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BFH 29.12.2010 - IV B 46/09
BFH 29.12.2010 - IV B 46/09 - Nichtzulassungsbeschwerde: Darlegungserfordernisse bei grundsätzlicher Bedeutung, Divergenz und Verfahrensfehlern - Anordnung einer Außenprüfung auch zur Feststellung einer Steuerhinterziehung zulässig
Normen
§ 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2 FGO, § 155 Abs 2 Nr 3 FGO, § 193 Abs 1 AO, § 196 AO
Vorinstanz
vorgehend FG Münster, 26. Februar 2009, Az: 11 K 1273/07 AO, Urteil
nachgehend BVerfG, 9. August 2012, Az: 1 BvR 1902/11, Kammerbeschluss ohne Begründung
Leitsatz
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1.NV: Zu den Darlegungserfordernissen der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage, des Vorliegens einer Divergenz und des Vorliegens von Verfahrensfehlern .
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2. NV: Liegen bereits Entscheidungen des BFH zu einem Problemkreis vor, muss die Nichtzulassungsbeschwerde darlegen, welche neuen Gesichtspunkte vorgebracht werden, die der BFH noch nicht geprüft hat .
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3. NV: Die Anordnung einer Außenprüfung ist auch zulässig, soweit ausschließlich festgestellt werden soll, ob und inwieweit Steuerbeträge hinterzogen oder leichtfertig verkürzt worden sind. Eine sich insoweit gegenseitig ausschließende Zuständigkeit von Außenprüfung und Steuerfahndung besteht nicht .
Gründe
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Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist unzulässig.
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Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat weder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache noch die Erforderlichkeit einer Entscheidung des Senats zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung noch das Vorliegen eines Verfahrensfehlers in einer den Anforderungen der §§ 115 Abs. 2, 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genügenden Weise dargelegt.
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1. Zur Darlegung einer Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) wäre es erforderlich gewesen, abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des Finanzgerichts (FG) herauszuarbeiten und tragenden Rechtssätzen einer zu gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt ergangenen anderen Entscheidung gegenüberzustellen, so dass die behauptete Abweichung erkennbar wird (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5. Februar 2010 IV B 57/09, BFH/NV 2010, 880). Daran fehlt es vorliegend.
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a) Die Klägerin rügt eine Abweichung der Vorentscheidung von dem BFH-Urteil vom 21. Juni 1994 VIII R 54/92 (BFHE 174, 397, BStBl II 1994, 678). Eine Abweichung liegt aber nicht vor. Vielmehr legt das FG seiner Entscheidung die in der vorgenannten Entscheidung aufgestellten Rechtssätze ausdrücklich zu Grunde. Tatsächlich wendet sich die Klägerin mit ihrem Vorbringen, das FG hätte sich für die Einteilung des klägerischen Unternehmens in eine Größenklasse nach der Betriebsprüfungsordnung an den Ergebnissen der Veranlagungszeiträume orientieren müssen, für die die Prüfungserweiterung ausgesprochen worden ist, im Wesentlichen im Stil einer Revisionsbegründung gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung. Abgesehen davon, dass dieses Vorbringen zu einer ordnungsmäßigen Darlegung eines Revisionszulassungsgrundes nicht genügt, steht es auch in Widerspruch zu der Rechtsprechung des BFH. Danach kann die Außenprüfung auch auf zurückliegende Besteuerungszeiträume erstreckt werden, selbst wenn das Unternehmen zu jener Zeit noch kein Großbetrieb war (vgl. BFH-Urteil vom 23. Juli 1985 VIII R 197/84, BFHE 144, 9, BStBl II 1986, 36).
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b) Eine Abweichung der Vorentscheidung von den BFH-Urteilen vom 7. November 1985 IV R 6/85 (BFHE 145, 23, BStBl II 1986, 435), vom 16. Dezember 1986 VIII R 123/86 (BFHE 148, 426, BStBl II 1987, 248) und vom 2. September 2008 X R 9/08 (BFH/NV 2009, 3) wird ebenfalls nicht ausreichend dargelegt. Zwar werden mit der Beschwerde die in den BFH-Entscheidungen enthaltenen Rechtssätze dargelegt, es fehlt jedoch an der Darlegung entgegenstehender Rechtssätze des FG. Das Beschwerdevorbringen setzt sich auch diesbezüglich nur mit der materiellen Richtigkeit der Vorentscheidung auseinander. Auch der in diesem Zusammenhang erfolgte Verweis auf den Beschluss des Landgerichts (LG) vom …, mit dem die Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts vom … wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben worden sind, ist nicht geeignet, eine Abweichung darzulegen. Nur zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass der Beschluss des LG keinerlei Ausführungen beinhaltet, die der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) in seine Ermessenserwägungen bei der Anordnung der Prüfungserweiterung hätte mit einfließen lassen müssen. Denn das LG geht in dem vorgenannten Beschluss gerade von der Prämisse aus, dass das FA die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen im Rahmen einer Betriebsprüfung auszuschöpfen habe. Es hielt die Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse insbesondere deshalb für rechtswidrig, weil das FA die Betriebsprüfungsverfahren in unzulässiger Weise habe abkürzen wollen.
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Mit diesem Vorbringen wird deshalb ebenso wenig ein Verstoß gegen den klaren Akteninhalt gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO dargelegt.
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c) Eine Divergenz wird auch nicht mit dem weiteren Vorbringen dargelegt, die Prüfungserweiterung vom 19. Januar 2007 sei nicht ordnungsgemäß bekannt gegeben worden. Auch hier erschöpft sich die Beschwerde in der Darlegung einer vermeintlich fehlerhaften materiellen Würdigung des vorliegenden Sachverhalts durch das FG.
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Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang ebenfalls vorbringt, das FG habe hinsichtlich der ordnungsgemäßen Bekanntgabe des Bescheids vom 19. Januar 2007 gegen seine Amtsermittlungspflicht gemäß § 76 FGO verstoßen, wurde weder dargelegt noch ist ersichtlich, warum die fachkundig von einem Rechtsanwalt vertretene Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht bereits von sich aus eine insoweit mangelhafte Sachaufklärung gerügt und einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 20. Dezember 2007 VI B 68/06, BFH/NV 2008, 977).
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d) Eine Abweichung der Vorentscheidung von dem BFH-Urteil vom 10. April 2003 IV R 30/01 (BFHE 202, 206, BStBl II 2003, 827) wird nicht ausreichend dargelegt. Auch insoweit fehlt es an der Darlegung eines entgegenstehenden abstrakten Rechtssatzes, den das FG seiner Entscheidung zu Grunde gelegt hat. Das Beschwerdevorbringen wendet sich ausschließlich im Stil einer Revisionsbegründung gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung. Im Übrigen kann dem BFH-Urteil in BFHE 202, 206, BStBl II 2003, 827 nicht der Rechtssatz entnommen werden, eine Prüfung sei nur zulässig, wenn Anhaltspunkte für den Lauf einer verlängerten Festsetzungspflicht vorliegen.
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2. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO entsprechenden Weise dargelegt worden. Die ausreichende Darlegung setzt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage voraus, deren Klärung im Interesse der Allgemeinheit erforderlich und die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärungsfähig ist (BFH-Beschluss vom 7. September 2005 IV B 67/04, BFH/NV 2006, 234). Liegen bereits Entscheidungen des BFH zu dem Problemkreis vor, ist insbesondere auszuführen, welche neuen Gesichtspunkte zu der aufgezeigten Rechtsfrage vorgebracht werden, die der BFH noch nicht geprüft hat (ständige Rechtsprechung, vgl. aus jüngerer Zeit BFH-Beschluss vom 29. Januar 2004 IV B 95/02, BFH/NV 2004, 949). Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen der Beschwerde nicht.
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a) Die Klägerin hält sinngemäß die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam, ob das FA eine Betriebsprüfungsanordnung trotz Vorliegens eines steuerstrafrechtlichen Anfangsverdachts erlassen darf. Die Klägerin weist selbst auf die Rechtsprechung des BFH hin, wonach eine Außenprüfung auch dann zulässig ist, wenn festgestellt werden soll, ob Steuern hinterzogen oder leichtfertig verkürzt worden sind, da eine sich insoweit ausschließende Zuständigkeit von Außenprüfung und Steuerfahndung nicht besteht (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 4. November 1987 II R 102/85, BFHE 151, 324, BStBl II 1988, 113). Angesichts dieser gefestigten und immer wieder bestätigten Rechtsprechung (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 27. Juli 2009 IV B 90/08, BFH/NV 2010, 4, und vom 13. Januar 2010 X B 113/09, BFH/NV 2010, 600) genügt der allgemeine und nicht näher konkretisierte Hinweis auf abweichende Stimmen in der Literatur den Darlegungserfordernissen nicht.
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b) Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache wird auch nicht mit den Ausführungen zu dem Vorliegen der Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 4 Satz 2 der Abgabenordnung ausreichend dargelegt. Dieses Beschwerdevorbringen basiert auf dem im Zulassungsverfahren nicht relevanten und im Übrigen auch nicht zutreffenden Vorverständnis der Klägerin, das Hinausschieben der Außenprüfung sei ausschließlich von dem FA zu vertreten. Diese rechtliche Würdigung deckt sich nicht mit den ausdrücklichen und den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG. Danach ist die Außenprüfung erkennbar deshalb unterbrochen bzw. nicht begonnen worden, weil die Klägerin die Prüfungsanordnung angefochten hat.
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Dieses Vorbringen ist daher auch nicht geeignet, eine Divergenz mit den weiteren in der Beschwerdeschrift in diesem Zusammenhang genannten BFH-Urteilen darzulegen.
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c) Mit den Ausführungen unter dem Stichwort "Prüfungserweiterungen als Schikane" werden weder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache noch die Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts ausreichend dargelegt. Auch mit diesem Vorbringen wird ausschließlich die fehlerhafte Sachverhaltswürdigung durch das FG gerügt. Nur zur Klarstellung sei auch an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass der Beschluss des LG Bielefeld nicht gleichzeitig impliziert, dass auch die Prüfungserweiterung rechtswidrig ist.
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3. a) Mit dem Vorbringen, das FG habe gegen die Aktenlage entschieden, da es behaupte, das FA sei kein Beweisvereitler, wird ein Verfahrensfehler gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nicht dargelegt. Das Vorbringen erschöpft sich in der Behauptung, das FG hätte den vorliegenden Sachverhalt unzutreffend gewürdigt. Eine Abweichung von dem BFH-Urteil vom 16. Dezember 1992 X R 77/91 (BFH/NV 1993, 547) wird mit diesem Vorbringen ebenso wenig dargelegt.
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b) Soweit die Klägerin mit dem Beschwerdevorbringen unter Punkt 11 und mit weiterem Beschwerdevorbringen in einem zweiten Schriftsatz zahlreiche Verfahrensfehler rügt, fehlt es bereits an der Darlegung, inwieweit diese angeblichen Verfahrensfehler nach dem insoweit maßgeblichen materiell-rechtlichen Standpunkt des FG überhaupt für die Entscheidung von Relevanz waren. Auch sind nicht weiter substantiierte Behauptungen zu einem vermeintlichen Fehlverhalten des FA nicht geeignet, einen Verfahrensfehler darzulegen.
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