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EuGH 11.09.2019 - C-143/18
EuGH 11.09.2019 - C-143/18 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer) - 11. September 2019 ( *1) - „Vorlage zur Vorabentscheidung – Verbraucherschutz – Richtlinie 2002/65/EG – Im Fernabsatz geschlossener Verbraucherdarlehensvertrag – Widerrufsrecht – Ausübung des Widerrufsrechts, nachdem der Vertrag auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers bereits voll erfüllt wurde – Übermittlung der Informationen über das Widerrufsrecht an den Verbraucher“
Leitsatz
In der Rechtssache C-143/18
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landgericht Bonn (Deutschland) mit Entscheidung vom 9. Februar 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 23. Februar 2018, in dem Verfahren
Antonio Romano,
Lidia Romano
gegen
DSL Bank – eine Niederlassung der DB Privat- und Firmenkundenbank AG, vormals DSL Bank – ein Geschäftsbereich der Deutsche Postbank AG
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, der Richterin C. Toader sowie der Richter A. Rosas, L. Bay Larsen und M. Safjan (Berichterstatter),
Generalanwalt: G. Pitruzzella,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
der DSL Bank – eine Niederlassung der DB Privat- und Firmenkundenbank AG, vertreten durch Rechtsanwalt A. Menkel,
der deutschen Regierung, zunächst vertreten durch T. Henze, M. Hellmann, E. Lankenau und A. Berg, dann durch M. Hellmann, E. Lankenau und A. Berg als Bevollmächtigte,
der Europäischen Kommission, vertreten durch F. Erlbacher und C. Valero als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 28. März 2019
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 2, Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 zweiter Gedankenstrich, Abs. 2 Buchst. c und Abs. 6 sowie Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG (ABl. 2002, L 271, S. 16).
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Antonio Romano und Frau Lidia Romano auf der einen Seite und der DSL Bank – eine Niederlassung der DB Privat- und Firmenkundenbank AG, vormals DSL Bank – ein Geschäftsbereich der Deutsche Postbank AG (im Folgenden: DSL Bank), auf der anderen Seite über das von Herrn und Frau Romano ausgeübte Widerrufsrecht in Bezug auf einen zwischen diesen Parteien des Ausgangsverfahrens geschlossenen Darlehensvertrag.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
In den Erwägungsgründen 1, 3, 12 bis 14, 23 und 24 der Richtlinie 2002/65 heißt es:
Im Rahmen der Verwirklichung der Ziele des Binnenmarkts sind Maßnahmen zu dessen schrittweiser Festigung zu ergreifen; diese Maßnahmen müssen gemäß den Artikeln 95 und 153 [EG] zur Erreichung eines hohen Verbraucherschutzniveaus beitragen.
…
… Um den Verbrauchern die Freiheit der Wahl zu gewährleisten, die für sie ein wesentliches Recht darstellt, ist ein hohes Verbraucherschutzniveau erforderlich, damit das Vertrauen des Verbrauchers in den Fernabsatz wächst.
…
Gegensätzliche oder voneinander abweichende Verbraucherschutzbestimmungen der Mitgliedstaaten im Bereich Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher könnten negative Auswirkungen auf den Binnenmarkt und den Wettbewerb der Unternehmen im Binnenmarkt zur Folge haben. Es ist daher geboten, auf Gemeinschaftsebene gemeinsame Regeln für diesen Bereich einzuführen, wobei am allgemeinen Verbraucherschutz in den Mitgliedstaaten keine Abstriche vorgenommen werden dürfen.
Mit der vorliegenden Richtlinie soll ein hohes Verbraucherschutzniveau gewährleistet werden, um den freien Verkehr von Finanzdienstleistungen sicherzustellen. Die Mitgliedstaaten sollten in den durch diese Richtlinie harmonisierten Bereichen keine anderen als die darin festgelegten Bestimmungen vorsehen dürfen, es sei denn, die Richtlinie sieht dies ausdrücklich vor.
Diese Richtlinie erfasst Finanzdienstleistungen jeder Art, die im Fernabsatz erbracht werden können. Für bestimmte Finanzdienstleistungen gelten jedoch besondere gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen, die auch weiterhin auf diese Finanzdienstleistungen anwendbar sind. Dennoch sollten Grundsätze für den Fernabsatz solcher Dienstleistungen festgelegt werden.
…
Um einen optimalen Schutz des Verbrauchers zu gewährleisten, muss dieser hinlänglich über die Bestimmungen dieser Richtlinie und die auf diesem Gebiet gegebenenfalls bestehenden Verhaltensmaßregeln informiert werden, und ihm sollte ein Recht auf Widerruf eingeräumt werden.
Besteht das Widerrufsrecht nicht, weil der Verbraucher die Erfüllung eines Vertrags ausdrücklich verlangt hat, dann sollte der Anbieter den Verbraucher davon unterrichten.“
Art. 1 („Gegenstand und Anwendungsbereich“) dieser Richtlinie bestimmt in Abs. 1:
„Gegenstand dieser Richtlinie ist die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher.“
Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie sieht vor:
„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
‚Fernabsatzvertrag‘ jeden zwischen einem Anbieter und einem Verbraucher geschlossenen, Finanzdienstleistungen betreffenden Vertrag, der im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- bzw. Dienstleistungssystems des Anbieters geschlossen wird, wobei dieser für den Vertrag bis zu und einschließlich dessen Abschlusses ausschließlich ein oder mehrere Fernkommunikationsmittel verwendet;
‚Finanzdienstleistung‘ jede Bankdienstleistung sowie jede Dienstleistung im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Altersversorgung von Einzelpersonen, Geldanlage oder Zahlung;
‚Anbieter‘ jede natürliche oder juristische Person des öffentlichen oder privaten Rechts, die im Rahmen ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit Dienstleistungen aufgrund von Fernabsatzverträgen erbringt;
‚Verbraucher‘ jede natürliche Person, die bei Fernabsatzverträgen zu Zwecken handelt, die nicht ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können;
…“
Art. 3 („Unterrichtung des Verbrauchers vor Abschluss des Fernabsatzvertrags“) der Richtlinie lautet auszugsweise:
„(1) Rechtzeitig bevor der Verbraucher durch einen Fernabsatzvertrag oder durch ein Angebot gebunden ist, sind ihm folgende Informationen zur Verfügung zu stellen:
…
betreffend den Fernabsatzvertrag
Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts gemäß Artikel 6 sowie für den Fall, dass ein solches Recht besteht, die Widerrufsfrist und Modalitäten für dessen Ausübung, einschließlich des Betrags, den der Verbraucher gegebenenfalls gemäß Artikel 7 Absatz 1 zu entrichten hat, sowie die Folgen der Nichtausübung dieses Rechts;
…
(2) Die in Absatz 1 genannten Informationen, deren geschäftlicher Zweck unmissverständlich zu erkennen sein muss, sind auf klare und verständliche Weise in einer dem benutzten Fernkommunikationsmittel angepassten Weise zu erteilen; dabei ist insbesondere der Grundsatz von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr sowie der Grundsatz des Schutzes der Personen, die nach dem Recht der Mitgliedstaaten nicht geschäftsfähig sind, wie zum Beispiel Minderjährige, zu wahren.
…“
Art. 4 („Zusätzliche Auskunftspflichten“) der Richtlinie 2002/65 sieht vor:
„(1) Enthalten die gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften über Finanzdienstleistungen Bestimmungen mit zusätzlichen Anforderungen an eine vorherige Auskunftserteilung, die über die in Artikel 3 Absatz 1 genannten hinausgehen, so gelten diese Anforderungen weiterhin.
(2) Bis zu einer weiteren Harmonisierung können die Mitgliedstaaten strengere Bestimmungen über die Anforderungen an eine vorherige Auskunftserteilung aufrechterhalten oder erlassen, wenn diese Bestimmungen mit dem Gemeinschaftsrecht im Einklang stehen.
(3) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission die einzelstaatlichen Bestimmungen über die Anforderungen an eine vorherige Auskunftserteilung im Sinne der Absätze 1 und 2 mit, wenn es sich dabei um Anforderungen handelt, die zu den in Artikel 3 Absatz 1 genannten hinzukommen. Die Kommission berücksichtigt die mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen bei der Erstellung des Berichts gemäß Artikel 20 Absatz 2.
(4) Um durch alle geeigneten Mittel ein hohes Maß an Transparenz zu schaffen, trägt die Kommission dafür Sorge, dass die ihr mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen auch Verbrauchern und Anbietern zur Verfügung stehen.“
In Art. 5 („Übermittlung der Vertragsbedingungen und Vorabinformationen“) dieser Richtlinie heißt es:
„(1) Rechtzeitig bevor der Verbraucher durch einen Fernabsatzvertrag oder durch ein Angebot gebunden ist, übermittelt der Anbieter dem Verbraucher alle Vertragsbedingungen sowie die in Artikel 3 Absatz 1 und Artikel 4 genannten Informationen in Papierform oder auf einem anderen dauerhaften Datenträger, der dem Verbraucher zur Verfügung steht und zu dem er Zugang hat.
(2) Der Anbieter kommt der Verpflichtung gemäß Absatz 1 unverzüglich nach Abschluss des Fernabsatzvertrags nach, wenn der Vertrag auf Ersuchen des Verbrauchers mittels eines Fernkommunikationsmittels geschlossen wurde, das die Vorlage der Vertragsbedingungen sowie der entsprechenden Informationen gemäß Absatz 1 nicht gestattet.
…“
Art. 6 („Widerrufsrecht“) der Richtlinie bestimmt:
„(1) Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass der Verbraucher innerhalb einer Frist von 14 Kalendertagen den Vertrag widerrufen kann, ohne Gründe nennen oder eine Vertragsstrafe zahlen zu müssen. …
Die Widerrufsfrist beginnt zu laufen:
am Tag des Abschlusses des Fernabsatzvertrags …
oder an dem Tag, an dem der Verbraucher die Vertragsbedingungen und Informationen gemäß Artikel 5 Absatz 1 oder 2 erhält, wenn dieser Zeitpunkt später als der im ersten Gedankenstrich genannte liegt.
…
(2) Das Widerrufsrecht ist ausgeschlossen bei
…
Verträgen, die auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers von beiden Seiten bereits voll erfüllt sind, bevor der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausübt.
(3) Die Mitgliedstaaten können bestimmen, dass das Widerrufsrecht in folgenden Fällen ausgeschlossen ist:
bei einem Kredit, der überwiegend für den Erwerb oder die Erhaltung von Eigentumsrechten an einem Grundstück oder einem bestehenden oder geplanten Gebäude oder zur Renovierung oder Aufwertung eines Gebäudes bestimmt ist; oder
bei einem Kredit, der entweder durch eine Hypothek auf einen unbeweglichen Vermögensgegenstand oder durch ein Recht an einem unbeweglichen Vermögensgegenstand gesichert ist …
…
(6) Übt der Verbraucher sein Widerrufsrecht aus, so teilt er dies vor Fristablauf unter Beachtung der ihm gemäß Artikel 3 Absatz 1 Nummer 3 Buchstabe d) gegebenen praktischen Hinweise in einer Weise mit, die einen Nachweis entsprechend den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften ermöglicht. Die Frist gilt als gewahrt, wenn die Mitteilung, sofern sie in Papierform oder auf einem anderen dauerhaften dem Empfänger zur Verfügung stehenden und ihm zugänglichen Datenträger erfolgt, vor Fristablauf abgesandt wird.
…“
Art. 7 („Zahlung für eine vor Widerruf des Vertrags erbrachte Dienstleistung“) der Richtlinie sieht vor:
„(1) Übt der Verbraucher sein Widerrufsrecht gemäß Artikel 6 Absatz 1 aus, so darf von ihm lediglich die unverzügliche Zahlung für die vom Anbieter gemäß dem Fernabsatzvertrag tatsächlich erbrachte Dienstleistung verlangt werden. Mit der Erfüllung des Vertrags darf erst nach Zustimmung des Verbrauchers begonnen werden. …
…
(3) Der Anbieter darf vom Verbraucher eine Zahlung gemäß Absatz 1 nur verlangen, wenn er nachweisen kann, dass der Verbraucher über den zu zahlenden Betrag gemäß Artikel 3 Absatz 1 Nummer 3 Buchstabe a) ordnungsgemäß unterrichtet worden ist. Er kann eine solche Zahlung jedoch nicht verlangen, wenn er vor Ende der Widerrufsfrist gemäß Artikel 6 Absatz 1 ohne ausdrückliche Zustimmung des Verbrauchers mit der Vertragsausführung begonnen hat.
(4) Der Anbieter erstattet dem Verbraucher unverzüglich und spätestens binnen 30 Kalendertagen jeden Betrag, den er von diesem gemäß dem Fernabsatzvertrag erhalten hat; hiervon ausgenommen ist der in Absatz 1 genannte Betrag. Diese Frist beginnt an dem Tag, an dem der Anbieter die Mitteilung über den Widerruf erhält.
(5) Der Verbraucher gibt unverzüglich und nicht später als binnen 30 Kalendertagen vom Anbieter erhaltene Geldbeträge und/oder Gegenstände an den Anbieter zurück. …“
Art. 11 („Sanktionen“) der Richtlinie 2002/65 lautet:
„Die Mitgliedstaaten sehen angemessene Sanktionen zur Ahndung von Verstößen des Anbieters gegen in Umsetzung dieser Richtlinie erlassene einzelstaatliche Vorschriften vor.
Zu diesem Zweck können sie insbesondere vorsehen, dass der Verbraucher den Vertrag jederzeit kündigen kann, ohne dass ihm daraus Kosten entstehen oder er eine Vertragsstrafe zahlen muss.
Diese Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.“
Deutsches Recht
§ 312b des Bürgerlichen Gesetzbuchs in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: BGB) bestimmt in Abs. 1:
„Fernabsatzverträge sind Verträge über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich Finanzdienstleistungen, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen werden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt. Finanzdienstleistungen im Sinne des Satzes 1 sind Bankdienstleistungen sowie Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Altersversorgung von Einzelpersonen, Geldanlage oder Zahlung.“
In § 312d BGB heißt es:
„(1) Dem Verbraucher steht bei einem Fernabsatzvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 zu. …
(2) Die Widerrufsfrist beginnt abweichend von § 355 Abs. 2 Satz 1 nicht vor Erfüllung der Informationspflichten gemäß § 312c Abs. 2 … und bei Dienstleistungen nicht vor dem Tage des Vertragsschlusses.
(3) Das Widerrufsrecht erlischt bei einer Dienstleistung auch in folgenden Fällen:
bei einer Finanzdienstleistung, wenn der Vertrag von beiden Seiten auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers vollständig erfüllt ist, bevor der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausgeübt hat …
…
(5) Das Widerrufsrecht besteht ferner nicht bei Fernabsatzverträgen, bei denen dem Verbraucher bereits auf Grund der §§ 495, 499 bis 507 ein Widerrufs- oder Rückgaberecht nach § 355 oder § 356 zusteht. Bei solchen Verträgen gilt Absatz 2 entsprechend.
(6) Bei Fernabsatzverträgen über Finanzdienstleistungen hat der Verbraucher abweichend von § 357 Abs. 1 Wertersatz für die erbrachte Dienstleistung nach den Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt nur zu leisten, wenn er vor Abgabe seiner Vertragserklärung auf diese Rechtsfolge hingewiesen worden ist und wenn er ausdrücklich zugestimmt hat, dass der Unternehmer vor Ende der Widerrufsfrist mit der Ausführung der Dienstleistung beginnt.“
§ 346 BGB besagt:
„(1) Hat sich eine Vertragspartei vertraglich den Rücktritt vorbehalten oder steht ihr ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu, so sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben.
(2) Statt der Rückgewähr oder Herausgabe hat der Schuldner Wertersatz zu leisten, soweit
die Rückgewähr oder die Herausgabe nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen ist …
Ist im Vertrag eine Gegenleistung bestimmt, ist sie bei der Berechnung des Wertersatzes zugrunde zu legen; ist Wertersatz für den Gebrauchsvorteil eines Darlehens zu leisten, kann nachgewiesen werden, dass der Wert des Gebrauchsvorteils niedriger war.“
§ 355 BGB bestimmt in Abs. 3:
„Das Widerrufsrecht erlischt spätestens sechs Monate nach Vertragsschluss. Bei der Lieferung von Waren beginnt die Frist nicht vor dem Tag ihres Eingangs beim Empfänger. Abweichend von Satz 1 erlischt das Widerrufsrecht nicht, wenn der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist, bei Fernabsatzverträgen über Finanzdienstleistungen ferner nicht, wenn der Unternehmer seine Mitteilungspflichten gemäß § 312c Abs. 2 Nr. 1 nicht ordnungsgemäß erfüllt hat.“
§ 495 BGB sieht in Abs. 1 vor:
„Dem Darlehensnehmer steht bei einem Verbraucherdarlehensvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 zu.“
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
Im Oktober 2007 schlossen Herr und Frau Romano mit der DSL Bank, einem Kreditinstitut, einen Darlehensvertrag zur Finanzierung ihrer privat eigengenutzten Immobilie.
Dieser als Annuitätendarlehen ausgestaltete Vertrag sah einen bis zum 31. Dezember 2017 festgeschriebenen Zinssatz vor. Gemäß dem Vertrag sollte der Darlehensnehmer eine anfängliche Tilgung in Höhe von 2 % leisten und in der Folge monatliche Raten zur Rückführung von Zins und Tilgung in Höhe von 548,53 Euro erbringen. Die Rückzahlung sollte zum 30. November 2007 mit der Zahlung der ersten Rate beginnen. Die Gewährung des Darlehens war von der Stellung einer Grundschuld als Sicherheit an der in Rede stehenden Immobilie abhängig.
Der Vertragsschluss kam wie folgt zustande.
Die DSL Bank überließ Herrn und Frau Romano ein vorformuliertes, als „Darlehensantrag“ bezeichnetes Dokument sowie als Anlage dazu eine Widerrufsbelehrung, eine Übersicht über die Auszahlungsvoraussetzungen, die Finanzierungsbedingungen sowie ein Dokument mit der Bezeichnung „Information und Merkblatt zum Baufinanzierungsdarlehen für den Verbraucher“ (im Folgenden: Merkblatt).
In der Widerrufsbelehrung hieß es: „Das Widerrufsrecht erlischt vorzeitig, wenn der Vertrag vollständig erfüllt ist und der Darlehensnehmer dem ausdrücklich zugestimmt hat.“
Herr und Frau Romano unterzeichneten den Darlehensantrag, die Widerrufsbelehrung und die Empfangsbestätigung für das Merkblatt und ließen das unterschriebene Exemplar dieser Unterlagen der DSL Bank zukommen. Diese nahm in der Folge den Darlehensantrag von Herrn und Frau Romano in einem Schreiben an.
Herr und Frau Romano stellten die vereinbarte Sicherheit. Auf ihren Wunsch hin brachte die DSL Bank das Darlehen zur Auszahlung. In der Folge begannen Herr und Frau Romano mit der Leistung der vereinbarten Rückzahlungen.
Mit Schreiben vom 8. Juni 2016 widerriefen Herr und Frau Romano den 2007 geschlossenen Darlehensvertrag und machten geltend, die Widerrufsbelehrung sei nach deutschem Recht fehlerhaft.
Nachdem die DSL Bank die Ausübung ihres Widerrufsrechts zurückgewiesen hatte, erhoben Herr und Frau Romano beim Landgericht Bonn (Deutschland) Klage auf Feststellung, dass die DSL Bank infolge des Widerrufs keine Ansprüche mehr aus dem Darlehensvertrag herleiten kann. Zudem verlangten sie von der DSL Bank die Rückerstattung der bis zum Widerruf aufgrund des Vertrags erbrachten Zahlungen sowie die Zahlung von Nutzungsersatz hierauf.
Dem Vorlagebeschluss zufolge handelt es sich bei dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vertrag um einen Fernabsatzvertrag über Finanzdienstleistungen im Sinne von § 312b BGB.
Das vorlegende Gericht führt aus, die in Rn. 21 des vorliegenden Urteils wiedergegebene Angabe in der Widerrufsbelehrung über das Erlöschen des Widerrufsrechts gehe auf § 312d Abs. 3 Nr. 1 BGB zurück, mit dem Art. 6 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2002/65 in deutsches Recht umgesetzt werde. Allerdings finde diese Vorschrift des BGB nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Deutschland) keine Anwendung auf Verbraucherdarlehensverträge, auch wenn sie im Fernabsatz geschlossen worden seien. Bei diesen Verträgen verfüge der Verbraucher über ein Widerrufsrecht, bezüglich dessen nicht § 312d Abs. 3 Nr. 1 BGB, sondern § 355 Abs. 3 in Verbindung mit § 495 Abs. 1 BGB gelte. Nach § 355 Abs. 3 BGB erlösche das Widerrufsrecht jedoch nicht, wenn der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden sei. Das Erlöschen dieses Rechts in dem Fall, dass der Vertrag vor Ausübung des Widerrufsrechts auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers von beiden Seiten bereits voll erfüllt sei, sei nicht vorgesehen.
Vor diesem Hintergrund fragt sich das vorlegende Gericht, ob die in Rn. 21 des vorliegenden Urteils wiedergegebene Angabe zum Erlöschen des Widerrufsrechts korrekt ist und der Verbraucher demnach ordnungsgemäß über sein Recht belehrt wurde.
Schließlich stellt das vorlegende Gericht fest, dass der Wortlaut der Widerrufsbelehrung dahin gehend beurteilt werden könne, dass er für einen Durchschnittsverbraucher, wie er in der Rechtsprechung des Gerichtshofs definiert werde, d. h. einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher, der alle einschlägigen Tatsachen einschließlich der bei den Vertragsverhandlungen bereitgestellten Informationen berücksichtige, hinreichend klar und präzise sei. Hingegen sei die Widerrufsbelehrung nicht hinreichend klar und präzise für einen Durchschnittsverbraucher, wie er in der deutschen Rechtsprechung definiert werde, die auf einen rechtlich weniger kundigen Verbraucher abstelle.
Da das Landgericht Bonn der Auffassung ist, dass die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits von der Auslegung bestimmter Vorschriften der Richtlinie 2002/65 abhänge, hat es beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Ist Art. 6 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2002/65 dahin auszulegen, dass er einer nationalen Rechtsvorschrift oder Gepflogenheit wie der des Ausgangsverfahrens entgegensteht, die bei im Fernabsatz geschlossenen Darlehensverträgen nicht den Ausschluss des Widerrufsrechts vorsieht, wenn auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers der Vertrag von beiden Seiten bereits voll erfüllt ist, bevor der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausübt?
Sind Art. 4 Abs. 2, Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 zweiter Gedankenstrich und Art. 6 Abs. 6 der Richtlinie 2002/65 dahin auszulegen, dass für das ordnungsgemäße Erhalten der vom nationalen Recht entsprechend Art. 5 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a der Richtlinie 2002/65 vorgesehenen Informationen und die Ausübung des Widerrufsrechts durch den Verbraucher nach nationalem Recht auf keinen anderen als einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher in Anbetracht aller einschlägigen Tatsachen und sämtlicher den Abschluss dieses Vertrags begleitenden Umstände abzustellen ist?
Sollten die Fragen 1 und 2 verneint werden:
Ist Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2002/65 dahin auszulegen, dass er einer Rechtsvorschrift eines Mitgliedstaats entgegensteht, die nach erklärtem Widerruf eines im Fernabsatz geschlossenen Verbraucherdarlehensvertrags vorsieht, dass der Anbieter dem Verbraucher über den Betrag hinaus, den er vom Verbraucher gemäß dem Fernabsatzvertrag erhalten hat, auch Nutzungsersatz auf diesen Betrag zu zahlen hat?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 6 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2002/65 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung in ihrer Auslegung durch die nationale Rechtsprechung entgegensteht, die bei einem im Fernabsatz zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher geschlossenen Vertrag über eine Finanzdienstleistung nicht das Widerrufsrecht dieses Verbrauchers für den Fall ausschließt, dass dieser Vertrag auf seinen ausdrücklichen Wunsch von beiden Seiten bereits voll erfüllt ist, bevor er sein Widerrufsrecht ausübt.
Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 6 Abs. 2 Buchst. c dieser Richtlinie das Widerrufsrecht eines Verbrauchers, der im Fernabsatz mit einem Unternehmer einen Vertrag über eine Finanzdienstleistung schließt, bei Verträgen, die auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers von beiden Seiten bereits voll erfüllt sind, bevor der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausübt, ausgeschlossen ist.
Im Ausgangsverfahren sieht § 312d Abs. 3 Nr. 1 BGB, mit dem Art. 6 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2002/65 in deutsches Recht umgesetzt wird, laut dem Vorlagebeschluss vor, dass das Widerrufsrecht erlischt, wenn der Vertrag über eine Finanzdienstleistung von beiden Seiten auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers vollständig erfüllt ist, bevor der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausgeübt hat. Dem Vorlagebeschluss ist allerdings auch zu entnehmen, dass diese Vorschrift des BGB nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht auf Verbraucherdarlehensverträge anwendbar ist, auch wenn sie im Fernabsatz geschlossen wurden, und dass bei diesen Verträgen das Widerrufsrecht in dem in § 312d Abs. 3 Nr. 1 BGB genannten Fall nicht erlischt.
Aus Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2002/65 im Licht ihres 13. Erwägungsgrundes geht hervor, dass diese Richtlinie grundsätzlich eine Vollharmonisierung der von ihr geregelten Aspekte bewirkt. Wie es in diesem Erwägungsgrund heißt, sollten die Mitgliedstaaten nämlich in den durch diese Richtlinie harmonisierten Bereichen keine anderen als die darin festgelegten Bestimmungen vorsehen dürfen, es sei denn, die Richtlinie sieht dies ausdrücklich vor.
Was den Fall betrifft, in dem das Widerrufsrecht gemäß Art. 6 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2002/65 ausgeschlossen ist, so enthält diese Richtlinie keine Bestimmung, nach der ein Mitgliedstaat befugt wäre, in seinem nationalen Recht vorzusehen, dass der Verbraucher über ein Widerrufsrecht verfügt, wenn der Vertrag auf seinen ausdrücklichen Wunsch von beiden Seiten bereits voll erfüllt ist, bevor er sein Widerrufsrecht ausübt.
Somit ist festzustellen, dass Art. 6 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2002/65 in Verbindung mit deren Art. 1 Abs. 1 und im Licht des 13. Erwägungsgrundes dieser Richtlinie einen Mitgliedstaat daran hindert, vorzusehen, dass der Verbraucher in dem in der vorstehenden Randnummer genannten Fall über ein Widerrufsrecht verfügt.
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung von den nationalen Trägern öffentlicher Gewalt verlangt, unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der dort anerkannten Auslegungsmethoden alles zu tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem vom Unionsrecht verfolgten Ziel im Einklang steht (Urteil vom 8. Mai 2019, Praxair MRC, C-486/18, EU:C:2019:379, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Die Verpflichtung zur unionsrechtskonformen Auslegung darf zwar nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen, die nationalen Gerichte müssen aber gegebenenfalls eine gefestigte Rechtsprechung abändern, wenn sie auf einer Auslegung des nationalen Rechts beruht, die mit den Zielen einer Richtlinie nicht vereinbar ist (Urteil vom 8. Mai 2019, Związek Gmin Zagłębia Miedziowego, C-566/17, EU:C:2019:390, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 6 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2002/65 in Verbindung mit deren Art. 1 Abs. 1 und im Licht des 13. Erwägungsgrundes dieser Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung in ihrer Auslegung durch die nationale Rechtsprechung entgegensteht, die bei einem im Fernabsatz zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher geschlossenen Vertrag über eine Finanzdienstleistung nicht das Widerrufsrecht dieses Verbrauchers für den Fall ausschließt, dass dieser Vertrag auf seinen ausdrücklichen Wunsch von beiden Seiten bereits voll erfüllt ist, bevor er sein Widerrufsrecht ausübt. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, das gesamte innerstaatliche Recht zu berücksichtigen und die darin anerkannten Auslegungsmethoden anzuwenden, um zu einer mit dieser Vorschrift im Einklang stehenden Lösung zu gelangen. Dabei hat es erforderlichenfalls eine gefestigte nationale Rechtsprechung abzuändern, wenn sie auf einer Auslegung des nationalen Rechts beruht, die mit dieser Vorschrift unvereinbar ist.
Zur zweiten Frage
Vorbemerkungen
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof dessen Aufgabe ist, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei diesem anhängigen Verfahrens sachdienliche Antwort zu geben. Hierzu hat er die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren. Es ist nämlich Aufgabe des Gerichtshofs, alle Bestimmungen des Unionsrechts auszulegen, die die nationalen Gerichte benötigen, um die bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden, auch wenn diese Bestimmungen in den dem Gerichtshof von diesen Gerichten vorgelegten Fragen nicht ausdrücklich genannt sind (Urteil vom 8. Mai 2019, PI, C-230/18, EU:C:2019:383, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Die zweite Frage betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 2, Art. 5 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 zweiter Gedankenstrich und Abs. 6 der Richtlinie 2002/65.
Im vorliegenden Fall ist dem Vorlagebeschluss zu entnehmen, dass die DSL Bank Herrn und Frau Romano vor dem Abschluss des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vertrags die Information übermittelt hat, dass „[d]as Widerrufsrecht … vorzeitig [erlischt], wenn der Vertrag vollständig erfüllt ist und der Darlehensnehmer dem ausdrücklich zugestimmt hat“.
Das vorlegende Gericht führt aus, diese Information entspreche zwar dem Fall, in dem das Widerrufsrecht gemäß Art. 6 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2002/65 ausgeschlossen sei, treffe aber nicht zu, wenn man sie am nationalen Recht in seiner Auslegung durch den Bundesgerichtshof messe, wonach das Widerrufsrecht nicht erlösche, wenn der Vertrag vollständig erfüllt sei und der Darlehensnehmer dem ausdrücklich zugestimmt habe.
Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a der Richtlinie 2002/65 dem Verbraucher, rechtzeitig bevor er durch einen Fernabsatzvertrag oder durch ein Angebot gebunden ist, u. a. Informationen über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts gemäß Art. 6 dieser Richtlinie zur Verfügung zu stellen sind. Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie sieht vor, dass die in dessen Abs. 1 genannten Informationen, deren geschäftlicher Zweck unmissverständlich zu erkennen sein muss, auf klare und verständliche Weise in einer dem benutzten Fernkommunikationsmittel angepassten Weise zu erteilen sind, wobei insbesondere der Grundsatz von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr sowie der Grundsatz des Schutzes der Personen, die nach dem Recht der Mitgliedstaaten nicht geschäftsfähig sind, wie z. B. Minderjährige, zu wahren sind.
Nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2002/65 übermittelt der Anbieter dem Verbraucher, rechtzeitig bevor dieser durch einen Fernabsatzvertrag oder durch ein Angebot gebunden ist, alle Vertragsbedingungen sowie die in Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 dieser Richtlinie genannten Informationen in Papierform oder auf einem anderen dauerhaften Datenträger, der dem Verbraucher zur Verfügung steht und zu dem er Zugang hat.
In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist die zweite Frage dahin gehend umzuformulieren, dass sie die Frage betrifft, ob Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2002/65 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und Art. 6 Abs. 2 Buchst. c dieser Richtlinie dahin auszulegen ist, dass die Pflicht eines Unternehmers, der im Fernabsatz mit einem Verbraucher einen Vertrag über eine Finanzdienstleistung schließt, diesem Verbraucher, bevor er durch einen Fernabsatzvertrag oder durch ein Angebot gebunden ist, auf klare und verständliche Weise die Information über das Bestehen eines Widerrufsrechts zu erteilen, nicht verletzt ist, wenn der Unternehmer dem Verbraucher mitteilt, dass das Widerrufsrecht bei einem Vertrag, der auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers von beiden Seiten bereits voll erfüllt ist, bevor der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausübt, ausgeschlossen ist, selbst wenn diese Information nicht dem nationalen Recht in seiner Auslegung durch die nationale Rechtsprechung entspricht, wonach das Widerrufsrecht in einem solchen Fall besteht.
Zur Frage
Nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2002/65 in Verbindung mit deren Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a ist der Anbieter verpflichtet, den Verbraucher, bevor dieser durch einen Fernabsatzvertrag oder durch ein Angebot gebunden ist, u. a. über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts gemäß Art. 6 dieser Richtlinie zu informieren.
Da nach Art. 6 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2002/65 das Widerrufsrecht bei Verträgen, die auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers von beiden Seiten bereits voll erfüllt sind, bevor der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausübt, ausgeschlossen ist, muss der Verbraucher im vorvertraglichen Stadium über das Nichtbestehen des Widerrufsrechts in dem von dieser Vorschrift erfassten Fall informiert werden.
Zwar geht aus Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2002/65 hervor, dass die Mitgliedstaaten bis zu einer weiteren Harmonisierung strengere Bestimmungen über die Anforderungen an eine vorherige Auskunftserteilung aufrechterhalten oder erlassen können, wenn diese Bestimmungen mit dem Unionsrecht im Einklang stehen.
Wie sich jedoch aus der Antwort auf die erste Frage ergibt, ist Art. 6 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2002/65 in Verbindung mit deren Art. 1 Abs. 1 und im Licht des 13. Erwägungsgrundes dieser Richtlinie dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die bei einem im Fernabsatz zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher geschlossenen Vertrag über eine Finanzdienstleistung nicht das Widerrufsrecht dieses Verbrauchers für den Fall ausschließt, dass dieser Vertrag auf seinen ausdrücklichen Wunsch von beiden Seiten bereits voll erfüllt ist, bevor er sein Widerrufsrecht ausübt.
Demnach kann ein Mitgliedstaat in seinem nationalen Recht einen Unternehmer, der im Fernabsatz mit einem Verbraucher einen Vertrag über eine Finanzdienstleistung schließt, nicht dazu verpflichten, diesem Verbraucher, bevor er durch einen Fernabsatzvertrag oder durch ein Angebot gebunden ist, eine Information zu erteilen, die den zwingenden Bestimmungen der Richtlinie 2002/65 widerspricht, nämlich die Information über das Bestehen des Widerrufsrechts in dem Fall, dass dieser Vertrag auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers von beiden Seiten bereits voll erfüllt ist, bevor der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausübt.
Da die Richtlinie 2002/65 das Widerrufsrecht des Verbrauchers für den in der vorstehenden Randnummer genannten Fall ausschließt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Unternehmer seine Pflicht gemäß Art. 5 Abs. 1 dieser Richtlinie in Verbindung mit deren Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und Art. 6 Abs. 2 Buchst. c, dem Verbraucher die erforderlichen Informationen zu erteilen, verletzt hat, wenn er ihn nicht über das nach nationalem Recht im genannten Fall bestehende Widerrufsrecht informiert, sondern ihm mitgeteilt hat, dass das Widerrufsrecht in diesem Fall ausgeschlossen sei.
Zu ergänzen ist, dass die Information über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts dem Verbraucher gemäß Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2002/65 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a dieses Artikels auf klare und verständliche Weise erteilt werden muss.
Relevant ist hierbei allein die Wahrnehmung durch den Durchschnittsverbraucher, d. h. einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher (vgl. entsprechend Urteil vom 7. August 2018, Verbraucherzentrale Berlin, C-485/17, EU:C:2018:642, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Die durch die Richtlinie 2002/65 bewirkte Vollharmonisierung der nationalen Vorschriften bedingt nämlich die Anwendung einer in allen Mitgliedstaaten einheitlichen Auslegung des Kriteriums des Referenzverbrauchers.
Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2002/65 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und Art. 6 Abs. 2 Buchst. c dieser Richtlinie dahin auszulegen ist, dass die Pflicht eines Unternehmers, der im Fernabsatz mit einem Verbraucher einen Vertrag über eine Finanzdienstleistung schließt, die Information über das Bestehen eines Widerrufsrechts in einer für einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher im Sinne der unionsrechtlichen Anforderungen klaren und verständlichen Weise zu erteilen, bevor der Verbraucher durch einen Fernabsatzvertrag oder durch ein Angebot gebunden ist, nicht verletzt ist, wenn der Unternehmer dem Verbraucher mitteilt, dass das Widerrufsrecht bei einem Vertrag, der auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers von beiden Seiten bereits voll erfüllt ist, bevor der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausübt, ausgeschlossen ist, selbst wenn diese Information nicht dem nationalen Recht in seiner Auslegung durch die nationale Rechtsprechung entspricht, wonach in einem solchen Fall das Widerrufsrecht besteht.
Zur dritten Frage
Da die dritte Frage nur für den Fall gestellt wurde, dass die Fragen 1 und 2 verneint werden, ist sie angesichts der Antworten auf diese beiden Fragen nicht zu beantworten.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:
Art. 6 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG ist in Verbindung mit deren Art. 1 Abs. 1 und im Licht des 13. Erwägungsgrundes dieser Richtlinie dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung in ihrer Auslegung durch die nationale Rechtsprechung entgegensteht, die bei einem im Fernabsatz zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher geschlossenen Vertrag über eine Finanzdienstleistung nicht das Widerrufsrecht dieses Verbrauchers für den Fall ausschließt, dass dieser Vertrag auf seinen ausdrücklichen Wunsch von beiden Seiten bereits voll erfüllt ist, bevor er sein Widerrufsrecht ausübt. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, das gesamte innerstaatliche Recht zu berücksichtigen und die darin anerkannten Auslegungsmethoden anzuwenden, um zu einer mit dieser Vorschrift im Einklang stehenden Lösung zu gelangen. Dabei hat es erforderlichenfalls eine gefestigte nationale Rechtsprechung abzuändern, wenn sie auf einer Auslegung des nationalen Rechts beruht, die mit dieser Vorschrift unvereinbar ist.
Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2002/65 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und Art. 6 Abs. 2 Buchst. c dieser Richtlinie ist dahin auszulegen, dass die Pflicht eines Unternehmers, der im Fernabsatz mit einem Verbraucher einen Vertrag über eine Finanzdienstleistung schließt, die Information über das Bestehen eines Widerrufsrechts in einer für einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher im Sinne der unionsrechtlichen Anforderungen klaren und verständlichen Weise zu erteilen, bevor der Verbraucher durch einen Fernabsatzvertrag oder durch ein Angebot gebunden ist, nicht verletzt ist, wenn der Unternehmer dem Verbraucher mitteilt, dass das Widerrufsrecht bei einem Vertrag, der auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers von beiden Seiten bereits voll erfüllt ist, bevor der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausübt, ausgeschlossen ist, selbst wenn diese Information nicht dem nationalen Recht in seiner Auslegung durch die nationale Rechtsprechung entspricht, wonach in einem solchen Fall das Widerrufsrecht besteht.
Bonichot
Toader
Rosas
Bay Larsen
Safjan
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 11. September 2019.
Der Kanzler
A. Calot Escobar
Der Präsident der Ersten Kammer
J.-C. Bonichot
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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