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BFH 12.05.2015 - IX R 57/13
BFH 12.05.2015 - IX R 57/13 - Aktienveräußerung im Rahmen eines amerikanischen Insolvenzplanverfahrens
Normen
§ 20 Abs 2 S 1 Nr 1 EStG 2009, § 20 Abs 6 EStG 2009
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 23. Oktober 2013, Az: 2 K 2096/11, Urteil
nachgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 27. Januar 2016, Az: 2 K 1824/15, Urteil
Leitsatz
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NV: Eine Veräußerung i.S. von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG kann auch in der Einziehung von Aktien und der Übertragung der eingezogenen Aktien auf die Gläubiger einer amerikanischen Aktiengesellschaft auf der Grundlage eines Insolvenzplanverfahrens nach US-amerikanischem Recht liegen.
Tenor
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1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. Oktober 2013 2 K 2096/11 aufgehoben.
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2. Die Klage wird abgewiesen, soweit sie sich gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 richtet.
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3. Hinsichtlich der gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2009 wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen.
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4. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens wird dem Finanzgericht übertragen.
Tatbestand
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I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb am 3. November sowie am 9. und 10. Dezember des Streitjahrs 2009 300 000 Aktien der "C Group Inc.", einer US-amerikanischen Finanzdienstleistungsgruppe (nachfolgend C) für 12.884,06 €.
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Der C drohte im Zuge der Finanzkrise seit Juli 2009 die Insolvenz. Sie meldete am 1. November 2009 Gläubigerschutz nach Chapter 11 des amerikanischen Insolvenzrechts an. Die Verbindlichkeiten beliefen sich auf fast 65 Mrd. US-Dollar. Dennoch stimmten die Gläubiger einem Insolvenzplan zu, der die Reduzierung der Schulden um rd. 11 Mrd. US-Dollar vorsah; Gegenstand des Insolvenzplans war u.a. die Einziehung der im Besitz der Altaktionäre stehenden C-Aktien und die Übertragung der eingezogenen Aktien auf die Gläubiger der C. Die Aktien des Klägers wurden am 22. Dezember 2009 aus seinem Depot ausgebucht.
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Die erlittene Vermögenseinbuße von 12.884,06 € machte der Kläger in der Einkommensteuererklärung 2009 und in der Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags vom 3. November 2010 als Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) folgte dem nicht, da die wertlose Ausbuchung der C-Aktien kein Veräußerungsvorgang i.S. von § 20 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sei. Das FA errechnete Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften durch Aktienverkäufe in Höhe von 6.658 €, die mit dem Verlustvortrag zum 31. Dezember 2008 in Höhe von 2.415 € verrechnet wurden. Weiter erließ das FA einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zum 31. Dezember 2009. Darin verrechnete es den verbleibenden Verlustvortrag zum 31. Dezember 2008 ebenfalls mit den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften des Streitjahrs und stellte den verbleibenden Verlust zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2009 auf 0 € fest.
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Der Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg, wohl aber seine Klage, mit der er die Berücksichtigung des durch die Ausbuchung der C-Aktien entstandenen Verlusts sowohl bei der Einkommensteuerfestsetzung als auch bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages begehrte. Das Finanzgericht (FG) entschied mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2014, 136 veröffentlichten Urteil, es liege eine Veräußerung der C-Aktien vor. Sie sei in der Einziehung der Aktien und in ihrer Übertragung auf die Gläubiger der C im Wege der Insolvenz zu sehen. Wollte man dem nicht folgen und in der Einziehung von Gesellschaftsanteilen eine Teil-Liquidation sehen, wäre ein veräußerungsgleicher Vorgang anzunehmen.
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Soweit danach der Kläger aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG einen Gewinn in Höhe von 6.658 € erzielt habe, sei dieser Gewinn im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr mit den zum 31. Dezember 2008 gesondert festgestellten Altverlusten in Höhe von 2.415 € vorrangig zu verrechnen (§ 23 Abs. 3 Satz 8 EStG). Der verbleibende Gewinn aus den privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 4.243 € sei sodann mit dem Verlust, den der Kläger durch die als Veräußerung zu behandelnde Zwangseinziehung seiner C-Aktien im Rahmen des Insolvenzverfahrens erlitten habe, zu verrechnen (§ 20 Abs. 6 Satz 5 i.V.m. § 23 Abs. 3 Satz 9 und 10 EStG).
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In Bezug auf die gesonderte Verlustfeststellung zum 31. Dezember 2009 sei der nach der Verrechnung verbleibende Veräußerungsverlust i.S. des § 20 Abs. 2 EStG in Höhe von 8.641 € unter entsprechender Anwendung des § 10d Abs. 4 EStG gesondert festzustellen (§ 20 Abs. 6 Satz 5 2. Halbsatz i.V.m. Satz 4 EStG).
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Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der dieses die Verletzung materiellen Rechts (§ 20 EStG) rügt. Es liege keine Veräußerung im Sinne eines Rechtsträgerwechsels vor. Eine bloße "Verwertung", bei der das Wirtschaftsgut untergehe, sei vom Begriff der "Veräußerung" nicht erfasst. Nicht zutreffend sei das Auslegungsergebnis des FG auch, wenn man auf eine Kapitalherabsetzung abstelle. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG sei nicht erweiternd auszulegen.
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Jedenfalls sei § 20 Abs. 6 Satz 6 EStG verletzt, wonach Verluste aus Kapitalvermögen, die der Kapitalertragsteuer unterliegen, nur verrechnet werden oder die Einkünfte mindern dürften, die der Steuerpflichtige in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus Kapitalvermögen erziele, wenn eine Bescheinigung i.S. des § 43a Abs. 3 Satz 4 EStG vorliege. Die vorliegend streitigen Verluste unterlägen der Kapitalertragsteuer (§ 43 Abs. 1 Nr. 9 EStG). Die auszahlende Stelle besitze nach eigenen Angaben eine Bankerlaubnis nach dem Kreditwesengesetz und sei abzugsverpflichtet nach § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1a EStG.
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Weiter wendet sich das FA gegen die vom FG vorgenommene Verrechnung des streitigen Neu-Verlusts mit Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften (§ 20 Abs. 6 Satz 2 und 5 EStG, § 23 Abs. 3 Satz 9 und 10 EStG).
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Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Beigetretene (das Bundesministerium der Finanzen) bestätigt die Auffassung des FA.
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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils sowie hinsichtlich der Einkommensteuerfestsetzung 2009 zur Klageabweisung. Hinsichtlich der gesonderten Feststellung des streitbefangenen Aktienverlusts des Klägers gemäß § 20 Abs. 6 i.V.m. § 10d EStG ist die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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Zwar hat das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise eine Veräußerung der C-Aktien angenommen (dazu 1.). Unzutreffend hat das FG jedoch den daraus sich ergebenden Verlust im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung 2009 gemäß § 23 Abs. 3 Satz 9 und 10 EStG mit Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften verrechnet und entsprechend den verbleibenden Verlust i.S. von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG zum 31. Dezember 2009 gemäß § 10d EStG gesondert festgestellt (dazu 2.). Hinsichtlich der gesonderten Feststellung des streitbefangenen Verlusts gemäß § 20 Abs. 6 EStG i.V.m. § 10d EStG fehlt es an einer Begründung (§ 119 Nr. 6 FGO, dazu 3.).
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1. a) Gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch Gewinne aus der Veräußerung von Aktien. Veräußerung ist die entgeltliche Übertragung des --zumindest wirtschaftlichen-- Eigentums auf einen Dritten, ggf. auch zwangsweise, etwa im Wege der Zwangsversteigerung (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. Dezember 1969 I R 43/67, BFHE 98, 30, BStBl II 1970, 310 zu § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG). Eine entgeltliche Anteilsübertragung liegt auch dann vor, wenn wertlose Anteile ohne Gegenleistung zwischen fremden Dritten übertragen werden (BFH-Urteile vom 6. April 2011 IX R 61/10, BFHE 233, 446, BStBl II 2012, 8, Rz 13, m.w.N.; vom 1. Oktober 2014 IX R 13/13, BFH/NV 2015, 198, Rz 15).
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b) Das FG hat das zur Übertragung des Eigentums an den C-Aktien führende Rechtsgeschäft in ihrer Einziehung und der Übertragung der eingezogenen Aktien auf die Gläubiger der C im Wege der Insolvenz gesehen. Es hat hierzu festgestellt, dass die Gläubiger im Rahmen des Insolvenzverfahrens im Gegenzug gegen die Reduzierung der Schulden der C die Aktien des Unternehmens erhielten. Die Aktien des Klägers gingen somit auf einen Gläubiger der C über. Diese Feststellungen sind nicht mit Revisionsrügen angegriffen und damit für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO). Soweit das FG den im Streitfall maßgeblichen Insolvenzplan dahingehend würdigt, dass er hinsichtlich der Aktien des Klägers zu einem Rechtsträgerwechsel führt, lässt dies weder einen Verstoß gegen Denkgesetze noch gegen allgemeine Erfahrungssätze erkennen und ist mithin revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Dass der Kläger für seine Aktien keine Gegenleistung erhielt, ist angesichts der Wertlosigkeit der Anteile unerheblich.
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2. Verluste aus Kapitalvermögen dürfen nicht mit (positiven) Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden (§ 20 Abs. 6 Satz 2 EStG). Hiergegen hat das FG verstoßen, da es die Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 6.658 € nicht nur mit gesondert festgestellten Altverlusten aus (noch unter § 23 EStG fallenden) Aktienverkäufen in Höhe von 2.415 €, sondern auch mit dem streitbefangenen Verlust aus der Veräußerung der C-Aktien i.S. von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 4 EStG verrechnet hat.
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Jenseits dessen dürfte der streitbefangene Aktienverlust des Klägers gemäß § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG nur mit Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien i.S. von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG ausgeglichen werden.
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3. Gemäß § 20 Abs. 6 Satz 5 2. Halbsatz EStG i.V.m. § 20 Abs. 6 Sätze 3 und 4 EStG mindern Aktienverluste i.S. von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus Aktienveräußerungen erzielt. § 10d Abs. 4 EStG ist sinngemäß anzuwenden, d.h. die nicht verrechneten und vorzutragenden Aktienverluste sind gesondert festzustellen. Der Verlustvortrag setzt voraus, dass die Verluste vom FA festgestellt werden (Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 34. Aufl., § 20 Rz 189). Gemäß § 20 Abs. 6 Satz 6 EStG mindern Verluste aus Kapitalvermögen, die der Kapitalertragsteuer unterliegen, die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus Kapitalvermögen erzielt, nur, wenn eine Bescheinigung i.S. des § 43a Abs. 3 Satz 4 EStG vorliegt.
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Das FG hat sich im Urteil nicht mit dem Einwand des FA auseinandergesetzt, dass für die Verlustfeststellung eine Bescheinigung i.S. des § 20 Abs. 6 Satz 6 EStG erforderlich sei und eine solche nicht vorliege.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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