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BFH 15.12.2015 - V B 102/15
BFH 15.12.2015 - V B 102/15 - Verspätungszuschlag bei fehlender Erklärungsabgabe durch Datenfernübertragung
Normen
§ 152 Abs 1 S 1 AO, § 18 Abs 1 S 1 UStG 2005 vom 08.12.2008, § 152 Abs 8 AO vom 20.12.2008, § 18 Abs 1 S 2 UStG 2005 vom 20.12.2008, § 69 FGO, UStG VZ 2015
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 8. Oktober 2015, Az: 7 V 7195/15, Beschluss
Leitsatz
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NV: Über die Gründe gegen die Verpflichtung zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen entsprechend § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG kann nicht im Verfahren über die Festsetzung eines Verspätungszuschlags entschieden werden .
Tenor
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Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 8. Oktober 2015 7 V 7195/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
Tatbestand
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I. Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Verspätungszuschlags zur Umsatzsteuer-Vorauszahlung für März 2015.
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Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist eine GmbH, die Umsatzsteuer-Voranmeldungen monatlich abzugeben hat. Mit Schreiben vom 9. Dezember 2013 erteilte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) eine bis zum 30. Juni 2014 befristete Genehmigung zur Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen in Papierform. Am 14. August 2014 beantragte die Antragstellerin, diese Genehmigung bis zum 31. Oktober 2014 zu verlängern. Diesen Antrag lehnte das FA mit Schreiben vom 11. September 2014 ab. Hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch ein, den das FA als unbegründet zurückwies. Hiergegen hat die Antragstellerin Klage zum Finanzgericht (FG) erhoben, über die noch nicht entschieden ist.
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Am 13. Mai 2015 ging die Umsatzsteuer-Voranmeldung März 2015 wiederum in Papierform beim FA ein. Mit Bescheid vom 21. Mai 2015 setzte das FA Umsatzsteuer-Vorauszahlung März 2015 unter unveränderter Übernahme der Angaben in der Umsatzsteuer-Voranmeldung fest. Im gleichen Bescheid setzte es einen Verspätungszuschlag in Höhe von 1.100 € fest. In den Erläuterungen zu dem Bescheid wird ausgeführt, der Verspätungszuschlag sei "wegen Nichtabgabe / verspäteter Abgabe der Steuererklärung / Steueranmeldung festgesetzt" worden. Die Antragstellerin habe die Voranmeldung in Papierform abgegeben. Seit 1. Januar 2013 sei die Voranmeldung nach § 18 Abs. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) aber authentifiziert elektronisch nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz an die Finanzverwaltung zu übermitteln. Die Abgabe in Papierform stehe einer Nichtabgabe gleich, da Gründe, die eine Anerkennung als Härtefall i.S. der §§ 18 Abs. 1 Satz 2 UStG, 150 Abs. 8 der Abgabenordnung (AO) rechtfertigen würden, weder vorgetragen noch aus den Akten erkennbar seien. Die Festsetzung sei daher nach § 167 Abs. 1 Satz 1 AO erfolgt.
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Hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Verspätungszuschlages. Den Aussetzungsantrag lehnte das FA mit Bescheid vom 1. Juli 2015 ab. Auch hiergegen legt die Antragstellerin Einspruch ein.
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Sowohl den Einspruch gegen die Festsetzung des Verspätungszuschlages als auch den Einspruch gegen die Ablehnung des Aussetzungsantrags wies das FA durch Einspruchsentscheidung zurück.
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Gegen die Festsetzung des Verspätungszuschlages erhob die Antragstellerin Klage zum FG, über die das FG noch nicht entschieden hat.
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Zudem beantragte die Antragstellerin beim FG AdV des Verspätungszuschlages. Diesen Antrag wies das FG zurück. Nach Auffassung des FG bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, dass eine Steuererklärung, die nicht den formalen Anforderungen entspricht, die Festsetzung eines Verspätungszuschlages nach sich ziehen kann, insbesondere, wenn die Erklärung nicht wie vorgeschrieben eingereicht wird. Die entgegen § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG nicht elektronisch, sondern in Papierform erfolgende Abgabe einer Umsatzsteuer-Voranmeldung stehe einer Nichtabgabe oder nicht fristgerechten Abgabe i.S. von § 152 Abs. 1 Satz 1 AO gleich. Die Verpflichtung des Unternehmers, seine Umsatzsteuer-Voranmeldungen dem Finanzamt grundsätzlich durch Datenfernübertragung elektronisch zu übermitteln, sei verfassungsgemäß. Es sei nicht ersichtlich, dass die elektronische Übermittlung von Voranmeldungen für eine im Elektroinstallationsbereich tätige GmbH, die über zwei Geschäftsführer verfüge, eine Webseite betreibe, eine E-Mailadresse innehabe und seit Jahren durchgängig hohe Gewinne ausweise, persönlich oder wirtschaftlich unzumutbar wäre. Gründe, aus denen sich ein Befreiungsanspruch nach § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG, § 150 Abs. 8 AO ergebe, könnten nicht aus allgemeinen Bedenken gegen die Sicherheit der von § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG vorgeschriebenen elektronischen Übermittlung von Voranmeldungen nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch eine Datenübertragung abgeleitet werden.
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Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer vom FG zugelassenen Beschwerde, mit der sie geltend macht, dass das "Internet" als Übermittlungsform den gesetzlichen Anforderungen nicht genüge. In Bezug auf die Nutzung des Internets liege ein Defizit bei der Analyse des Sachverhalts vor. Sie sei nicht zur Übermittlung von Umsatzsteuer-Voranmeldungen nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz verpflichtet. Zu berücksichtigen seien die "Snowden-Affäre", der "NSA-Untersuchungsausschuss" und die gravierenden Rechtsübergriffe, die durch das Internet erfolgten. Das Bundeskriminalamt habe in seiner Presskonferenz zur Cyberkriminalität am 27. August 2014 zu den Gefährdungen bei der Nutzung des Internets informiert. Im Verfahren "ELSTER" seien die Daten über das Internet zur Finanzverwaltung zu übermitteln. Die Gefahren ergäben sich auch aus professoralen Gutachten für den "NSA-Untersuchungsausschuss". Ihre verfassungsrechtlichen Rechte würden verletzt. Auch im Programm "Java" gebe es Sicherheitslücken. Das Bundesamt für Sicherheit und Informationstechnik bezweifele, dass Behörden "Angriffe" erkennen könnten. Ihr sei daher die Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung in Papierform zu genehmigen. Hierauf stehe ihr nach § 150 Abs. 8 Satz 2 AO ein Anspruch zu. Der finanzielle Aufwand für die Datenfernübertragung sei erheblich.
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Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des FG aufzuheben und die Vollziehung des Verspätungszuschlags zur Umsatzsteuer-Vorauszahlung März 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. August 2015 bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren auszusetzen.
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Das FA hat sich nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde der Antragstellerin wird als unbegründet zurückgewiesen. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des festgesetzten Verspätungszuschlags.
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1. Nach § 128 Abs. 3 i.V.m. § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen bereits dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung seit dem Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182; BFH-Beschluss vom 8. April 2009 I B 223/08, BFH/NV 2009, 1437). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (vgl. BFH-Beschluss vom 7. September 2011 I B 157/10, BFHE 235, 215, BStBl II 2012, 590, unter II.2., m.w.N.). Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (BFH-Beschluss in BFHE 235, 215, BStBl II 2012, 590, unter II.2.).
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2. Im Streitfall bestehen keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des festgesetzten Verspätungszuschlags.
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a) Nach § 152 Abs. 1 Satz 1 AO kann gegen denjenigen, der seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung nicht oder nicht fristgemäß nachkommt, ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden.
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b) Der Unternehmer hat nach § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG bis zum zehnten Tag nach Ablauf jedes Voranmeldungszeitraums eine Voranmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung nach Maßgabe der Steuerdaten-Übermittlungsverordnung zu übermitteln, in der er die Steuer für den Voranmeldungszeitraum (Vorauszahlung) selbst zu berechnen hat.
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Auf Antrag kann das Finanzamt gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG zur Vermeidung von unbilligen Härten auf eine elektronische Übermittlung verzichten. Dies setzt gemäß § 150 Abs. 8 Satz 1 AO voraus, dass eine Erklärungsabgabe nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung für den Steuerpflichtigen wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Schaffung der technischen Möglichkeiten für eine Datenfernübertragung des amtlich vorgeschriebenen Datensatzes nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand möglich wäre oder wenn der Steuerpflichtige nach seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, die Möglichkeiten der Datenfernübertragung zu nutzen (§ 150 Abs. 8 Satz 2 AO).
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c) Im Streitfall steht fest, dass die Antragstellerin die Umsatzsteuer-Voranmeldung März 2015 nicht in der nach § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG gebotenen Form abgegeben hat, ohne dass ein Verzicht hierauf gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG vorlag. Damit ist die Antragstellerin der Verpflichtung zur Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung März 2015 nicht nachgekommen. Damit war das FA zur Festsetzung eines Verspätungszuschlags nach § 152 Abs. 1 Satz 1 AO berechtigt.
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Über die Gründe, die die Klägerin gegen ihre Verpflichtung zur Abgabe entsprechend § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG vorbringt, kann im Verfahren über die Festsetzung eines Verspätungszuschlags nicht entschieden werden. Entscheidungserheblich ist dies nur im Verfahren über einen Verzicht nach § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG. Träfen die Einwendungen der Antragstellerin gegen die Verpflichtung zur Abgabe entsprechend § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG aus den von ihr dargelegten Gründen zu, wäre ihr ein entsprechender Verzicht zuzubilligen. Ohne Verzicht nach § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG ist für Zwecke des § 152 AO von einer Nichtabgabe auszugehen. Der Vorrang einer Entscheidung im Verzichtsverfahren dient auch dazu, widersprechende Entscheidungen zu vermeiden.
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Im Übrigen liegen Gründe, aus denen der Steuerpflichtige die Abgabe einer Steuererklärung weiterhin in Papierform statt in der vorgeschriebenen elektronischen Form verlangen kann, gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG i.V.m. § 150 Abs. 8 AO nur dann vor, wenn die Abgabe in elektronischer Form für den Steuerpflichtigen aus individuellen Gründen wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist. Die Abwägung zwischen der durch diese Regelung erstrebten Verwaltungsvereinfachung mit den Sicherheitsbedenken hat der Gesetzgeber getroffen. Das Gericht kann wegen der Bindung an das Gesetz hiervon nicht abweichen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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