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BFH 03.11.2010 - VII R 20/09
BFH 03.11.2010 - VII R 20/09 - Antragsbefugnis für die Erstattung oder den Erlass der Einfuhrabgaben
Normen
Art 236 ZK, Art 878 Abs 1 ZKDV, § 46 AO, Art 236 EWGV 2913/92, Art 878 Abs 1 EWGV 2454/93, § 45 Abs 1 AO, Art 90 ZK, Art 103 ZK, Art 90 EWGV 2913/92, Art 103 EWGV 2913/92
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 12. Mai 2009, Az: 11 K 32/03, Urteil
Leitsatz
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1. Der Antrag auf Erstattung oder Erlass der Einfuhrabgaben kann nur von den in Art. 878 Abs. 1 ZKDVO genannten Personen gestellt werden. Zu diesen gehört derjenige, auf den die entrichteten Abgaben vom Zollschuldner wirtschaftlich abgewälzt worden sind, nicht .
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2. Das Recht des Zollschuldners, den Erlass bzw. die Erstattung gesetzlich nicht geschuldeter Einfuhrabgaben zu beantragen, kann nicht einer anderen Person abgetreten werden .
Tatbestand
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I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin. Er hat deren durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochenes Klageverfahren aufgenommen.
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Die Fa. W meldete in den Jahren 2000 und 2001 mehrere aus der Volksrepublik China stammende Sendungen künstlichen Korunds zur Abfertigung zum freien Verkehr an und entrichtete die vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt --HZA--) festgesetzten Einfuhrabgaben (Zoll, Antidumpingzoll und Einfuhrumsatzsteuer). Im Oktober 2002 beantragte die Insolvenzschuldnerin die Erstattung des Antidumpingzolls mit der Begründung, dass die maßgebende Antidumpingverordnung zu den jeweiligen Einfuhrzeitpunkten nicht anwendbar gewesen sei, und legte eine Erklärung der Fa. W vor, mit der diese sämtliche sich aus der Entnahme künstlichen Korunds aus ihrem Zolllager ergebenden Rechte und Pflichten an die Insolvenzschuldnerin abtrat. Das HZA lehnte den Erstattungsantrag ab.
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Auch das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage ab. Das FG urteilte, dass die Insolvenzschuldnerin nicht antragsbefugt sei, weil die Voraussetzungen des Art. 878 Abs. 1 der Zollkodex-Durchführungsverordnung (ZKDVO) nicht vorlägen. Weder sei sie Zollschuldner noch habe sie die Abgaben entrichtet, weil es insoweit nicht genüge, dass sie die Abgaben wirtschaftlich getragen habe. Auch habe sie nicht i.S. vorgenannter Vorschrift die Rechte und Pflichten des Zollschuldners, der Fa. W, übernommen, da es an der hierfür erforderlichen Zustimmung der Zollverwaltung fehle. Ein Erstattungsanspruch könne zwar auch unter den Voraussetzungen des § 46 der Abgabenordnung (AO) abgetreten werden; vorliegend gehe es aber um die Feststellung eines Erstattungsanspruchs, welche sich allein nach dem Zollrecht richte.
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Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, die Insolvenzschuldnerin sei die Person, die i.S. des Art. 878 Abs. 1 ZKDVO die Abgaben entrichtet habe, denn insoweit genüge es, dass sie die Abgaben wirtschaftlich getragen habe. Darüber hinaus sei ihre Antragsbefugnis auch aus der Abtretung der Rechte und Pflichten der Fa. W herzuleiten. Die in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Abtretungserklärung beziehe sich ausdrücklich auf den Anspruch auf Rückzahlung des Antidumpingzolls sowie auf das Recht, ein finanzgerichtliches Verfahren zur Rückforderung der Abgaben im eigenen Namen durchzuführen; sie genüge außerdem den Formerfordernissen des § 46 AO. Der Erstattungsanspruch sei auch begründet, weil die maßgebende Antidumpingverordnung auf Einfuhren der Jahre 1999 und 2000 keine Anwendung finde.
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Das HZA schließt sich der Rechtsauffassung des FG an.
Entscheidungsgründe
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II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
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Die Revision ist zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Insolvenzschuldnerin fehlt die Antragsbefugnis für den geltend gemachten Erstattungsanspruch.
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1. Nach Art. 878 Abs. 1 Unterabs. 1 ZKDVO ist der Antrag auf Erstattung oder Erlass von der Person zu stellen, die die Abgaben entrichtet hat, vom Zollschuldner oder von den Personen, die seine Rechte und Pflichten übernommen haben. Zu diesen antragsberechtigten Personen gehört die Insolvenzschuldnerin nicht.
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a) Sie ist nicht Schuldnerin des erhobenen Antidumpingzolls. Wenn die Revision insoweit geltend macht, die Insolvenzschuldnerin habe die Fa. W seinerzeit beauftragt, im eigenen Namen, aber auf ihre (der Insolvenzschuldnerin) Rechnung ein Zolllager einzurichten, in welchem auch ausschließlich ihre Waren gelagert worden seien --was sich allerdings dem FG-Urteil als Feststellung nicht entnehmen lässt--, so rechtfertigt dies nicht die Folgerung der Revision, die Insolvenzschuldnerin sei gemäß Art. 4 Nr. 21 des Zollkodex (ZK) Inhaber des Zollverfahrens geworden. Denn es ist weder vom FG festgestellt, noch ergibt es sich aus den Sachakten, dass die Fa. W seinerzeit die Zollanmeldungen zur Überführung der Waren in den freien Verkehr für die Insolvenzschuldnerin (in direkter oder indirekter Vertretung) abgegeben hat (vgl. Art. 5 Abs. 4 ZK). Vielmehr hat die Fa. W die Zollanmeldungen im eigenen Namen ohne Vertretungshinweis abgegeben und ist dementsprechend vom HZA als Zollschuldnerin in Anspruch genommen worden.
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b) Die Insolvenzschuldnerin ist auch nicht die Person, welche die Abgaben entrichtet hat. Das in der Vorschrift verwendete Wort "entrichten" ist --wie auch der Vergleich mit der englischen und der französischen Fassung der Vorschrift zeigt-- ein Synonym für "bezahlen". Die Insolvenzschuldnerin hat aber nicht auf die festgesetzte Einfuhrabgabenschuld an Stelle der Zollschuldnerin (Fa. W) gezahlt (Art. 231 ZK), sondern sie hat lediglich die von der Fa. W entrichteten Abgaben wirtschaftlich getragen, indem die Fa. W die von ihr bezahlten Einfuhrabgaben --wie die Insolvenzschuldnerin selbst im finanzgerichtlichen Verfahren vorgetragen hat-- "an die (Insolvenzschuldnerin) weiter belastet" hat.
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c) Schließlich ist die Insolvenzschuldnerin auch nicht als Übernehmer der Rechte und Pflichten der Fa. W berechtigt, den Antrag auf Erstattung oder Erlass zu stellen. Die Vorschrift des Art. 878 Abs. 1 Unterabs. 1 ZKDVO schafft nicht die Möglichkeit, die Rechte und Pflichten des Zollschuldners zu übernehmen, sondern setzt voraus, dass die Rechte und Pflichten des Zollschuldners nach geltendem Recht, d.h. aufgrund unionsrechtlicher oder einzelstaatlicher Vorschriften (Art. 4 Nr. 23 ZK), von einer anderen Person übernommen worden sind, was --anders als die Revision meint-- nicht zweifelhaft ist und deshalb kein an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zu richtendes Vorabentscheidungsersuchen erfordert. Weder das Unionsrecht noch das nationale Recht erlauben es jedoch, die sich aus dem Zollschuldverhältnis ergebende Pflicht des Zollschuldners (Art. 4 Nr. 12 ZK), die festgesetzten Abgaben zu entrichten, bzw. sein Recht auf Rückzahlung gesetzlich nicht geschuldeter Abgaben einer anderen Person aufgrund vertraglicher Abrede zu übertragen, wie es die Insolvenzschuldnerin im Streitfall für die von ihr beanspruchte Antragsbefugnis geltend gemacht hat. Das nationale Recht schreibt den Übergang von Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis auf eine andere Person für die Gesamtrechtsnachfolge vor (§ 45 Abs. 1 AO); der ZK kennt die Übertragung zollrechtlicher Rechte und Pflichten auf eine andere Person in den vom FG genannten Fällen des Art. 90 und Art. 103 ZK, die im Streitfall jedoch nicht einschlägig sind.
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2. Ohne Erfolg beruft sich die Revision auf die Definition des "Beteiligten" in Art. 899 Abs. 3 ZKDVO, die sich schon nach ihrem Wortlaut nicht auf die nach Art. 878 Abs. 1 ZKDVO antragsberechtigten Personen, sondern allein auf den Beteiligten i.S. des Art. 239 Abs. 1 ZK bezieht, auf dessen ggf. vorhandene betrügerische Absicht bzw. offensichtliche Fahrlässigkeit es im Rahmen dieser Vorschrift ankommt. Ebenso wenig kann der Ansicht der Revision gefolgt werden, dass ohne Anerkennung ihrer Antragsbefugnis niemand, auch nicht die Fa. W, berechtigt wäre, die Erstattung des Antidumpingzolls zu beantragen. Das EuGH-Urteil vom 14. Januar 1997 C-192 bis 218/95 --Société Comateb u.a.-- (Slg. 1997, I-165; Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 1997, 163), auf das sich die Revision insoweit beruft, betraf --wie das FG zutreffend erkannt hat-- einen mit dem Streitfall nicht vergleichbaren Fall, in dem das nationale (französische) Recht die Erstattung einer innerstaatlichen Abgabe ausschloss, wenn diese nachweislich auf den Abnehmer abgewälzt worden war. Das deutsche Recht kennt jedoch einen derartigen Ausschluss des Anspruchs auf Abgabenerstattung nicht.
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Schließlich kann sich die Revision auch nicht darauf berufen, dass die Abtretung der Rechte und Pflichten der Fa. W den Formerfordernissen des § 46 AO genüge. Es geht im Streitfall nicht um die --nach dieser Vorschrift mögliche-- Abtretung eines bestehenden Erstattungsanspruchs, sondern um einen in einem förmlichen Verfahren festzusetzenden Erstattungsanspruch, zu dessen Geltendmachung das Unionsrecht nur bestimmte Personen als Verfahrensbeteiligte berechtigt, zu denen die Insolvenzschuldnerin nicht gehört. Diese nur bestimmten Personen zustehende Antragsbefugnis kann nicht gemäß § 46 AO abgetreten werden.
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Das FG hat nach alledem zu Recht ungeprüft gelassen, ob der seinerzeit von der Fa. W entrichtete Antidumpingzoll gesetzlich geschuldet war (Art. 236 Abs. 1 Unterabs. 1 ZK).
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