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BFH 23.05.2019 - II B 97/18
BFH 23.05.2019 - II B 97/18 - Würdigung einer Steuerklausel (rechtliches Gehör)
Normen
§ 7 ErbStG 1997, § 13a ErbStG 1997, § 13b ErbStG 1997, Art 103 Abs 1 GG, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 96 Abs 1 S 1 FGO
Vorinstanz
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 26. September 2018, Az: 3 K 7/18, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Ist eine Schenkung im Wege der Bedingung an eine Steuerklausel geknüpft, ist diese Klausel zu würdigen.
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2. NV: Gesellschaftsverträge und hierauf bezogene Rechtsakte sind nach dem Personalstatut der Gesellschaft auszulegen.
Tenor
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Auf die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 26. September 2018 3 K 7/18 aufgehoben.
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Die Sache wird an das Niedersächsische Finanzgericht zurückverwiesen.
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Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen.
Tatbestand
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I.
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Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sowie seine Mutter (M) hatten 1992 in den Niederlanden eine GbR gegründet und Landwirtschaft betrieben. In einer Urkunde eines niederländischen Notars vom 27. August 2008 wurde festgestellt, dass sie die GbR zum 1. März 2000 in eine Kommanditgesellschaft niederländischen Rechts (KG) umgewandelt (in der Übersetzung: "umgesetzt") und ihren Betrieb in die Bundesrepublik Deutschland verlegt hätten. Das Vermögen der GbR sei dem Kläger als geschäftsführendem Kommanditisten zugeteilt worden, während M geldverleihende Kommanditistin mit einem eingelegten Kapital von A € geworden war.
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Mit Urkunde des niederländischen Notars vom 19. Dezember 2013 lösten sie mit Wirkung auf den 1. April 2012 die KG auf. Der Kläger führte den Betrieb fort. Die Vermögenseinlage der M zum Auflösungsdatum wurde mit B € beziffert. Dieses Kapital wurde dem Kläger unter Schuldanerkenntnis zugeteilt. Unter der Überschrift "Finanzielle Abwicklung" bestätigte der Kläger zunächst, diesen Betrag zu schulden. Es folgte (im laufenden Text) eine Aufrechnung über C €; insoweit habe der Kläger eine Schuld der M beglichen. Die verbleibende Schuld von D (B-C) € werde in ein Darlehen umgewandelt. Unter der Zwischenüberschrift "Bedingte Erlassung" schenkte M dem Kläger die Schuld unter Bedingungen. Die Parteien gingen in dem Vertrag ausdrücklich davon aus, dass die Schenkung aufgrund der Betriebsnachfolgeregelung nach §§ 35b ff. des Erbschaftsteuergesetzes 1956 schenkungsteuerfrei sei. Die Erlassung gelte nicht für den Teil des erlassenen Betrags, der schenkungsteuerpflichtig ist. Das gelte, wenn der Kläger und die Steuerbehörden in gegenseitiger Beratung feststellen, dass es sich um eine steuerpflichtige Schenkung handelt oder wenn der Richter entscheidet, dass es sich um eine steuerpflichtige Schenkung handelt und gegen die Entscheidung keine Berufung zulässig ist. In diesem Fall bestehe eine Darlehensschuld des Klägers gegenüber der M zu näher beschriebenen Bedingungen.
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Beide Verträge haben dem Finanzgericht (FG) in deutscher Übersetzung vorgelegen.
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Die niederländische Finanzverwaltung hat den Vorgang unter der Voraussetzung von der Schenkungsteuer befreit, dass das Unternehmen fünf Jahre weitergeführt werde.
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Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) setzte mit Bescheid vom 18. August 2017 bei einer Bemessungsgrundlage von D € Schenkungsteuer von E € fest.
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Einspruch und Klage, mit denen sich der Kläger auf die Verschonungsregelungen der §§ 13a, 13b des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) berief, blieben erfolglos. Das FG sah den Erlass des Darlehens durch M als Geldschenkung über D € an. Die Parteien müssten sich an der gewählten vertraglichen Gestaltung festhalten lassen. In einem ersten Schritt sei M gegen Abfindung aus der KG ausgeschieden. In einem zweiten Schritt habe man die Fälligkeit des Abfindungsanspruchs hinausgeschoben. In einem dritten Schritt habe M ein Darlehen in gleicher Höhe gewährt, um im vierten Schritt auf die Rückzahlung der Schuld unter bestimmten Bedingungen zu verzichten. Letzteres sei eine Schenkung gewesen. Damit habe M das ggf. begünstigte Vermögen dem Kläger entgeltlich übertragen, während Gegenstand der unentgeltlichen Zuwendung nur noch der schuldrechtliche Anspruch auf Auskehrung des errechneten Betrags gewesen sei. Die Gestaltung sei offenbar bewusst gewählt worden, um den Auszahlungsbetrag mit Bedingungen (Steuerklausel) versehen zu können, ohne dadurch an der Übernahme des Betriebs etwas zu ändern.
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Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision rügt der Kläger einen Verfahrensfehler nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in Gestalt einer Nichtbeachtung des klaren Inhalts der Akten. Zum einen habe das FG die Urkunde vom 27. August 2008 vollständig außer Acht gelassen und so verkannt, dass das Gesamtkonstrukt eine Übertragung eines Anteils an einer Land- und Forstwirtschaft betreibenden Gesellschaft war. Zum anderen habe es in der Urkunde vom 19. Dezember 2013 den Abschnitt betreffend "Bedingte Erlassung" nicht gewürdigt. Dort sei geregelt, dass die Unentgeltlichkeit entfalle, wenn es sich herausstelle, dass es sich um eine steuerpflichtige Schenkung handele. Dies habe das FG völlig außer Acht gelassen.
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Das FA tritt der Beschwerde entgegen. Das FG habe die in dem Vertrag 2008 dokumentierte Gründung der KG erwähnt und die Urkunde 2013 eingehend gewürdigt.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Beschwerde ist begründet.
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1. Hinsichtlich der unter "Bedingte Erlassung" getroffenen Vereinbarungen liegt ein Verfahrensfehler nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO in Gestalt einer Verletzung der Beachtungspflicht des § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO sowie nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO i.V.m. § 119 Nr. 3 FGO des Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes vor.
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a) Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Zum Gesamtergebnis des Verfahrens gehört auch die Auswertung des Inhalts der dem Gericht vorliegenden Akten. Ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten liegt insbesondere dann vor, wenn das FG eine nach Aktenlage feststehende Tatsache, die richtigerweise in die Beweiswürdigung hätte einfließen müssen, unberücksichtigt lässt oder seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde legt, der dem protokollierten Vorbringen der Beteiligten nicht entspricht (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. Januar 2019 V B 99/16, BFH/NV 2019, 409, Rz 24).
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b) Das FG ist verpflichtet, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Aus der Begründung des Urteils muss erkennbar sein, dass eine Auseinandersetzung mit dem wesentlichen Vorbringen der Verfahrensbeteiligten stattgefunden hat. Diese richterliche Pflicht geht nicht so weit, dass sich das Gericht mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich befassen müsste, da davon auszugehen ist, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen hat. Es darf Vorbringen außer Acht lassen, das nach seiner Auffassung unerheblich oder unsubstantiiert ist (vgl. BFH-Beschluss vom 25. September 2018 III B 160/17, BFH/NV 2019, 40, Rz 29).
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c) Es liegt ein Verstoß gegen diese Verfahrensregeln vor. Das FG hat den bedingten Erlass der Darlehensschuld nicht in ausreichender Weise berücksichtigt.
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aa) Das FG hat zunächst festgehalten, dass M unter bestimmten Bedingungen auf die Rückzahlung der Schuld verzichtet habe (Abs. 4 der Entscheidungsgründe, S. 4). Es hat sodann ausgeführt, dass die Gestaltung dazu gedient habe, den Auszahlungsbetrag mit einer Bedingung (Steuerklausel) zu versehen, die aber an der Übernahme des Betriebs durch den Kläger nichts geändert habe (Abs. 5 der Entscheidungsgründe, S. 5 oben).
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bb) Es ist nicht streitig, dass die Steuerklausel an der Übernahme des Betriebs durch den Kläger nichts geändert hat. Die Übernahme des Betriebs durch Übernahme des Kommanditanteils der M entsprach dem Plan der Vertragsbeteiligten, unabhängig davon, wie dies nach niederländischem Gesellschaftsrecht durchgeführt wird, und auch unabhängig davon, ob dafür ein Entgelt zu leisten war. Die Auffassung des FG, die Steuerklausel habe darauf keinen Einfluss, ist daher zutreffend.
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cc) Für die Frage, ob die Übernahme des Kommanditanteils entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt ist, kann die Steuerklausel jedoch von Bedeutung sein. Dies hängt davon ab, ob die Regeln unter dem Abschnitt "Finanzielle Abwicklung" des Auflösungsvertrags so, wie das FG es getan hat, in gedanklich aufeinanderfolgende Schritte zerlegt, oder ob sie so, wie der Kläger es begehrt, als zusammenhängende Regelung über die Gegenleistung verstanden werden können.
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Sollten die Steuerklauseln wirksam und so zu verstehen sein wie der Kläger es geltend macht, wäre zu prüfen, ob eine gerichtliche Entscheidung zur Schenkungsteuerpflicht zu einer entgeltlichen Gesellschaftsanteilsübertragung führt.
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Wäre hingegen der Abschnitt "Finanzielle Abwicklung" mit dem FG in Einzelschritte zu zerlegen, wäre die Übernahme des Gesellschaftsanteils entgeltlich und damit nicht schenkungsteuerbar, ohne dass es dafür der Steuerklausel bedürfte. Bei dieser Prämisse war stattdessen zu prüfen, ob in einem dieser Einzelschritte, hier in dem Verzicht auf Rückzahlung der Darlehensschuld, ein schenkungsteuerpflichtiger Vorgang nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG lag. Das FG hat hierzu ausgeführt, in dem Verzicht unter bestimmten Bedingungen liege eine freigebige Zuwendung. Es hat sich aber nicht damit auseinandergesetzt, ob die Bedingungen eingetreten sind. Zumindest nach deutschem Rechtsverständnis wäre der Bedingungseintritt aber Voraussetzung für die Wirksamkeit des Verzichts (vgl. § 158 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). An dieser Stelle war die Beachtung und Erörterung der Steuerklausel erforderlich.
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2. Auf die weitere --wohl eher gegen die Würdigung durch das FG gerichtete-- Rüge des Klägers, das FG habe das Gesamtkonstrukt, gerichtet auf Übertragung eines Anteils an einer Land- und Forstwirtschaft betreibenden Gesellschaft, nicht gesehen, kommt es vor diesem Hintergrund im Beschwerdeverfahren nicht mehr an.
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3. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
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a) Die Frage, ob die Übertragung des Kommanditanteils und die finanzielle Abwicklung mit dem Kläger als Gesamtkonstrukt zu betrachten oder die finanzielle Abwicklung in einzelne Elemente aufzuspalten ist, ist grundsätzlich Gegenstand der tatrichterlichen Würdigung. Dabei wäre zu berücksichtigen, dass sich die Auslegung des Auflösungsvertrags wie die Auslegung des Gesellschaftsvertrags nach dem Personalstatut der Gesellschaft richtet, das für die Rechtsverhältnisse der juristischen Person maßgeblich ist (vgl. im Einzelnen Palandt/Thorn, Bürgerliches Gesetzbuch, 78. Aufl., (IPR) Anh zu EGBGB 12, Rz 1 ff., insbesondere Rz 19, 20).
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b) Dasselbe gilt für das Verständnis der Steuerklausel. Es ist die Wirksamkeit der Bedingung und ihre Bedeutung für den Vertragsinhalt zu prüfen. Dazu gehört auch die Frage, wie in einem gerichtlichen Verfahren eine Bedingung zu würdigen ist, die vor Abschluss des Verfahrens nicht eingetreten sein kann, weil sie in der Entscheidung des Richters unter Ausschluss der Berufung liegt. Ferner wird zu erörtern sein, ob die Steuerklausel sich überhaupt auf das deutsche Steuerrecht erstreckt oder nur die Schenkungsteuerfreiheit nach niederländischem Recht meint.
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4. Zur Beschleunigung des Verfahrens verweist der Senat den Rechtsstreit nach § 116 Abs. 6 FGO bereits im Beschwerdeverfahren an das FG zurück.
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5. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG folgt aus § 143 Abs. 2 FGO.
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