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BFH 01.02.2013 - III B 222/11
BFH 01.02.2013 - III B 222/11 - Grundsätzliche Bedeutung - Zum Inhalt des Anspruchs des Kindes auf Auszahlung des Kindergelds an sich
Normen
§ 96 Abs 1 S 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO, § 67 S 2 EStG 2009, § 74 Abs 1 EStG 2009, Art 103 Abs 1 GG, EStG VZ 2009
Vorinstanz
vorgehend Hessisches Finanzgericht, 17. Oktober 2011, Az: 9 K 586/10, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, wenn sie sich ohne Weiteres anhand des Gesetzes beantworten lässt .
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2. NV: Der Anspruch des Kindes nach § 74 Abs. 1 EStG ist inhaltlich darauf gerichtet, den zugunsten eines bestimmten --nicht irgendeines-- Berechtigten festgesetzten oder noch festzusetzenden Kindergeldanspruch an sich auszahlen zu lassen .
Gründe
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Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Sofern die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) behaupteten Zulassungsgründe in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Form dargelegt wurden, liegen sie jedenfalls nicht vor.
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1. Der von der Klägerin geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) ist nicht ordnungsgemäß dargelegt.
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a) Für die Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist es erforderlich, dass der Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage formuliert und substantiiert auf ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingeht, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt (z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Mai 2008 VII B 118/07, BFH/NV 2008, 1440). Zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit gehört insbesondere, dass sich der Beschwerdeführer mit der einschlägigen Rechtsprechung und Literatur zu der von ihm für grundsätzlich bedeutsam gehaltenen Frage auseinandersetzt (z.B. BFH-Beschluss vom 20. Dezember 2006 XI B 23/06, BFH/NV 2007, 648). Im Übrigen fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage, wenn sie sich ohne Weiteres anhand des Gesetzes beantworten lässt (BFH-Beschluss vom 24. Mai 2005 X B 137/04, BFH/NV 2005, 1563).
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b) Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen in der Beschwerdebegründung nicht.
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Soweit die Klägerin die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam erachtet, ob ein Abzweigungsantrag notwendigerweise einen Antrag nach § 67 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) enthalte, legt sie nicht deren Klärungsbedürftigkeit dar. Der Hinweis, ein Fall wie der vorliegende sei höchstrichterlich noch nicht entschieden, reicht hierfür nicht aus (BFH-Beschluss vom 29. November 2006 XI B 129/06, BFH/NV 2007, 441). Für den Senat ist daher nicht erkennbar, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die bezeichnete Rechtsfrage umstritten sein soll. Abgesehen davon ergibt sich bereits aus § 67 Satz 2 EStG, dass ein nach § 74 Abs. 1 EStG Auszahlungsberechtigter einen Antrag auf Festsetzung von Kindergeld stellen kann. Hierdurch wird ermöglicht, dass ein Festsetzungsverfahren auch in den Fällen durchgeführt werden kann, in denen der Kindergeldberechtigte selbst hieran kein Interesse hat (Senatsurteil vom 26. November 2009 III R 67/07, BFHE 228, 42, BStBl II 2010, 476). Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage ist daher dahingehend zu beantworten, dass ein Abzweigungsbegehren unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Einzelfalles einen Kindergeldantrag enthalten kann (s. auch BFH-Beschluss vom 26. Januar 2001 VI B 310/00, BFH/NV 2001, 896), aber nicht muss.
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Soweit die Klägerin daneben die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam erachtet, ob der Abzweigungsanspruch inhaltlich auf die Auszahlung eines zugunsten einer bestimmten Person festgesetzten bzw. festzusetzenden Kindergeldanspruchs oder auf die Auszahlung irgendeines Kindergeldanspruchs --unabhängig davon, wer der (vorrangig) Berechtigte sei-- abziele, legt sie deren Klärungsbedürftigkeit ebenfalls nicht dar. Im Übrigen ergibt sich ohne Weiteres aus dem Gesetz, dass der Abzweigungsanspruch auf Auszahlung eines zugunsten einer bestimmten Person festgesetzten oder noch festzusetzenden Kindergeldanspruchs gerichtet ist. So kann ein Abzweigungsanspruch nur dann begründet sein, wenn in der Person des Kindergeldberechtigten weitere Voraussetzungen (z.B. eine Unterhaltspflichtverletzung nach § 74 Abs. 1 Satz 1 EStG) vorliegen. Diese Voraussetzungen lassen sich nur dann prüfen, wenn feststeht, wessen Kindergeldanspruch abgezweigt werden soll. Zum anderen ist auch bei der Steuervergütung Kindergeld --wie auch sonst im Steuerrecht-- zwischen dem Festsetzungs- und dem Erhebungs- bzw. Auszahlungsverfahren zu unterscheiden (z.B. Senatsurteil in BFHE 228, 42, BStBl II 2010, 476, m.w.N.). Das Abzweigungsverfahren gehört dem --dem Festsetzungsverfahren nachfolgenden-- Auszahlungsverfahren an. Es setzt daher sachlogisch einen zugunsten einer bestimmten Person festgesetzten bzw. noch festzusetzenden Kindergeldanspruch voraus.
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2. Die Revision ist auch nicht wegen des geltend gemachten Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) --der behaupteten Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes)-- zuzulassen.
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a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist u.a. dann verletzt, wenn die angefochtene Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergangen ist, obwohl die Beteiligten hierauf nicht nach § 90 Abs. 2 FGO verzichtet haben (Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 119 FGO Rz 208; Senatsbeschluss vom 11. März 2011 III B 30/10, BFH/NV 2011, 998). Die Klägerin behauptet zwar, das Finanzgericht (FG) sei unzutreffend von übereinstimmenden Verzichtserklärungen der Beteiligten ausgegangen. Die Beteiligten haben aber ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 5. Juli 2011 in der mündlichen Verhandlung vor dem FG für das weitere Verfahren auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 90 Rz 11).
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b) Soweit die Klägerin rügt, das FG habe ihr das rechtliche Gehör dadurch versagt, dass es weder ihren Vortrag in der mündlichen Verhandlung vom 5. Juli 2011 noch ihre Ausführungen in dem Schriftsatz vom 5. September 2011 berücksichtigt habe, legt sie schon nicht dar, welchen Vortrag das FG unberücksichtigt gelassen haben soll (s. hierzu Lange in HHSp, § 119 FGO Rz 224). Sollte hiermit der Vortrag gemeint sein, wonach ihr Abzweigungsantrag alle formalen Voraussetzungen für eine Auszahlung des Kindergeldes an sie erfüllt und inhaltlich auch die Auszahlung des zugunsten ihres Vaters festgesetzten bzw. noch festzusetzenden Kindergeldanspruchs erfasst habe, zeigt sie nicht auf, dass unter Berücksichtigung dieses Vortrags auf Grundlage der Rechtsauffassung des FG eine andere Entscheidung hätte ergehen können (s. hierzu BFH-Beschluss vom 17. August 2001 V R 32/01, BFH/NV 2002, 229). Nach der insoweit maßgeblichen Rechtssauffassung des FG war die begehrte Abzweigung inhaltlich gerade auf die Auszahlung des zugunsten ihrer Mutter festgesetzten Kindergeldanspruchs gerichtet.
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3. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO) ist nicht ordnungsgemäß bezeichnet.
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a) Zur schlüssigen Darlegung dieses Zulassungsgrundes muss der Beschwerdeführer tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil einerseits und aus den behaupteten, mit Datum sowie Aktenzeichen und/oder Fundstelle bezeichneten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so die behauptete Abweichung zu verdeutlichen (z.B. Senatsbeschluss vom 11. März 2011 III B 76/10, BFH/NV 2011, 981). Hieran fehlt es.
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b) Soweit die Klägerin ausführt, die Aufrechterhaltung des FG-Urteils führe infolge gravierender Rechtsfehler zu beträchtlicher Unsicherheit, wird hiermit keine Divergenz dargelegt. Mit Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung lässt sich die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht erreichen (Senatsbeschluss vom 4. März 2011 III B 166/10, BFH/NV 2011, 1007). Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn (materielle oder formelle) Rechtsfehler von solchem Gewicht vorliegen, die zu einer willkürlichen oder greifbar gesetzwidrigen Entscheidung führen (Senatsbeschluss vom 31. Mai 2005 III B 143/04, BFH/NV 2005, 1632). Solche qualifizierten Rechtsfehler sind jedoch nicht dargelegt.
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Selbst wenn das FG --was die Klägerin aber nicht ausgeführt hat-- gegen § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO verstoßen haben sollte, weil es nicht über einen ggf. vom Klagebegehren umfassten Anspruch auf Abzweigung des zugunsten ihres Vaters festgesetzten bzw. noch festzusetzenden Kindergeldanspruchs entschieden habe (Unterschreiten des Klagebegehrens; s. Lange in HHSp, § 96 FGO Rz 193), läge hierin kein Rechtsfehler von solchem Gewicht, der zu einer greifbar gesetzwidrigen Entscheidung führte. Das FG hat begründet, warum allein die Abzweigung des zugunsten ihrer Mutter festgesetzten Kindergeldes streitgegenständlich gewesen ist. Abgesehen davon hätte eine solche Klage als unzulässig abgewiesen werden müssen, weil über die Abzweigung des Kindergeldanspruchs ihres Vaters in einem eigenständigen Verwaltungsverfahren zu entscheiden ist, diesbezüglich aber noch keine ablehnende Entscheidung der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) ergangen war.
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Der Klägerin ist es jedoch unbenommen, die Abzweigung des zugunsten ihres Vaters festgesetzten oder festzusetzenden Kindergeldanspruchs bei der örtlich zuständigen Familienkasse zu beantragen und dort einen ggf. noch fehlenden Kindergeldantrag ihres Vaters zu stellen (§ 67 Satz 2 EStG).
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