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BFH 11.02.2020 - VIII B 131/19
BFH 11.02.2020 - VIII B 131/19 - Zur tarifbegünstigten Veräußerung einer freiberuflichen Praxis
Normen
§ 18 Abs 3 EStG 2009, § 16 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2009, § 34 Abs 2 EStG 2009, § 34 Abs 3 EStG 2009, § 69 FGO, EStG VZ 2011
Vorinstanz
vorgehend FG München, 23. Juli 2019, Az: 1 V 1221/19, Beschluss
Leitsatz
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1. NV: Die tarifbegünstigte Veräußerung einer freiberuflichen Praxis (§ 18 Abs. 3 i.V.m. § 34 EStG) setzt voraus, dass der Steuerpflichtige die wesentlichen vermögensmäßigen Grundlagen seiner bisherigen Tätigkeit entgeltlich und definitiv auf einen Anderen überträgt. Hierzu muss der Veräußerer seine freiberufliche Tätigkeit in dem bisherigen örtlichen Wirkungskreis wenigstens für eine gewisse Zeit einstellen . Wann eine "definitive" Übertragung der wesentlichen Betriebsgrundlagen vorliegt, hängt jeweils von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine starre zeitliche Grenze, nach der die Tätigkeit steuerunschädlich wieder aufgenommen werden kann, besteht nicht. Dementsprechend ist auch keine "Wartezeit" von mindestens drei Jahren einzuhalten (Anschluss an BFH-Urteil vom 21.08.2018 - VIII R 2/15, BFHE 262, 380, BStBl II 2019, 64) .
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2. NV: Grundsätzlich unschädlich ist es, wenn der Veräußerer als Arbeitnehmer oder als freier Mitarbeiter im Auftrag und für Rechnung des Erwerbers tätig wird. Auch eine geringfügige Fortführung der bisherigen freiberuflichen Tätigkeit steht der Annahme einer begünstigten Praxisveräußerung nicht entgegen (Anschluss an BFH-Urteil in BFHE 262, 380, BStBl II 2019, 64), und zwar auch dann nicht, wenn sie die Betreuung neuer Mandate umfasst (gegen BMF) .
Tenor
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Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Finanzgerichts München vom 23.07.2019 - 1 V 1211/19 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) erklärte im Streitjahr 2011 neben Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit als Steuerberater und aus selbständiger Arbeit gemäß gesonderter Feststellung für die Partnerschaftsgesellschaft ... (Partnerschaftsgesellschaft) auch einen Veräußerungsgewinn in Höhe von ... €, hinsichtlich dessen er die Gewährung des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 34 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) beantragte.
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Der Gewinn resultierte aus der Veräußerung seiner in A, B-Straße 28, unter seinem Namen betriebenen Steuerberatungskanzlei. Diese hatte der Antragsteller mit Vertrag vom ... 2011 mit Wirkung zum 01.07.2011 je zur Hälfte an Steuerberater S und Rechtsanwalt R (Erwerber) zum Preis von ... € verkauft. Gemäß der Präambel des Vertrages sollten die Erwerber die jeweils hälftig erworbene Steuerkanzlei unentgeltlich an die bereits gegründete Partnerschaftsgesellschaft überlassen. Der Antragsteller sollte zunächst unentgeltlich im Rahmen einer sog. überleitenden Mitarbeit für die Partnerschaftsgesellschaft tätig werden. Er sollte im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit aber auch nach der überleitenden Mitarbeit als Partner weiterhin für die Partnerschaftsgesellschaft tätig sein. Ausweislich der sog. Rückrechnungsklausel (§ 10 des Vertrages) hatten der Antragsteller und die Erwerber gemeinsam alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um den zum Übergabezeitpunkt bestehenden Mandantenstamm zu erhalten und alles zu unterlassen, was zu einer Verringerung des Mandantenstammes führt. Für den Fall, dass sich in dem Zeitraum vom 01.07.2011 bis zum 30.06.2013 die Umsätze verringern sollten, hatte der Antragsteller den Erwerbern 50 % der weggefallenen Umsätze als Rückzahlung des Kaufpreises zu erstatten. Ausweislich einer unter Bezugnahme auf diese sog. Rückrechnungsklausel ausgestellten Bestätigung vom 20.06.2013 hatten sich im Zeitraum vom 01.07.2011 bis 30.06.2013 die Umsätze nicht verringert.
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Die Partnerschaftsgesellschaft hatten der Antragsteller und die Erwerber der Kanzlei bereits mit Vertrag vom 25.01.2011 mit Wirkung zum 01.07.2011 gegründet. Der Partnerschaftsvertrag sah vor, dass sich die Vertragsbeteiligten zwecks gemeinsamer Berufsausübung zusammenschließen. Die Erwerber verpflichteten sich, die vom Antragsteller zu erwerbende Kanzlei der Partnerschaft unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. An der Partnerschaftsgesellschaft waren der Antragsteller mit einem Anteil von 1 % und die Erwerber mit einem Anteil von jeweils 49,50 % beteiligt. Die Partner hatten Einlagen in Geld in Höhe von 150 € (Antragsteller) bzw. jeweils 7.500 € (Erwerber) zu erbringen. Am Gewinn waren der Antragsteller zu 1 % und die Erwerber jeweils zu 49,50 % beteiligt. Der Gewinnanteil des Antragstellers war auf seine unterjährigen Entgelte für Beratungsleistungen anzurechnen. Demgegenüber waren am Verlust der Partnerschaft lediglich die Erwerber zu jeweils 50 % beteiligt (§ 20 des Partnerschaftsvertrages). Gemäß § 26 des Partnerschaftsvertrages hatte der Antragsteller ab dem 01.01.2012 durchschnittlich einen bis drei Tage pro Woche in Teilzeit für die Partnerschaft tätig zu sein. Nach den bisherigen Feststellungen des Finanzgerichts (FG) ist der Antragsteller aufgrund einer Kündigung vom 26.06.2013 zum 31.12.2013 aus der Partnerschaftsgesellschaft gegen Buchwertabfindung ausgeschieden.
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Am 13.12.2012 hatten der Antragsteller und die Partnerschaftsgesellschaft einen Vertrag über die freie Mitarbeit des Antragstellers geschlossen.
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Zum 01.01.2014 hat der Antragsteller eine steuerberatende Tätigkeit aufgenommen, die er in seinem häuslichen Arbeitszimmer in C ausübt. Hieraus erzielte er nach eigenen Angaben Umsätze in Höhe von ... € (2014), ... € (2015) und ... € (2016). Hiervon entfielen auf neue Mandanten Umsätze in Höhe von ... € (2014), ... € (2015) und ... € (2016). Im Jahr 2014 entfalle --so der Antragsteller-- ein Umsatz in Höhe von ... € auf seine Tätigkeit für die Partnerschaftsgesellschaft.
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Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) führte zunächst eine erklärungsgemäße Veranlagung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung durch. Im Anschluss an eine Außenprüfung erließ das FA am 23.05.2016 einen geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr, wobei es den Vorbehalt der Nachprüfung aufhob. In dem Änderungsbescheid war ein Veräußerungsgewinn in Höhe von ... € berücksichtigt und gemäß § 34 Abs. 3 EStG begünstigt besteuert. Der Bescheid erging "vorläufig nach § 165 Abs. 1 S. 1 AO hinsichtlich der Veräußerung der Steuerberatungskanzlei in 2011, da noch nicht beurteilt werden kann, ob die Voraussetzungen für eine begünstigte Veräußerung nach § 18 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 1 EStG vorliegen".
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Ab dem 14.02.2019 prüfte das FA das Vorliegen der Voraussetzungen für eine begünstigte Besteuerung des Veräußerungsgewinns des Antragstellers. Der Antragsteller teilte in diesem Zusammenhang mit, dass in den drei Jahren vor dem 01.07.2011 der durchschnittliche jährliche Umsatz seiner Steuerberatungskanzlei ... € betragen habe. Nach seinem Ausscheiden aus der Partnerschaftsgesellschaft habe er lediglich Umsätze unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze erzielt. Die mit ehemaligen Mandanten seiner Kanzlei erzielten Umsätze entsprächen lediglich 6,18 % bis 7,37 % des jährlichen Durchschnittsumsatzes in den letzten drei Jahren vor der Veräußerung der Kanzlei.
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Ferner beantragte der Antragsteller die Berücksichtigung weiterer, im Zusammenhang mit der Veräußerung der Kanzlei angefallener nachträglicher Veräußerungskosten. Am 26.03.2019 erließ das FA erneut einen Einkommensteueränderungsbescheid für das Streitjahr, in dem es die Einkommensteuer auf ... € festsetzte. Dabei ging das FA von einem der Höhe nach unveränderten Veräußerungsgewinn von ... € aus. Die Begünstigung des § 34 Abs. 3 EStG gewährte es nicht mehr. Zur Begründung verwies das FA auf die schädliche Übernahme neuer Mandanten durch den Antragsteller. In dem Bescheid vom 26.03.2019 setzte das FA Zinsen zur Einkommensteuer 2011 in Höhe von ... € (Zinszeitraum vom 01.04.2013 bis zum 29.03.2019) fest.
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Gegen den Einkommensteueränderungsbescheid vom 26.03.2019 legte der Antragsteller mit Schreiben vom 27.03.2019 Einspruch ein; zugleich beantragte er die Aussetzung der Vollziehung (AdV). Gegen die Zinsfestsetzung legte er am 26.04.2019 ebenfalls Einspruch ein und beantragte das Ruhen des Verfahrens. Das FA lehnte den Antrag auf AdV des Einkommensteueränderungsbescheides vom 26.03.2019 mit Schreiben vom 16.04.2019 ab. Am 24.04., 14.05. und 06.06.2019 erließ das FA weitere Einkommensteueränderungsbescheide für das Streitjahr. In dem zuletzt ergangenen Bescheid vom 06.06.2019 setzte das FA die Einkommensteuer auf ... € fest. Dabei berücksichtigte es einen Veräußerungsgewinn von nur noch ... €. Die Begünstigung des § 34 Abs. 3 EStG gewährte es weiterhin nicht.
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Im weiteren Verlauf des Verfahrens setzte das FA die Vollziehung des Einkommensteueränderungsbescheides vom 26.03.2019 mit Verfügung vom 11.06.2019 teilweise aus. Für die Ermittlung der ausgesetzten Beträge legte das FA einen Veräußerungsgewinn von ... € zugrunde.
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Der Antragsteller, der zwischenzeitlich die Steuerrückstände beglichen hat, und der bei Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 34 Abs. 3 EStG bei einer zutreffenden Besteuerung eines Veräußerungsgewinns in Höhe von ... € von einer Einkommensteuerschuld in Höhe von ... € (nebst Solidaritätszuschlag in Höhe von ... €) ausgeht, begehrte zuletzt, die Vollziehung des Einkommensteueränderungsbescheides 2011 vom 06.06.2019 bis zum Ablauf von einem Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung aufzuheben, soweit die ermäßigte Besteuerung des Veräußerungsgewinns gemäß § 18 Abs. 3 i.V.m. §§ 16, 34 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 EStG verwehrt worden sei. Darüber hinaus begehrte er die Aufhebung der Vollziehung des geänderten Zinsbescheides zur Einkommensteuer bis zum Ablauf von einem Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung.
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Das FG gab dem Antrag mit Beschluss vom 23.07.2019 statt. Es war bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Beurteilung der Auffassung, die Voraussetzungen der §§ 18 Abs. 3, 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 34 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 EStG seien erfüllt. Der Antragsteller habe zum 01.07.2011 die für die Ausübung seiner selbständigen Tätigkeit wesentlichen wirtschaftlichen Grundlagen, insbesondere Mandantenstamm und Praxiswert, entgeltlich und endgültig auf die Erwerber übertragen. Die ab dem 01.07.2011 für die Partnerschaftsgesellschaft ausgeübte Tätigkeit stehe dem nicht entgegen. Ab diesem Zeitpunkt seien ausschließlich die Erwerber in der Lage gewesen, die vom Antragsteller erworbenen Beziehungen zu dessen bisherigen Mandanten zu nutzen. Auch die Wiederaufnahme einer selbständigen Tätigkeit ab dem 01.01.2014 schließe eine Veräußerung des Vermögens i.S. des § 18 Abs. 3 EStG nicht aus. Die Wiederaufnahme der Tätigkeit sei zwar innerhalb des bisherigen örtlichen Wirkungskreises erfolgt, jedoch habe der Antragsteller seine Tätigkeit zuvor über einen hinreichend langen Zeitraum eingestellt. Abgesehen davon habe sich die Wiederaufnahme der freiberuflichen Tätigkeit ab dem 01.01.2014 unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze von 10 % bewegt. Dass der Antragsteller in den Jahren 2014 bis 2016 auch Umsätze aus Neumandaten erzielt habe, stehe dem nicht entgegen, zumal diese einen vergleichsweise unbedeutenden Umfang gehabt hätten. Die Aufhebung der Vollziehung der Zinsfestsetzung begründete das FG u.a. mit den nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bestehenden schwerwiegenden verfassungsrechtlichen Zweifeln an der Verzinsungshöhe ab dem Verzinsungszeitraum 2012.
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Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Beschwerde des FA. Das FA ist der Auffassung, der Antragsteller habe nach 30 Monaten in seinem bisherigen örtlichen Wirkungskreis seine selbständige Tätigkeit wieder aufgenommen. Die "Wartezeit" bis zur unschädlichen Wiederaufnahme von wenigstens drei Jahren sei mithin nicht eingehalten worden. Jedenfalls unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Antragsteller zwischen der Veräußerung und der Wiederaufnahme seiner Tätigkeit für die Partnerschaftsgesellschaft als freier Mitarbeiter tätig gewesen sei, genüge eine Zeitspanne von 30 Monaten nicht, um von einer definitiven Übertragung des Mandantenstammes auszugehen. Zudem habe das FG zu Unrecht angenommen, die Hinzugewinnung neuer Mandate innerhalb der "gewissen Zeit" durch den Antragsteller sei unschädlich. Diese sei --auch ohne Überschreiten der 10 %-Grenze-- schädlich, da eine Betriebsaufgabe nicht stattgefunden habe (Kurzinformation der Oberfinanzdirektion --OFD-- Koblenz vom 15.12.2006 - S 2249 A - St 31 1, Der Betrieb --DB-- 2007, 314; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 28.07.2003 - IV A 6 - S 2242 - 4/03, DB 2003, 2522). Bei Hinzugewinnung von Neumandaten trete der Antragsteller in Konkurrenz zu den Erwerbern seiner Kanzlei und beschränke diese in der Möglichkeit, im erworbenen Wirkungsfeld neue Mandate zu akquirieren. Auch sei der Anteil der Neumandate nicht unbedeutend gewesen, sondern habe zwischen 6,8 % bis 8,9 % des Umsatzes gelegen. Mit der Betreuung von Neumandaten habe der Antragsteller in den Wirkungskreis der veräußerten Kanzlei eingegriffen und eine neue Tätigkeit begonnen, die losgelöst von der Fortführung der bestehenden Beziehungen zu Altmandanten gewesen sei. Er habe die bisherige Tätigkeit daher nicht eingestellt, sondern diese gerade durch Aufnahme neuer Mandate fortgeführt. Die Neumandanten setzten sich aus dem Freundeskreis des Antragstellers und --nahezu ausschließlich-- aus dem jeweiligen Bekanntenkreis der Altmandanten zusammen. Es sei naheliegend, dass sich diese Bekannten der Altmandanten an die Partnerschaftsgesellschaft wenden würden, nachdem der Antragsteller seine Tätigkeit eingestellt habe. Indem er die Neumandate angenommen habe, sei er eindeutig in den Wirkungsbereich der veräußerten Kanzlei eingedrungen und zu dieser in Konkurrenz getreten.
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Das FA beantragt,
den Beschluss des FG München vom 23.07.2019 aufzuheben und den Antrag des Antragstellers auf Aufhebung der Vollziehung der Einkommensteuerfestsetzung 2011 und der Zinsfestsetzung zur Einkommensteuer 2011 abzulehnen.
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Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde des FA zurückzuweisen.
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Das FG habe --so der Antragsteller-- zutreffend erkannt, dass die Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 EStG erfüllt seien.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die gemäß § 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) statthafte Beschwerde des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen. Das FG hat die beantragte Aufhebung der Vollziehung der streitigen Einkommensteuer- und Zinsfestsetzung zu Recht gewährt. Die Rechtmäßigkeit der Versagung des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 18 Abs. 3, § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 34 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 EStG durch das FA ist bei der gebotenen summarischen Prüfung auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des FG ernstlich zweifelhaft. Dies gilt ebenso für die Zinsfestsetzung zur Einkommensteuer 2011.
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1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen (§ 69 Abs. 3 Satz 3 FGO). Die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Sätze 2 und 7 FGO). Ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (vgl. BFH-Beschluss vom 10.02.1967 - III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182, seitdem ständige Rechtsprechung). Die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung setzt nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 28.06.2011 - X B 37/11, BFH/NV 2011, 1833).
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2. Ausgehend von diesen Grundsätzen erweist sich die Rechtmäßigkeit der Versagung der Begünstigung des Veräußerungsgewinns gemäß § 18 Abs. 3, § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 34 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 EStG im Rahmen der streitgegenständlichen Festsetzung der Einkommensteuer 2011 als ernstlich zweifelhaft. Der Antragsteller hat mit Wirkung zum 01.07.2011 die für die Ausübung seiner freiberuflichen Tätigkeit wesentlichen Betriebsgrundlagen entgeltlich auf die Erwerber übertragen. Dass es sich dabei nicht um eine begünstigte Praxisveräußerung handelt, lässt sich --entgegen der Auffassung des FA-- nicht damit begründen, dass der Antragsteller seit dem 01.01.2014 erneut im bisherigen örtlichen Wirkungskreis in geringfügigem Umfang steuerberatend tätig ist, auch wenn er im Rahmen dieser Tätigkeit Neumandate betreut.
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a) Gemäß § 18 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehört zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit auch der Gewinn aus der Veräußerung des Vermögens, das der selbständigen Arbeit dient (Praxisveräußerung). Für diesen Veräußerungsgewinn sieht § 34 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 EStG eine Tarifbegünstigung vor. Alternativ zu dieser ermäßigten Besteuerung des Veräußerungsgewinns sieht § 34 Abs. 3 EStG auf Antrag unter weiteren Voraussetzungen die Gewährung eines ermäßigten Steuersatzes vor.
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aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzt die Veräußerung einer Praxis voraus, dass der Steuerpflichtige die für die Ausübung der selbständigen Tätigkeit wesentlichen vermögensmäßigen Grundlagen entgeltlich und definitiv auf einen Anderen überträgt. Hierzu gehören insbesondere die immateriellen Wirtschaftsgüter der Praxis wie Mandantenstamm bzw. Praxiswert (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 21.08.2018 - VIII R 2/15, BFHE 262, 380, BStBl II 2019, 64, m.w.N.). Darüber hinaus muss der Veräußerer seine freiberufliche Tätigkeit in dem bisherigen örtlichen Wirkungskreis wenigstens für eine gewisse Zeit einstellen. Dies beruht auf der Überlegung, dass bei fortdauernder Tätigkeit des Freiberuflers in seinem bisherigen örtlichen Wirkungskreis eine weitere Nutzung der persönlichen Beziehungen zu den früheren Mandanten auf eigene Rechnung des "Veräußerers" naheliegt und es dadurch nicht zu einer definitiven Übertragung der wesentlichen Betriebsgrundlagen der Praxis auf den Erwerber kommt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 262, 380, BStBl II 2019, 64, m.w.N.).
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Wann eine "definitive" Übertragung der wesentlichen Betriebsgrundlagen vorliegt, hängt jeweils von den Umständen des Einzelfalls ab, die das FG als Tatsacheninstanz zu würdigen hat. Neben der Dauer der Einstellung der freiberuflichen Tätigkeit sind insbesondere die räumliche Entfernung einer wieder aufgenommenen Berufstätigkeit zur veräußerten Praxis, die Vergleichbarkeit der Betätigungen, die Art und Struktur der Mandate sowie die Nutzungsdauer des erworbenen Praxiswerts zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 262, 380, BStBl II 2019, 64, m.w.N.). Eine starre zeitliche Grenze, nach der die Tätigkeit steuerunschädlich wieder aufgenommen werden kann, besteht nicht. Dementsprechend ist auch --entgegen der Auffassung des FA-- keine "Wartezeit" von mindestens drei Jahren einzuhalten. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann ein Zeitraum von etwa zwei bis drei Jahren ausreichend sein (vgl. hierzu z.B. Korn in Korn, § 18 EStG Rz 109; Güroff in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 18 Rz 615a; Brandt in Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, § 18 EStG Rz 321, 324; Busse, Betriebs-Berater 1989, 1951, 1954 f.).
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Nimmt der Veräußerer seine freiberufliche Tätigkeit nach einer gewissen Zeit wieder auf, kann dies auch dann schädlich sein, wenn die Wiederaufnahme zum Zeitpunkt der Übertragung der Praxis nicht geplant war. Maßgebend ist allein, ob es objektiv zu einer definitiven Übertragung der wesentlichen Praxisgrundlagen gekommen ist. Maßnahmen des Veräußerers, die wegen einer von Anfang an geplanten Wiederaufnahme dazu dienen sollen, die spätere Zurückgewinnung der Mandanten zu erleichtern, können eine definitive Übertragung des Mandantenstammes von vornherein ausschließen bzw. die erforderliche Zeitspanne für die Einstellung der Tätigkeit verlängern (vgl. BFH-Urteil in BFHE 262, 380, BStBl II 2019, 64, m.w.N.).
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bb) Grundsätzlich unschädlich ist es, wenn der Veräußerer als Arbeitnehmer oder als freier Mitarbeiter im Auftrag und für Rechnung des Erwerbers tätig wird, denn der Erwerber ist trotzdem zivilrechtlich und wirtschaftlich in der Lage, die Beziehungen zu den früheren Mandanten des Veräußerers zu verwerten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 262, 380, BStBl II 2019, 64, m.w.N.). Auch eine geringfügige Fortführung der bisherigen freiberuflichen Tätigkeit steht der Annahme einer begünstigten Praxisveräußerung nicht entgegen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 262, 380, BStBl II 2019, 64; BFH-Beschluss vom 20.01.2009 - VIII B 58/08, BFH/NV 2009, 756; BFH-Urteile vom 07.11.1991 - IV R 14/90, BFHE 166, 527, BStBl II 1992, 457; vom 29.10.1992 - IV R 16/91, BFHE 169, 352, BStBl II 1993, 182; BFH-Beschlüsse vom 28.06.2000 - IV B 35/00, BFH/NV 2001, 33; vom 06.08.2001 - XI B 5/00, BFH/NV 2001, 1561). Eine solche geringfügige Tätigkeit liegt regelmäßig vor, wenn die auf sie entfallenden Umsätze in den letzten drei Jahren vor der Veräußerung weniger als 10 % der gesamten Einnahmen ausmachten (vgl. BFH-Urteile in BFHE 166, 527, BStBl II 1992, 457; in BFHE 169, 352, BStBl II 1993, 182; BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2001, 33; in BFH/NV 2001, 1561; vgl. auch Schmidt/Wacker, EStG, 38. Aufl., § 18 Rz 223; Güroff in Littmann/Bitz/Pust, a.a.O., § 18 Rz 606, 616; HHR/Brandt, § 18 EStG Rz 324; Blümich/Hutter, § 18 EStG Rz 296; Korn in Korn, § 18 EStG Rz 110; Levedag in BeckOK EStG, § 18 Rz 811; Richter, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1993, 561; Korn, DStR 1995, 961, 965 f.).
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b) Ausgehend von den derzeitigen Feststellungen des FG hat der Antragsteller zum 01.07.2011 die für die Ausübung seiner selbständigen Tätigkeit wesentlichen wirtschaftlichen Grundlagen --insbesondere Mandantenstamm und Praxiswert-- entgeltlich auf die Erwerber übertragen. Seine steuerberatende Tätigkeit in der bis dahin ausgeübten Einzelpraxis hat der Antragsteller zunächst eingestellt.
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Der Annahme einer damit verbundenen definitiven Übertragung der wesentlichen Grundlagen der freiberuflichen Tätigkeit des Antragstellers steht --wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist-- die sich an die Praxisübertragung anschließende Tätigkeit des Antragstellers im Auftrag und für Rechnung der Partnerschaftsgesellschaft im Rahmen der sog. überleitenden Mitarbeit bzw. nachfolgend als deren freier Mitarbeiter nicht entgegen. Insoweit ebenfalls unschädlich ist, dass der Antragsteller Gesellschafter der Partnerschaftsgesellschaft und als solcher --unter Anrechnung seiner unterjährigen Entgelte für Beratungsleistungen-- zu 1 % an deren Gewinn beteiligt war. Denn die übernommene Praxis war --soweit derzeit ersichtlich-- ausschließlich dem Sonderbetriebsvermögen der Mitgesellschafter des Antragstellers zugeordnet.
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Aber auch die Wiederaufnahme einer steuerberatenden Tätigkeit des Antragstellers ab dem 01.01.2014 im gleichen örtlichen Wirkungskreis kann bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung keine Versagung der Begünstigung des Veräußerungsgewinns begründen. Die Wiederaufnahme der Tätigkeit ist unschädlich, da der Umsatz --ausgehend von den derzeitigen Feststellungen des FG-- unstreitig unter der sog. Geringfügigkeitsgrenze liegt. Dass der Antragsteller im Rahmen dieser geringfügigen Tätigkeit auch neue Mandate betreut, schließt --entgegen der Auffassung des FA (vgl. zur Schädlichkeit neuer Mandanten auch ohne Überschreiten der 10 %-Grenze: BMF-Schreiben in DB 2003, 2522; Kurzinformation der OFD Koblenz in DB 2007, 314; vgl. auch HHR/Brandt, § 18 EStG Rz 324)-- das Vorliegen einer begünstigten Praxisveräußerung nicht automatisch aus (vgl. z.B. Schmidt/Wacker, a.a.O., § 18 Rz 223; vgl. auch Korn in Korn, § 18 EStG Rz 110; Schoor, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 2007, 445, 446; Paus, DStZ 1988, 434). Die Annahme einer begünstigten Praxisveräußerung hängt maßgeblich davon ab, ob es zu einer endgültigen Übertragung der wesentlichen Betriebsgrundlagen der Praxis auf den Erwerber kommt. Zweifelhaft ist dies, wenn der Veräußerer weiterhin die persönliche Beziehung zu früheren Mandanten auf eigene Rechnung nutzt. Dies kann er tun, indem er (einzelne) Mandanten auf eigene Rechnung weiter betreut, aber auch dadurch, dass er die Beziehung zu früheren Mandanten nutzt, um neue Mandate zu gewinnen. In beiden Fällen nutzen sowohl Veräußerer als auch Erwerber das (bisherige) durch Mandanten und Praxisnamen bedingte Wirkungsfeld für ihre freiberufliche Tätigkeit, zu der neben der Mandantenbetreuung auch die Gewinnung neuer Mandate zählt. Eine solche fortdauernde bzw. neuerliche Nutzung ehemaliger Mandantenbeziehungen steht der Annahme einer begünstigten Praxisveräußerung allerdings nur dann entgegen, wenn sie die Geringfügigkeitsgrenze überschreitet. Eine geringfügige Tätigkeit des Veräußerers im bisherigen örtlichen Wirkungskreis schließt die Annahme einer begünstigten Praxisveräußerung hingegen nicht aus, auch wenn sie --wie im Streitfall-- die Betreuung neuer Mandate umfasst.
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c) Danach erweist sich die Rechtmäßigkeit der mit der Wiederaufnahme der steuerberatenden Tätigkeit des Antragstellers am 01.01.2014 begründeten Versagung der Begünstigung des Veräußerungsgewinns gemäß § 18 Abs. 3, § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 34 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 EStG als ernstlich zweifelhaft.
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3. Auch die Rechtmäßigkeit der Zinsfestsetzung unterliegt --wie das FG zutreffend erkannt hat-- ernstlichen Zweifeln. Diese folgen nicht nur aus der gebotenen Aufhebung der Vollziehung der Einkommensteuerfestsetzung 2011 (vgl. zur Aussetzung von Annexforderungen z.B. BFH-Beschluss vom 23.05.2012 - III B 129/11, BFH/NV 2012, 1452, m.w.N.), sondern darüber hinaus auch aus den hinsichtlich der in § 238 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung geregelten Höhe der Nachzahlungszinsen jedenfalls ab dem Verzinsungszeitraum 2012 bestehenden schwerwiegenden verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BFH-Beschlüsse vom 25.04.2018 - IX B 21/18, BFHE 260, 431, BStBl II 2018, 415, und vom 03.09.2018 - VIII B 15/18, BFH/NV 2018, 1279; vom 04.07.2019 - VIII B 128/18, BFH/NV 2019, 1060, jeweils zu Aussetzungszinsen).
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
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