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BFH 15.10.2010 - III B 149/09
BFH 15.10.2010 - III B 149/09 - Beiladung Dritter zur Ermöglichung einer Folgeänderung - Keine Entscheidung über Festsetzungsverjährung im Beiladungsverfahren
Normen
§ 174 Abs 5 AO, § 174 Abs 4 AO, § 169 AO, § 171 AO, § 180 Abs 1 Nr 2 AO
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 4. August 2009, Az: 5 K 6091/09, Beschluss
Leitsatz
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1. NV: Werden Steuerbescheide, in denen das FA davon ausging, dass der Kläger gewerbliche Einkünfte als Einzelunternehmer erzielt hatte, mit der Begründung aufgehoben, dass der Kläger allenfalls als Mitunternehmer tätig geworden sei, so können die als Mitunternehmer in Betracht kommenden Personen während des finanzgerichtlichen Verfahrens --auch im zweiten Rechtsgang-- beigeladen werden. Die Beiladung kann nur unterbleiben, wenn die Möglichkeit einer Folgeänderung ausgeschlossen ist .
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2. NV: Es ist nicht zweifelsfrei ausgeschlossen, dass eine Beiladung eine anschließende Gewinnfeststellung für eine aus dem Kläger und den Beigeladenen bestehende Personengesellschaft erlaubt .
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3. NV: Ob der vom FA beabsichtigten Gewinnfeststellung die Festsetzungsverjährung zweifelsfrei entgegensteht, ist regelmäßig erst in einem Verfahren gegen den zu erlassenden Bescheid zu beurteilen und nicht im Verfahren über die Beiladung .
Tatbestand
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I.
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Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war in den Jahren 1994 bis 1996 mit drei anderen Gesellschaftern, den weiteren Beschwerdeführern X, Y und Z (Beigeladene), an einer GmbH & Co. KG beteiligt, die für geschlossene Immobilienfonds (Objektgesellschaften) in Form von GmbH & Co. OHG Grundstücke entwickelte, bebaute und vermarktete. Gründungsgesellschafter und Geschäftsführer dieser Objektgesellschaften sowie ihrer Komplementär-GmbH waren in der Regel der Kläger und die Beigeladenen.
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Die Vermarktung von Grundstücken für die Objektgesellschaften umfasste auch die Vermittlung der Bauzwischenfinanzierung, für die sich der Kläger und die Beigeladenen selbstschuldnerisch gegenüber den Kreditinstituten verbürgten. Grundlage war ein von ihnen mit der jeweiligen Objektgesellschaft geschlossener Bürgschaftsverpflichtungsvertrag. Für die Übernahme der Bürgschaftsverpflichtungen wurde jeweils eine einheitliche Avalprovision für alle vier Bürgen --den Kläger und die drei Beigeladenen-- vereinbart, die intern im Verhältnis 40 %, 40 %, 10 % und 10 % aufgeteilt wurde. Diese Aufteilung entsprach den Beteiligungsverhältnissen an der GmbH & Co. KG vor 1994.
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Die vom Kläger vereinnahmten Avalprovisionen wurden steuerlich zunächst bei der Feststellung der Einkünfte der jeweiligen Objektgesellschaft erfasst. Anlässlich verschiedener Betriebsprüfungen bei den Objektgesellschaften gelangte der Prüfer zu der Auffassung, der Kläger und die Beigeladenen hätten die Bürgschaften nicht auf gesellschaftsrechtlicher, sondern auf gesonderter schuldrechtlicher Grundlage übernommen. Daher seien diese Vergütungen nicht bei der Feststellung der Einkünfte der Objektgesellschaften, sondern bei der Einkommensteuerveranlagung des Klägers und der Beigeladenen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu erfassen. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) erließ daraufhin erstmals Bescheide über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag und die Gewerbesteuer des Klägers.
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Die dagegen erhobene Klage führte zu einem Zwischenurteil des Finanzgerichts (FG), durch das u.a. festgestellt wurde, dass der Kläger als Einzelunternehmer Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt habe. Dieses Zwischenurteil hob der Senat auf und entschied mit Urteil vom 17. Dezember 2008 III R 22/06 (BFH/NV 2009, 1087), der Kläger sei mit der Übernahme der Bürgschaftsverpflichtungen zugunsten der Objektgesellschaften nicht als Einzelunternehmer, sondern allenfalls --mit den Beigeladenen-- als Mitunternehmer (§ 2 Abs. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes --GewStG-- i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes) tätig geworden.
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Im zweiten Rechtsgang lud das FG die drei weiteren Gesellschafter der GmbH & Co. KG auf Antrag des FA durch Beschluss vom 4. August 2009 gemäß § 174 Abs. 4 und Abs. 5 der Abgabenordnung (AO) bei. Durch Urteil vom 10. September 2009 gab es sodann der Klage statt und hob die gegen den Kläger gerichteten Gewerbesteuerbescheide für 1994 bis 1996 auf. Der Beschwerde des Klägers und der Beigeladenen gegen den Beiladungsbeschluss half das FG nicht ab.
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Der Kläger und die Beigeladenen tragen vor, der Beiladungsbeschluss sei mangels steuerlicher Auswirkung aufzuheben. Die Festsetzungsfrist für die Gewerbesteuer der Jahre 1994 bis 1996 habe mit Ablauf der Jahre 1997 bis 1999 begonnen (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO i.V.m. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO) und zum Ende der Jahre 2001, 2002 und 2003 geendet. An dieser Rechtslage ändere die besondere Verjährungsregel des § 174 Abs. 5 Satz 1 AO i.V.m. § 174 Abs. 4 Satz 3 AO nichts. Denn Dritte seien bis zur Beiladung nicht beteiligt gewesen. Das FA habe eingeräumt, dass die Beigeladenen im Verfahren keine eigenen Anträge gestellt hätten und dazu mangels Hinzuziehung oder Beiladung auch außerstande gewesen seien. Das rechtliche Interesse der Beigeladenen X und Y an den streitgegenständlichen Rechtsfragen rühre nur daher, dass gegen sie ebenfalls --anderweitig angefochtene-- Gewerbesteuerbescheide ergangen seien; die Interessen des Beschwerdeführers Z würden durch den Ausgang des Verfahrens nicht berührt.
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Als Schuldner der Gewerbesteuer 1994 bis 1996 komme nach dem Senatsurteil in BFH/NV 2009, 1087 allenfalls eine aus dem Kläger und den Beigeladenen bestehende Personengesellschaft in Betracht, deren Beiladung jedoch nicht beantragt worden sei. Im Übrigen sei zum Zeitpunkt des Beiladungsbeschlusses auch die Verjährungsfrist für eine Steuerfestsetzung gegenüber einer vom Kläger und den Beigeladenen gebildeten Personengesellschaft bereits abgelaufen gewesen.
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Die Beiladung sei auch unzulässig, weil sie erstmals nach Abschluss des Revisionsverfahrens erfolgt sei. Wenn ein Dritter erst nach dem Abschluss des Revisionsverfahrens beigeladen werde, könne er das Verfahren nicht mehr in seinem Sinne beeinflussen. Im Streitfall seien bereits durch das Senatsurteil in BFH/NV 2009, 1087 "die Würfel gefallen"; der Fall sei materiell-rechtlich entschieden gewesen und dem FG lediglich die Aufgabe verblieben, der Klage unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) stattzugeben.
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Der Kläger und die Beigeladenen beantragen, den Beschluss vom 4. August 2009 betreffend die Beiladung der Herren Klaus X, Y und Z aufzuheben.
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Das FA entgegnet, eine aus den Beschwerdeführern bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) sei zwar bisher nicht formell beteiligt worden. Eine Gesellschaft könne aber nach dem Urteil des FG des Saarlandes vom 31. Mai 1989 1 K 74/88 (Entscheidungen der Finanzgerichte 1989, 439) auch über ihre Gesellschafter als Dritter am Verfahren beteiligt werden.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerden sind als unbegründet zurückzuweisen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), denn das FG hat die Voraussetzungen einer Beiladung nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO zu Recht angenommen.
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1. Nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO ist eine Beiladung --unabhängig von den Voraussetzungen des § 60 FGO-- zulässig, wenn ein Steuerbescheid i.S. des § 174 Abs. 4 AO wegen irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts möglicherweise aufzuheben oder zu ändern ist und hieraus rechtliche Folgerungen bei einem Dritten zu ziehen sind. Um diese Korrekturmöglichkeit zu gewährleisten, kann das FA die Beiladung des Dritten in dem gegen den ursprünglich ergangenen Bescheid angestrengten Klageverfahren beantragen. Dafür genügt es, dass die Möglichkeit einer Folgeänderung besteht; die Beiladung kann nur unterbleiben, wenn die Interessen Dritter durch den Ausgang des anhängigen Rechtsstreits eindeutig nicht berührt sein können (BFH-Beschlüsse vom 22. Oktober 2001 XI B 16/00, BFH/NV 2002, 308; vom 7. April 2003 III B 127/02, BFH/NV 2003, 887; vom 14. Dezember 2004 I B 137/04, BFH/NV 2005, 835; vom 21. Februar 2008 X B 155/07, BFH/NV 2008, 756; vom 10. Februar 2010 IX B 176/09, BFH/NV 2010, 832).
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2. Da der Senat im Sinne des Klägers entschieden hatte, dass er die Avalprovisionen "nicht als Einzelunternehmer, sondern allenfalls als Mitunternehmer" in Verbundenheit mit den Beigeladenen vereinnahmt hat, und daher die Aufhebung der angefochtenen Bescheide durch das FG zu erwarten war, zog das FA den Erlass von Gewerbesteuermessbescheiden und die Festsetzung von Gewerbesteuer gegen eine aus dem Kläger und den Beigeladenen bestehende Personengesellschaft in Betracht.
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a) Diese Möglichkeit ist nicht zweifelsfrei ausgeschlossen, denn das FA könnte mit seiner Rechtsansicht durchdringen, dass die Beteiligung des Klägers und der Beigeladenen an dem Rechtsstreit nach § 174 Abs. 4 und Abs. 5 AO eine Gewinnfeststellung (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 AO) für eine von ihnen gebildete Mitunternehmerschaft erlaubt und diese wiederum nach § 35b GewStG den Erlass von Gewerbesteuermess- und Gewerbesteuerbescheiden.
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b) Eine Beiladung ist allerdings ausgeschlossen, wenn der Steueranspruch dem zu Beteiligenden --bzw. hier der von den Beigeladenen gebildeten Personengesellschaft-- gegenüber zweifelsfrei bereits verjährt ist (BFH-Beschluss in BFH/NV 2010, 832). Dies vermag der Senat aber nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen. Denn es ist denkbar, dass die Gewinnfeststellung aufgrund besonderer, bislang im Beschwerdeverfahren nicht erörterter Umstände anstelle der vierjährigen einer längeren Feststellungsfrist unterliegt (§ 169 Abs. 2 AO) oder dass der Fristablauf gehemmt wurde (§ 171 AO); schließlich könnte auch zu berücksichtigen sein, dass jedenfalls gegen zwei der Beigeladenen wegen der von ihnen vereinnahmten Vergütungen für die Bürgschaftsübernahmen ebenfalls entsprechende Gewerbesteuermessbescheide ergangen und die dagegen gerichteten Verfahren noch anhängig sind. Diese Fragen wären erst in einem Rechtsstreit gegen die möglicherweise nachfolgenden Gewinnfeststellungs- oder Gewerbesteuermessbescheide zu klären, denn die Entscheidung über die Beiladung darf die der Hauptsache nicht vorwegnehmen (Senatsbeschluss in BFH/NV 2003, 887).
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c) Eine Beiladung nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO ist auch dann zulässig, wenn sie --wie im Streitfall-- nach Zurückverweisung des Rechtsstreits durch den BFH erfolgt. Eine Beschränkung der Beiladung auf den ersten Rechtsgang lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen.
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