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BFH 08.03.2022 - VI R 37/19
BFH 08.03.2022 - VI R 37/19 - Zustellung von Steuerbescheiden in der Schweiz
Normen
§ 122 AO, § 155 AO, § 9 VwZG, § 10 VwZG, Art 31 VtrRKonv, Art 1 Abs 2 StAHiÜbk, Art 2 StAHiÜbk, Art 17 StAHiÜbk, Art 28 Abs 6 StAHiÜbk, Art 30 StAHiÜbk, § 122 Nr 1.8.4 AEAO 2008, § 122 Nr 3.1.4.1 AEAO 2008
Vorinstanz
vorgehend FG Düsseldorf, 8. Oktober 2019, Az: 10 K 963/18 E, Urteil
Leitsatz
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Eine Zustellung von Einkommensteuerbescheiden an einen in der Schweiz wohnhaften Steuerpflichtigen unmittelbar durch die Post ist völkerrechtlich erstmals für Besteuerungszeiträume ab dem 01.01.2018 zulässig.
Tenor
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Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 08.10.2019 - 10 K 963/18 E aufgehoben.
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Die Klage wird abgewiesen.
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Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I. Streitig ist, ob die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre (2009 bis 2013) vom 25.04.2017 dem Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) ordnungsgemäß bekanntgegeben worden sind.
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Der Kläger hat seit 2013 seinen ausschließlichen Wohnsitz in der Schweizerischen Eidgenossenschaft (Schweiz). Für die Streitjahre wurde er zunächst mit seiner Ehefrau, die ihren Wohnsitz in Z-Stadt hat, zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Nachdem die Ehefrau für die Jahre 2009 bis 2012 die getrennte Veranlagung und für das Jahr 2013 die Einzelveranlagung beantragt hatte, forderte der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) den Kläger mit Schreiben vom 14.10.2016 und vom 14.11.2016 auf, Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre abzugeben. In letzterem Schreiben forderte es den Kläger zudem auf, einen inländischen Empfangsbevollmächtigten zu benennen. Zugleich wies es darauf hin, dass ohne die Benennung eines Empfangsbevollmächtigten die für ihn bestimmten Schriftstücke nur durch öffentliche Zustellung bekanntgegeben werden könnten.
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Mit Schreiben vom 29.11.2016 bat der Kläger, Schriftstücke an seine Anschrift in der Schweiz und nicht an Dritte zu senden. Einkommensteuererklärungen gab er nicht ab.
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Das FA hob die im Wege der Zusammenveranlagung ergangenen Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre, soweit sie den Kläger betrafen, mit Bescheiden vom 25.04.2017 auf. Unter gleichem Datum veranlagte es den Kläger für die Streitjahre getrennt bzw. einzeln zur Einkommensteuer.
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Ebenfalls am 25.04.2017 ordnete das FA die öffentliche Zustellung der Einkommensteuerbescheide und der Aufhebungsbescheide an. Die Benachrichtigungen über die öffentliche Zustellung wurden am selben Tag im FA ausgehängt und am 10.05.2017 wieder abgenommen. Zudem informierte das FA den Kläger mit Schreiben vom 25.04.2017 über die öffentliche Zustellung und übersandte ihm Kopien der Einkommensteuer- sowie der Aufhebungsbescheide.
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Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage, mit der der Kläger die Feststellung der Unwirksamkeit der Bekanntgabe der Einkommensteuerbescheide der Streitjahre vom 25.04.2017 begehrte, gab das Finanzgericht (FG) aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2019, 1809 veröffentlichten Gründen statt.
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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
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Es beantragt,
das Urteil des FG vom 08.10.2019 - 10 K 963/18 E aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre dem Kläger nicht wirksam durch öffentliche Bekanntgabe gemäß § 122 Abs. 1 und 5 Sätze 1 und 2 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) bekanntgegeben wurden.
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1. Gemäß § 122 Abs. 1 Satz 1 AO ist ein schriftlicher Verwaltungsakt --und damit auch ein Steuerbescheid (§ 155 Abs. 1 AO)-- demjenigen Beteiligten bekanntzugeben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird.
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a) Die Bekanntgabe eines Steuerbescheids erfolgt, soweit dessen förmliche Bekanntgabe --wie auch im Streitfall-- nicht gesetzlich angeordnet ist, grundsätzlich mittels einfachen Briefs durch die Post (§ 122 Abs. 2 AO). Dies gilt gleichermaßen für die Übermittlung eines Steuerbescheids in das Ausland.
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b) Nach § 122 Abs. 5 Satz 1 AO wird ein Steuerbescheid u.a. zugestellt, wenn dies behördlich angeordnet wird. Die Anordnung der Zustellung steht im Ermessen der Behörde und muss auf die Belange des Bekanntgabeadressaten Rücksicht nehmen sowie dokumentiert sein (Klein/Ratschow, AO, 15. Aufl., § 122 Rz 78).
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c) Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 VwZG erfolgt eine Zustellung im Ausland durch Einschreiben mit Rückschein, soweit die Zustellung von Steuerbescheiden unmittelbar durch die Post völkerrechtlich zulässig ist.
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d) Gemäß § 122 Abs. 5 Satz 2 AO i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VwZG kann die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen, wenn sie im Fall des § 9 VwZG (Zustellung im Ausland) nicht möglich ist oder keinen Erfolg verspricht. Die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung kommt nur als letztes Mittel in Betracht, wenn alle Möglichkeiten erschöpft sind, den Verwaltungsakt dem Empfänger in anderer Weise zu übermitteln (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 09.12.2009 - X R 54/06, BFHE 228, 111, BStBl II 2010, 732, und vom 12.01.2011 - I R 37/10, sowie BFH-Beschluss vom 14.03.2017 - X S 18/16 (PKH)).
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2. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das FA zunächst die Zustellung der Steuerbescheide ermessensfehlerfrei angeordnet und sodann deren Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung auch ermessensfehlerfrei durchgeführt. Das FA hatte keine andere Möglichkeit, dem in der Schweiz ansässigen Kläger die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre zu übermitteln.
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a) Die Steuerbescheide konnten dem in der Schweiz ansässigen Kläger bis zum Inkrafttreten des Übereinkommens über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen vom 25.01.1988 i.d.F. des Protokolls vom 27.05.2010 (im Weiteren: Übereinkommen) völkerrechtlich nicht zulässig durch einfachen Brief bekanntgegeben werden (s. Anwendungserlass zur Abgabenordnung --AEAO-- zu § 122 Nr. 1.8.4 und 3.1.4.1 in der für die Streitjahre maßgeblichen Fassung). Die Anordnung der Zustellung der Steuerbescheide ist daher nicht zu beanstanden.
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b) Die Zustellung der Steuerbescheide konnte gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VwZG durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen, da eine Zustellung in die Schweiz gemäß § 9 Abs. 1 VwZG insbesondere mittels Einschreiben mit Rückschein völkerrechtlich nicht zulässig war (s. AEAO zu § 122 Nr. 1.8.4 und 3.1.4.1 in der für die Streitjahre maßgeblichen Fassung).
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c) Eine Zustellung der Steuerbescheide an den in der Schweiz ansässigen Kläger konnte das FA im Jahr 2017, anders als das FG meint, auch nicht gemäß Art. 17 Abs. 3 des Übereinkommens unmittelbar durch die Post vornehmen lassen. Denn auch diese Art der Zustellung war nach Art. 28 Abs. 6 Satz 1 des Übereinkommens erst für Steuerbescheide ab dem Veranlagungszeitraum 2018 zulässig.
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aa) Nach Art. 1 Abs. 2 Buchstabe c des Übereinkommens umfasst die Amtshilfe, die die Vertragsparteien einander gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 1 des Übereinkommens in Steuersachen leisten, die Zustellung von Schriftstücken. Gemäß Art. 17 Abs. 1 des Übereinkommens stellt der ersuchte Staat auf Ersuchen des ersuchenden Staates dem Empfänger die Schriftstücke, einschließlich derjenigen zu Gerichtsentscheidungen, zu, die aus dem ersuchenden Staat stammen und eine unter das Übereinkommen fallende Steuer betreffen. Eine Vertragspartei kann die Zustellung von Schriftstücken nach Art. 17 Abs. 3 des Übereinkommens an eine Person im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei auch unmittelbar durch die Post vornehmen.
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bb) Der Deutsche Bundestag hat dem Übereinkommen i.d.F. des Protokolls vom 27.05.2010 mit Zustimmung des Bundesrates durch Gesetz vom 16.07.2015 zugestimmt (BGBl II 2015, 966). Nach der Ratifikation des Übereinkommens am 28.08.2015 ist es für die Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) am 01.12.2015 in Kraft getreten (BGBl II 2015, 1277). Die Schweiz hat das Übereinkommen am 26.09.2016 ratifiziert. In Kraft getreten ist es dort am 01.01.2017 (Amtliche Sammlung des Bundesrechts 2016, 5071).
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cc) Allerdings hat sich die Schweiz --gestützt auf Art. 30 Abs. 1 Buchstabe d des Übereinkommens-- vorbehalten, keine Amtshilfe bei der Zustellung von Schriftstücken gemäß Art. 17 Abs. 1 des Übereinkommens im Zusammenhang mit Steuern, die in Art. 2 Abs. 1 des Übereinkommens aufgelistet sind, zu leisten (Vorbehalt Nr. 4 des Übereinkommens). Zu diesen Steuern gehören auch die Steuern vom Einkommen (Art. 2 Abs. 1 Buchstabe a Unterbuchstabe i des Übereinkommens).
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dd) Von der in Art. 30 Abs. 1 Buchstabe e des Übereinkommens geregelten Möglichkeit, auch die in Art. 17 Abs. 3 des Übereinkommens vorgesehene Zustellung von Schriftstücken durch die Post nicht zu gestatten, hat die Schweiz hingegen keinen Gebrauch gemacht.
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ee) Nach Art. 28 Abs. 6 Satz 1 des Übereinkommens in der durch das Protokoll von 2010 geänderten Fassung (s. dort: Art. VIII Abs. 6) gilt das Übereinkommen (erst) für die Amtshilfe im Zusammenhang mit Besteuerungszeiträumen, die am oder nach dem 01.01. des Jahres beginnen, das auf das Jahr folgt, in dem das Übereinkommen in der durch das Protokoll von 2010 geänderten Fassung für eine Vertragspartei in Kraft getreten ist. Da das Übereinkommen in der Schweiz, wie dargelegt, am 01.01.2017 in Kraft getreten ist und der Veranlagungszeitraum gemäß § 25 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes am 01.01. beginnt, gilt die Amtshilfe erst für Besteuerungszeiträume ab 2018.
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ff) Art. 28 Abs. 6 Satz 1 des Übereinkommens erstreckt sich auch auf die Zustellung von Schriftstücken durch die Post gemäß Art. 17 Abs. 3 des Übereinkommens. Denn auch diese Zustellung ist eine Form der Amtshilfe im Sinne dieser Regelung. Eine Zustellung von Steuerbescheiden unmittelbar durch die Post an in der Schweiz ansässige Steuerpflichtige ist mithin erst für Steuerbescheide ab dem Veranlagungszeitraum 2018 möglich. Nur diese Auslegung entspricht dem Regelungsgehalt des Übereinkommens, von dem die hier beteiligten Vertragsparteien (Schweiz und Deutschland) ausgegangen sind.
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(1) Zur Ermittlung des Regelungsgehalts eines völkerrechtlichen Vertrags --hier des Übereinkommens-- ist das Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23.05.1969 --WÜRV-- (BGBl II 1985, 927) heranzuziehen, das seit Inkrafttreten des Zustimmungsgesetzes vom 03.08.1985 (BGBl II 1985, 926) am 20.08.1987 (BGBl II 1987, 757) in innerstaatliches Recht transformiert ist (BFH-Beschluss vom 13.07.2021 - I R 63/17, BFHE 274, 18, Rz 16, m.w.N.).
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(2) Danach ist ein völkerrechtlicher Vertrag nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen (Art. 31 Abs. 1 WÜRV). Maßgeblich sind insbesondere der Wortlaut des Vertrags (Art. 31 Abs. 2 WÜRV) und die gewöhnliche Bedeutung der verwendeten Ausdrücke. Dementsprechend sind die übereinkommensrechtlichen Begriffe nach der Rechtsprechung des BFH zunächst nach dem Wortlaut und den Definitionen des Übereinkommens und sodann nach dem Sinn und dem Vorschriftenzusammenhang innerhalb des Übereinkommens auszulegen. Auf die Begriffsbestimmungen des innerstaatlichen Rechts ist grundsätzlich erst auf einer nachgelagerten Prüfungsebene zurückzugreifen (vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFHE 274, 18, Rz 16, m.w.N.).
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(3) Außer dem in Art. 31 Abs. 2 WÜRV näher beschriebenen systematischen "Zusammenhang" sind nach Art. 31 Abs. 3 WÜRV in gleicher Weise jede spätere Übereinkunft zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung des Vertrags oder die Anwendung seiner Bestimmungen (Buchstabe a) sowie jede spätere Übung bei der Anwendung des Vertrags, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht (Buchstabe b), zu berücksichtigen. Demgemäß können ein übereinstimmendes Übereinkommensverständnis und eine gemeinsame "Übung" der beteiligten Finanzverwaltungen für die Auslegung des Übereinkommens bedeutsam sein, sofern sie nicht dem Wortlaut des Übereinkommens zuwiderlaufen (vgl. BFH-Urteil vom 11.07.2018 - I R 44/16, BFHE 262, 354, Rz 18, m.w.N.).
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(4) Ausgehend von diesen Grundsätzen erstreckt sich die zeitliche Anwendungsregelung in Art. 28 Abs. 6 Satz 1 des Übereinkommens auch auf die Zustellung von Schriftstücken gemäß Art. 17 Abs. 3 des Übereinkommens.
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Art. 28 Abs. 6 Satz 1 des Übereinkommens enthält (lediglich) eine zeitliche Anwendungsregelung betreffend die "Amtshilfe" nach dem Übereinkommen. Eine Unterscheidung nach der Art der dahingehenden Maßnahmen ist dort nicht geregelt. Die Vorschrift bezieht sich auf jegliche Form der übereinkommensrechtlichen Amtshilfe. Diese umfasst nach Art. 1 Abs. 2 Buchstabe c des Übereinkommens ohne jegliche Einschränkungen (auch) die Zustellung von Schriftstücken. Nach dem Wortlaut und den Definitionen des Übereinkommens sowie nach Sinn und Vorschriftenzusammenhang ist der Begriff "Amtshilfe" daher in den vorgenannten Vorschriften einheitlich zu verstehen und von nämlich weitem Bedeutungsgehalt.
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Dem steht nicht entgegen, dass in Art. 17 des Übereinkommens unterschiedliche Formen der Zustellung von Schriftstücken geregelt sind. Insbesondere kann aus der Unterscheidung von einer Zustellung "durch den ersuchten Staat" gemäß Art. 17 Abs. 1 und Abs. 2 des Übereinkommens --einerseits-- und der postalischen Zustellung durch eine Vertragspartei im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei --andererseits-- nicht geschlossen werden, dass die Zustellung durch den anderen Vertragsstaat "Amtshilfe" darstellt, die postalische (Eigen-)Zustellung auf fremdem Hoheitsgebiet hingegen nicht. Vielmehr ist auch die Zustellung durch die Post eine Zustellung i.S. des insoweit allgemein gefassten Art. 1 Abs. 2 Buchstabe c des Übereinkommens und damit "Amtshilfe". Denn auch eine solche Zustellung und die damit einhergehenden Rechtsfolgen zu Lasten einer Person im Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates stellen einen (zustimmungsbedürftigen) Eingriff in die staatliche Gebietshoheit dar, die einer besonderen Rechtsgrundlage --hier dem Amtshilfeübereinkommen-- bedarf.
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Für diese Auslegung streiten auch das übereinstimmende Übereinkommensverständnis und die gemeinsame "Übung" der beteiligten Finanzverwaltungen. Ausweislich des vom FA vorgelegten E-Mail-Verkehrs zwischen den deutschen und den schweizerischen Finanzbehörden sind die beiden Staaten dahingehend übereingekommen, dass auch die (einfache) postalische Zustellung als Amtshilfe gilt und von der Anwendungsregelung des Art. 28 Abs. 6 Satz 1 des Übereinkommens umfasst wird. Dementsprechend sind die deutschen Finanzbehörden --nicht nur im Streitfall-- verfahren (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 01.02.2018 - IV B 6 - S 1300/07/10011:009, nicht veröffentlicht, zitiert vom Landesamt für Steuern Rheinland-Pfalz, Verfügung vom 27.03.2018 - S 0284 A-St 35 2, Tz. 1 und Tz. 5.21; Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, Erlass vom 08.07.2019 - S 0284, AO-Kartei NW § 122 AO Karte 803). Der Umstand, dass das FA den zwischen den deutschen und den schweizerischen Finanzbehörden erfolgten E-Mail-Verkehr erst im Revisionsverfahren vorgelegt hat, hindert nicht, dessen Inhalt noch zu berücksichtigen. Denn das (übereinstimmende) Übereinkommensverständnis der beteiligten Finanzverwaltungen und dessen tatsächliche Umsetzung ist ein von Amts wegen zu berücksichtigender Umstand.
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Etwas anderes folgt nicht aus dem Umstand, dass die Schweiz gestützt auf Art. 30 Abs. 1 Buchstabe d des Übereinkommens keine Amtshilfe bei der Zustellung von Schriftstücken gemäß Art. 17 Abs. 1 des Übereinkommens leistet (Vorbehalt Nr. 4 des Übereinkommens) und von der entsprechenden Vorbehaltsmöglichkeit in Art. 30 Abs. 1 Buchstabe e des Übereinkommens keinen Gebrauch gemacht hat. Denn die in Art. 30 des Übereinkommens eröffneten Vorbehaltsmöglichkeiten eines jeden Vertragsstaates betreffen lediglich den sachlichen Anwendungsbereich des Übereinkommens. Davon zu unterscheiden ist die hier allein entscheidungserhebliche Frage des Inkrafttretens und damit des zeitlichen Anwendungsbereichs des Übereinkommens.
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3. Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden. Die Klage ist abzuweisen. Die streitgegenständlichen Steuerbescheide sind dem Kläger wirksam bekanntgegeben worden. Da die Zustellung der Einkommensteuerbescheide 2009 bis 2013 an den Kläger nach Art. 17 Abs. 3 des Übereinkommens unmittelbar durch die Post völkerrechtlich nicht zulässig war, war deren öffentliche Zustellung nach § 122 Abs. 5 Satz 1 und 2 AO i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VwZG nach den oben dargelegten Grundsätzen nicht zu beanstanden. Diese hat das FA gemäß den unangefochtenen und den Senat daher bindenden Feststellung des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) ordnungsgemäß nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VwZG bewirkt. Einwendungen hiergegen hat der Kläger weder erhoben noch sind solche nach Aktenlage ersichtlich.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
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