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BFH 13.05.2011 - V B 60/10
BFH 13.05.2011 - V B 60/10 - Kein absoluter Revisionsgrund bei Durchführung eines Erörterungstermins durch den Berichterstatter - Verfahrensmangel bei Versagung des rechtlichen Gehörs
Normen
§ 74 FGO, § 115 Abs 2 FGO, § 115 Abs 3 FGO, § 128 FGO, § 180 Abs 1 AO, § 79 Abs 1 Nr 1 FGO, § 119 Nr 1 FGO
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 19. Mai 2010, Az: 14 K 74/07, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Die Durchführung eines Erörterungstermins durch den Berichterstatter stellt keinen absoluten Revisionsgrund i.S. des § 119 Nr. 1 FGO dar .
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2. NV: Selbst wenn in dem Verzicht auf den Aktenvortrag bei Ausbleiben eines Beteiligten ein Verfahrensmangel zu sehen wäre, beruht ein auf die mündliche Verhandlung ergangenes Urteil nur dann auf diesem Mangel, wenn dadurch entweder den Beteiligten das rechtliche Gehör versagt oder den mitwirkenden (ehrenamtlichen) Richtern eine ausreichende Unterrichtung über den Prozessstoff vorenthalten wird .
Gründe
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Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
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Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) macht sämtliche Nichtzulassungsgründe des § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend.
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1. Soweit der Kläger grundsätzliche Bedeutung der Sache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) geltend macht, ist diese schon nicht in der von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Art dargelegt. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes muss die Beschwerdebegründung konkret auf eine Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Es ist dazu eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herauszustellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Ferner bedarf es substantiierter Angaben, inwieweit die aufgeworfene Frage im Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Fortentwicklung und Handhabung des Rechts klärungsbedürftig und im konkreten Fall auch klärungsfähig ist (z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. Oktober 2010 II B 39/10, BFH/NV 2011, 206, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des BFH). Vorliegend fehlt es schon an der Herausarbeitung einer abstrakten Rechtsfrage.
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2. Die Beschwerdeschrift wird auch den Anforderungen an die Darlegung von Divergenz nicht gerecht. Es fehlt bereits an der hinreichenden Darlegung des von dem Finanzgericht (FG) aufgestellten abstrakten Rechtssatzes, der von den vom Kläger in Bezug genommenen BFH-Entscheidungen abweichen soll.
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3. Darüber hinaus macht der Kläger aber Verfahrensfehler geltend:
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Das FG habe die Verfahren wegen Einkommensteuer 1998 einerseits und Umsatzsteuer 1996 bis 1998 nicht voneinander trennen dürfen; der von den beiden Berichterstatterinnen gemeinsam durchgeführte Erörterungstermin stelle einen Besetzungsmangel dar. Das FG habe gegen den Grundsatz der Mündlichkeit verstoßen, indem es mit Einverständnis des Beklagtenvertreters auf den Vortrag des wesentlichen Inhalts der Akten verzichtet habe. Es bestünden Zweifel daran, dass die ehrenamtlichen Richter in der Beratung ausreichend über den Inhalt der Akten informiert worden seien. Das FG habe den Antrag des neuen Prozessbevollmächtigten auf Vertagung des Termins zur mündlichen Verhandlung zu Unrecht abgelehnt und damit die Gewährung rechtlichen Gehörs verweigert. Auch habe das FG das Verfahren nach § 74 FGO aussetzen müssen. Das FG habe über das Verfahren wegen Einkommensteuer nicht vor einer abschließenden Entscheidung über eine gesonderte Feststellung entscheiden dürfen.
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4. Die vom Kläger geltend gemachten Verfahrensfehler liegen nicht vor.
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a) Die Trennung der Verfahren wegen Einkommensteuer und Umsatzsteuer führt nicht zur Zulassung der Revision. Beschlüsse über die Verbindung und Trennung von Verfahren können nach § 128 Abs. 2 FGO nicht mit der Beschwerde angefochten werden und unterliegen daher grundsätzlich nicht der Beurteilung der Revision (§ 124 Abs. 2 FGO). Eine Verfahrenstrennung begründet allenfalls dann einen Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, wenn das FG sie willkürlich --also ohne sachlichen Grund-- erlassen hat oder wenn der Steuerpflichtige dadurch prozessual in der Wahrnehmung seiner Rechte behindert wird (vgl. BFH-Beschlüsse vom 18. Mai 2010 IX B 33/10, BFH/NV 2010, 1647; vom 3. April 2008 I B 77/07, BFH/NV 2008, 1445, m.w.N.). Der Kläger hat keinen Anhaltspunkt dafür vorgetragen, inwiefern die Trennung des Rechtsstreits wegen Umsatzsteuer vom Rechtsstreit wegen Einkommensteuer und die Abgabe der Umsatzsteuersache vom 11. Senat des FG an den 14. Senat des FG willkürlich oder sachwidrig sein konnte. Dessen hätte es schon deshalb bedurft, weil es sich zwar um den gleichen Sachverhalt, aber um dessen steuerrechtliche Beurteilung bei unterschiedlichen Steuerarten handelte.
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b) Die Durchführung eines Erörterungstermins durch den Berichterstatter stellt keinen absoluten Revisionsgrund i.S. des § 119 Nr. 1 FGO dar. Das folgt schon unmittelbar aus dem Gesetz, denn gemäß § 79 Abs. 1 FGO hat der Vorsitzende oder der Berichterstatter schon vor der mündlichen Verhandlung alle Anordnungen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen. Dabei kann er insbesondere gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 FGO die Beteiligten zur Erörterung des Sach- und Streitstandes und zur gütlichen Beilegung des Rechtsstreits laden. Der Rechtsschutz des Klägers wird auch nicht dadurch verkürzt, wenn an einem Erörterungstermin statt einem zwei Richter teilnehmen, die jeweils Berichterstatter der für die umsatz- und einkommensteuerrechtlichen Beurteilung des gleichen Sachverhalts im jeweils zuständigen Senat sind.
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c) Zwar darf nicht ohne wirksamen Verzicht auf den Vortrag des wesentlichen Inhalts der Akten verhandelt werden (Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. April 1983 9 B 2337/80, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1984, 304). Es kann dahingestellt bleiben, ob bei Ausbleiben eines Beteiligten auf den Aktenvortrag verzichtet werden kann. Selbst wenn hierin ein Verfahrensmangel zu sehen wäre, beruht das auf die mündliche Verhandlung ergangene Urteil nur dann auf diesem Mangel, wenn dadurch entweder den Beteiligten das rechtliche Gehör versagt oder den mitwirkenden (ehrenamtlichen) Richtern eine ausreichende Unterrichtung über den Prozessstoff vorenthalten wird. Beides kommt vorliegend nicht in Betracht. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) hatte auf den Aktenvortrag verzichtet und der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter waren, obwohl ordnungsgemäß geladen, nicht erschienen. Im Unterbleiben des Aktenvortrags kann daher keine Versagung des rechtlichen Gehörs der Beteiligten liegen. Anhaltspunkte dafür, dass die ehrenamtlichen Richter weder vor der mündlichen Verhandlung noch während der Beratung ausreichend unterrichtet worden sind, sind nicht erkennbar (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 25. Oktober 2000 I B 117/00, BFH/NV 2001, 470; Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 92 FGO Rz 49). Hierfür bietet die Entscheidung keine Anhaltspunkte. Der Hinweis des Klägers auf den geringen Zeitraum von 41 Minuten zwischen Eröffnung der mündlichen Verhandlung und Verkündung des Urteils begründet keine derartigen Zweifel. Der Zeitraum ist ausreichend, um in einem Fall wie dem vorliegenden, Sachverhalt und Rechtsproblem darzulegen und zu entscheiden. Sonstige Zweifel ergeben sich aus dem Vortrag des Klägers nicht.
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d) Ausweislich der FG-Akten hat das FG den Kläger mit Schreiben vom 24. März 2010 zur mündlichen Verhandlung am 19. Mai 2010 geladen und auf die Regelung in § 91 Abs. 2 FGO hingewiesen. Am 14. Mai 2010 meldete sich Dr. X beim FG mit der Mitteilung, die Prozessbevollmächtigte habe ihm Untervollmacht erteilt und beantragte die Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung. Das FG lehnte die Terminsverlegung mit der Begründung ab, der Kläger habe über fünf Wochen mit der Bestellung eines zweiten Prozessbevollmächtigten und Einarbeitung gehabt, und führte die mündliche Verhandlung ohne den Kläger und seinen Prozessbevollmächtigten durch. Hierin ist kein Verfahrensmangel zu sehen. Nach § 155 FGO, § 227 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann aus erheblichen Gründen eine mündliche Verhandlung aufgehoben oder verlegt werden. Die Ablehnung eines Antrags auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung kann zwar im Einzelfall eine Verletzung des rechtlichen Gehörs darstellen und damit ein Grund für die Zulassung der Revision i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO sein. Selbst bei Beauftragung eines neuen Prozessbevollmächtigten besteht ein erheblicher Grund zur Terminsverlegung i.S. von § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO aber nur dann, wenn substantiiert dargelegt wird, dass angesichts der besonderen Schwierigkeiten des Streitfalls in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht entgegen dem Regelfall eine Vorbereitung in der verbleibenden Zeit nicht möglich erscheint und der Wechsel nicht verschuldet oder aus schutzwürdigen Gründen erfolgt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 1. August 2008 VIII S 22/08 (PKH); vom 13. August 2007 III B 159/06, BFH/NV 2007, 2284). Zu besonderen Schwierigkeiten des Falls hat der Kläger nichts vorgetragen. Hinzu kommt, dass vorliegend kein Mandatswechsel stattgefunden hat, sondern eine Untervollmacht erteilt wurde. Es hätte deshalb der Darlegung gegenüber dem FG bedurft, weshalb sowohl der Prozessbevollmächtigte als auch der Unterbevollmächtigte an der Teilnahme der mündlichen Verhandlung gehindert waren. Eine diese Anforderungen erfüllende Begründung des Antrags auf Terminsverlegung ist gegenüber dem FG nicht erfolgt.
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e) Das FG musste das Verfahren wegen der hier streitigen Umsatzsteuer auch nicht aussetzen, um eine Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b der Abgabenordnung (AO) abzuwarten. Die Festsetzung der Umsatzsteuer hängt nicht i.S. des § 74 FGO von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses ab, das von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist. Zur örtlichen Zuständigkeit weist das FA im Übrigen zu Recht auf die Regelung in § 21 Abs. 1 AO hin.
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