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BFH 26.02.2014 - VI R 11/12
BFH 26.02.2014 - VI R 11/12 - ("Kein anderer Arbeitsplatz" i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG)
Normen
§ 9 Abs 5 EStG 2009 vom 08.12.2010, § 4 Abs 5 S 1 Nr 6b EStG 2009 vom 08.12.2010, EStG VZ 2007
Vorinstanz
vorgehend FG München, 24. November 2011, Az: 11 K 1167/11, Urteil
Leitsatz
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1. Ein anderer Arbeitsplatz steht erst dann zur Verfügung, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Arbeitsplatz tatsächlich zugewiesen hat .
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2. Ein Raum ist nicht zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet, wenn wegen Sanierungsbedarfs Gesundheitsgefahr besteht .
Tatbestand
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I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist katholischer Geistlicher. Er wirkt seit September 2007 als Pfarrer in W und erzielt aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Mit der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2007 machte er u.a. Aufwendungen für ein im Obergeschoss des Pfarrhofes in W gelegenes häusliches Arbeitszimmer in Höhe von 635 € als Werbungskosten geltend. Dies lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) mit der Begründung ab, dem Kläger habe im Erdgeschoss des Pfarrhauses ein Arbeitszimmer zur Verfügung gestanden.
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Im Klageverfahren legte der Kläger einen Grundriss des Erdgeschosses des Pfarrhofes vor. Danach befinden sich im Erdgeschoss neben dem von den Sekretärinnen genutzten Pfarrbüro u.a. ein Registraturraum, Archivraum, Konferenzraum und ein als Abstellraum genutztes sog. Amtszimmer. Nach einer ebenfalls im Klageverfahren vorgelegten Bescheinigung des Bischöflichen Ordinariats der Diözese ... vom 10. Mai 2011 heißt es u.a.:
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"Im Pfarrhof befinden sich neben der Wohnung des Pfarrers u.a. ein Pfarrbüro sowie ein Amtszimmer, welches als dienstliches Arbeitszimmer zur Verfügung steht. Zum Amtszimmer trägt Pfarrer ... vor, dass dieses Amtszimmer wegen Baumängel nicht als Arbeitszimmer nutzbar sei."
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Der Kläger machte geltend, das Amtszimmer sei im Zuge der im Streitjahr durchgeführten Pfarrhofrenovierung nicht renoviert worden. Das Zimmer sei von seinen Vorgängern nie als Amtszimmer genutzt worden. Es sei wegen Baumängeln als Arbeitszimmer nicht nutzbar und diene lediglich als Abstellraum. Es bestehe Gesundheitsgefahr.
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Das Finanzgericht (FG) hat die Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1047 veröffentlichten Gründen abgewiesen. Es entschied, dass dem Kläger im Pfarrhof ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden habe. Zur Begründung verwies das FG darauf, dass der Kläger über die Nutzung der einzelnen Räume entscheiden könne und somit die Möglichkeit gehabt habe, ein Zimmer für sich zu reservieren, um dieses als Arbeitszimmer nutzen zu können.
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Der Kläger rügt mit seiner Revision die Verletzung materiellen und formellen Rechts.
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Er beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2007 dahingehend abzuändern, dass die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit um 431 € niedriger festgesetzt werden.
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass für die berufliche Tätigkeit des Klägers ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stand.
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1. Gemäß § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2010 (JStG 2010) vom 8. Dezember 2010 (EStG) kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht als Werbungskosten abziehen. Dies gilt gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesem Fall ist die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 € begrenzt; allerdings gilt gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG die Beschränkung der Höhe nach nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet. Gemäß § 52 Abs. 12 Satz 9 EStG gilt die mit dem JStG 2010 geschaffene Neuregelung für alle offenen Fälle ab dem Veranlagungszeitraum 2007.
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a) Ein "anderer Arbeitsplatz" im Sinne der Abzugsbeschränkung ist grundsätzlich jeder Arbeitsplatz, der zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet ist. Weitere Anforderungen an seine Beschaffenheit sind grundsätzlich nicht zu stellen. Er steht aber nur dann "für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit ... zur Verfügung", wenn ihn der Steuerpflichtige in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise tatsächlich nutzen kann (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH--; grundlegend Senatsurteil vom 7. August 2003 VI R 17/01, BFHE 203, 130, BStBl II 2004, 78; s. auch Senatsurteil vom 5. Oktober 2011 VI R 91/10, BFHE 235, 372, BStBl II 2012, 127, m.w.N.).
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b) Die Frage, ob ein Steuerpflichtiger seinen anderen Arbeitsplatz in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise nutzen kann, betrifft die Tatsachenfeststellung. Sie muss von den Finanzgerichten anhand der objektiven Umstände des konkreten Einzelfalls beantwortet werden. An die entsprechende Tatsachenwürdigung ist das Revisionsgericht grundsätzlich gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO; Senatsentscheidung in BFHE 235, 372, BStBl II 2012, 127).
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2. Die Feststellungen des FG lassen nicht den Schluss zu, dass dem Kläger nach diesen Grundsätzen ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden hat. Nach der vom FG in Bezug genommenen "Bestätigung" des Bischöflichen Ordinariats der Diözese ... vom 10. Mai 2011 steht dem Kläger zwar das Amtszimmer als dienstliches Arbeitszimmer zur Verfügung. Das FG hat jedoch nicht festgestellt, ob dieser Raum zur Erledigung büromäßiger Arbeiten tatsächlich geeignet ist und der Kläger ihn insoweit auch nutzen kann, was dieser im Übrigen bestreitet.
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Soweit das FG diese Frage im Ergebnis offen gelassen hat, weil der Kläger die Möglichkeit gehabt habe, ein (anderes) Zimmer im Erdgeschoss des Pfarrhofes für sich als Arbeitszimmer zu reservieren, kann dem nicht gefolgt werden. Denn zum einen hat nach den bisherigen Feststellungen der Arbeitgeber dem Kläger das Amtszimmer und nicht andere Räume tatsächlich zur Verfügung gestellt. Zum anderen hat der Arbeitnehmer bei der Inanspruchnahme und Ausgestaltung eines "anderen Arbeitsplatzes" das Direktionsrecht des Arbeitgebers zu beachten. Ein "anderer Arbeitsplatz" steht daher i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG erst dann zur Verfügung, wenn der Arbeitgeber entsprechend verfügt hat (zur Rechtslage bei selbständig tätigen Steuerpflichtigen s. BFH-Urteil vom 20. November 2003 IV R 30/03, BFHE 204, 176, BStBl II 2004, 775). Im Übrigen hat das FG zur Geeignetheit der anderen Räume im Erdgeschoss des Pfarrhofes für büromäßige Arbeiten keine Feststellungen getroffen.
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Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.
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Das FG wird im zweiten Rechtsgang Feststellungen zur Beschaffenheit des Amtszimmers treffen und insoweit klären müssen, ob dieser Raum tatsächlich zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet ist. Das ist u.a. dann nicht der Fall, wenn, wie der Kläger geltend macht, wegen Gesundheitsgefährdung Sanierungsbedarf besteht. Sollte das FG im zweiten Rechtsgang Feststellungen dahingehend treffen, dass dem Kläger nicht nur das sog. Amtszimmer, sondern ein Zimmer seiner Wahl als "anderer Arbeitsplatz" zur Verfügung stand, wird es auch auf die Beschaffenheit dieser Räume ankommen.
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3. Der Senat muss nicht entscheiden, ob dem FG der vom Kläger gerügte Verfahrensfehler unterlaufen ist. Der Kläger hat seine Revision auch auf die Verletzung materiellen Rechts gestützt. In einem solchen Fall muss der BFH das angefochtene Urteil in vollem Umfang auf die Verletzung revisiblen Rechts prüfen, ohne dabei an die vorgebrachten Revisionsgründe gebunden zu sein (Senatsurteil vom 21. Januar 2010 VI R 51/08, BFHE 228, 85, BStBl II 2010, 700; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 118 Rz 73). Da die Revision aus anderen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung führt, muss der Senat nicht noch darüber entscheiden, ob der Kläger auch infolge eines Verfahrensfehlers in seinen Rechten verletzt ist.
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