es von den Kassenaufzeichnungen des Klägers in den Streitjahren sowie von den bei ihm dazu vorhandenen Belegen (Z-Bons) und ihrem Inhalt Kenntnis erlangt.
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c) Die Änderung eines Steuerbescheides nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO setzt außerdem die Rechtserheblichkeit der nachträglich bekanntgewordenen Tatsache und die Ursächlichkeit der Unkenntnis des FA von dieser Tatsache für die ursprüngliche Veranlagung voraus.
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aa) Die Rechtserheblichkeit ist zu verneinen, wenn das FA auch bei rechtzeitiger Kenntnis der nachträglich bekanntgewordenen Tatsache mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu keiner anderen Steuer gelangt wäre (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 23.11.1987 - GrS 1/86, BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180, unter C.II.2.b; BFH-Urteil vom 22.04.2010 - VI R 40/08, BFHE 229, 57, BStBl II 2010, 951, Rz 10).
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Wie das FA bei Kenntnis bestimmter Tatsachen und Beweismittel einen Sachverhalt in seinem ursprünglichen Bescheid gewürdigt hätte, ist im Einzelfall aufgrund des Gesetzes, wie es nach der damaligen Rechtsprechung des BFH ausgelegt wurde, und nach den die Finanzämter bindenden Verwaltungsanweisungen zu beurteilen, die im Zeitpunkt des ursprünglichen Bescheiderlasses durch das FA gegolten haben (BFH-Urteil vom 22.04.2010 - VI R 40/08, BFHE 229, 57, BStBl II 2010, 951, Rz 13, m.w.N.).
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bb) Die Art und Weise der Aufzeichnung der Bareinnahmen sowie der Inhalt von vorhandenen Belegen (beziehungsweise der Umstand ihres Fehlens) wären im Streitfall rechtserheblich, wenn das FA bei vollständiger Kenntnis dieser Tatsachen bereits bei der Veranlagung der Kläger zur Einkommensteuer 2013 und 2014 zur Schätzung befugt gewesen wäre und deswegen eine höhere Steuer festgesetzt hätte. Ob die Voraussetzungen für eine Hinzuschätzung von Betriebseinnahmen des Klägers in den Streitjahren tatsächlich vorliegen, hat das FG bislang allerdings nicht festgestellt.
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(1) Sowohl bei Verletzung der Aufbewahrungspflicht als auch bei Verletzung der Aufzeichnungspflicht ist das FA dem Grunde nach zur Schätzung gemäß § 162 Abs. 1 und 2 AO berechtigt (BFH-Urteil vom 26.02.2004 - XI R 25/02, BFHE 205, 249, BStBl II 2004, 599, unter II.1.e). § 162 Abs. 1 Satz 1 AO regelt, dass die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen hat, soweit sie sie nicht ermitteln oder berechnen kann. Nach § 162 Abs. 2 Satz 1 und 2 AO ist insbesondere dann zu schätzen, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag beziehungsweise wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 Abs. 2 AO --in den Streitjahren § 158 AO-- zugrunde gelegt werden. Nach § 158 AO in der in den Streitjahren geltenden Fassung sind die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, der Besteuerung zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden. Diese Vorschrift gilt auch für Aufzeichnungen, die nach Einzelsteuergesetzen (z.B. § 22 UStG) zu erstellen sind, sowie für Aufzeichnungen im Zusammenhang mit einer Einnahmenüberschussrechnung (Seer in Tipke/Kruse, § 158 AO Rz 2; vgl. BFH-Urteil vom 12.12.2017 - VIII R 5/14, BFH/NV 2018, 602, Rz 33 f.; vgl. BFH-Beschluss vom 08.08.2019 - X B 117/18, BFH/NV 2019, 1219, Rz 16). Grundsätzlich verdient eine Einnahmenüberschussrechnung nur bei Vorlage geordneter und vollständiger Belege Vertrauen und kann für sich die Vermutung der Richtigkeit in Anspruch nehmen (BFH-Urteile vom 15.04.1999 - IV R 68/98, BFHE 188, 291, BStBl II 1999, 481, unter II.3. und vom 12.12.2017 - VIII R 6/14, BFH/NV 2018, 606, Rz 57). Das Fehlen einer Verpflichtung zur Aufzeichnung der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben bedeutet nicht, dass das FA die erklärten Gewinne oder Verluste stets ungeprüft hinnehmen muss. Der Steuerpflichtige trägt das Risiko, dass das FA oder das FG die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen können und deshalb die Voraussetzungen für eine Schätzung gemäß § 162 AO erfüllt sind (vgl. BFH-Urteil vom 15.04.1999 - IV R 68/98, BFHE 188, 291, BStBl II 1999, 481, unter II.3. und BFH-Beschluss vom 11.11.2022 - VIII B 97/21, BFH/NV 2023, 113, Rz 13).
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Zur (Hinzu-)Schätzung berechtigen auch formelle Mängel der Aufzeichnungen über Bareinnahmen, die zwar keinen sicheren Schluss auf eine Einnahmenverkürzung zulassen, aber dazu führen, dass keine Gewähr mehr für die Vollständigkeit der Erfassung der Bareinnahmen besteht, ohne dass eine nachträgliche Ergänzung der Dokumentation beziehungsweise eine anderweitige Heilung des Mangels möglich wäre (vgl. BFH-Urteil vom 25.03.2015 - X R 20/13, BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, Rz 27; BFH-Beschlüsse vom 14.08.2018 - XI B 2/18, BFH/NV 2019, 1, Rz 10 und vom 08.08.2019 - X B 117/18, BFH/NV 2019, 1219, Rz 18 f.).
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(2) Im Streitfall hat das FG bei der Prüfung der streitgegenständlichen Bescheide ausgeführt, die verschiedenen angeblichen formellen Mängel der Kassenführung, die der Betriebsprüfer festgestellt habe und deren steuerliche Relevanz und Rechtserheblichkeit unterstellt werden solle, seien als bloße Hilfstatsachen anzusehen. Es hat an dieser Stelle --von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig-- weder Feststellungen zu den einzelnen Tatsachen getroffen noch diese gewürdigt und gewichtet, sondern lediglich unterstellt, dass die vom Betriebsprüfer aufgeführten formellen Mängel der Kassenführung des Klägers bestünden. Soweit das FG in Bezug auf im Revisionsverfahren nicht streitgegenständliche Bescheide zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die vom Kläger gewählte Dokumentation seiner Umsätze mittels täglicher Z-Bons und Kassenberichte fehlerhaft war, hat es seine Schlussfolgerungen ausschließlich auf Sachverhalte gestützt, die sich auf das -- hier nicht streitige-- Jahr 2015 beziehen. Es ist aber nicht auszuschließen, dass das FG auch für die Streitjahre (formelle) Mängel der Aufzeichnungen feststellt, die den Angaben des Klägers zu seinen Betriebseinnahmen die Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit nehmen, zumal es bezüglich der (im vorliegenden Verfahren gleichfalls nicht streitigen) Umsatzsteuer für 2013 und 2014 eine, indessen nicht näher begründete, Befugnis zur Hinzuschätzung für die Umsätze zum Regelsteuersatz (19 %) angenommen hat.
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2. Die Sache ist nicht spruchreif. Aufgrund der vom FG bisher getroffenen tatsächlichen Feststellungen kann der Senat nicht entscheiden, ob die Voraussetzungen für eine Hinzuschätzung von Betriebseinnahmen und damit für eine Änderung der Einkommensteuerbescheide für 2013 und 2014 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO vorliegen. Die Sache ist daher zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen an das FG zurückzuverweisen.
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3. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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