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BFH 31.08.2021 - III R 43/19
BFH 31.08.2021 - III R 43/19 - (Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 31.08.2021 III R 41/19 - Kindergeld; Berücksichtigung eines Kindes nach krankheitsbedingtem Ausbildungsabbruch)
Normen
§ 62 Abs 1 S 1 EStG 2009, § 63 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2009, § 32 Abs 4 S 1 Nr 2 Buchst a EStG 2009, § 32 Abs 4 S 1 Nr 2 Buchst c EStG 2009, § 32 Abs 4 S 1 Nr 3 EStG 2009, EStG VZ 2017, EStG VZ 2018, § 88 AO, § 76 FGO, Abschn 17.2 Abs 1 S 4 DA-KG 2020
Vorinstanz
vorgehend Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, 21. Januar 2019, Az: 3 K 18/18, Urteil
nachgehend Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, 16. Dezember 2022, Az: 3 K 18/18, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Ist ein Kind krankheitsbedingt nicht in der Lage, sich ernsthaft um eine Ausbildungsstelle zu bemühen oder sie zum nächstmöglichen Ausbildungsbeginn anzutreten, kann es nur dann nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG berücksichtigt werden, wenn es sich um eine vorübergehende Erkrankung handelt und die im Anspruchszeitraum bestehende Ausbildungswilligkeit nachgewiesen wird.
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2. NV: Von einer vorübergehenden Erkrankung ist auszugehen, wenn sie im Hinblick auf die ihrer Art nach zu erwartende Dauer der von ihr ausgehenden Funktionsbeeinträchtigung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht länger als sechs Monate währt.
Tenor
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Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 21.01.2019 - 3 K 18/18 insoweit aufgehoben, als das Finanzgericht der Klage für den Zeitraum Juli 2017 bis Februar 2018 stattgegeben hat.
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Die Sache wird an das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
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Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des gesamten Verfahrens übertragen.
Tatbestand
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I.
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Streitig ist im Revisionsverfahren noch der Kindergeldanspruch für den Zeitraum Juli 2017 bis Februar 2018.
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist die Mutter einer im Juli 1993 geborenen Tochter (D). D trat zum 01.08.2012 eine Ausbildung an. Ab Juni 2015 war sie über einen Zeitraum von etwa drei Jahren ausbildungsunfähig erkrankt. In der im gerichtlichen Verfahren vorgelegten ärztlichen Bescheinigung vom 03.04.2018 ist mitgeteilt, dass ein Ende der seit dem Juni 2015 bestehenden Erkrankung nicht absehbar sei. Der Ausbildungsbetrieb verlängerte den Ausbildungsvertrag mit D zunächst zweimal um jeweils ein halbes Jahr bis zum 31.07.2016. Mit Schreiben vom 17.05.2016 lehnte er eine weitere Verlängerung des Ausbildungsverhältnisses unter Hinweis auf § 21 des Berufsbildungsgesetzes ab.
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Seit August 2015 befindet sich D in regelmäßiger ambulanter tiefenpsychologischer Psychotherapie. Ihr Therapeut bescheinigte mit Schreiben vom 14.02.2018 mehrere Diagnosen. Im Zuge einer Zwischenbegutachtung teilte der zuständige Amtsarzt mit Schreiben vom 04.08.2016 Folgendes mit: D "konnte auf Grund einer Erkrankung im Zeitraum 6/2016 bis 6/2017 ihre Ausbildung und Schule nicht absolvieren. Hiernach ist wieder mit Ausbildungsfähigkeit/Arbeitsfähigkeit zu rechnen. Aus ärztlicher Sicht lagen/liegen weiterhin die Voraussetzungen für den Kindergeldbezug vor".
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Im Hinblick auf die vorgenannte Bescheinigung des Amtsarztes setzte die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) durch Bescheid vom 23.08.2016 Kindergeld für D ab September 2016 fest. Mit Schreiben vom 24.10.2017 teilte D der Familienkasse mit, dass ihre Psychotherapie erneut um weitere 50 Stunden verlängert worden sei. Sie sei auf der Suche nach einem Arbeitsplatz, wolle sich demnächst auf einen Schulplatz bewerben, um das Abitur nachzuholen und anschließend zu studieren.
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Mit Bescheid vom 06.12.2017 hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung ab dem Monat Juli 2017 auf. Die Aufhebung erfolgte im Hinblick auf das in der amtsärztlichen Bescheinigung erwähnte voraussichtliche Ende der Erkrankung. Mit weiterem Bescheid vom 06.12.2017 lehnte die Familienkasse den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Kindergeld für D ab dem Monat Juli 2017 ab. Den hiergegen erhobenen Einspruch vom 14.12.2017 wies die Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 05.02.2018 zurück. Die frühere Berufsausbildung sei zum 31.07.2016 beendet worden. Ernsthafte Bemühungen um einen neuen Ausbildungsplatz seien für den Zeitraum ab Juli 2017 nicht nachgewiesen.
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Auf die hiergegen und auf Kindergeld für den Zeitraum Juli 2017 bis Juli 2018 gerichtete Klage hob das Finanzgericht (FG) den Ablehnungsbescheid und die Einspruchsentscheidung insoweit auf, als die Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum Juli 2017 bis Februar 2018 abgelehnt wurde, und verpflichtete die Familienkasse zu einer entsprechenden Kindergeldfestsetzung. Im Übrigen (Monate März bis Juli 2018) wies es die Klage als unzulässig ab.
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Mit der hiergegen gerichteten Revision rügt die Familienkasse die Verletzung materiellen Rechts.
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Die Familienkasse beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als das FG der Klage für den Zeitraum Juli 2017 bis Februar 2018 stattgegeben hat und die Klage auch insoweit abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision der Familienkasse ist begründet. Sie führt hinsichtlich des Streitzeitraums Juli 2017 bis Februar 2018 zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Rechtssache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Auf Grundlage der getroffenen Feststellungen kann der erkennende Senat nicht abschließend prüfen, ob das FG zu Recht davon ausgegangen ist, dass der Klägerin im Streitzeitraum ein Kindergeldanspruch für D zusteht.
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1. Nach § 62 Abs. 1 Satz 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wird für ein Kind, welches das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, Kindergeld u.a. dann gewährt, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG), eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG) oder wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten und die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG).
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2. D wurde im Streitzeitraum nicht i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG für einen Beruf ausgebildet.
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a) In Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG befindet sich, wer "sein Berufsziel" noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet. Dieser Vorbereitung dienen alle Maßnahmen, bei denen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen erworben werden, die als Grundlagen für die Ausübung des "angestrebten" Berufs geeignet sind (z.B. Senatsurteil vom 27.11.2019 - III R 65/18, BFH/NV 2020, 765, Rz 9, m.w.N.).
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Dabei werden Ausbildungsmaßnahmen zwar einerseits durch eine Einschreibung an einer Schule oder Hochschule oder einen Ausbildungsvertrag mit einem Ausbildungsbetrieb indiziert. Andererseits genügt aber das rein formale Bestehen eines Ausbildungsverhältnisses nicht, wenn es an ernsthaften und nachhaltigen Ausbildungsmaßnahmen fehlt (z.B. Senatsurteile in BFH/NV 2020, 765, Rz 10, und vom 18.01.2018 - III R 16/17, BFHE 260, 481, BStBl II 2018, 402, Rz 11, jeweils m.w.N.). Soweit Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Kind seinem gewählten Ausbildungsgang nicht ernsthaft und hinreichend nachgeht, liegt keine Berufsausbildung vor (Senatsurteile vom 03.07.2014 - III R 52/13, BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 32, und vom 08.09.2016 - III R 27/15, BFHE 255, 202, BStBl II 2017, 278, Rz 22).
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Eine Ausnahme von diesem Grundsatz hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 15.07.2003 - VIII R 47/02 (BFHE 203, 106, BStBl II 2003, 848, unter II.1.c) für den Fall zugelassen, dass die Ausbildung infolge einer Erkrankung oder wegen der Schutzfristen vor und nach der Entbindung (§ 3 Abs. 1 und 2 des Mutterschutzgesetzes --MuSchG--) unterbrochen wird. Gleiches hat der BFH für den Fall angenommen, dass das Kind während eines Ausbildungsverhältnisses in Untersuchungshaft genommen oder wegen eines laufenden Strafverfahrens im Ausland mit einem Ausreiseverbot belegt wird (BFH-Urteil vom 20.07.2006 - III R 69/04, BFH/NV 2006, 2067, unter II.1.c). Vorausgesetzt wurde insoweit jedoch, dass das Kind einen Ausbildungsplatz hat und ausbildungswillig ist (BFH-Urteile in BFHE 203, 106, BStBl II 2003, 848, unter II.1.c, sowie in BFH/NV 2006, 2067, unter II.1.c). Wurde das Ausbildungsverhältnis beendet, indem das Kind z.B. von der Schule abgemeldet wurde oder der Ausbildungsvertrag einvernehmlich aufgehoben oder einseitig gekündigt wurde, fehlt es schon am formalen Fortbestehen eines Ausbildungsverhältnisses. Die tatsächliche Durchführung von Ausbildungsmaßnahmen ist nicht mehr wegen der Erkrankung oder der Mutterschutzfristen, sondern wegen des Wegfalls des Ausbildungsverhältnisses ausgeschlossen. Dementsprechend kommt eine Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG nicht mehr in Betracht, soweit eine Ausbildung infolge einer Erkrankung nicht nur unterbrochen, sondern abgebrochen wurde.
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b) Danach scheidet im Streitfall eine Berücksichtigung der D als in Ausbildung befindliches Kind im Streitzeitraum Juli 2017 bis Februar 2018 aus. Denn nach den Feststellungen des FG wurde das Ausbildungsverhältnis nur bis zum 31.07.2016 verlängert und eine weitere Verlängerung mit Schreiben des Ausbildungsbetriebs vom 17.05.2016 abgelehnt. Entsprechend schieden weitere Ausbildungsmaßnahmen mangels Fortbestehens eines Ausbildungsverhältnisses aus.
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3. Entgegen der Auffassung des FG kann D nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt im Streitzeitraum auch nicht nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG berücksichtigt werden.
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a) Die Berücksichtigung als Kind, das eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG), setzt voraus, dass der Beginn der Ausbildung nicht an anderen Umständen als dem Mangel eines Ausbildungsplatzes scheitert (Senatsurteile vom 07.04.2011 - III R 24/08, BFHE 233, 44, BStBl II 2012, 210, Rz 27; vom 13.06.2013 - III R 58/12, BFHE 242, 118, BStBl II 2014, 834, Rz 14, und vom 12.11.2020 - III R 49/18, BFHE 271, 229, Rz 12). Dabei ist zwar grundsätzlich jeder Ausbildungswunsch des Kindes zu berücksichtigen; seine Verwirklichung darf jedoch nicht an den persönlichen Verhältnissen des Kindes scheitern (BFH-Urteil vom 15.07.2003 - VIII R 71/99, BFH/NV 2004, 473, unter II.b aa). Das Kind muss die Ausbildungsstelle im Falle des Erfolgs seiner Bemühungen antreten können (BFH-Urteil vom 15.07.2003 - VIII R 79/99, BFHE 203, 94, BStBl II 2003, 843, unter II.2.a; Senatsurteile vom 27.09.2012 - III R 70/11, BFHE 239, 116, BStBl II 2013, 544, Rz 26, sowie in BFHE 260, 481, BStBl II 2018, 402, Rz 16).
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b) In der Person des Kindes liegende Gründe, welche der Aufnahme einer Berufsausbildung entgegenstehen, liegen z.B. vor, wenn ein Kind nicht die Voraussetzungen für den angestrebten Studiengang erfüllt (BFH-Urteil in BFH/NV 2004, 473) oder wenn ausländerrechtliche Gründe einer Berufsausbildung entgegenstehen (Senatsurteil in BFHE 233, 44, BStBl II 2012, 210). Ein Kind ist auch dann nicht zu berücksichtigen, wenn es eine Ausbildung wegen Übergewichts nicht antreten könnte (BFH-Beschluss vom 08.11.1999 - VI B 322/98, BFH/NV 2000, 432). Dagegen ist es für den Bezug von Kindergeld ausnahmsweise unschädlich, wenn das Kind die Suche nach einem Ausbildungsplatz während der Schutzfristen nach dem MuSchG unterbricht (Senatsurteil in BFHE 242, 118, BStBl II 2014, 834).
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c) Ist ein Kind aus Krankheitsgründen gehindert, sich um einen Ausbildungsplatz zu bewerben oder diesen im Falle der erfolgreichen Bewerbung zum nächstmöglichen Ausbildungsbeginn anzutreten, kommt eine Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG nur unter eingeschränkten Voraussetzungen in Betracht.
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aa) Zunächst muss es sich regelmäßig um eine vorübergehende Krankheit handeln. Dieses Erfordernis ergibt sich aus der Notwendigkeit, die von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG erfassten Fälle von den unter § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG fallenden Fällen abzugrenzen. Letztere Bestimmung erfordert zum einen eine körperliche, geistige oder seelische Behinderung, die nach der maßgeblichen Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch eine mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate dauernde Beeinträchtigung voraussetzt (Senatsurteil in BFHE 271, 229, Rz 14). Zweck dieses Kriteriums ist es, vorübergehende Gesundheitsstörungen aus dem Behinderungsbegriff auszuschließen und damit nur Beeinträchtigungen eines bestimmten Schweregrades zu erfassen (Senatsurteil vom 27.11.2019 - III R 44/17, BFHE 267, 337, BStBl II 2020, 558, Rz 26). Zum anderen werden behinderte Kinder nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG nur dann berücksichtigt, wenn sie außerstande sind, sich selbst zu unterhalten, was eine Prüfung des Bedarfs des Kindes und der diesem zur Verfügung stehenden Mittel erfordert. Insoweit lässt sich der gesetzgeberische Wille erkennen, dass bei einer nicht nur vorübergehenden Erkrankung des Kindes eine typische Unterhaltssituation, die zur steuerlichen Berücksichtigung des Kindes führt, nicht allein aufgrund der Erkrankung angenommen werden darf, sondern darüber hinaus die Feststellung eines konkreten Unterhaltsbedarfs erforderlich ist. Diese Wertung des Gesetzgebers würde aber umgangen, wenn längerfristig erkrankte Kinder auch nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG erfasst werden könnten, ohne dass eine solche Bedarfsprüfung stattfindet. Gerade bei längerfristig erkrankten Kindern ist es nicht ausgeschlossen, dass Sozialleistungen in Anspruch genommen werden, die einen Unterhaltsbedarf ausschließen könnten.
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Werden die Bemühungen um einen Ausbildungsplatz oder die Aufnahme einer Ausbildung daher durch eine Krankheit verhindert, darf die im Rahmen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG berücksichtigungsfähige gesundheitliche Beeinträchtigung regelmäßig mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht länger als sechs Monate andauern. Dabei ist --um den Gleichlauf mit der Feststellung einer Behinderung zu gewährleisten-- nicht die (rückblickend) seit Beginn der Erkrankung oder gar seit ihrer erstmaligen ärztlichen Feststellung tatsächlich abgelaufene Zeit, sondern die ihrer Art nach zu erwartende Dauer der von ihr ausgehenden Funktionsbeeinträchtigung maßgebend (BFH-Urteil vom 18.06.2015 - VI R 31/14, BFHE 251, 147, BStBl II 2016, 40, Rz 22; Senatsurteil in BFHE 267, 337, BStBl II 2020, 558, Rz 26). Zur Beurteilung dieser Frage ist (ggf.) eine Prognose zur (weiteren) Entwicklung der Funktionsbeeinträchtigung zu stellen (Senatsurteil vom 19.01.2017 - III R 44/14, BFH/NV 2017, 735, Rz 18, m.w.N.).
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bb) Des Weiteren ist erforderlich, dass die Ausbildungswilligkeit des Kindes für den entsprechenden Anspruchszeitraum nachgewiesen wird.
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(1) Nach ständiger Rechtsprechung setzt der Berücksichtigungstatbestand des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG bei einem gesunden Kind voraus, dass sich dieses ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht (Senatsurteil vom 22.09.2011 - III R 35/08, BFH/NV 2012, 232, Rz 11, m.w.N.). Das Bemühen um einen Ausbildungsplatz ist glaubhaft zu machen. Pauschale Angaben, das Kind sei im fraglichen Zeitraum ausbildungsbereit gewesen, es habe sich ständig um einen Ausbildungsplatz bemüht oder sei stets bei der Agentur für Arbeit als ausbildungssuchend gemeldet gewesen, reichen nicht aus. Um einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Kindergeldes entgegenzuwirken, muss sich die Ausbildungsbereitschaft des Kindes durch belegbare Bemühungen um einen Ausbildungsplatz objektiviert haben (Senatsurteil in BFH/NV 2012, 232, Rz 12, m.w.N.). Die Nachweise für die Ausbildungswilligkeit des Kindes und für sein Bemühen, einen Ausbildungsplatz zu finden, hat der Kindergeldberechtigte beizubringen; über 18 Jahre alte Kinder haben mitzuwirken (§ 68 Abs. 1 EStG). Es liegt auch im Einflussbereich des Kindergeldberechtigten, Vorsorge für die Nachweise der Ausbildungswilligkeit des Kindes zu treffen (Senatsurteil in BFH/NV 2012, 232, Rz 13, m.w.N.).
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Obwohl das Kindergeld monatlich entsteht und deshalb die Anspruchsvoraussetzungen --wie das Bemühen um einen Ausbildungsplatz-- in jedem Monat gegeben sein müssen, braucht nicht zwingend für jeden Monat ein erneuter Nachweis vorgelegt zu werden, der das Bemühen um einen Ausbildungsplatz dokumentiert. Es ist daher nicht erforderlich, dass sich das Kind jeden Monat erneut um eine Ausbildungsstelle bewirbt, solange über die bisherigen Bewerbungen noch nicht entschieden ist; allerdings ist spätestens nach Ablauf von drei Monaten eine Parallelbewerbung erforderlich, wenn das Kind innerhalb dieses Zeitraums keine Absage erhalten hat (Senatsurteil in BFH/NV 2012, 232, Rz 16, m.w.N.).
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(2) Die Ausbildungswilligkeit eines wegen vorübergehender Erkrankung an Bemühungen um einen Ausbildungsplatz oder an der Aufnahme einer Ausbildung gehinderten Kindes ist ebenfalls für die Monate, für die der Kindergeldanspruch geltend gemacht wird, zu belegen. Als Nachweis kommt etwa die von der Verwaltung geforderte schriftliche Erklärung, sich unmittelbar nach Wegfall der gesundheitlichen Hinderungsgründe um eine Berufsausbildung zu bemühen, sie zu beginnen oder fortzusetzen, in Betracht (A 17.2 Abs. 1 Satz 4 der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz 2020 vom 27.08.2020, BStBl I 2020, 703). Allerdings lässt der Untersuchungsgrundsatz (§ 88 Abs. 1 und 2 der Abgabenordnung, § 76 Abs. 1 und 4 FGO) keine Beschränkung auf dieses Beweismittel zu. Denkbar sind daher auch andere Nachweise, etwa dergestalt, dass das Kind während der Erkrankung mit der früheren Ausbildungseinrichtung in Kontakt getreten ist und sich konkret über die (Wieder-)Aufnahme der Ausbildung nach dem voraussichtlichen Ende der Krankheit informiert hat. Ebenso ist denkbar, dass das Kind sich an eine neue Ausbildungseinrichtung oder die Ausbildungsvermittlung der Agentur für Arbeit mit dem Ziel gewandt hat, eine Ausbildung zwar noch nicht zum nächstmöglichen Ausbildungsbeginn -dann wäre es schon unabhängig von der Erkrankung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG zu berücksichtigen, wenn es die angebotene Stelle dann antreten könnte-, aber doch jedenfalls nach dem Ende der Erkrankung aufzunehmen.
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Regelmäßig nicht ausreichen wird es dagegen, wenn der Kindergeldberechtigte die Familienkasse zunächst unter Verstoß gegen seine Mitwirkungspflicht nicht über den krankheitsbedingten Abbruch einer Ausbildung oder der Bemühungen um eine Ausbildungsstelle informiert, der Familienkasse damit die Möglichkeit der zeitnahen Anforderung eines Nachweises der Ausbildungswilligkeit nimmt und die Ausbildungswilligkeit des volljährigen Kindes erst im Nachhinein rückwirkend pauschal behauptet. Denn in einem solchen Fall kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Kind während der Erkrankung seinen Ausbildungswillen aufgegeben und sich z.B. für die Aufnahme einer regulären Erwerbstätigkeit oder eines Freiwilligendienstes entschieden hat. In den letztgenannten Fällen wäre die Wartezeit bis zur Aufnahme der Erwerbstätigkeit oder des Freiwilligendienstes im Gegensatz zur Wartezeit bis zur Aufnahme der Ausbildung nicht von den in § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG aufgezählten Berücksichtigungstatbeständen erfasst.
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d) Im Streitfall hat das FG festgestellt, dass D ab Juni 2015 ausbildungsunfähig erkrankt war und ein Ende der Erkrankung auch nach dem ärztlichen Attest vom 03.04.2018 noch nicht absehbar war. Daraus ergibt sich, dass es sich bei der im Streitzeitraum Juli 2017 bis Februar 2018 vorliegenden Erkrankung nicht um eine nur vorübergehende, d.h. mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht länger als sechs Monate andauernde Erkrankung handelte.
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4. Da das FG weder eine Behinderung noch eine behinderungsbedingte Unfähigkeit zum Selbstunterhalt festgestellt hat, vermag der Senat auch nicht zu entscheiden, ob D nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG berücksichtigt werden kann.
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5. Die Streitsache ist nicht spruchreif und geht an das FG zurück, das zu prüfen haben wird, ob D nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG als behindertes Kind zu berücksichtigen ist.
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6. Die Kostenentscheidung wird gemäß § 143 Abs. 2 FGO auf das FG übertragen; dies gilt auch insoweit, als das Verfahren durch den klageabweisenden Teil des FG-Urteils bereits rechtskräftig abgeschlossen ist. Dies folgt aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung (z.B. Senatsurteil vom 17.03.2020 - III R 31/19, BFH/NV 2021, 38, Rz 29, m.w.N.).
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