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BFH 01.09.2010 - XI S 6/10
BFH 01.09.2010 - XI S 6/10 - (Unternehmereigenschaft einer Bruchteilsgemeinschaft - Keine Mitunternehmerschaft im Umsatzsteuerrecht - Klagebefugnis - Prozesskostenhilfe - Teilweise Ablehnung i.S. des § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO bei AdV gegen Sicherheitsleistung)
Normen
§ 2 Abs 1 UStG 1999, § 744 Abs 1 BGB, § 40 Abs 2 FGO, § 142 Abs 1 FGO, § 116 S 1 Nr 2 ZPO, § 69 Abs 4 S 1 FGO
Leitsatz
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1. NV: Vermieten die Miteigentümer eines Grundstücks dieses an eine dritte Person, können sie dies als Gemeinschaft tun. Umsatzsteuerrechtlich werden die Vermietungsleistungen von der Gemeinschaft ausgeführt. Der Teilhaber wird nicht allein durch seine zivilrechtliche Stellung als Mitvermieter Unternehmer. Nur die Gemeinschaft ist (wegen dieser Vermietungsumsätze) Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 1 UStG .
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2. NV: Richtet sich ein Umsatzsteuerbescheid gegen eine Grundstücksgemeinschaft als Steuerschuldnerin, muss eine Klage im Namen der Gemeinschaft, und zwar gemäß § 744 Abs. 1 BGB durch alle Gemeinschafter, erhoben werden .
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3. NV: Eine Bruchteilsgemeinschaft besteht in der Regel so lange als Unternehmer i.S. des Umsatzsteuerrechts fort, bis alle Rechtsbeziehungen zwischen der Gemeinschaft und dem Finanzamt beendet sind .
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4. NV: Klagt eine Bruchteilsgemeinschaft gegen einen an sie gerichteten Umsatzsteuerbescheid, gehört sie zu den parteifähigen Vereinigungen i.S. des § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO .
Tatbestand
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I. Der Beklagte und Antragsgegner (das Finanzamt --FA--) setzte gegen die aus den Miteigentümern X und Y bestehende Grundstücksgemeinschaft Umsatzsteuer für 2003 --zuletzt durch Änderungsbescheid vom 5. Oktober 2004-- fest und wies den Einspruch durch die ebenfalls an die Grundstücksgemeinschaft gerichtete Einspruchsentscheidung vom 22. Juni 2005 als unbegründet zurück.
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Das FA ging dabei davon aus, dass die Grundstücksgemeinschaft bis zum 20. März 2003 umsatzsteuerrechtlicher Organträger der Z-GmbH (GmbH) gewesen sei, deren Gesellschafter (ebenfalls) X und Y waren. An diesem Tag hatten die Gesellschafter ihre Geschäftsanteile an der GmbH an einen Dritten übertragen.
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Das Finanzgericht (FG) wies die von den Gemeinschaftern X und Y jeweils im eigenen Namen gegen den Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für 2003 vom 5. Oktober 2004 und gegen die Einspruchsentscheidung vom 22. Juni 2005 erhobene Klage als unbegründet ab. Es folgte der Auffassung des FA und führte aus, "die Kläger als Grundstücksgemeinschaft" seien bis zur Veräußerung ihrer Geschäftsanteile am 20. März 2003 Organträger der GmbH gewesen; sie seien daher bis zu diesem Zeitpunkt "Steuerschuldner hinsichtlich aller von der Organgesellschaft verwirklichten Umsatzsteuertatbestände".
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Daraufhin haben X und Y jeweils in eigenem Namen Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (XI B 19/10) und Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt --XI S 2/10 (PKH) und XI S 3/10 (PKH)--.
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Das FA hat mit Bescheid vom 13. April 2010, der ebenfalls an die Grundstücksgemeinschaft gerichtet ist, Aussetzung der Vollziehung (AdV) der Umsatzsteuer für 2003 in Höhe von … € sowie von Umsatzsteuer-Säumniszuschlägen in Höhe von insgesamt … € gegen Sicherheitsleistung in Höhe von … € gewährt; die beantragte AdV ohne Sicherheitsleistung lehnte es ab.
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Im vorliegenden Verfahren beantragen X und Y, unter Änderung des Bescheids des FA vom 13. April 2010 AdV "der Umsatzsteuer 2003 sowie der darauf berechneten Säumniszuschläge ohne Sicherheitsleistung" zu gewähren.
Entscheidungsgründe
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II. 1. Antragstellerin im vorliegenden Verfahren ist die Grundstücksgemeinschaft X und Y, gegen die der Umsatzsteuer-Änderungsbescheid des FA vom 5. Oktober 2004, die Einspruchsentscheidung vom 22. Juni 2005 sowie der AdV-Bescheid vom 13. April 2010 ergangen sind --und nicht X und Y als Miteigentümer des Grundstücks.
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a) Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) kann auch eine Bruchteilsgemeinschaft sein. Rechtsfähigkeit im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ist für die Eigenschaft als Steuerpflichtiger im Sinne des UStG nicht erforderlich. Die Verwaltung gemeinschaftlichen Eigentums (des Gegenstandes der Gemeinschaft) kann als unternehmerische Tätigkeit nach den Regeln der Gemeinschaft ausgeführt werden. Der Bildung einer gesonderten GbR bedarf es nicht (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. März 1993 V R 42/89, BFHE 172, 134, BStBl II 1993, 729, unter II.1.a, und vom 23. September 2009 XI R 14/08, BFHE 227, 218, BStBl II 2010, 243).
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b) Vermieten die Miteigentümer eines Grundstücks dieses an eine dritte Person, können sie dies als GbR oder Gemeinschaft tun. Umsatzsteuerrechtlich werden die Vermietungsleistungen von der GbR bzw. der Gemeinschaft ausgeführt. Der Gesellschafter bzw. der Teilhaber wird nicht allein durch seine zivilrechtliche Stellung als Mitvermieter Unternehmer. Nur die GbR bzw. die Gemeinschaft ist (wegen dieser Vermietungsumsätze) Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 1 UStG. Die Tätigkeit der Personenvereinigung wird im Umsatzsteuerrecht nicht ihrem Mitglied zugerechnet. Eine Mitunternehmerschaft kennt das UStG nicht (vgl. BFH-Urteil vom 16. Mai 2002 V R 4/01, BFH/NV 2002, 1347, unter II.1.c).
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c) Richtet sich ein Umsatzsteuerbescheid gegen eine Grundstücksgemeinschaft als Steuerschuldnerin, so ist grundsätzlich nur diese --und nicht ein Gemeinschafter-- einspruchsbefugt. Diesem Grundsatz entsprechend muss eine Klage im Namen der Gemeinschaft, und zwar gemäß § 744 Abs. 1 BGB durch alle Gemeinschafter, erhoben werden (vgl. für eine GbR z.B. BFH-Beschluss vom 19. Oktober 2001 V B 54/01, BFH/NV 2002, 370).
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d) Dass --wie die Antragstellerin vorträgt-- X und Y nach dem Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts vom 18. Juni 2008 in einem Zwangsversteigerungsverfahren mit Eintragung in das Grundbuch vom 22. August 2008 nicht mehr Eigentümer des Grundstücks sind, ändert an der fortbestehenden Unternehmereigenschaft der Antragstellerin nichts.
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Eine Personengesellschaft besteht in der Regel so lange als Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts fort, bis alle gemeinschaftlichen Rechtsbeziehungen unter den Gesellschaftern, zu denen auch das Rechtsverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Finanzamt gehört, beseitigt sind (vgl. BFH-Beschluss vom 21. September 2006 V B 102/05, juris). Das gilt auch für eine Bruchteilsgemeinschaft.
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2. Der Antrag, die im Bescheid des FA vom 13. April 2010 verfügte AdV ohne Sicherheit zu gewähren, hat Erfolg.
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a) Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) soll die AdV auf Antrag u.a. erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen. Nach § 69 Abs. 2 Satz 3 FGO kann die Aussetzung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Gemäß § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO ist der Antrag nach Abs. 3 beim Gericht der Hauptsache vorbehaltlich bestimmter Ausnahmen nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf AdV ganz oder zum Teil abgelehnt hat.
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b) Im Streitfall ist der zutreffend beim BFH als dem für die Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde XI B 19/10 zuständigen Gericht der Hauptsache i.S. von § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO gestellte Antrag auf eine AdV ohne Sicherheitsleistung gemäß § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO zulässig.
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Denn eine teilweise Ablehnung durch die Finanzbehörde liegt auch vor, wenn --wie im Streitfall-- das FA eine uneingeschränkt beantragte AdV nur gegen Sicherheitsleistung bewilligt hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom 28. Oktober 1981 I B 69/80, BFHE 134, 239, BStBl II 1982, 135, und vom 10. Oktober 2002 VII S 28/01, BFH/NV 2003, 12).
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c) Das FA ist in dem Bescheid vom 13. April 2010 davon ausgegangen, dass AdV zu gewähren ist. Darüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.
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d) Das öffentliche Interesse an einer Sicherheitsleistung nach § 69 Abs. 2 Satz 3 FGO entfällt u.a. dann, wenn mit Gewissheit oder großer Wahrscheinlichkeit ein für den Steuerpflichtigen günstiger Prozessausgang zu erwarten ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 13. Dezember 1999 III B 15/99, BFH/NV 2000, 827, unter II.2.c, m.w.N.; vom 17. Mai 2005 I B 109/04, BFH/NV 2005, 1782, und vom 19. Oktober 2009 XI B 60/09, BFH/NV 2010, 58). Entgegen der Ansicht des FA ist diese Voraussetzung im Streitfall gegeben.
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Der BFH hat mit Urteil vom 22. April 2010 V R 9/09 (BFH/NV 2010, 1581, Deutsches Steuerrecht 2010, 1277) entschieden, dass keine umsatzsteuerrechtliche Organschaft vorliegt, wenn mehrere Gesellschafter nur gemeinsam über die Anteilsmehrheit an einer Personengesellschaft und an einer GmbH verfügen; in diesem Fall sei die GmbH nicht finanziell in die Personengesellschaft eingegliedert.
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Diese Rechtsprechung des BFH ist im vorliegenden Fall anwendbar, weil X und Y als Gemeinschafter der Grundstücksgemeinschaft an der GmbH mit einem Anteil von jeweils 50 % beteiligt sind und deshalb nur gemeinsam über die Anteilsmehrheit verfügen. Die von der GmbH verwirklichten Umsatzsteuertatbestände können deshalb --anders als vom FA im Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für 2003 vom 5. Oktober 2004 und vom FG in dem angefochtenen Urteil angenommen-- nicht der Antragstellerin zugerechnet werden.
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Deshalb ist die Revision aufgrund der Nichtzulassungsbeschwerde XI B 19/10 zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) zuzulassen. Das FG-Urteil weicht von dieser (neuen) Rechtsprechung des BFH ab. Für eine Divergenz ist der Stand der Rechtsprechung im Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulassung maßgebend (vgl. BFH-Beschluss vom 17. Dezember 2007 XI B 32/07, juris; Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 51).
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3. Der Antrag, für das vorliegende Verfahren PKH zu gewähren, hat keinen Erfolg.
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Eine parteifähige Vereinigung kann nach § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 116 Satz 1 Nr. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) nur dann PKH erhalten, wenn die Kosten weder von ihr noch von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und wenn die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde.
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Diese Vorschrift ist vorliegend einschlägig. Die Antragstellerin gehört zu den parteifähigen Vereinigungen i.S. des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO, wenn sie befugt ist, selbständig gegen Umsatzsteuerbescheide Klage zu erheben (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. April 1992 V S 1/92, juris; vom 3. August 2007 V S 18/07 (PKH), BFH/NV 2007, 2309, und vom 29. Mai 2009 V S 15/09 (PKH), BFH/NV 2009, 1453). Das ist bei einer Grundstücksgemeinschaft der Fall (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 6. September 2007 V R 16/06, BFH/NV 2008, 1710, und in BFHE 227, 218, BStBl II 2010, 243). Ob --wie die Antragstellerin geltend macht-- im Zivilprozess eine Miteigentümergemeinschaft nicht parteifähig und deshalb § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO dort nicht anwendbar ist, ist deshalb hier ohne Bedeutung.
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Die Antragstellerin hat nicht vorgetragen, dass es allgemeinen Interessen zuwiderliefe, wenn sie ihre Rechte nicht durch die Nichtzulassungsbeschwerde XI B 19/10 verfolgen würde; dafür ist auch nichts ersichtlich.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über den Antrag auf PKH ist gerichtsgebührenfrei (§ 1 Abs. 2 Nr. 2, § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes i.V.m. dem Kostenverzeichnis der Anlage 1).
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