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BFH 27.10.2015 - I B 124/14
BFH 27.10.2015 - I B 124/14 - Haftung für nicht abgeführte Abzugsteuer einer beschränkt steuerpflichtigen Konzertagentur - Mitwirkungspflichten der Beteiligten bei Auslandssachverhalten
Normen
§ 50a Abs 4 S 1 Nr 1 EStG 2002, § 76 Abs 1 FGO, § 96 Abs 1 FGO, § 73e EStDV 2002, § 50a Abs 4 S 5 Nr 1 EStG 2002, § 90 Abs 2 AO, § 96 Abs 2 FGO
Vorinstanz
vorgehend Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, 8. Juli 2014, Az: 5 K 272/10, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Beteiligte haben einen auslandsansässigen Zeugen in die Sitzung zu stellen, sofern es sich um den Nachweis eines im Ausland verwirklichten Sachverhalts handelt .
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2. NV: Ein kundiger Prozessbeteiligter muss damit rechnen, dass das Tatgericht, das in der Würdigung der Beweise frei ist, Zeugenaussagen als unglaubhaft bewertet und schließlich in der Würdigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens zu tatsächlichen Feststellungen gelangt, die vom Tatsachenvortrag eines Beteiligten abweichen .
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 8. Juli 2014 5 K 272/10 wird als unzulässig verworfen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, führte im Streitzeitraum im Zusammenwirken mit Künstleragenturen musikalische Veranstaltungen durch. Sie arbeitete hierbei insbesondere mit einer polnischen und einer tschechischen Künstleragentur, die jeweils in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft betrieben wurden, zusammen. Zwischen den Agenturen und der Klägerin kamen schriftliche Tournee- und Gastspielverträge zustande, die vorsahen, dass die ausländischen Firmen bestimmte Produktionen, z.B. Aufführungen der Oper Nabucco von Guiseppe Verdi in Originalsprache, der Klägerin zu einem Produktionspauschalhonorar zu liefern hatten, mit dem alle Kosten für Gagen, Solistenhonorare u.ä. abgegolten sein sollten.
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Die Klägerin meldete keine Abzugsteuern i.S. des § 50a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 19. Oktober 2002 (EStG 2002) i.V.m. § 73e der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung 2000 beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) an.
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In der Folge einer Lohnsteuer-Außenprüfung nahm das FA die Klägerin für nicht abgeführte Abzugsteuern in Haftung. Die Klägerin wandte ein, dass die Tourneeverträge mit den ausländischen Firmen aus urheberrechtlichen Gründen lediglich "pro forma" abgeschlossen worden seien. Tatsächlich hätten unmittelbare Vertragsbeziehungen zwischen ihr und den einzelnen Künstlern bestanden, die ausländischen Firmen seien lediglich als Vermittler aufgetreten. Damit seien weitgehend die Voraussetzungen der Milderungsregelung gemäß § 50a Abs. 4 Satz 5 Nr. 1 EStG 2002, wonach der Steuerabzug bei Einnahmen bis 250 € 0 % betrage, erfüllt gewesen.
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Einspruch und Klage gegen den Haftungsbescheid blieben überwiegend erfolglos. Das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht (FG) kam nach durchgeführter Beweisaufnahme zur Überzeugung, dass die ausländischen Firmen in eigenem Namen und auf eigene Rechnung der Klägerin die Künstler zur Verfügung gestellt und es sich bei den Tourneeverträgen nicht lediglich um eine "leere Hülle" gehandelt habe. Für Rechnung der beschränkt steuerpflichtigen ausländischen Firmen sei daher von der Klägerin ein Steuerabzug vorzunehmen gewesen.
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Das FG ließ in seinem Urteil vom 8. Juli 2014 5 K 272/10 die Revision nicht zu. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde. Sie macht Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO). Die Klägerin hat die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) genügenden Form dargelegt.
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1. Einen zur Zulassung der Revision führenden Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO hat die Klägerin nicht schlüssig geltend gemacht.
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a) Die Beschwerdebegründung besteht im Wesentlichen aus Angriffen gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung. Die Klägerin rügt durchgehend, dass sich der Sachverhalt anders als vom FG aufgrund der Beweisaufnahme festgestellt zugetragen hat. Teilweise spricht sie selbst ausdrücklich davon, dass die Würdigung des FG fehlerhaft sei. Damit kann sie aber im vorliegenden Verfahren nicht gehört werden. Denn die Sachverhaltswürdigung und die Grundsätze der Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen. Deshalb wird mit Einwendungen gegen die Sachverhalts- oder Beweiswürdigung kein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend gemacht (ständige Rechtsprechung, z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. März 2011 X B 151/10, BFH/NV 2011, 1165, m.w.N.).
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b) Soweit die Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) gerügt wird, sind die erforderlichen Darlegungen (vgl. dazu im Einzelnen Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 120 Rz 70, m.w.N.) in der Beschwerdeschrift nicht enthalten.
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Da sich insbesondere die Rüge, die Vernehmung weiterer angebotener Zeugen sei verfahrensfehlerhaft unterblieben, auf die einzelnen Künstler, zu denen unmittelbare Vertragsbeziehungen bestanden haben sollen, bezieht und diese Künstler wegen ihrer Ansässigkeit im Ausland als sog. Auslandszeugen zu qualifizieren sind, musste für eine schlüssige Rüge, mit der die Verletzung der Pflicht zur Sachaufklärung durch Nichtvernehmung eines beantragten Auslandszeugen nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO geltend gemacht wird, dargelegt werden, dass die Klägerin ihren abgabenrechtlichen Mitwirkungspflichten genügt hat. Nach § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) haben Beteiligte Beweismittel, die sich auf Vorgänge außerhalb des Geltungsbereichs der AO beziehen, selbst zu beschaffen, mithin einen im Ausland ansässigen Zeugen in die Sitzung zu stellen, sofern es sich um den Nachweis eines im Ausland verwirklichten Sachverhalts handelt. Kommt der Beteiligte, der sich auf einen im Ausland lebenden Zeugen beruft, seiner erhöhten Mitwirkungspflicht nicht nach, darf das FG ohne Berücksichtigung dieses Beweismittels den ihm vorliegenden Sachverhalt nach freier Überzeugung (§ 96 Abs. 1 FGO) würdigen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 23. Dezember 2009 II B 121/09, BFH/NV 2010, 682, m.w.N.; vom 23. September 2010 XI B 97/09, BFH/NV 2011, 269; vom 13. Februar 2012 II B 12/12, BFH/NV 2012, 772).
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Ausreichender Sachvortrag zur Erfüllung ihrer Mitwirkungspflichten sind der Beschwerde der Klägerin nicht zu entnehmen. Da es naheliegt oder jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass die ausländischen Künstler in ihrer Heimat angeworben und beauftragt wurden (Auslandssachverhalt) und die beiden als Zeugen benannten Künstler R und V offenbar in Polen oder der Tschechischen Republik ansässig sind, wäre es allein Sache der fachkundig vertretenen Klägerin gewesen, diese Zeugen in die Sitzung zu stellen. Es vermag die Klägerin auch nicht zu entlasten, dass sie glaubte, den Beweis in ihrem Sinne durch die tatsächlich erfolgte Vernehmung der beiden anderen Auslandszeugen K und X bereits geführt zu haben. Denn ein kundiger Prozessbeteiligter muss stets damit rechnen, dass das Tatgericht der Aussage eines Zeugen keinen Glauben schenkt und es sich deswegen die Überzeugung vom Vorliegen einer bestimmten Tatsache nicht bilden kann.
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c) Das FG hat auch keine Überraschungsentscheidung getroffen und hierdurch den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) verletzt (vgl. dazu Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rz 10a). Die Klägerin meint, durch das Urteil deswegen überrascht worden zu sein, weil die vernommenen Zeuginnen in der mündlichen Verhandlung ihre Version des Geschehens voll bestätigt hätten (die schriftlichen Verträge seien nicht "gelebt" worden, Vertragsbeziehungen hätten zu den einzelnen Künstlern bestanden) und das FG dessen ungeachtet diese Verträge als "gelebt" der Besteuerung zugrunde gelegt habe. Ein kundiger Prozessbeteiligter muss stets damit rechnen, dass das Tatgericht, das in der Würdigung der Beweise frei ist (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO, dazu Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 96 Rz 25), Zeugenaussagen als unglaubhaft oder in der Zusammenschau mit anderen Beweismitteln (z.B. Vertragsurkunden) in einer bestimmten Weise bewertet und schließlich in der Würdigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens zu tatsächlichen Feststellungen gelangt, die vom Tatsachenvortrag eines Beteiligten abweichen. Im Hinblick auf die Erhebung und Würdigung der Beweise wird dem Anspruch auf rechtliches Gehör regelmäßig dadurch genügt, dass den Beteiligten die Gelegenheit gegeben wird, sich in der mündlichen Verhandlung zum Ergebnis der Beweisaufnahme zu äußern. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 8. Juli 2014 ist genau dies im Streitfall auch geschehen.
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2. Von einer weitergehenden Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO abgesehen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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