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BFH 06.12.2010 - XI B 27/10
BFH 06.12.2010 - XI B 27/10 - Keine Berufung auf Verletzung der Sachaufklärungspflicht des FG bei Rügeverzicht - Ausfuhrnachweis in Beförderungsfällen - Begründungspflicht des FG - Anforderungen an einen "qualifizierten Rechtsanwendungsfehler"
Normen
§ 76 Abs 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 9 Abs 1 UStDV 1999, § 96 Abs 1 S 3 FGO, § 155 FGO, § 295 ZPO
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 11. März 2010, Az: 6 K 1729/07, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Beantragt das fachkundig vertretene FA in der mündlichen Verhandlung vor dem FG weder eine weitere Vernehmung eines anwesenden Zeugen noch die Beiziehung weiterer Unterlagen, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das FG nicht von sich aus insoweit den Sachverhalt weiter hätte aufklären müssen .
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2. NV: Wer als fachkundiger Beteiligter keinen Beweisantrag auf (weitere) Zeugenvernehmung stellt und die Unterlassung einer nach seiner Auffassung gebotenen (weiteren) Beweiserhebung von Amts wegen nicht in der mündlichen Verhandlung rügt, übt einen Rügeverzicht aus, der die Berufung auf eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht ausschließt .
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3. NV: § 9 Abs. 1 UStDV regelt nur, dass der Unternehmer in Beförderungsfällen den Ausfuhrnachweis "regelmäßig" durch einen Beleg mit einer Ausfuhrbestätigung führen "soll", verlangt also eine Ausfuhrbestätigung nicht zwingend .
Gründe
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Die Beschwerde des Beklagten und Beschwerdeführers (Finanzamt --FA--) hat keinen Erfolg.
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1. Die Revision kann nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) wegen eines Verfahrensmangels zugelassen werden.
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a) Soweit das FA die Verletzung der dem Finanzgericht (FG) obliegenden Sachaufklärungspflicht nach § 76 Abs. 1 FGO rügt, hat es die Rüge nicht schlüssig erhoben.
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aa) Für eine schlüssige Verfahrensrüge wären Ausführungen dazu erforderlich gewesen, welche Tatsachen das FG hätte aufklären müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung voraussichtlich ergeben hätten, inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können und aus welchen Gründen sich dem FG unter Berücksichtigung seines Rechtsstandpunkts die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts hätte aufdrängen müssen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. Juli 2004 IX B 136/03, BFH/NV 2005, 43, m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt der Vortrag des FA in seiner Beschwerdeschrift nicht.
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bb) Das FA macht insoweit geltend, die Aussage des vom FG als Zeuge gehörten X lasse "für sich betrachtet sowie auch gerade in Verbindung mit dem Akteninhalt hinsichtlich der Geldzuflüsse in das Unternehmen der Klägerin" und Beschwerdegegnerin (Klägerin) "kein schlüssiges Bild erkennen". Es träten "vielmehr augenfällig Widersprüche zu Tage, die unabdingbar einer weiteren Aufklärung durch das Gericht bedurft hätten". Zur Klärung dieser Widersprüche sei eine nochmalige Befragung des Zeugen X, die auch hätte problemlos erfolgen können, da der Zeuge zu diesem Zeitpunkt noch anwesend gewesen sei, unumgänglich gewesen. Außerdem hätten weitere Unterlagen angefordert werden müssen.
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Das FA, für das in der mündlichen Verhandlung vor dem FG ein Regierungsdirektor, ein Steueramtmann und ein Umsatzsteuer-Sonderprüfer erschienen sind, hat vor dem FG aber weder eine nochmalige bzw. weitere Vernehmung des noch anwesenden Zeugen X noch die Beiziehung weiterer Unterlagen beantragt. Es ist nicht ersichtlich, warum das FG von sich aus den Sachverhalt weiter hätte aufklären müssen, obwohl das fachkundig vertretene FA hierzu keinen Beweisantrag gestellt hat.
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Soweit das FA in der Beschwerde dazu ausführt, es habe auf einen entsprechenden Beweisantrag verzichtet, da es aufgrund des geschilderten Sachverhalts und der Übergabe von Akten darauf habe vertrauen können, dass eine weitere Sachaufklärung durch das Gericht erfolgen würde, ist dem entgegenzuhalten, dass nach dem Verlauf der mündlichen Verhandlung (Vernehmung von drei Zeugen, Entlassung des Dolmetschers im Einvernehmen der Beteiligten, Stellung der Anträge, eingehende Erörterung der Sach- und Rechtslage, Schließung der mündlichen Verhandlung, nach Beratung Verkündung des Beschlusses, dass eine Entscheidung zugestellt wird) jegliche Anhaltspunkte dafür fehlten, dass das Gericht keine Sachentscheidung treffen, sondern den Sachverhalt --u.a. durch eine weitere Beweisaufnahme-- weiter aufklären würde.
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b) Im Übrigen übt einen Rügeverzicht aus, der die Berufung auf eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht ausschließt, wer als fachkundiger Beteiligter keinen Beweisantrag auf Zeugenvernehmung stellt und die Unterlassung einer nach seiner Auffassung gebotenen Beweiserhebung von Amts wegen nicht in der mündlichen Verhandlung rügt (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 26. Januar 2007 VIII B 74/06, BFH/NV 2007, 1146).
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c) Der ferner vom FA gerügte Verfahrensmangel der Verletzung der Begründungspflicht nach § 96 Abs. 1 Satz 3 FGO liegt nicht vor.
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aa) Das FA macht insoweit geltend, dass das FG weder die erhobenen Einwendungen gegen die vom Ehemann der Klägerin als Zeugen behauptete Herkunft der dem Unternehmen der Klägerin zugeführten Gelder erwähnt habe, noch sonst auf die Angaben in dem Vermögensverzeichnis oder den Widerspruch hinsichtlich der Grundstücksart des angeblich veräußerten Objekts eingegangen sei.
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bb) Nach § 96 Abs. 1 Satz 3 FGO sind in dem Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Dies ist geschehen (S. 11 f. des FG-Urteils). Ein FG ist nicht verpflichtet, im Urteil sämtliche Argumente abzuhandeln, die es nicht für maßgeblich hält (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 9. August 2005 VI B 12/05, BFH/NV 2005, 2005, m.w.N.).
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2. Die Revision kann entgegen der Ansicht des FA auch nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung wegen eines sog. qualifizierten Rechtsanwendungsfehlers zugelassen werden.
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a) Dabei muss es sich um einen Rechtsfehler handeln, der von erheblichem Gewicht und deshalb geeignet ist, das Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtsprechung zu beschädigen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 13. Oktober 2003 IV B 85/02, BFHE 203, 404, BStBl II 2004, 25; vom 7. Juli 2004 VII B 344/03, BFHE 206, 226, BStBl II 2004, 896). Ein solcher Fehler kommt nur bei offensichtlichen materiellen oder formellen Rechtsanwendungsfehlern des FG im Sinne einer willkürlichen oder zumindest greifbar gesetzwidrigen Entscheidung in Betracht (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 30. Januar 2007 IV B 111/05, BFH/NV 2007, 1146, unter 4.).
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b) Diese Voraussetzung liegt im Streitfall nicht vor. Das FA macht hierzu geltend, das FG habe mit seiner Entscheidung die formellen Nachweispflichten i.S. von § 6 Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes i.V.m. §§ 8 bis 17 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) für die Steuerfreiheit von Ausfuhrlieferungen grundlegend missachtet oder missverstanden, weil es entgegen § 9 Abs. 1 UStDV als Ausfuhrnachweis die vom Hauptzollamt abgestempelte Ausfuhranmeldung habe ausreichen lassen.
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Dies trifft indes nicht zu. Denn das FG hat neben der abgestempelten Ausfuhranmeldung ferner berücksichtigt, dass zu dem Umsatz vom 18. April 2002 die Rechnung mit dem Vermerk "Ausfuhrbescheinigung am 5. Juli 2002 vorgelegt und Kaution zurückgezahlt" vorgelegt wurde und dass zu dem Umsatz vom 2. Oktober 2002 eine berichtigte Rechnung mit Datum 2. Oktober 2002 und dem Vermerk "Ausfuhrbescheinigung am 14. Oktober 2002 vorgelegt und Kaution zurückgezahlt" vorgelegt wurde (S. 15 des Urteils). Das FG hat damit eine Einzelfallwürdigung vorgenommen, die selbst wenn sie fehlerhaft wäre, schon deshalb weder willkürlich noch greifbar rechtswidrig wäre, weil § 9 Abs. 1 UStDV nur regelt, dass der Unternehmer in Beförderungsfällen den Ausfuhrnachweis "regelmäßig" durch einen Beleg mit einer Ausfuhrbestätigung führen "soll", also eine Ausfuhrbestätigung nicht zwingend verlangt.
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