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BFH 13.06.2012 - V B 36/12
BFH 13.06.2012 - V B 36/12 - Ablehnung wegen Befangenheit - Einholung einer dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters - Rechtliches Gehör
Normen
Art 103 Abs 1 GG, § 51 Abs 1 FGO, § 96 Abs 2 FGO, § 128 Abs 2 FGO, § 44 Abs 3 ZPO, Art 101 Abs 1 S 2 GG
Vorinstanz
vorgehend FG Münster, 31. Januar 2012, Az: 5 K 1760/11 U (PKH), Beschluss
Leitsatz
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1. NV: Die Einholung einer dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters dient der vollständigen Aufklärung des für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch erheblichen Sachverhalts. Streitige Tatsachen und Beweisergebnisse aus der dienstlichen Äußerung dürfen daher nur dann verwertet werden, wenn der abgelehnte Beteiligte zu der dienstlichen Äußerung Stellung nehmen konnte .
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2. NV: Eine Übersendung der dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters kann dagegen unterbleiben, wenn sich die dienstliche Äußerung in der Wertung erschöpft, der betreffende Richter halte sich nicht für befangen .
Tatbestand
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I. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Ablehnung eines Befangenheitsgesuchs durch das Finanzgericht (FG).
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Nachdem der 5. Senat des FG in einem Rechtsstreit der X AG i.L. (AG i.L.) wegen Umsatzsteuer 1999 (5 K 1760/11 U) einen Befangenheitsantrag durch Beschluss vom 12. Januar 2012 in geschäftsplanmäßiger Besetzung als rechtsmissbräuchlich abgelehnt hatte, stellte der Beschwerdeführer als Liquidator der AG i.L. mit weiteren Schreiben vom 25. Januar 2012, 26. Januar 2012 und 27. Januar 2012 gegen den Vorsitzenden Richter am FG A sowie die Richter bzw. Richterin am FG B und C einen weiteren Befangenheitsantrag. Diese Befangenheitsanträge lehnte der 5. Senat durch den Vorsitzenden Richter am FG D, die Richterin am FG E und den Richter F mit unanfechtbarem Beschluss vom 31. Januar 2012 (5 K 1760/11 U) als unbegründet ab.
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Mit seiner im eigenen Namen erhobenen "sofortigen Beschwerde" beantragt der Beschwerdeführer, den Beschluss vom 31. Januar 2012 ("Ablehnung Befangenheit") ersatzlos aufzuheben und das Verfahren unter Beachtung seiner Rechte neu zu führen. Er rügt die Verletzung rechtlichen Gehörs, weil ihm die dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter nicht zur Stellungnahme innerhalb angemessener Frist übersandt worden seien.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde ist unzulässig und deshalb durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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1. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines jeden Rechtsmittels ist, dass der Rechtsmittelführer durch die angefochtene Entscheidung beschwert ist (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. April 1994 VII B 39/93, BFH/NV 1994, 886). Darin fehlt es im Streitfall, da der angefochtene Beschluss vom 31. Januar 2012 (5 K 1760/11 U) nicht gegenüber dem Beschwerdeführer selbst, sondern gegenüber der AG i.L. ergangen ist.
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2. An der Unzulässigkeit der Beschwerde änderte sich auch dann nichts, wenn sie der Beschwerdeführer als Liquidator im Namen der AG i.L. erhoben hätte. Denn Beschlüsse über die Ablehnung von Gerichtspersonen können gemäß § 128 Abs. 2 FGO nicht mit der Beschwerde angefochten werden. Hierauf hat das FG in seiner Entscheidung auch ausdrücklich hingewiesen.
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a) Wenn die unberechtigte Ablehnung eines Befangenheitsantrages die Vorenthaltung des gesetzlichen Richters zur Folge hat, was nur bei einer greifbar gesetzeswidrigen und damit willkürlichen Zurückweisung eines Befangenheitsantrages der Fall ist, kann das nach Ergehen der Entscheidung in der Hauptsache ggf. im Revisionsverfahren oder im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 13. Januar 2010 I B 83/09, BFH/NV 2010, 913, sowie vom 27. Oktober 2004 VII S 11/04 (PKH), BFHE 208, 26, BStBl II 2005, 139). Hierfür sind im Streitfall jedoch keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich. In der Begründung des Zurückweisungsbeschlusses setzt sich das FG vielmehr ausführlich und sachlich mit den von der AG i.L. vorgebrachten Ablehnungsgründen (Erlass des Gerichtsbescheids durch den Berichterstatter und Verletzung der Sachaufklärungspflicht des Gerichts) auseinander.
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b) Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) nicht dadurch verletzt worden, dass die dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter nicht mit der Gelegenheit zur Stellungnahme übersandt worden sind.
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aa) Der abgelehnte Richter hat sich zwar über den Ablehnungsgrund dienstlich zu äußern (§ 51 Abs. 1 FGO i.V.m. § 44 Abs. 3 der Zivilprozessordnung --ZPO--). Das bedeutet, dass er zu den für das Ablehnungsgesuch entscheidungserheblichen Tatsachen Stellung nimmt, soweit ihm das notwendig und zweckmäßig erscheint (BFH-Beschluss vom 10. Januar 2007 X B 77/06, BFH/NV 2007, 753). Die in § 44 Abs. 3 ZPO vorgesehene Einholung einer dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters dient der vollständigen Aufklärung des für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch erheblichen Sachverhalts (vgl. BFH-Beschluss vom 24. Juli 2000 VIII B 44/00, BFH/NV 2001, 176). Streitige Tatsachen und Beweisergebnisse, die das Gericht einer dienstlichen Äußerung entnommen hat, dürfen daher nur dann verwertet werden, wenn der ablehnende Beteiligte zu der dienstlichen Äußerung Stellung nehmen konnte (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Juni 1968 2 BvR 599/67, BVerfGE 24, 56; BFH-Beschlüsse vom 14. August 2007 XI S 13/07 (PKH), BFH/NV 2007, 2139; vom 18. August 2000 V B 32/00, BFH/NV 2001, 316; vom 9. Juni 1999 II B 112/98, BFH/NV 1999, 1509). Hat dagegen die dienstliche Äußerung eines abgelehnten Richters nur insoweit Eingang in den Zurückweisungsbeschluss gefunden, als dort ausgeführt wird, der betreffende Richter halte sich nicht für befangen, braucht diese Wertung dem Kläger nicht mitgeteilt zu werden (BFH-Beschlüsse vom 26. Juni 1995 XI B 11/95, BFH/NV 1995, 1083; vom 29. März 1995 II B 36/94, BFH/NV 1996, 45).
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bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt im Streitfall keine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor. In dem Zurückweisungsbeschluss vom 31. Januar 2012 sind keine streitigen Tatsachen oder Beweisergebnisse aus einer der dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter eingeflossen. Deren Inhalt beschränkt sich, wie dem Tatbestand des Beschlusses zu entnehmen ist, auf die Aussage, dass sich die abgelehnten Richter nicht für befangen erklären. Inhaltlich stützt sich der Zurückweisungsbeschluss ausschließlich auf die in dem Ablehnungsgesuch vom 25. Januar 2012 gerügten Umstände (Erlass eines Gerichtsbescheids durch den Berichterstatter und Verletzung der Sachaufklärungspflicht des Gerichts).
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