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BFH 16.07.2015 - III R 39/13
BFH 16.07.2015 - III R 39/13 - (Differenzkindergeld für einen vom persönlichen Anwendungsbereich der VO (EWG) Nr. 1408/71 erfassten Selbständigen bei Gewährung von Familienleistungen im EU-Ausland)
Normen
§ 62 Abs 1 EStG 2009, § 63 Abs 1 EStG 2009, § 65 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 2009, § 5 Abs 5 SGB 5, Art 45ff AEUV, Art 1 Buchst a EWGV 1408/71, Art 2 Abs 1 EWGV 1408/71, Art 4 Abs 1 Buchst a EWGV 1408/71, Art 5 EWGV 1408/71, Art 12 Abs 2 EWGV 1408/71, Art 13ff EWGV 1408/71, Art 7 Abs 1 EWGV 574/72, Art 10 Abs 1 EWGV 574/72, Art 45 AEUV, Art 13 EWGV 1408/71, EStG VZ 2010
Vorinstanz
vorgehend FG Düsseldorf, 3. Juli 2013, Az: 7 K 439/12 Kg, Urteil
nachgehend FG Düsseldorf, 7. Dezember 2016, Az: 7 K 3853/15 Kg, Urteil
Leitsatz
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Unterliegt der Selbständige dem persönlichen Anwendungsbereich der VO (EWG) Nr. 1408/71, steht ihm ein Anspruch auf Differenzkindergeld auch dann zu, wenn Deutschland nach Art. 13 ff. der VO (EWG) Nr. 1408/71 der für die Gewährung der Familienleistungen zuständige Mitgliedstaat und die Konkurrenz zu den im EU-Ausland gewährten Familienleistungen nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu lösen sein sollte .
Tenor
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Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 3. Juli 2013 7 K 439/12 Kg aufgehoben.
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Die Sache wird an das Finanzgericht Düsseldorf zurückverwiesen.
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Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.
Tatbestand
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I. Es ist streitig, ob der Kläger und Revisionskläger (Kläger) im Streitzeitraum (Juli 2007 bis April 2010) deutsches Kindergeld abzüglich der in Polen bezogenen Familienleistungen (Differenzkindergeld) beanspruchen kann.
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Der Kläger ist polnischer Staatsangehöriger. Seine nicht erwerbstätige Ehefrau lebte mit den beiden Kindern P (geboren im April 1991) und K (geboren im Januar 1993) in Polen und bezog dort im Streitzeitraum polnische Familienleistungen. Der Kläger ist seit Juli 2007 in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) selbständig tätig und hat dort seinen Wohnsitz. Er ist nach seinen Angaben in Deutschland krankenversichert, im Übrigen jedoch nicht sozialversicherungspflichtig. Mit jeweils eigenem Bescheid vom 1. Juni 2011 setzte die Familienkasse ... Kindergeld für die Kinder P und K für den Streitzeitraum in hälftiger Höhe fest. Im Übrigen lehnte sie den Antrag ab. Die Einsprüche blieben erfolglos (Einspruchsentscheidungen vom 20. Dezember 2011).
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Die hiergegen erhobene Klage, mit welcher der Kläger Differenzkindergeld für P und K für den Streitzeitraum begehrte, hatte keinen Erfolg. Zur Begründung führte das Finanzgericht (FG) im Wesentlichen aus, der Kläger erfülle zwar die in § 62 Abs. 1 Nr. 1 und § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung (EStG) niedergelegten Anspruchsvoraussetzungen, es liege aber auch der Ausschlusstatbestand nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG vor. Der Kläger sei nach seinen Angaben in Deutschland krankenversichert und damit vom persönlichen Anwendungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (VO Nr. 1408/71) erfasst. Zudem sei Deutschland nach Art. 13 Abs. 2 Buchst. b der VO Nr. 1408/71 der für die Gewährung der Familienleistungen zuständige Mitgliedstaat. Im Streitfall werde § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG jedoch nicht durch Vorschriften der VO Nr. 1408/71 verdrängt, weil der Kläger nicht die im Anhang I Teil I Buchst. D lit. b der VO Nr. 1408/71 genannten Voraussetzungen erfülle. Denn der Kläger sei weder in einer Versicherung der selbständig Erwerbstätigen für den Fall des Alters versicherungs- oder beitragspflichtig noch in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig gewesen. Diese Einschränkung sei sachgerecht und entspreche dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 13. August 2002 VIII R 54/00 (BFHE 200, 204, BStBl II 2002, 869). Schließlich ergebe sich aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) Hudzinski und Wawrzyniak vom 12. Juni 2012 C-611, 612/10 (EU:C:2012:339) keine Notwendigkeit, § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG dahingehend auszulegen, dass dem Kläger ein Anspruch auf Differenzkindergeld zustehe. Die in diesem EuGH-Urteil aufgestellten Grundsätze beträfen Arbeitnehmer und seien nicht auf Gewerbetreibende übertragbar, weil zwischen diesen beiden Gruppen gravierende Unterschiede bestünden.
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Der Kläger macht mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts geltend. Das angegriffene Urteil weiche von dem BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 III R 8/11 (BFHE 241, 511, BStBl II 2013, 1040) ab. Der BFH habe entschieden, dass selbst bei Eingreifen des § 65 EStG ein Anspruch auf Differenzkindergeld bestehe. Danach dürfe der Anspruch auf deutsches Kindergeld nach § 65 Abs. 1 EStG nur in entsprechender Höhe gekürzt, nicht jedoch völlig ausgeschlossen werden. Diese Rechtsprechung sei durch das BFH-Urteil vom 12. September 2013 III R 32/11 (BFHE 243, 204) bestätigt worden.
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Der Kläger beantragt sinngemäß, die Bescheide vom 1. Juni 2011 und die hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen vom 20. Dezember 2011, soweit durch sie die Festsetzung von Kindergeld abgelehnt wird, sowie das angegriffene FG-Urteil aufzuheben und die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) zu verpflichten, Kindergeld für P und K für den Streitzeitraum in voller Höhe einschließlich eines einmaligen Kinderbonus für das Jahr 2009 unter Anrechnung der in Polen gewährten Familienleistungen festzusetzen.
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Die Familienkasse beantragt, die Revision zurückzuweisen.
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Die Familienkasse führt im Wesentlichen aus, dass im Streitfall --trotz eröffneten Anwendungsbereichs der VO Nr. 1408/71 und trotz der Zuständigkeit Deutschlands für die Gewährung der Familienleistungen nach Art. 13 Abs. 2 Buchst. f der VO Nr. 1408/71-- kein Anspruch auf Differenzkindergeld bestehe, weil die spezielleren unionsrechtlichen Antikumulierungsvorschriften (Art. 76 der VO Nr. 1408/71 und Art. 10 der VO (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der VO (EWG) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern --VO Nr. 574/72--) nicht eingriffen. Der Streitfall sei nach der Auffangregelung des Art. 12 der VO Nr. 1408/71 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 der VO Nr. 574/72 zu lösen. Danach sei hälftiges Kindergeld zu gewähren. Diese unionsrechtlichen Vorschriften seien unmittelbar anwendbar, so dass eine unionsrechtskonforme Auslegung des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht geboten sei.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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1. Das FG hat zwar zutreffend angenommen, dass der Kläger nach den §§ 62 ff. EStG für die beiden in Polen lebenden Kinder P und K (vgl. § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG) anspruchsberechtigt ist.
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Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) ergibt sich dieser Anspruch aus § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 32 Abs. 3 EStG, für P ab dem Monat Mai 2009 (wegen Vollendung des 18. Lebensjahres im April 2009) aus § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG; P besuchte in Polen weiterhin eine Schule.
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2. Es ist aber rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass dem Kläger bei eröffnetem persönlichen Anwendungsbereich der VO Nr. 1408/71 und Zuständigkeit Deutschlands für die Gewährung der Familienleistungen (Art. 13 ff. der VO Nr. 1408/71) kein Anspruch auf Differenzkindergeld zustehe, wenn die Konkurrenz zwischen dem deutschen Kindergeldanspruch und den polnischen Familienleistungen nach der nationalen Antikumulierungsvorschrift des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu lösen sei. Entgegen der Rechtsansicht des FG besteht in einer derartigen Situation ein Anspruch auf Differenzkindergeld.
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a) Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG wird Kindergeld nicht für ein Kind gezahlt, für das Leistungen zu zahlen sind oder bei entsprechender Antragstellung zu zahlen wären, die im Ausland gewährt werden und dem Kindergeld oder einer der in § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG genannten Leistungen vergleichbar sind.
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b) Der EuGH entschied in dem Urteil Hudzinski und Wawrzyniak (EU:C:2012:339, Rz 85) u.a. für die den Anspruchsteller Wawrzyniak betreffende Fallkonstellation, in welcher der persönliche Anwendungsbereich der VO Nr. 1408/71 eröffnet und Deutschland nach Art. 14 Nr. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 (sogar) der unzuständige Mitgliedstaat war, dass § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG aufgrund der Bestimmungen der Art. 45 ff. des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union --AEUV-- (Arbeitnehmerfreizügigkeit) nicht zum Ausschluss, sondern nur zu einer Kürzung des deutschen Kindergeldes um die Höhe des Betrags der in dem anderen Staat gewährten vergleichbaren Leistung führen darf. Auch wenn dieses Urteil zur Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit ergangen ist, im Streitfall hingegen die Ausübung der Niederlassungsfreiheit (Freizügigkeit der Selbständigen; Art. 49 AEUV) in Rede steht, ist kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, in einem Fall, in dem der persönliche Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 eröffnet und Deutschland der nach den Art. 13 ff. zuständige Mitgliedstaat sein sollte, einen Selbständigen anders zu behandeln als einen Arbeitnehmer. Der EuGH hat in dem Urteil Hudzinski und Wawrzyniak (EU:C:2012:339, Rz 47) u.a. auf den ersten Erwägungsgrund der VO Nr. 1408/71 verwiesen, nach dem die Vorschriften zur Koordinierung der innerstaatlichen Regelungen über soziale Sicherheit zur Freizügigkeit von Personen gehören und zur Verbesserung deren Lebensstandards und Arbeitsbedingungen beitragen sollen. Dieser Zweck greift für Selbständige, die dem persönlichen Anwendungsbereich der VO Nr. 1408/71 unterliegen, gleichermaßen ein (vgl. auch Senatsurteil vom 13. Juni 2013 III R 63/11, BFHE 242, 34, BStBl II 2014, 711, Rz 43). Im Übrigen hat auch der Senat in seinem Urteil vom 13. November 2014 III R 1/13 (BFHE 248, 20, Rz 17) einen deutschen Kindergeldanspruch in voller Höhe aus dem Primärrecht für eine nicht unter den Anwendungsbereich der VO Nr. 1408/71 fallende Person maßgeblich mit dem Argument abgelehnt, dass der genannte Erwägungsgrund der VO Nr. 1408/71 bei einer nicht unter den persönlichen Anwendungsbereich dieser Verordnung fallenden Person nicht zum Tragen kommt.
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Danach sind bei eröffnetem persönlichen Anwendungsbereich die im EuGH-Urteil Hudzinski und Wawrzyniak (EU:C:2012:339) niedergelegten Grundsätze auf den Streitfall übertragbar, so dass für den Fall, dass Deutschland nach den Art. 13 ff. der VO Nr. 1408/71 der zuständige Mitgliedstaat und die Anspruchskonkurrenz nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu lösen sein sollte, es nur zu einer entsprechenden Kürzung des deutschen Kindergeldanspruchs in Höhe der in Polen gewährten Familienleistung kommen darf.
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3. Etwas anderes ergibt sich --entgegen der Auffassung der Familienkasse-- auch nicht aus Art. 12 Abs. 2 der VO Nr. 1408/71 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 der VO Nr. 574/72.
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a) Art. 12 Abs. 2 der VO Nr. 1408/71 bestimmt --auf den Streitfall bezogen--, dass die Antikumulierungsvorschriften eines Mitgliedstaats einem Berechtigten gegenüber auch dann anwendbar sind, wenn es sich bei den (konkurrierenden) Leistungen um solche handelt, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats erworben wurden. Diese Vorschrift enthält eine Gleichstellung fremdmitgliedstaatlicher mit innerstaatlichen Leistungen, die (gerade) dann zum Tragen kommt, wenn die nationale Antikumulierungsvorschrift auf rein innerstaatliche Leistungsansprüche begrenzt ist (vgl. Schuler in Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 4. Aufl., Art. 12 VO Nr. 1408/71, Rz 16, 18). Ergänzend hierzu bestimmt Art. 7 Abs. 1 der VO Nr. 574/72 für Fälle, in denen die nach den Rechtsvorschriften von zwei oder mehr Mitgliedstaaten geschuldeten Leistungen gegenseitig gekürzt, zum Ruhen gebracht oder entzogen werden können, dass die Beträge, die bei strenger Anwendung der in den Rechtsvorschriften der betreffenden Mitgliedstaaten vorgesehenen Kürzungs-, Ruhens- oder Entziehungsbestimmungen nicht ausgezahlt werden, durch die Zahl der zu kürzenden, zum Ruhen zu bringenden oder zu entziehenden Leistungen geteilt werden.
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Art. 12 Abs. 2 der VO Nr. 1408/71 ist nach der Rechtsprechung des EuGH allerdings nur dann einschlägig, wenn der Anspruch auf die zu beschränkende Leistung --hier der Kindergeldanspruch-- erst aufgrund der Anwendung der Vorschriften der VO Nr. 1408/71 entstanden ist. So soll diese Bestimmung verhindern, dass den unter den persönlichen Anwendungsbereich der VO Nr. 1408/71 fallenden Personen aus der gleichzeitigen Anwendung der Sozialrechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten Vorteile erwachsen, die nach innerstaatlichem Recht als unangemessen anzusehen sind (vgl. EuGH-Urteil vom 15. September 1983 C-279/82, EU:C:1983:228, Rz 10 f.; vgl. auch Urteile des Bundessozialgerichts vom 8. Juli 1993 7 RAr 64/92, BSGE 73, 10; vom 29. Oktober 1997 7 RAr 10/97, BSGE 81, 134).
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b) Eine derartige Situation ist im Streitfall jedoch nicht gegeben. Denn der Kindergeldanspruch des Klägers wird allein durch nationales Recht und nicht erst aufgrund der Anwendung von Vorschriften der VO Nr. 1408/71 begründet. Im Übrigen erfasst § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG bereits nach seinem Wortlaut --dem Kindergeld vergleichbare-- fremdmitgliedstaatliche Familienleistungen. Diese Auslegung folgt auch aus dem EuGH-Urteil Hudzinski und Wawrzyniak (EU:C:2012:339). Dort hat der EuGH trotz eröffnetem persönlichen Anwendungsbereich der VO Nr. 1408/71 für die beim Anspruchsteller Wawrzyniak zu lösende Anspruchskonkurrenz auf § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abgestellt, ohne Art. 12 Abs. 2 der VO Nr. 1408/71 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 der VO Nr. 574/72 zu erwähnen.
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Demnach haben die Art. 12 Abs. 2 der VO Nr. 1408/71 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 der VO Nr. 574/72 keinen Einfluss auf das oben unter 2. aufgezeigte Ergebnis.
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4. Schließlich führt auch das BFH-Urteil in BFHE 200, 204, BStBl II 2002, 869 zu keiner abweichenden Beurteilung.
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In dieser Entscheidung kam der BFH zu dem Ergebnis, dass ein niederländischer Staatsangehöriger, der in den Niederlanden wohnte, in Deutschland als Zahnarzt selbständig tätig und in dem Versorgungswerk einer Zahnärztekammer wegen Alters pflichtversichert war, nicht von dem persönlichen Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 erfasst wird. Der BFH begründete dies damit, dass nach Art. 1 Buchst. j Unterabs. 4 der VO Nr. 1408/71 der Begriff "Rechtsvorschriften" nicht die Bestimmungen für Sondersysteme für Selbständige umfasst, deren Schaffung der Initiative den Betreffenden überlassen ist oder deren Geltung auf einen Teil des Gebiets des betreffenden Mitgliedsstaats beschränkt ist. Wegen der hiervon betroffenen Sondersysteme, die nicht in den Regelungsbereich der Verordnung fallen, wird auf den Anhang II verwiesen. Danach waren gemäß Anhang II Teil I Buchst. C der VO Nr. 1408/71 in der damals geltenden Fassung (vgl. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1997 Nr. L 28, S. 1 ff.) für Deutschland u.a. auch die für Zahnärzte "aufgrund von Landesrecht errichteten Versicherungs- und Versorgungswerke sowie andere Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen, insbesondere Fürsorgeeinrichtungen und die erweiterte Honorarverteilung" ausgenommen. Folge hiervon war, dass der niederländische Zahnarzt nicht dem persönlichen Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 unterlag. Im Streitfall steht jedoch nicht die Eröffnung des persönlichen Anwendungsbereichs der VO Nr. 1408/71 wegen der Versicherungspflicht in einem Sondersystem für Selbständige wegen Alters, sondern wegen einer Krankenversicherung in Rede. Unabhängig hiervon ist Anhang II Teil I Buchst. C (entspricht ab Mai 2004 Buchst. D; vgl. Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- 2003 Nr. L 236, S. 179 ff.) für Deutschland zwischenzeitlich gegenstandslos (vgl. ABlEU 2005 Nr. L 117, S. 1 ff.).
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Sollte sich aus dem BFH-Urteil in BFHE 200, 204, BStBl II 2002, 869 zusätzlich ergeben, dass der persönliche Anwendungsbereich der VO Nr. 1408/71 nur dann eröffnet ist, wenn die Voraussetzungen des Anhangs I Teil I Buchst. D (vgl. ABlEU 2003 Nr. L 236, S. 179 ff.; entspricht ab dem Jahr 2007 Buchst. E; vgl. ABlEU 2006 Nr. L 363, S. 1 ff.) gegeben sind, hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 4. August 2011 III R 55/08 (BFHE 234, 316, BStBl II 2013, 619, Rz 18) darauf hingewiesen, dass er hieran nicht festhalten könnte.
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5. Die Sache ist nicht spruchreif. Es liegen keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen des FG vor, um abschließend beurteilen zu können, ob der Kläger infolge einer in Deutschland bestehenden Krankenversicherung als Selbständiger i.S. der VO Nr. 1408/71 von deren persönlichen Anwendungsbereich erfasst ist.
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Für die Eröffnung des persönlichen Geltungsbereichs der VO Nr. 1408/71 ist ausreichend, dass eine Person nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 (Arbeitnehmer oder Selbständiger) in irgendeinem der von ihrem sachlichen Geltungsbereich erfassten Zweige der sozialen Sicherheit in irgendeinem Mitgliedstaat der Europäischen Union versichert ist (vgl. z.B. Senatsurteile in BFHE 234, 316, BStBl II 2013, 619, Rz 19; vom 5. Juli 2012 III R 76/10, BFHE 238, 87, BStBl II 2013, 1033, Rz 12). Zum sachlichen Geltungsbereich dieser Verordnung gehört auch der Zweig der sozialen Sicherheit betreffend Leistungen bei Krankheit (Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71). Gemäß Art. 5 der VO Nr. 1408/71 geben die Mitgliedstaaten in Erklärungen u.a. die Rechtsvorschriften und Systeme an, die unter Art. 4 Abs. 1 dieser Verordnung fallen. Nach der Erklärung Deutschlands werden vom sachlichen Geltungsbereich des Art. 4 Abs. 1 die Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherung, insbesondere die des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) erfasst (vgl. die Erklärung in ABlEU 2003 Nr. C 210, S. 1 f.).
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Im Streitfall hat das FG lediglich ausgeführt, dass der Kläger nach seinen Angaben in Deutschland krankenversichert sei und "Beiträge zur deutschen Krankenversicherung" geleistet habe. Für hauptberuflich Selbständige besteht jedoch grundsätzlich keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. § 5 Abs. 5 SGB V). Im Übrigen ist dem Senat keine "deutsche Krankenversicherung" bekannt.
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Da die Anforderungen an die Tatsachenfeststellungen und an die Wiedergabe aus ihnen abgeleiteter Folgerungen in dem Maße steigen, in dem das FG seiner Entscheidung einen vom Üblichen abweichenden Geschehensablauf zugrunde legen will (vgl. BFH-Urteil vom 21. September 2005 II R 49/04, BFHE 211, 530, BStBl II 2006, 269, unter II.2.b), hätte das FG aufgrund der selbständigen Tätigkeit des Klägers in tatsächlicher Hinsicht der Frage, ob und welche Krankenversicherung in Deutschland besteht, nachgehen müssen und nicht --ohne dies zu hinterfragen-- aus den Angaben des Klägers folgern dürfen, er unterliege dem persönlichen Anwendungsbereich der VO Nr. 1408/71.
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Dem FG wird Gelegenheit gegeben, die erforderlichen Feststellungen nachzuholen.
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6. Für den zweiten Rechtsgang weist der Senat auf Folgendes hin:
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a) Sollte der Kläger nicht vom persönlichen Anwendungsbereich der VO Nr. 1408/71 erfasst sein, ist das Senatsurteil in BFHE 248, 20 zu beachten. In diesem Urteil hat der Senat entschieden, dass der Anspruch auf Kindergeld nach deutschem Recht für ein im EU-Ausland lebendes Kind nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ausgeschlossen ist, wenn für das Kind ein Anspruch auf ausländische Leistungen besteht, die dem Kindergeld vergleichbar sind, und der Anspruchsteller nicht vom Anwendungsbereich der VO Nr. 1408/71 erfasst wird, weil er nicht in einem Sozialversicherungssystem versichert ist. Für diesen Fall wäre die Klage abzuweisen.
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b) Sollte bei eröffnetem persönlichen Anwendungsbereich die Anspruchskonkurrenz nicht nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, sondern nach Art. 10 der VO Nr. 574/72 zu lösen sein, stünde dem Kläger das begehrte Differenzkindergeld zu. Dabei wäre unerheblich, ob dessen Abs. 1 Buchst. a der VO Nr. 574/72 (Deutschland zahlt vorrangig Kindergeld in voller Höhe) oder dessen Abs. 1 Buchst. b Ziff. i (Deutschland zahlt Differenzkindergeld) eingriffe (vgl. Senatsurteil vom 19. April 2012 III R 87/09, BFHE 237, 150, BStBl II 2013, 1030, Rz 26 f.). Denn der Kläger könnte der Höhe nach mindestens das begehrte Differenzkindergeld beanspruchen.
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Insoweit weist der Senat zur Anwendbarkeit des Art. 10 der VO Nr. 574/72 darauf hin, dass diese Norm nach der Rechtsprechung des EuGH auch dann heranzuziehen sein kann, wenn der nach deutschem Recht Kindergeldberechtigte die Voraussetzungen des Anhangs I Teil I Buchst. D (ab dem Jahr 2007 Buchst. E) der VO Nr. 1408/71 nicht erfüllt (zur Reichweite der Bestimmungen des Anhangs I der VO Nr. 1408/71, vgl. EuGH-Urteil Schwemmer vom 14. Oktober 2010 C-16/09, EU:C:2010:605, Rz 38). Dies begründete der EuGH zum einen damit, dass es trotz der fehlenden Anwendbarkeitsvoraussetzungen zur Entstehung paralleler Ansprüche auf Familienleistungen für denselben Zeitraum kommen könne. Zum anderen verwies er unter Bezugnahme auf das EuGH-Urteil Kromhout vom 4. Juli 1985 C-104/84 (EU:C:1985:296, Rz 15) darauf, dass die Kinder als Familienangehörige des Elternteils, der Arbeitnehmer (in der Schweiz) ist, in den persönlichen Anwendungsbereich der VO Nr. 1408/71 fallen (vgl. zum Ganzen auch Senatsurteil in BFHE 238, 87, BStBl II 2013, 1033, Rz 19 ff.).
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c) Ergänzend bleibt anzumerken, dass bereits während des erstinstanzlichen Klageverfahrens mit Wirkung zum 1. Mai 2013 aufgrund eines Organisationsaktes ein gesetzlicher Parteiwechsel erfolgt und in die Beteiligtenstellung der Familienkasse ... nicht die Familienkasse ..., sondern die Familienkasse ... eingetreten ist (vgl. Beschluss des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit Nr. 21/2013 vom 18. April 2013 gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 des Finanzverwaltungsgesetzes, Amtliche Nachrichten der Bundesagentur für Arbeit, Ausgabe Mai 2013, S. 6 ff., Nr. 2.2 der Anlage 2). Der Senat hat dies im Rubrum berücksichtigt.
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7. Die Kostenentscheidung für das Verfahren wird gemäß § 143 Abs. 2 FGO dem FG übertragen.
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