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EuGH 09.02.2023 - C-555/21
EuGH 09.02.2023 - C-555/21 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer) - 9. Februar 2023 ( *1) - „Vorlage zur Vorabentscheidung – Verbraucherschutz – Richtlinie 2014/17/EU – Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher – Art. 25 Abs. 1 – Vorzeitige Rückzahlung – Recht des Verbrauchers auf Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits, die sich nach den Zinsen und den Kosten für die verbleibende Laufzeit des Vertrags richtet – Art. 4 Nr. 13 – Begriff ‚Gesamtkosten des Kredits für den Verbraucher‘ – Laufzeitunabhängige Kosten“
Leitsatz
In der Rechtssache C-555/21
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 19. August 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 9. September 2021, in dem Verfahren
UniCredit Bank Austria AG
gegen
Verein für Konsumenteninformation
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin K. Jürimäe sowie der Richter M. Safjan (Berichterstatter), N. Piçarra, N. Jääskinen und M. Gavalec,
Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,
Kanzler: S. Beer, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juli 2022,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
der UniCredit Bank Austria AG, vertreten durch Rechtsanwälte M. Kellner und F. Liebel,
des Vereins für Konsumenteninformation, vertreten durch Rechtsanwältin A.-M. Kosesnik-Wehrle und Rechtsanwalt S. Langer,
der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und M. Hellmann als Bevollmächtigte,
der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von G. Rocchitta, Avvocato dello Stato,
der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Goddin, B.-R. Killmann und H. Tserepa-Lacombe als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 29. September 2022
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 2014/17/ЕU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Februar 2014 über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 (ABl. 2014, L 60, S. 34).
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der UniCredit Bank Austria AG (im Folgenden: UCBA) und dem Verein für Konsumenteninformation (im Folgenden: VKI) über die Verwendung einer Standardklausel in den Immobilienkreditverträgen der UCBA, die vorsieht, dass bei vorzeitiger Rückzahlung des Kredits durch den Verbraucher die laufzeitunabhängigen Bearbeitungsspesen nicht rückerstattet werden.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2008/48/EG
In Art. 3 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. 2008, L 133, S. 66) heißt es:
„Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
…
‚Gesamtkosten des Kredits für den Verbraucher‘ sämtliche Kosten, einschließlich der Zinsen, Provisionen, Steuern und Kosten jeder Art – ausgenommen Notargebühren –, die der Verbraucher im Zusammenhang mit dem Kreditvertrag zu zahlen hat und die dem Kreditgeber bekannt sind; Kosten für Nebenleistungen im Zusammenhang mit dem Kreditvertrag, insbesondere Versicherungsprämien, sind ebenfalls enthalten, wenn der Abschluss des Vertrags über diese Nebenleistung eine zusätzliche zivile Voraussetzung dafür ist, dass der Kredit überhaupt oder nach den vorgesehenen Vertragsbedingungen gewährt wird;
…“
Art. 16 („Vorzeitige Rückzahlung“) Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 lautet:
„Der Verbraucher ist berechtigt, seine Verbindlichkeiten aus einem Kreditvertrag jederzeit ganz oder teilweise zu erfüllen. In solchen Fällen hat der Verbraucher das Recht auf Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits, die sich nach den Zinsen und den Kosten für die verbleibende Laufzeit des Vertrags richtet.“
Richtlinie 2014/17
In den Erwägungsgründen 15, 19, 20, 22 und 50 der Richtlinie 2014/17 heißt es:
Durch diese Richtlinie soll gewährleistet werden, dass Immobilienkreditverträge, die mit Verbrauchern geschlossen werden, ein hohes Maß an Schutz genießen. …
…
Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte der Rechtsrahmen der [Europäischen] Union für Wohnimmobilienkreditverträge mit anderen Rechtsvorschriften der Union, insbesondere in den Bereichen Verbraucherschutz und Aufsichtsrecht, im Einklang stehen und diese ergänzen. …
Um auf dem Gebiet der Kredite einen kohärenten Rahmen für die Verbraucher zu gewährleisten und den Verwaltungsaufwand für Kreditgeber und Kreditvermittler möglichst gering zu halten, sollte das Kerngerüst dieser Richtlinie der Struktur der Richtlinie [2008/48] so weit wie möglich folgen …
…
Gleichzeitig muss den Besonderheiten von Wohnimmobilienkreditverträgen Rechnung getragen werden, die einen differenzierten Ansatz rechtfertigen. …
…
Die Gesamtkosten des Kredits für den Verbraucher sollten sämtliche Kosten umfassen, die der Verbraucher im Zusammenhang mit dem Kreditvertrag zu zahlen hat und die dem Kreditgeber bekannt sind. Sie sollten daher Zinsen, Provisionen, Steuern, Entgelte für Kreditvermittler, Kosten für die Immobilienbewertung für eine Hypothek und alle sonstigen Entgelte mit Ausnahme von Notargebühren beinhalten, die Voraussetzung dafür sind, dass der Kredit gewährt wird (z. B. Lebensversicherung) oder dass der Kredit zu den vorgesehenen Vertragsbedingungen gewährt wird (z. B. Feuerversicherung). … Die Gesamtkosten des Kredits für den Verbraucher sollten nicht die Kosten umfassen, die der Verbraucher im Zusammenhang mit dem Erwerb der Immobilie oder des Grundstücks zahlen muss, wie damit verbundene Steuern und Notargebühren oder Kosten für die Grundbucheintragung. …“
Art. 1 („Gegenstand“) der Richtlinie 2014/17 lautet:
„Mit dieser Richtlinie wird ein gemeinsamer Rahmen zur Regelung bestimmter Aspekte der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für mit Verbrauchern geschlossene grundpfandrechtlich besicherte Kreditverträge oder andere Wohnimmobilienkreditverträge festgelegt, wozu auch eine Verpflichtung gehört, vor der Gewährung eines Kredits eine Kreditwürdigkeitsprüfung durchzuführen; dieser Rahmen soll als Grundlage für die Ausarbeitung wirksamer Kreditvergabestandards im Zusammenhang mit Wohnimmobilien in den Mitgliedstaaten und für bestimmte aufsichtsrechtliche Anforderungen, einschließlich für die Niederlassung und Beaufsichtigung von Kreditvermittlern, benannten Vertretern und Nichtkreditinstituten, dienen.“
Art. 4 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie 2014/17 sieht vor:
„Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
…
‚Gesamtkosten des Kredits für den Verbraucher‘ die Gesamtkosten des Kredits für den Verbraucher im Sinne von Artikel 3 Buchstabe g der Richtlinie [2008/48] einschließlich der Kosten für die Immobilienbewertung – sofern eine solche Bewertung für die Gewährung des Kredits erforderlich ist –, jedoch ausschließlich der Gebühren für die Eintragung der Eigentumsübertragung in das Grundbuch. Ausgenommen davon sind alle Entgelte, die der Verbraucher für die Nichteinhaltung der im Kreditvertrag festgelegten Verpflichtungen zahlen muss;
…“
Art. 14 („Vorvertragliche Informationen“) Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2014/17 bestimmt:
„(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der Kreditgeber und gegebenenfalls der Kreditvermittler oder der benannte Vertreter dem Verbraucher auf ihn zugeschnittene Informationen erteilt, die er benötigt, um die auf dem Markt verfügbaren Kreditprodukte zu vergleichen, ihre jeweiligen Auswirkungen zu prüfen und eine fundierte Entscheidung über den Abschluss eines Kreditvertrags zu treffen; die Erteilung dieser Informationen erfolgt
unverzüglich, nachdem der Verbraucher die erforderlichen Angaben zu seinen Bedürfnissen, seiner finanziellen Situation und seinen Präferenzen gemäß Artikel 20 gemacht hat, und
rechtzeitig, bevor der Verbraucher durch einen Kreditvertrag oder ein Angebot gebunden ist.
(2) Die auf die Person zugeschnittenen Informationen gemäß Absatz 1 werden auf Papier oder einem anderen dauerhaften Datenträger mittels des [Europäischen standardisierten Merkblatts (ESIS-Merkblatt)] in Anhang II erteilt.“
Art. 25 („Vorzeitige Rückzahlung“) Abs. 1 der Richtlinie 2014/17 lautet:
„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Verbraucher das Recht haben, ihre Verbindlichkeiten aus einem Kreditvertrag vollständig oder teilweise vor Ablauf des Vertrags zu erfüllen. In solchen Fällen hat der Verbraucher das Recht auf Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits für den Verbraucher, die sich nach den Zinsen und den Kosten für die verbleibende Laufzeit des Vertrags richtet.“
Art. 41 („Unabdingbarkeit dieser Richtlinie“) der Richtlinie 2014/17 sieht vor:
„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass
…
die Vorschriften, die sie zur Umsetzung dieser Richtlinie verabschieden, nicht durch eine besondere Gestaltung der Verträge in einer Weise umgangen werden können, durch die Verbrauchern der durch diese Richtlinie gewährte Schutz entzogen wird, insbesondere durch die Einbeziehung von Kreditverträgen, die in den Geltungsbereich dieser Richtlinie fallen, in Kreditverträge, deren Eigenart oder Zweck es erlauben würde, sie der Anwendung dieser Vorschriften zu entziehen.“
Österreichisches Recht
§ 20 („Vorzeitige Rückzahlung“) Abs. 1 des Bundesgesetzes über Hypothekar- und Immobilienkreditverträge und sonstige Kreditierungen zu Gunsten von Verbrauchern vom 26. November 2015 (BGBl. I 135/2015) sah in der bis zum 31. Dezember 2020 geltenden Fassung (BGBl. I 93/2017) vor:
„Der Kreditnehmer hat das jederzeit ausübbare Recht, den Kreditbetrag vor Ablauf der bedungenen Zeit zum Teil oder zur Gänze zurückzuzahlen. Die vorzeitige Rückzahlung des gesamten Kreditbetrags samt Zinsen gilt als Kündigung des Kreditvertrags. Die vom Kreditnehmer zu zahlenden Zinsen verringern sich bei vorzeitiger Kreditrückzahlung entsprechend dem dadurch verminderten Außenstand und gegebenenfalls entsprechend der dadurch verkürzten Vertragsdauer; laufzeitabhängige Kosten verringern sich verhältnismäßig.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefrage
Der VKI, ein Verein zum Schutz von Verbraucherinteressen, erhob bei den österreichischen Zivilgerichten Klage gegen das Kreditinstitut UCBA auf Unterlassung der Verwendung einer Standardvertragsklausel im Zusammenhang mit dem Abschluss von unter die Richtlinie 2014/17 fallenden hypothekarisch sichergestellten Darlehensverträgen. Diese Klausel sieht vor, dass sich bei vorzeitiger Rückzahlung des Kredits durch den Verbraucher die Zinsen und die laufzeitabhängigen Kosten verhältnismäßig verringern, während „die laufzeitunabhängigen Bearbeitungsspesen nicht – auch nicht anteilig – rückerstattet werden“.
Der VKI hält diese Klausel für mit Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 2014/17 unvereinbar, der das Recht des Verbrauchers auf Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits bei vorzeitiger Rückzahlung des Kredits garantiere. Der VKI verweist insoweit auf das Urteil vom 11. September 2019, Lexitor (C-383/18, EU:C:2019:702), in dem der Gerichtshof entschieden habe, dass Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48, der ein solches Recht bei Verbraucherkreditverträgen vorsehe, dahin auszulegen sei, dass dieses Recht sämtliche dem Verbraucher auferlegten Kosten umfasse.
Das erstinstanzliche Gericht wies die Klage des VKI mit der Begründung ab, die Richtlinie 2014/17 begründe ein anderes System als die Richtlinie 2008/48. Die beiden Richtlinien unterschieden sich insbesondere in Bezug auf den Begriff „Gesamtkosten des Kredits für den Verbraucher“, die im Fall einer vorzeitigen Rückzahlung ermäßigt würden.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil ab und stellte fest, dass Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 und Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 2014/17 aufgrund ihres nahezu identischen Wortlauts gleich auszulegen seien. In Anbetracht des Urteils vom 11. September 2019, Lexitor (C-383/18, EU:C:2019:702), lasse sich aus der Richtlinie 2014/17 nicht ableiten, dass laufzeitunabhängige Kosten nicht anteilig rückerstattet werden müssten.
Der Oberste Gerichtshof (Österreich) als das mit der Revision der UCBA befasste vorlegende Gericht hält den Ansatz des Berufungsgerichts nicht für offenkundig zwingend.
Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts könnte zwar davon ausgegangen werden, dass Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 2014/17 und Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 in Anbetracht des nahezu identischen Wortlauts der beiden Bestimmungen und des gemeinsamen Ziels der beiden Richtlinien, einen hohen Verbraucherschutz zu gewährleisten, gleich auszulegen seien.
Verbraucherkreditverträge, die der Richtlinie 2008/48 unterlägen, unterschieden sich jedoch grundlegend von Hypothekar- und Immobilienkreditverträgen, die der Richtlinie 2014/17 unterlägen, da Letztere typischerweise mit einer ganzen Reihe laufzeitunabhängiger und vom Kreditinstitut der Höhe nach kaum beeinflussbarer Kosten verbunden seien. In diesem Zusammenhang verweist das vorlegende Gericht u. a. auf Kosten für die Bewertung der Immobilie, Kosten für die Beglaubigung von Unterschriften für die grundbücherliche Eintragung der Hypothek, Kosten für ein Gesuch um Anmerkung der Rangordnung für eine beabsichtigte Veräußerung oder Verpfändung oder Eingabengebühren für das zur Hypothekeneinverleibung erforderliche Grundbuchsgesuch.
Außerdem verfüge der Kreditgeber im Rahmen der Richtlinie 2014/17 kaum über eine vertragliche Gestaltungsmöglichkeit, laufzeitunabhängige Kosten in laufzeitabhängige Kosten umzubenennen. Insoweit prüften die österreichischen Gerichte, erforderlichenfalls mittels einer neuen Einordnung, ob bestimmte dem Verbraucher auferlegte Kosten einem Entgelt für die vorübergehende Kapitalnutzung entsprächen oder ob sie eine nicht laufzeitabhängige Leistung des Kreditgebers abgelten sollten.
Unter diesen Umständen hat der Oberste Gerichtshof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Ist Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 2014/17 dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die vorsieht, dass sich im Fall der Ausübung des Rechts des Kreditnehmers, den Kreditbetrag vor Ablauf der bedungenen Zeit zum Teil oder zur Gänze zurückzuzahlen, die vom Kreditnehmer zu zahlenden Zinsen und die von der Laufzeit abhängigen Kosten verhältnismäßig verringern, während es für laufzeitunabhängige Kosten an einer entsprechenden Regelung fehlt?
Zur Vorlagefrage
Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 2014/17 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die vorsieht, dass das Recht des Verbrauchers auf Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits bei vorzeitiger Rückzahlung des Kredits nur die Zinsen und die laufzeitabhängigen Kosten umfasst.
Gemäß dieser Bestimmung haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass die Verbraucher das Recht haben, ihre Verbindlichkeiten aus einem Kreditvertrag vollständig oder teilweise vor Ablauf des Vertrags zu erfüllen. In solchen Fällen hat der Verbraucher das Recht auf Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits, die sich nach den Zinsen und den Kosten für die verbleibende Laufzeit des Vertrags richtet.
Was erstens die Kosten betrifft, die unter die „Gesamtkosten des Kredits für den Verbraucher“ fallen können, so hat der Unionsgesetzgeber diesen Begriff weit definiert.
Aus Art. 4 Nr. 13 der Richtlinie 2014/17 in Verbindung mit Art. 3 Buchst. g der Richtlinie 2008/48 ergibt sich nämlich, dass der Begriff „Gesamtkosten des Kredits für den Verbraucher“ im Sinne von Art. 4 Nr. 13 der Richtlinie 2014/17 sämtliche Kosten umfasst, die der Verbraucher im Zusammenhang mit dem Kreditvertrag zu zahlen hat und die dem Kreditgeber bekannt sind. Ausdrücklich ausgenommen sind hiervon, wie der 50. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/17 bestätigt, lediglich Notargebühren, Gebühren für die Eintragung der Eigentumsübertragung in das Grundbuch – wie Kosten für die Grundbucheintragung und damit verbundene Steuern – sowie Entgelte, die der Verbraucher für die Nichteinhaltung der im Kreditvertrag festgelegten Verpflichtungen zahlen muss.
Es ist daher Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die von ihm genannten und oben in Rn. 18 wiedergegebenen Arten von Kosten insbesondere in Anbetracht der in Art. 4 Nr. 13 der Richtlinie 2014/17 und Art. 3 Buchst. g der Richtlinie 2008/48 ausdrücklich genannten Fälle zu den Kosten gehören, die der Verbraucher aufgrund des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Kreditvertrags zu tragen hat und die dem Kreditgeber bekannt sind, und ob sie gegebenenfalls unter die in der vorstehenden Randnummer zusammengefassten Ausnahmen, insbesondere die Notargebühren, fallen.
Was zweitens die Bedeutung des Begriffs „Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits für den Verbraucher“ im Sinne von Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 2014/17 betrifft, hat der Gerichtshof bereits in den Rn. 24 und 25 des Urteils vom 11. September 2019, Lexitor (C-383/18, EU:C:2019:702), zu Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 festgestellt, dass sich weder anhand der Bezugnahme auf die „verbleibende Laufzeit des Vertrags“ in dieser Bestimmung noch anhand einer vergleichenden Prüfung der verschiedenen Sprachfassungen dieser Bestimmung der genaue Umfang der darin vorgesehenen Ermäßigung bestimmen lässt. Der Gerichtshof hat daraus in Rn. 26 dieses Urteils abgeleitet, dass diese Bestimmung daher nach seiner ständigen Rechtsprechung nach ihrem Kontext und den Zielen auszulegen ist, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden.
Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 2014/17 ist nahezu wortgleich mit Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48, so dass davon auszugehen ist, dass sein Wortlaut allein nicht ausreicht, um den genauen Umfang der in ihm vorgesehenen Ermäßigung zu bestimmen. Er ist daher anhand seines Kontextes und der Ziele auszulegen, die mit der Regelung, zu der er gehört, verfolgt werden.
Insoweit geht aus den Erwägungsgründen 19 und 20 der Richtlinie 2014/17 hervor, dass diese Richtlinie aus Gründen der Rechtssicherheit mit anderen Rechtsvorschriften im Bereich Verbraucherschutz im Einklang stehen und diese ergänzen sollte. Nach dem 22. Erwägungsgrund dieser Richtlinie muss allerdings auch den Besonderheiten von Wohnimmobilienkreditverträgen Rechnung getragen werden, die einen differenzierten Ansatz rechtfertigen.
Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 1 der Richtlinie 2014/17 in Zusammenschau mit ihrem 15. Erwägungsgrund mit dieser Richtlinie ein gemeinsamer Rahmen zur Regelung bestimmter Aspekte der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für mit Verbrauchern geschlossene grundpfandrechtlich besicherte Kreditverträge oder andere Wohnimmobilienkreditverträge festgelegt wird, um Verbrauchern ein hohes Maß an Schutz zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Oktober 2020, Association française des usagers de banques, C-778/18, EU:C:2020:831, Rn. 34).
Wie der Generalanwalt in Nr. 69 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, ist jedoch festzustellen, dass das in Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 2014/17 vorgesehene Recht auf Ermäßigung nicht darauf abzielt, den Verbraucher in die Lage zu versetzen, in der er sich befände, wenn der Kreditvertrag für eine kürzere Laufzeit oder einen geringeren Betrag oder ganz allgemein zu anderen Bedingungen geschlossen worden wäre. Es zielt vielmehr darauf ab, diesen Vertrag an sich durch die vorzeitige Rückzahlung ändernde Umstände anzupassen.
Vor diesem Hintergrund kann dieses Recht nicht die Kosten umfassen, die unabhängig von der Vertragslaufzeit dem Verbraucher entweder zugunsten des Kreditgebers oder zugunsten Dritter für Leistungen auferlegt werden, die zum Zeitpunkt der vorzeitigen Rückzahlung bereits vollständig erbracht worden sind.
Zwar hat der Gerichtshof im Kontext der Richtlinie 2008/48 entschieden, dass die Wirksamkeit des Rechts des Verbrauchers auf Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits beeinträchtigt wäre, wenn sich diese Ermäßigung auf die Berücksichtigung nur der Kosten beschränken könnte, die vom Kreditgeber als von der Vertragslaufzeit abhängig ausgewiesen wurden, da die Kosten und ihre Aufschlüsselung einseitig von der Bank bestimmt werden und die Kostenabrechnung eine gewisse Gewinnspanne enthalten kann. Wenn man die Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits nur auf ausdrücklich mit der Vertragslaufzeit zusammenhängende Kosten beschränkte, würde dies darüber hinaus die Gefahr mit sich bringen, dass dem Verbraucher zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kreditvertrags höhere einmalige Zahlungen auferlegt werden, da der Kreditgeber versucht sein könnte, die Kosten, die von der Vertragslaufzeit abhängig sind, auf ein Minimum zu reduzieren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. September 2019, Lexitor, C-383/18, EU:C:2019:702, Rn. 31 und 32).
Hierzu hat der Gerichtshof angemerkt, dass im Rahmen dieser Richtlinie der Handlungsspielraum, über den die Kreditinstitute bei ihrer Abrechnung und ihrer internen Organisation verfügen, die Bestimmung der objektiv mit der Vertragslaufzeit zusammenhängenden Kosten durch einen Verbraucher oder ein Gericht in der Praxis sehr schwierig macht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. September 2019, Lexitor, C-383/18, EU:C:2019:702, Rn. 33).
Insoweit ist jedoch darauf hinzuweisen, dass nach Art. 14 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2014/17 der Kreditgeber und gegebenenfalls der Kreditvermittler oder der benannte Vertreter dem Verbraucher vorvertragliche Informationen mittels des in Anhang II dieser Richtlinie enthaltenen Europäischen standardisierten Merkblatts (ESIS-Merkblatt) mitzuteilen hat. Dieses Merkblatt sieht eine Aufschlüsselung der vom Verbraucher zu zahlenden Kosten danach vor, ob es sich um einmalige oder um regelmäßige Kosten handelt.
Eine solche standardisierte Aufschlüsselung der dem Verbraucher auferlegten Kosten verringert aber den Handlungsspielraum, über den die Kreditinstitute bei ihrer Abrechnung und ihrer internen Organisation verfügen, erheblich und ermöglicht es sowohl dem Verbraucher als auch dem nationalen Gericht, zu prüfen, ob eine Art von Kosten objektiv mit der Vertragslaufzeit zusammenhängt.
Folglich kann die Gefahr eines missbräuchlichen Verhaltens des Kreditgebers, die in der oben in den Rn. 32 und 33 angeführten Rechtsprechung angesprochen wird, es nicht rechtfertigen, dass die laufzeitunabhängigen Kosten in das in Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 2014/17 vorgesehene Recht auf Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits einbezogen werden.
Allerdings ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass Art. 41 Buchst. b der Richtlinie 2014/17 zur Gewährleistung des Verbraucherschutzes die Mitgliedstaaten verpflichtet, sicherzustellen, dass die Vorschriften, die sie zur Umsetzung dieser Richtlinie verabschieden, nicht durch eine besondere Gestaltung der Verträge in einer Weise umgangen werden können, durch die Verbrauchern der durch diese Richtlinie gewährte Schutz entzogen wird.
Um diesen Schutz zu gewährleisten, haben die nationalen Gerichte dafür Sorge zu tragen, dass die Kosten, die dem Verbraucher unabhängig von der Laufzeit des Kreditvertrags auferlegt werden, nicht objektiv ein Entgelt des Kreditgebers für die vorübergehende Verwendung des vertraglich vereinbarten Kapitals oder für Leistungen darstellen, die dem Verbraucher zum Zeitpunkt der vorzeitigen Rückzahlung noch erbracht werden müssten. Der Kreditgeber muss insoweit nachweisen, ob es sich bei den betreffenden Kosten um einmalige oder um regelmäßige Kosten handelt.
Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 2014/17 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung, die vorsieht, dass das Recht des Verbrauchers auf Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits bei vorzeitiger Rückzahlung des Kredits nur die Zinsen und die laufzeitabhängigen Kosten umfasst, nicht entgegensteht.
Kosten
Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 2014/17/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Februar 2014 über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010
ist dahin auszulegen, dass
er einer nationalen Regelung, die vorsieht, dass das Recht des Verbrauchers auf Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits bei vorzeitiger Rückzahlung des Kredits nur die Zinsen und die laufzeitabhängigen Kosten umfasst, nicht entgegensteht.
Jürimäe
Safjan
Piçarra
Jääskinen
Gavalec
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 9. Februar 2023.
Der Kanzler
A. Calot Escobar
Die Kammerpräsidentin
K. Jürimäe
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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