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BFH 16.01.2019 - I R 72/16
BFH 16.01.2019 - I R 72/16 - (Zur Anwendbarkeit des § 8b Abs. 5 KStG im Rahmen einer grenzüberschreitenden Betriebsaufspaltung)
Normen
§ 5 Abs 1 Nr 9 KStG 2002, § 8b Abs 5 KStG 2002, § 14 AO, § 122 Abs 2 S 1 FGO, KStG VZ 2012
Vorinstanz
vorgehend FG Köln, 31. August 2016, Az: 10 K 3550/14, Urteil
Leitsatz
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Das BMF wird aufgefordert, dem Verfahren beizutreten und zu folgenden Fragen Stellung zu nehmen:
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1. Sind die Grundsätze der Betriebsaufspaltung in grenzüberschreitenden Sachverhalten nur dann anzuwenden, wenn es zu einer Schmälerung des inländischen Steueraufkommens kommt ?
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2. Welche Folgerungen ergeben sich hieraus für Sachverhalte, in denen kein Abkommen zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung besteht (Nicht-DBA-Fälle) sowie dann, wenn ein solches Abkommen besteht (DBA-Fälle)? Welche weiteren Folgerungen sind in den vorstehend bezeichneten Varianten jeweils für Inbound- bzw. Outbound-Konstellationen und nach Art und Belegenheit der jeweils überlassenen Wirtschaftsgüter zu ziehen ?
Tenor
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Das Bundesministerium der Finanzen wird zum Beitritt aufgefordert.
Tatbestand
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A.
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Streitig ist die Anwendbarkeit des § 8b Abs. 5 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) im Rahmen einer vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) angenommenen sog. grenzüberschreitenden Betriebsaufspaltung.
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Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine gemeinnützige rechtsfähige Stiftung mit Sitz im Inland, ist Alleingesellschafterin der A B.V., einer niederländischen Kapitalgesellschaft mit Sitz in X (Niederlande). Die Klägerin verpachtet ein in X belegenes Grundstück an die A B.V., das diese zur Ausübung ihrer operativen Geschäftstätigkeit als Betriebsgrundstück nutzt. Im Streitjahr (2012) schüttete die A B.V. eine Dividende in Höhe von insgesamt ... € an die Klägerin aus. Das FA stellte die Gewinnausschüttung bei der Klägerin von der Besteuerung frei, rechnete jedoch 5 % hiervon (... €) gemäß § 8b Abs. 5 KStG als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben dem Gewinn wieder hinzu. Hiergegen wendet sich die Klägerin.
Entscheidungsgründe
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B.
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Die Entscheidung über die Revision wird davon abhängen, ob die Klägerin durch die Verpachtung des Grundstücks in X an die A B.V. einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i.S. des § 14 der Abgabenordnung begründet hat und insoweit gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 KStG steuerpflichtig ist. Sofern die Klägerin nicht bereits auf Grund ihrer Beteiligung an der A B.V. planmäßig Unternehmenspolitik betreibt oder in anderer Weise entscheidenden Einfluss auf die Geschäftsführung der A B.V. ausübt und damit durch sie unmittelbar selbst am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt (vgl. Senatsurteil vom 30. Juni 1971 I R 57/70, BFHE 103, 56, BStBl II 1971, 753), kann ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb im Streitfall nur nach den Grundsätzen der Betriebsaufspaltung begründet werden.
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I. Grenzüberschreitende Betriebsaufspaltung - Meinungsstand
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Eine Betriebsaufspaltung setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) die sachliche und personelle Verflechtung zwischen Besitz- und Betriebsunternehmen voraus (vgl. z.B. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63; BFH-Urteil vom 19. Juli 1994 VIII R 75/93, BFH/NV 1995, 597). Im Streitfall liegen die personelle und sachliche Verflechtung nach den bindenden Feststellungen der Vorinstanz (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) auf Grund der 100 %-igen Beteiligung der Klägerin an der A B.V. sowie der Verpachtung des der A B.V. als Geschäftslokal dienenden Grundstücks in X durch die Klägerin vor. In grenzüberschreitenden Sachverhalten ist allerdings umstritten, ob die Grundsätze der Betriebsaufspaltung überhaupt anzuwenden sind. Nach überwiegender Ansicht ist dies zwar uneingeschränkt zu bejahen (z.B. Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 26. März 2015 10 K 2347/09, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2015, 1454; Bachmann, Die internationale Betriebsaufspaltung, 2004, S. 188; Becker/ Günkel in Raupach/Uelner [Hrsg.], Ertragsbesteuerung, Festschrift für Ludwig Schmidt, 1993, S. 483, 485; Gluth in Herrmann/Heuer/Raupach, § 15 EStG Rz 785; Haverkamp, Internationales Steuerrecht --IStR-- 2008, 165, 170; Kußmaul/Schwarz, GmbH-Rundschau 2012, 834, 840; Reiß in Kirchhof, EStG, 17. Aufl., § 15 Rz 106a; Ruf, IStR 2006, 232, 235; Schulze zur Wiesche, Betriebs-Berater 2013, 2463; Streck/Binnewies, KStG, 9. Aufl., Beratungs-ABC "Betriebsaufspaltung" Rz 16; wohl auch Homuth, NWB Internationales Steuer- und Wirtschaftsrecht - IWB 2018, 536, 543 f.). Nach anderer Ansicht soll hingegen von einer grenzüberschreitenden Betriebsaufspaltung nur dann auszugehen sein, wenn sie sich auf das inländische Steueraufkommen auswirkt (Bauschatz in Carlé, Die Betriebsaufspaltung, 2. Aufl., Rz 313; Schmidt/Wacker, EStG, 37. Aufl., § 15 Rz 855, 862; Söffing/Micker, Die Betriebsaufspaltung, 6. Aufl., Rz 942). Schließlich wird eine grenzüberschreitende Betriebsaufspaltung auch generell abgelehnt, weil es den Regelungen der Abkommen zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung widerspräche, wenn ausländische Vermietungseinkünfte zu gewerblichen umqualifiziert würden (Dehmer, Betriebsaufspaltung, 4. Aufl., § 9 Rz 23).
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II. Rechtsfragen
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1. Grenzüberschreitende Betriebsaufspaltung nur bei Schmälerung des inländischen Steueraufkommens?
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Eine Entscheidung über den vorgenannten Meinungsstreit und damit auch die Beurteilung des dem anhängigen Revisionsverfahren zugrunde liegenden Sachverhalts könnte davon abhängen, ob die Grundsätze der Betriebsaufspaltung nur in Fällen der "Missbrauchsvermeidung" und damit nur dann einschlägig sind, wenn ansonsten das (inländische) Steueraufkommen geschmälert würde, oder ob die Rechtsgrundlage der Betriebsaufspaltung durch die Rechtsprechung über den Gesichtspunkt der Missbrauchsvermeidung hinaus fortentwickelt worden ist.
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a) Für erstere Auffassung könnte sprechen, dass der Reichsfinanzhof (RFH) das verpachtende Besitzunternehmen ursprünglich nicht als Gewerbebetrieb angesehen und hierin auch dann keine Umgehung der Einkommensteuer erkannt hatte, wenn die Konstruktion "zur Ersparung der Einkommensteuer" gewählt wurde (z.B. RFH-Urteile vom 3. Dezember 1924 VIe A 188/24, RFHE 16, 15; vom 14. März 1933 VI A 1638/32, RStBl 1933, 1292). Es sollte sich insofern zwar "auch vom Standpunkt des Steuerfiskus aus" um einen "ungesunden Zustand" handeln, der jedoch "nur durch eine Änderung der Einkommensteuergesetzgebung" beseitigt werden könne.
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Eine solche Gesetzesänderung ist zwar unterblieben, jedoch hat die Reichsfinanzverwaltung die Bildung von Pachtgesellschaften als "beliebtes Mittel der Steuerersparnis" beurteilt, bei dem der Vorteil darin liege, dass der "hohe Steuertarif für Einzelunternehmer vermieden" und die "Gewerbesteuer geschmälert" werde. Eine solche Steuerschmälerung werde daher "künftig nicht mehr geduldet" und sei durch Auslegung des jeweiligen gesetzlichen Tatbestands zu vermeiden (Reinhardt, RStBl 1936, 1041)¹.
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Dieser Ansicht hat sich der RFH unter Änderung seiner Rechtsprechung angeschlossen und das verpachtete Betriebsgrundstück fortan als Betriebsvermögen qualifiziert. Dabei hat er die "Einheitlichkeit" von Besitz- und Betriebsunternehmen betont, die dann vorliegen solle, wenn das Besitzunternehmen "in engem wirtschaftlichen Zusammenhang" mit dem Betriebsunternehmen steht bzw. "wirtschaftlich wesensgleich" ist (z.B. RFH-Urteile vom 19. Januar 1938 VI 765/37, RStBl 1938, 316; vom 26. Oktober 1938 VI 501/38, RStBl 1939, 282; vom 2. November 1938 VI 585/38, RStBl 1939, 88; vom 30. November 1939 III 37/38, RStBl 1940, 361; vom 4. Dezember 1940 VI 660/38, RStBl 1941, 26; vom 1. Juli 1942 VI 96/42, RStBl 1942, 1081; vom 6. August 1942 III 25/42, RStBl 1942, 970).
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b) Diese die Gewerblichkeit der Einkünfte des Besitzunternehmens tragenden Erwägungen könnten jedoch zwischenzeitlich durch die Fortentwicklung der Rechtsprechung überholt sein. Zwar hatte der BFH zunächst die Rechtsprechung des RFH übernommen und ebenfalls auf die "Einheitlichkeit des Unternehmens" abgestellt (z.B. Senatsurteile vom 26. August 1952 I 38/52 U, BFHE 56, 681, BStBl III 1952, 261; vom 16. Januar 1962 I 57/61 S, BFHE 74, 275, BStBl III 1962, 104; BFH-Urteile vom 22. Januar 1954 III 232/52 U, BFHE 58, 473, BStBl III 1954, 91; vom 28. Januar 1965 IV 179/64 U, BFHE 82, 40, BStBl III 1965, 261). Durch den Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63 könnte sich die Rechtsprechung jedoch von der ursprünglichen Intention der Missbrauchsvermeidung gelöst und das Institut der Betriebsaufspaltung auf eine neue dogmatische Grundlage gestellt haben. In seinem Beschluss in BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63 geht der Große Senat des BFH nunmehr von zwei selbständigen Unternehmen aus (vgl. auch Senatsurteil vom 28. Juli 1982 I R 196/79, BFHE 136, 547, BStBl II 1983, 77), bei denen die hinter den beiden Unternehmen stehenden Personen einen "einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen" entfalten. Zu erwägen könnte hierbei auch sein, ob dieses weitergehende Verständnis der Betriebsaufspaltung nicht auch den gesetzlichen Regelungen in § 50i Abs. 1 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes sowie in § 13b Abs. 4 Nr. 1 Buchst. a des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes zugrunde liegt und damit Eingang in den Willen des Gesetzgebers gefunden hat.
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2. Mögliche Folgerungen - Fallgruppen
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Was die Folgerungen aus der dogmatischen Ausdeutung der Betriebsaufspaltung anbelangt, könnte es sich anbieten, die Frage der Gewerblichkeit der Einkünfte des Besitzunternehmens fallgruppenbezogen zu prüfen:
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a) Kennzeichen von Grundkonstellation 1 (Nicht-DBA-Fälle) ist, dass zwischen dem Ansässigkeitsstaat von Besitzunternehmen (bzw. der Besitzunternehmer) und demjenigen des Betriebsunternehmens (bzw. der Gesellschafter der Betriebspersonengesellschaft) kein Abkommen zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung besteht.
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In Variante 1 (Outbound) ist die Besitzgesellschaft (bzw. der Besitzunternehmer) im Inland und die Betriebsgesellschaft im Ausland ansässig. Überlassen werden (jedenfalls z.T. als wesentliche Betriebsgrundlage)
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ein unbewegliches Wirtschaftsgut (WG) im Inland und/oder
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ein unbewegliches WG im Ausland und/oder
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ein bewegliches WG und/oder
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ein immaterielles WG (z.B. Lizenzen).
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In Variante 2 (Inbound) ist die Besitzgesellschaft (bzw. der Besitzunternehmer) im Ausland und die Betriebsgesellschaft im Inland ansässig. Überlassen werden wiederum die zu Variante 1 genannten WG.
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b) In Grundkonstellation 2 (DBA-Fälle) ist --ebenso wie im anhängigen Revisionsverfahren-- die Beschränkung der Besteuerungsrechte durch das zwischen den betroffenen Staaten abgeschlossene Abkommen zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung zu beachten.
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Auch hier bietet es sich wiederum an, die vorstehend bezeichneten Konstellationen nach Variante 1 (Outbound) --d.h., die Besitzgesellschaft (bzw. der Besitzunternehmer) ist im Inland und die Betriebsgesellschaft im Ausland ansässig-- sowie deren Umkehrung nach Variante 2 (Inbound) in den Blick zu nehmen und nach den vorstehend genannten WG sowie deren Belegenheit zu unterscheiden.
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C.
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Angesichts der Komplexität der angesprochen Fragen erscheint es sachgerecht, das Bundesministerium der Finanzen (BMF) in den Entscheidungsprozess einzubinden. Das BMF wird deshalb aufgefordert, gemäß § 122 Abs. 2 Satz 1 FGO dem Revisionsverfahren beizutreten.
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¹ Es handelt sich um einen im Reichssteuerblatt abgedruckten Vortrag des Staatssekretärs des Reichsfinanzministeriums Fritz Reinhardt, gehalten auf der Dritten Jahrestagung der Akademie für Deutsches Recht am 23. Oktober 1936 in München. Der Senat ist sich des nationalsozialistischen Kontexts des Vortrags bewusst. Er hält die Wiedergabe des Zitats aber für geboten, um die historische Entwicklung des Instituts der Betriebsaufspaltung aufzuzeigen.
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