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BFH 22.02.2012 - VII B 17/11
BFH 22.02.2012 - VII B 17/11 - Einfuhrumsatzsteuer für aus zollamtlicher Überwachung entzogene Nichtgemeinschaftsware trotz Wiederausfuhr
Normen
Art 203 Abs 1 EWGV 2913/92, § 21 Abs 2 UStG 2005, Art 203 Abs 1 ZK
Vorinstanz
vorgehend FG Hamburg, 25. November 2010, Az: 4 K 283/09, Urteil
Tatbestand
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I. Das Unternehmen der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) befasst sich mit der Lagerung und Distribution von Waren. Sie unterhält dafür zwei Zolllager in Hamburg. Im zweiten Halbjahr 2006 sind aus diesem Zolllager Entnahmen erfolgt, die erst später in dem für zollrechtliche Bestandsaufzeichnungen bewilligten EDV-Programm erfasst worden sind. Sie sind jedoch anhand des von der Klägerin daneben geführten elektronischen Lagerwirtschaftssystems feststellbar, wobei sich der Verbleib der Waren unmittelbar nach der Entnahme auch aus diesem System nicht ergibt. Die Klägerin hat dazu vorgetragen, die Waren hätten sich --auf LKWs verladen-- zunächst noch auf ihrem Betriebsgelände --außerhalb des Zolllagers-- befunden. Eine Gestellung --zum Teil bei einem Hamburger Zollamt, zum Teil bei dem Zollamt X-- ist erst vier bis acht Tage später erfolgt.
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Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt) hat deshalb gegen die Klägerin Zoll- und Einfuhrumsatzsteuer festgesetzt. Die hiergegen erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen. Es urteilte, die Waren seien zwischen der Entnahme und der Anmeldung bei den vorgenannten Zollstellen der zollamtlichen Überwachung entzogen gewesen. Art. 512 der Zollkodex-Durchführungsverordnung (ZKDVO) ändere daran nichts, weil dort ein Verzicht auf Förmlichkeiten nur für den Zeitraum der Beförderung zur Ausfuhrzollstelle gestattet werde; dieser Zeitraum sei im Streitfall deutlich überschritten. Eine Lagerung --wie hier angeblich auf einem LKW-- sei nach dieser Vorschrift ohnehin nicht gestattet und es fehle auch an den nach Art. 516 Satz 1 Buchst. f ZKDVO erforderlichen Aufzeichnungen über die Beförderung. Folglich sei nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) auch die Einfuhrumsatzsteuer entstanden. Denn die Verweisung des § 21 UStG auf das Zollrecht sei im Streitfall anzuwenden; die Steuerbarkeit des betreffenden Umsatzes werde von dieser Vorschrift nicht als anderweit zu begründen vorausgesetzt.
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Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde der Klägerin, die der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Hinblick auf folgende beiden Rechtsfragen zumisst:
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"Entsteht die Einfuhrumsatzsteuer bei einer Zollschuldentstehung nach Art. 203 Abs. 1 ZK i.V.m. § 21 Abs. 2 UStG, wenn die fragliche Nichtgemeinschaftsware im Zolllagerverfahren ins Inland verbracht, dort aber nicht verwendet oder verbraucht, sondern daraus, wenn auch mit Verfahrensverstößen, in ein Drittland wiederausgeführt wird?
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Liegt ein Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung nach Art. 203 Abs. 1 ZK vor, wenn die aus einem Zolllagerverfahren entnommene Nichtgemeinschaftsware in Hinblick auf ihre unstrittig anschließend erfolgte Wiederausfuhr im Rahmen ihrer Beförderung zur Ausfuhrzollstelle mehrere Tage unmittelbar außerhalb des Zolllagers deponiert wird, wenn anhand der Lagerbuchhaltung sowie der Auskünfte des Wirtschaftsbeteiligten der genaue Lagerungsort feststellbar ist?"
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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1. Die erste von der Klägerin aufgeworfene Frage bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, weil sie nur so beantwortet werden kann, wie sie das FG mit überzeugenden Darlegungen und umfangreicher Auseinandersetzung mit der in diesem Zusammenhang einschlägigen Rechtsprechung und dem Schrifttum beantwortet hat. Die Darlegungen der Klägerin laufen, worauf das FG bereits hingewiesen hat, darauf hinaus, dass die Zollbehörde nur dann Einfuhrumsatzsteuer erheben könnte, wenn sie nachweist, dass die betreffenden Waren "in den Wirtschaftskreislauf gelangt" sind --wie es die Beschwerde ausdrückt--, womit sie meint, dass der Verfügungsberechtigte nicht mehr die Absicht gehabt hat, sie wieder auszuführen. Es ist indes abwegig anzunehmen, der Gesetzgeber, der in § 21 UStG für das Entstehen der Einfuhrumsatzsteuer ausdrücklich auf die Zollvorschriften verweist, habe in einer so weitgehenden Weise die Entstehungsvoraussetzungen der Einfuhrumsatzsteuer von denen des Zolls ablösen wollen. Zudem wäre ein solches Abstellen auf die "Zweckbestimmung" des Verfügungsberechtigten für die Verwendung der Ware --statt auf das Fortbestehen einer zollamtlichen Überwachung der Verwendung anhand der in den einschlägigen Bewilligungen vorgesehenen Dokumente wie den Lager-Bestandsaufzeichnungen-- offensichtlich unpraktikabel und würde den Belangen der Zollverwaltung an einer klaren und einfachen Feststellung der Abgabenentstehungsvoraussetzungen nicht gerecht. Wenn die Klägerin dem entgegenzuhalten versucht, die Erhebung einer Einfuhrumsatzsteuer ohne Einfuhr --womit sie das Gelangen in den Wirtschaftskreislauf des Inlandes meint-- sei ein Widerspruch in sich, verwechselt sie den der Einfuhrumsatzsteuer zugrunde liegenden steuerlichen Belastungsgrund mit dem an der Praktikabilität des Verfahrens orientierten Steuerentstehungstatbestand.
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2. Die weitere von der Klägerin formulierte angebliche Grundsatzfrage rechtfertigt die Zulassung der Revision schon deshalb nicht, weil sie in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht geklärt werden könnte. Grundsätzliche Bedeutung kann einer Rechtssache nur eine Rechtsfrage verleihen, die auf der Grundlage der vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen vom Revisionsgericht geklärt werden kann. Im Streitfall hat das FG jedoch nicht festgestellt, dass "der genaue Lagerungsort [der strittigen Waren] jederzeit feststellbar [gewesen] ist". Es hat vielmehr in seinem Urteil (vgl. Urteilsabdruck Blatt 14) ausgeführt, der Ort, an dem sich die aus dem Zolllager entnommenen Waren nach der Entnahme befunden haben, sei weder den in der Zolllagerbewilligung vorgeschriebenen Bestandsaufzeichnungen zu entnehmen gewesen noch habe er sich aus der Lagerbuchhaltung ergeben, wo nur die Entnahme selbst gebucht worden sein "solle". Das FG hat auch nicht festgestellt, "von einem im Zolllager anwesenden Mitarbeiter der Klägerin hätte der Hinweis gegeben werden können, dass sich die Ware auf einem LKW auf dem Betriebshof befinde und wo dieser abgestellt" ist; es hat das lediglich nicht ausgeschlossen, weil es mit Recht --dies bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren-- der Auffassung war, eine solche, im Nachhinein möglicherweise feststellbare Anwesenheit einer zur Auskunft bereiten und fähigen Person würde die von der im Urteil des FG zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des beschließenden Senats geforderte zollamtliche Überwachung der Ware nicht sicherstellen.
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Die von der Beschwerde aufgeworfene Rechtsfrage ist zudem nicht klärungsbedürftig, weil sie klar und eindeutig nur so beantwortet werden kann, wie sie das FG in seinem Urteil beantwortet hat. Insbesondere wirft Art. 512 ZKDVO, anders als die Beschwerde meint, nicht die Frage auf, ob die Lagerung einer Ware außerhalb des bewilligten Zolllagers für mehrere Tage nach dieser Vorschrift "ohne Zollförmlichkeiten durchgeführt werden" kann. Art. 512 ZKDVO lässt in allen drei Absätzen lediglich eine "Beförderung" unter erleichterten Bedingungen zu. Der beschließende Senat ist davon überzeugt, dass jeder unvoreingenommene Jurist, der diese Vorschriften auszulegen und anzuwenden hat, es nicht als Teil einer solchen "Beförderung" ansehen könnte, wenn eine Ware, wie die Beschwerde ausführt, "mehrere Tage ... außerhalb des Zolllagers deponiert wird", insbesondere wenn weder festgestellt noch nachvollziehbar geltend gemacht worden ist, dass eine solche "Deponierung" (d.h.: Zwischenlagerung) sei in irgendeiner Weise dadurch bedingt gewesen, dass die Beförderung anders nicht oder nicht wirtschaftlich hätte durchgeführt werden können. Das "zeitliche Element" und das Erfordernis einer "physischen Warenbewegung" nach der Entnahme aus dem Zolllager, von dem die Beschwerde meint, das FG habe diese ohne gesetzliche Grundlage in die Vorschrift des Art. 512 ZKDVO hineingelesen, ergibt sich also klar und eindeutig aus dem Wortlaut dieser Vorschrift, nämlich dem Begriff der "Beförderung".
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