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BFH 30.06.2015 - VII R 30/14
BFH 30.06.2015 - VII R 30/14 - (Kein Anspruch des Leistungsempfängers auf Erstattung nicht geschuldeter Umsatzsteuer aus § 37 Abs. 2 AO bei Insolvenz des Rechnungsausstellers - Erstattung der Vorsteuer im Wege eines Billigkeitserweises)
Normen
§ 37 Abs 2 AO, § 163 AO, § 227 AO, § 15 Abs 1 UStG 2005, § 14c UStG 2005, § 17 Abs 1 UStG 2005, § 218 Abs 2 AO, UStG VZ 2009
Vorinstanz
vorgehend FG Köln, 24. April 2014, Az: 1 K 2015/10, Urteil
Leitsatz
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1. Dem EuGH-Urteil Reemtsma (EU:C:2007:167) ist kein unionsrechtliches Gebot zu entnehmen, einen Anspruch des Leistungsempfängers aus § 37 Abs. 2 AO auf Erstattung zu Unrecht vom Leistenden in Rechnung gestellter Umsatzsteuer gegen den Fiskus anzuerkennen, wenn eine Erstattung vom Leistenden wegen dessen Insolvenz nicht mehr (vollständig) erreicht werden kann .
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2. Die Regelungen, die das deutsche Umsatzsteuer- und Abgabenrecht zum Schutz des Leistungsempfängers bereithält, der die zu Unrecht in Rechnung gestellte Umsatzsteuer an den Rechnungsaussteller gezahlt hat, werden den Anforderungen, die der EuGH an eine systemgerechte Abwicklung zu Unrecht erhobener und gezahlter Umsatzsteuer stellt, grundsätzlich gerecht .
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 24. April 2014 1 K 2015/10 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) bediente sich für die Durchführung von Messen in den Jahren 1999 bis 2005 der Firma E. Für ihre Leistungen stellte die E Rechnungen aus, in denen Umsatzsteuer in Höhe von über 4,8 Mio. € ausgewiesen war. Diesen Betrag führte die E an den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) ab und die Klägerin machte ihn als Vorsteuer bei dem für sie zuständigen Finanzamt X geltend. Im Zuge einer Umsatzsteuerprüfung bei der Klägerin wurde festgestellt, dass die Leistungen der E im Ausland erbracht worden und im Inland nicht umsatzsteuerpflichtig waren. Daraufhin erstattete die Klägerin große Teile der Vorsteuerbeträge dem Finanzamt X und forderte von der E die Rückzahlung der rechtswidrig gezahlten Umsatzsteuer bzw. die Abtretung deren Erstattungsanspruchs gegen das FA.
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Am 24. März 2006 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der E eröffnet und der Beigeladene zum Insolvenzverwalter (im Folgenden: Insolvenzverwalter) bestellt. Nachdem eine Umsatzsteuerprüfung des FA ergeben hatte, dass die E die in den Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer zu Unrecht gezahlt hatte, erstattete das FA den Betrag der Insolvenzmasse und der Insolvenzverwalter erteilte der Klägerin berichtigte Rechnungen ohne Ausweis der Umsatzsteuer. Zugleich verwies er sie auf die --später auch erfolgte-- Anmeldung des Erstattungsbetrags zur Insolvenztabelle.
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Beim FA beantragte die Klägerin sodann die Erstattung der zu Unrecht gezahlten Umsatzsteuer gemäß § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 14c Abs. 1, § 17 des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Mit dem hier streitigen Abrechnungsbescheid lehnte das FA diesen Antrag ab.
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Das Finanzgericht (FG) wies die für zulässig erachtete Sprungklage als unbegründet ab. § 37 Abs. 2 Satz 1 AO biete keine Grundlage für den geltend gemachten Erstattungsanspruch, denn nicht die Klägerin, sondern die E habe die in Streit stehende Umsatzsteuer rechtsgrundlos gezahlt. Eine Umqualifizierung der Zahlung nach Insolvenz des Leistenden als eine solche "auf Rechnung" seines Vertragspartners, dem die Umsatzsteuer zu Unrecht in Rechnung gestellt worden war, komme nicht in Betracht. Auch unter unionsrechtlichen Gesichtspunkten bestehe dafür keine Notwendigkeit.
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Insbesondere ergebe sie sich nicht aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) Reemtsma vom 15. März 2007 C-35/05 (EU:C:2007:167). Zwar müssten danach die Mitgliedsstaaten, wenn die Erstattung der Mehrwertsteuer durch den Leistungserbringer unmöglich oder übermäßig erschwert sei, die erforderlichen Mittel vorsehen, die es dem Leistungsempfänger ermöglichten, die zu Unrecht in Rechnung gestellte Steuer erstattet zu bekommen. Es sei nach diesen Grundsätzen aber nicht zu beanstanden, wenn das deutsche Umsatzsteuerrecht die Klägerin in erster Linie auf die zivilrechtliche Geltendmachung ihres Erstattungsanspruchs verweise. Die Geltendmachung im Insolvenzverfahren könne in diesem Zusammenhang nicht als unmöglich und auch nicht als wesentlich schwieriger angesehen werden als eine Zivilklage gegen den Leistungserbringer. Lediglich für den auf diese Weise nicht realisierbaren Teil des Erstattungsanspruchs müsse das deutsche Recht zusätzliche Mittel bereitstellen, damit volle Erstattung ermöglicht werde. Hierzu bedürfe es aber nicht einer sinnwidrigen Auslegung des § 37 Abs. 2 Satz 1 AO. Vielmehr stelle das deutsche Abgabenrecht mit den Billigkeitsregelungen der §§ 163 und 227 AO ein hinreichend effektives Mittel zur Verfügung, um dem Leistungsempfänger, der dem Leistungserbringer zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer gezahlt habe und sie von diesem nicht (vollständig) zurückerlangen könne, volle Erstattung zu ermöglichen. Diese auf Billigkeit beruhende Erstattung könne in vollem Umfang im Rahmen ihres eigenen Steuerverhältnisses, nämlich im Verfahren der Vorsteuererstattung gewährleistet werden. Das Urteil ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 1566 veröffentlicht.
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Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Umsatzsteuererstattung durch das FA gemäß § 37 Abs. 2 AO i.V.m. § 14c, § 17 UStG weiter. Sie meint, nach der insoweit gefestigten Rechtsprechung des EuGH gebiete eine unionsrechtskonforme Auslegung und Anwendung des § 37 Abs. 2 AO die Anerkennung eines direkten Anspruchs auf Umsatzsteuererstattung gegen das FA, wenn --wie im Streitfall-- durch Insolvenz des Leistenden das in sich geschlossene Umsatzsteuer-System gestört und die Effektivität und Neutralität dieses Systems nicht mehr gewährleistet sei. Unter Bezugnahme auf das Reemtsma-Urteil des EuGH macht die Klägerin geltend, in Fällen der Zahlungsunfähigkeit des Leistenden, in denen eine zivilrechtliche Klage gegen ihn, der zu Unrecht Umsatzsteuer ausgewiesen habe, im Hinblick auf § 87 der Insolvenzordnung (InsO) nicht mehr möglich und auf die Insolvenzforderungen nur ein quotaler Ausgleich zu erwarten sei, gebiete es das Unionsrecht, dem Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung der Umsatzsteuer direkt gegen den Staat zuzuerkennen. Eine Anspruchskonkurrenz zwischen dem Leistenden (E) und dem Leistungsempfänger (Klägerin) sei nicht zu befürchten, da der Insolvenzverwalter nicht als Anspruchsberechtigter gemäß § 37 Abs. 2 AO in Betracht komme. Die Umsatzsteuer könne in keinem denkbaren Fall "auf seine Rechnung" gezahlt worden sein. Liege eine vom Insolvenzverwalter berichtigte Rechnung nach § 14c UStG vor, sei die Umsatzsteuer dem Leistungsempfänger zu erstatten, da der Leistende aufgrund der Insolvenz weggefallen sei. Sei gleichwohl vom FA in die Insolvenzmasse zurückgezahlt worden, könne der Betrag als Masseforderung gemäß § 55 InsO zurückverlangt werden. Auf ein Billigkeitsverfahren gemäß § 163 AO müsse sie sich nicht verweisen lassen, es sei kein geeigneter Weg, die Grundsätze der Neutralität und Effektivität der Umsatzsteuer zu verwirklichen.
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Das FA und der beigeladene Insolvenzverwalter schließen sich im Wesentlichen der Argumentation des FG an.
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Ergänzend weist das FA darauf hin, es sei nicht mehr bereichert. Ein Erstattungsanspruch komme nicht in Betracht, da die zunächst vereinnahmte Umsatzsteuer nach Rechnungskorrektur rechtmäßig an die E zurückgezahlt worden sei. Im Fall der Anerkennung eines Direktanspruchs der Klägerin nach § 37 Abs. 2 AO müsse der Fiskus doppelt erstatten. Im Übrigen sei die Reemtsma-Entscheidung des EuGH mit dem Streitfall nicht vergleichbar, weil sich die Klägerin --anders als im Reemtsma-Urteil-- nicht in einem Vorsteuervergütungsverfahren mit einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmer befinde, in dem sie bereits einen eigenen direkten und unmittelbaren Anspruch auf Erstattung von Vorsteuer gegen das Finanzamt habe.
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Der Insolvenzverwalter hebt hervor, dass die Gläubiger mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen des dann geltenden Regimes der Insolvenzordnung und damit des Gebots der Gleichbehandlung aller Gläubiger darauf verwiesen seien, ihre Forderungen durch Anmeldung zur Insolvenztabelle geltend zu machen. Besonderheiten für die in Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer und deren Erstattung könne er nicht erkennen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet. Das Urteil des FG entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend entschieden, dass der angefochtene Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 AO) rechtmäßig ist. Die Klägerin hat gegen das FA keinen Anspruch auf Erstattung des Umsatzsteuerbetrags, der ihr von der E zu Unrecht in Rechnung gestellt und der E gezahlt worden ist.
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1. Die Klägerin kann ihren Erstattungsanspruch nicht auf § 37 Abs. 2 AO stützen. Nach dieser Vorschrift hat nur derjenige einen Erstattungsanspruch aus Überzahlungen, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist. Das sind hinsichtlich der zu Unrecht gezahlten Umsatzsteuer allein die Rechnungsaussteller, die ihre Rechnungen nach § 17 UStG berichtigt haben.
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a) § 37 Abs. 2 AO regelt keinen Rückzahlungsanspruch des Leistungsempfängers, der die in der ihm gestellten Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer dem Rechnungsaussteller gezahlt hat (Urteil des FG des Saarlandes vom 24. April 2013 1 K 1156/12, EFG 2013, 1637; Urteil des FG Münster vom 3. September 2014 6 K 939/11 AO, EFG 2014, 1934; Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 37 AO Rz 60). Die in der Literatur vereinzelt vertretene Auffassung, bei der Umsatzsteuer müsse der Leistungsempfänger als derjenige angesehen werden, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, wenn der Steuerpflichtige zur Rückabwicklung nicht in der Lage ist (vgl. von Streit, "Rs. C-35/05 - Reemtsma, C-427/10 - Banca Antoniana und andere - Wann bleibt der Steuerpflichtige auf der Mehrwertsteuer sitzen?", in EU-Umsatzsteuer-Berater 2012, 38, 41), steht nicht nur zu dem klaren Wortlaut des § 37 Abs. 2 AO in Widerspruch, sondern auch zur Zielsetzung der Norm, dem Fiskus zur Vereinfachung im Massengeschäft komplexe Prüfungen des "wahren" Leistungserbringers zu ersparen (vgl. Senatsurteil vom 18. September 1990 VII R 99/89, BFHE 162, 279, BStBl II 1991, 47, 48, bestätigt im Urteil vom 26. November 1996 VII R 49/96, BFH/NV 1997, 537).
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b) Im Streitfall hat die E die 4,8 Mio. € auf ihre Rechnung, nämlich in Erfüllung ihrer eigenen Umsatzsteuerschuld gegenüber dem FA, gezahlt. Damit ist sie, die E, diejenige, der nach Berichtigung der Rechnungen nach § 17 UStG durch den Insolvenzverwalter der Anspruch auf Erstattung der nunmehr rechtsgrundlos gewordenen Zahlungen an das FA gemäß § 37 Abs. 2 AO zusteht. Daran ändert nichts, dass mit der Insolvenzeröffnung über das Vermögen der E der Insolvenzverwalter in Ausübung des auf ihn gemäß § 80 InsO übergegangenen Verfügungsrechts den Anspruch auf Erstattung in die Insolvenzmasse geltend gemacht hat. Dem Insolvenzschuldner ist lediglich das Verfügungs- und Verwaltungsrecht über sein Vermögen entzogen, ihm verbleibt aber die Rechtsinhaberschaft, d.h. er bleibt Steuerschuldner und im Fall einer rechtsgrundlosen Steuerzahlung Rechtsträger des Erstattungsanspruchs (vgl. Senatsentscheidungen vom 26. November 2014 VII R 32/13, BFHE 247, 494, BStBl II 2015, 561; vom 1. September 2010 VII R 35/08, BFHE 230, 490, BStBl II 2011, 336).
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c) Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, besteht auch unter unionsrechtlichen Gesichtspunkten keine Notwendigkeit, § 37 Abs. 2 AO in der von der Klägerin gewünschten Weise auszulegen, also den Erstattungsanspruch bei Insolvenz des Leistenden auf den Leistungsempfänger zu übertragen. Eine solche Auslegung lässt sich auch nicht mit den Ausführungen des EuGH in der Reemtsma-Entscheidung rechtfertigen.
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aa) Anders als das FG des Saarlandes (Urteil in EFG 2013, 1637) hat der Senat zwar keinen Zweifel, dass die von den Beteiligten erörterten Rechtsgrundsätze dieser Entscheidung, der ein grenzüberschreitender Sachverhalt zum Verfahren der Vorsteuervergütung entsprechend § 18 Abs. 9 UStG i.V.m. §§ 59 ff. der Verordnung zur Durchführung des Umsatzsteuergesetzes an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige zugrunde lag, für den vorliegenden Fall einschlägig sind. Denn der EuGH hat im Urteil Marks & Spencer vom 11. Juli 2002 C-62/00 (EU:C:2002:435, Rz 34), dem ein reiner Inlandsachverhalt zugrunde lag, festgestellt: "Vorab ist darauf hinzuweisen, dass es beim Fehlen einer Gemeinschaftsregelung über die Erstattung rechtsgrundlos erhobener nationaler Abgaben Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten ist, die zuständigen Gerichte zu bestimmen und die Verfahrensmodalitäten der Klagen zu regeln, die den Schutz der dem Einzelnen aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, sofern diese Modalitäten nicht weniger günstig ausgestaltet sind als die entsprechender innerstaatlicher Klagen (Äquivalenzgrundsatz) und die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität)."
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Abgesehen davon ergibt sich aus der Reemtsma-Entscheidung (EU:C:2007:167, Rz 38), dass die dort erörterte Achte Richtlinie 79/1072/EWG des Rates vom 6. Dezember 1979 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Verfahren zur Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 331/11), die die Regelung in Art. 17 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 (ABlEG Nr. L 145/1) ausdrücklich in Bezug nimmt, keine Erstattungsvorschrift für die Berichtigung zu Unrecht in Rechnung gestellter Umsatzsteuer durch den Aussteller vorsieht und demzufolge die Mitgliedstaaten die Berichtigungsvoraussetzungen für diese Fälle festzulegen haben. Daraus lässt sich ableiten, dass die zu den nationalen Regelungen getroffenen Aussagen des Urteils auch für den vorliegenden Fall zu beachten sind.
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bb) Jedenfalls aber lässt sich der Entscheidung kein unionsrechtliches Gebot entnehmen, einen Anspruch des Leistungsempfängers aus § 37 Abs. 2 AO auf Erstattung zu Unrecht vom Leistenden in Rechnung gestellter Umsatzsteuer gegen den Fiskus zu gewähren, wenn --wie im Streitfall-- eine Erstattung vom Leistenden wegen dessen Insolvenz nicht mehr (vollständig) erreicht werden kann.
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Der EuGH führt vielmehr aus, dass die Grundsätze der Neutralität und Effektivität der Mehrwertsteuer im Regelfall beachtet werden, wenn --wie nach deutschem Steuerrecht-- nur der Dienstleistungserbringer, der die Mehrwertsteuer irrtümlich an die Steuerbehörde entrichtet hat, die Erstattung der Mehrwertsteuer verlangen und der Dienstleistungsempfänger lediglich zivilrechtlich Klage gegen den Dienstleistungserbringer auf Rückzahlung einer nicht geschuldeten Leistung erheben kann. Denn ein solches System ermögliche es dem Dienstleistungsempfänger, der mit der irrtümlich in Rechnung gestellten Steuer belastet war, die rechtsgrundlos gezahlten Beträge erstattet zu bekommen. Nur für den Fall, dass die Erstattung der Mehrwertsteuer vom Leistenden unmöglich oder übermäßig erschwert wird, fordert der EuGH, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Mittel vorsehen müssen, die es dem Leistungsempfänger ermöglichen, zu Unrecht in Rechnung gestellte Steuer erstattet zu bekommen.
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Nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten überlässt es der EuGH dem jeweiligen Mitgliedsstaat, die Verfahrensmodalitäten, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, autonom zu regeln (EuGH-Urteil Reemtsma, EU:C:2007:167, Rz 40).
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2. Wie das FG überzeugend ausgeführt hat, werden die Regelungen, die das deutsche Umsatzsteuer- und Abgabenrecht zum Schutz des Leistungsempfängers bereithält, der die zu Unrecht in Rechnung gestellte Umsatzsteuer an den Rechnungsaussteller gezahlt hat, den Anforderungen, die der EuGH an eine systemgerechte Abwicklung zu Unrecht erhobener und gezahlter Umsatzsteuer stellt, grundsätzlich gerecht.
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a) Zwar ist ihm nach der gegenwärtigen Rechtsprechung der zur Neutralisierung der wirtschaftlichen Belastung mit der Umsatzsteuer führende Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG --unabhängig von einer späteren Rechnungsberichtigung-- versagt, wenn die erbrachten Leistungen --wie im Streitfall-- in Deutschland nicht steuerbar waren. Denn das Recht auf Vorsteuerabzug besteht nur für diejenigen Steuern, die geschuldet werden, d.h. mit einem der Umsatzsteuer unterworfenen Umsatz in Zusammenhang stehen; das Recht auf Vorsteuerabzug erstreckt sich nicht auf eine Steuer, die ausschließlich deshalb geschuldet wird, weil sie in der Rechnung ausgewiesen ist (EuGH-Urteil Genius vom 13. Dezember 1989 C-342/87, EU:C:1989:635, Neue Juristische Wochenschrift 1991, 632, Rz 13, 19).
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b) Allerdings bieten die Billigkeitsregelungen der §§ 163 (abweichende Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen) und 227 AO (Erstattung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis) eine hinreichende Möglichkeit, trotz Nichtvorliegens der materiell-umsatzsteuerrechtlichen Voraussetzungen den Vorsteuerabzug --jedenfalls im wirtschaftlichen Ergebnis-- geltend zu machen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. April 2009 V R 15/07, BFHE 225, 254, BStBl II 2009, 744), um auf diesem Weg den im Insolvenzverfahren nicht zu realisierenden Teil der gegen den Rechnungsaussteller gerichteten, zivilrechtlichen Forderung vom Finanzamt gutgebracht zu bekommen.
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aa) Der Verweis auf eine solche Billigkeitsentscheidung genügt den Anforderungen des EuGH zum Ausgleich der Belastung des Leistungsempfängers. Nach der Rechtsprechung des BFH kann ein Vorsteuerabzug im Billigkeitsweg zu gewähren sein, wenn der Gesetzeswortlaut die Entstehung eines Anspruchs auf Vorsteuerabzug an Voraussetzungen knüpft, deren Erfüllung im Einzelfall vom leistungsempfangenden Unternehmer unter Beachtung der Wertungen des Gesetzgebers nicht verlangt werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 10. Dezember 2008 XI R 57/06, BFH/NV 2009, 1156, m.w.N.).
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bb) Ob der Klägerin eine Erstattung ihrer Vorsteuer im Wege eines Billigkeitserweises zuerkannt werden kann, hat der Senat im vorliegenden Rechtsstreit über den Abrechnungsbescheid des FA nicht zu entscheiden. Es liegt bei der Klägerin, einen solchen Anspruch ggf. beim Finanzamt X geltend zu machen. Denn nur zu diesem Finanzamt steht die Klägerin in einem Steuerschuldverhältnis, in dem Ansprüche nach den Vorschriften der AO geltend gemacht werden können.
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cc) Ein Billigkeitserweis erscheint im Fall der Zahlungsunfähigkeit des Leistenden auch nicht von vornherein ausgeschlossen, auch wenn nicht unberücksichtigt bleiben dürfte, dass der BFH der Reemtsma-Entscheidung (EU:C:2007:167) jedenfalls dann keine Erstattungsverpflichtung des Fiskus zu entnehmen vermochte, wenn die Steuer gar nicht an ihn entrichtet worden war (Urteil in BFH/NV 2009, 1156; vgl. auch Urteil vom 11. Oktober 2007 V R 27/05, BFHE 219, 266, BStBl II 2008, 438, am Ende). Ob diese Feststellung auch auf den Fall der vorliegenden Erstattung des FA an die Insolvenzmasse nach Rechnungsberichtigung ausgedehnt werden kann, könnte davon abhängen, ob der Fiskus zur Erstattung verpflichtet war oder ob er ausnahmsweise die Zustimmung zur Rechnungsberichtigung und damit die Erstattung hätte verweigern können, weil sie zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Insolvenzmasse geführt hätte (vgl. EuGH-Urteil Danfoss und Sauer-Danfoss vom 20. Oktober 2010 C-94/10, EU:C:2011:674, Rz 20 ff.; Anm. Büchter-Hole zum Urteil des FG des Saarlandes 1 K 1156/12 in EFG 2013, 1640, rechte Spalte). Es erscheint nicht fernliegend, dazu ein neuerliches Vorabentscheidungsersuchen, nicht zuletzt im Hinblick auf das vom Insolvenzverwalter hervorgehobene Gläubigergleichbehandlungsgebot des Insolvenzrechts, an den EuGH zu richten.
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Eine Entscheidung über einen solchen Billigkeitserweis wäre aber nicht im Verfahren über den streitgegenständlichen Abrechnungsbescheid zu treffen, sondern --wie dargelegt-- in einem beim Finanzamt X durchzuführenden Verfahren über eine Billigkeitsentscheidung gemäß §§ 163, 227 AO.
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dd) Jedenfalls könnte dem Verweis auf eine Billigkeitsentscheidung nicht entgegengehalten werden, dass es sich bei der Entscheidung nach § 163 AO grundsätzlich um eine Ermessensentscheidung handelt (vgl. dazu Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 GmS-OGB 3/70, BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603, zu § 131 der Reichsabgabenordnung; BFH-Urteil vom 21. August 1997 V R 47/96, BFHE 183, 304, BStBl II 1997, 781), die im finanzgerichtlichen Verfahren nur eingeschränkt überprüfbar ist (§ 102 FGO). Erfordern nämlich gemeinschaftsrechtliche Regelungen eine Billigkeitsmaßnahme --was (zumindest) unter Berücksichtigung der vorstehenden Kriterien zunächst festzustellen wäre--, ist das in § 163 AO eingeräumte Ermessen des FA auf null reduziert (BFH-Urteil in BFHE 225, 254, BStBl II 2009, 744, m.w.N.).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 i.V.m. § 139 Abs. 4 FGO. Es entspricht der Billigkeit, der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nach § 139 Abs. 4 FGO aufzuerlegen, da er das Verfahren durch Sachvortrag und durch die Stellung eines eigenen Sachantrags gefördert hat (vgl. BFH-Beschluss vom 29. Mai 2009 IV B 143/08, BFH/NV 2009, 1452).
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